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Prolog

Der Abend war einfach göttlich. Wenn es so weitergeht, wird er sich zu einem der unvergesslichsten Erlebnisse meines Lebens weiterentwickeln.

, dachte ich völlig verzückt, als Francis, mein gut aussehender Freund und ich den Club verließen.
Er lag nicht weit entfernt von unserer Wohnung, in die wir erst vor drei Wochen eingezogen waren. Das zwei-Zimmer-Apartment befand sich im südlichen Teil Galways nicht weit weg vom Atlantischen Ozean.
Schon seit meiner Kindheit faszinierte mich die grüne Insel. Die wunderschöne Landschaft und die Irische Mythologie zogen mich magisch an. Als Francis und ich darüber nachdachten im Ausland zu studieren, war ich überglücklich als er Vorschlug uns eine Uni in Irland zu suchen. Wie es schien stand das Glück uns zur Seite, da wir gleich eine passende fanden und diese uns ohne zu zögern annahm. Höchst zufrieden begannen wir unseren Umzug zu planen und zu organisieren.
Da meine Adoptivmutter ein ewiger Single war, beruhigte mich die Vorstellung, dass die Eltern meines Freundes direkt neben ihr wohnten. Seit dreißig Jahren waren unsere Mütter eng miteinander befreundet und fast eben solange lebten sie in derselben Reihenhaussiedlung. Den Ort zu verlassen an dem man sein ganzes Leben verbracht hatte fühlte sich irgendwie komisch an. Ob ich die Deutsche Kleinstadt vermissen würde? Einiges bestimmt.
In manchen Momenten machte mir der Gedanke eine riesen Angst, das Vertraute hinter sich zu lassen. Ins Unbekannte zu treten war gar nicht so einfach wie es sich anhört. Wenn Francis nicht mitgegangen wäre, hätte ich den Mut für diesen Schritt niemals aufbringen können. Dafür war ich ihm sehr dankbar. Er war mein sicherer Anker, mein bester Freund den ich schon mein ganzes Leben lang kannte. Erst vor zwei Jahren legten wir unsere Ängste beiseite und ließen unseren Gefühlen freien lauf. Wir haderten lange mit uns, da wir befürchteten alles aufs Spiel zu setzten was wir hatten.
Doch durch das tiefe Vertrauen in unsere Freundschaft und unsere Liebe, nahmen wir die Chance war und wurden nicht enttäuscht.
Gemeinsam waren wir stark und konnten alles schaffen.
Als wir unsere neue Wohnung zum ersten Mal betraten, waren wir erleichtert, dass diese genauso aussah wie die Bilder, die unsere Vermieter per E-mail geschickt hatten. Die erste Woche hier in Galway verbrachten wir hauptsächlich damit unser neues Zuhause einzurichten und die Umgebung zu erkunden. Wir schafften es geradeso diese schöne und auch stressige Aufgabe bis zum Semesterbeginn fertigzustellen.
Schon vom ersten Tag an kannten die Dozenten keine Gnade mit uns armen Studenten. Jede einzelne Stunde war mit geballtem Wissen gefüllt. Ungeahnt, hatten wir vor lauter Wissenshunger so viele Seminare belegt das auch die Nachmittage bis zum platzen voll gestopft waren.
Nachdem wir uns diesem Stress zwei Wochen ohne entspannenden Ausgleich ausgesetzt hatten, wurde es langsam Zeit sich diesen zu suchen. Durch Zufall hatte ich gehört wie meine Banknachbarin über einen Club gesprochen hatte in dem nur Alternative – Rock gespielt wurde. Natürlich war Francis hell auf begeistert als ich ihm vorschlug den Abend dort zu verbringen. Und wie sich herausstellte war es genau das, was wir gebraucht hatten.
Das wir diesen zu Fuß erreichen konnten stellte sich als wahrer Segen heraus.
Als wir den Heimweg antraten waren wir noch völlig berauscht vom hingebungsvollen Tanzen der Nacht und unsere leidenschaftlichen Gefühle füreinander erhitzten unsere Gemüter.
Es war eine dunkle und sternenlose Nacht, aber davon bekamen wir fast nichts mit, da wir uns eher mit den sinnlichen Bewegungen unserer ineinander verschlungenen Zungen beschäftigten. Oh Mann, der Kerl kann küssen, da zieht es mir jedesmal aufs Neue fast die Schuhe aus! Nichts wie Heim!

, dachte ich voller Vorfreude. Und wie ich meinen Schatz kannte würde die mit Sicherheit auch belohnt werden.
Wir beide konnten manchmal ganz schön widersprüchlich sein. Einerseits wünschten wir uns nichts sehnlicher als endlich in unseren eigenen vier Wänden anzukommen, aber andererseits konnten wir nicht die Finger voneinander lassen.
Somit dehnte sich unser Heimweg bis zum Unendlichen aus.
Werden wir diesen Marathon je bezwingen, oder reist mir gleich hier an Ort und Stelle der Geduldsfaden?

, fragte ich mich als Francis seine Hände bebend über meinen Körper gleiten ließ. Diese Bewegungen signalisierten mir, dass es ihm genauso erging wie mir.
Schnell warf ich einen prüfenden Blick in die Straßen die vor und hinter uns lagen. Nichts, keine Menschenseele. Niemand der uns sehen oder stören konnte. Die Entscheidung war gefallen und der dünne Faden, der meine Selbstbeherrschung aufrecht erhielt war nun endgültig gerissen.
Gerade als unsere Küsse und Berührungen drängender wurden, hallte ein wirklich bösartig klingendes Lachen und Kreischen von den uns umgebenden Wänden wieder. Scheiße. Ausgerechnet jetzt wurden wir gestört. Hätten sich diese Volldeppen nicht noch etwas Zeit lassen können? Aber nein, Vandalen wie diese es sein mochten hielten sich schlicht und ergreifend nicht an meine Bedürfnisse! Na wartet, euch werd ich es zeigen!

, sprach der Frust in meinem Inneren. Ohne große Worte zu verschwenden entschieden wir uns den Heimweg nun doch anzutreten. Francis schnappte sich meine Hand und an dem Druck die diese ausübte, erkannte ich, dass ihm nicht wohl in seiner Haut war.
Sollte es mir auch so gehen? Unterschätze ich die Situation?


Oder war mein Schatz einfach nur leicht zu erschrecken?

, überlegte ich noch, als das Grauen in Form eines erbarmungslosen Brüllens immer näher rückte. Schlagartig lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken, der jegliche Leidenschaft und Rebellion von mir abfallen ließ. Zurück blieb eine erdrückende Angst. Was, wenn dies gar keine harmlosen Vandalen waren, sondern ein paar skrupellose Schläger? Oh Gott, was hatten sie nur vor? In meinem paranoiden Schädel tauchten unzählige Bilder von blutüberströmten Leichen und vergewaltigten Frauen auf.
Doch was diese aus Horrorfilmen bekannten Szenarien so grausam machte, war die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um anonyme Leichen handelte. Nein, mein ach so tolles Vorstellungsvermögen bastelte jedem dieser Opfer die Gesichter von Francis und mir auf die verunstalteten Körper.
Zudem kramte ich in meinem Gedächtnis eine reale Gräueltat aus. Erst vor knapp einem Jahr wurde hier in Galway eine Schweizer Sprachschülerin erwürgt. Der Mörder saß zwar im Gefängnis, aber vielleicht hatte er Komplizen von denen keiner wusste! Sollten wir die nächsten Opfer sein. Ich wollte nicht auf dem Titelblatt der Zeitungen landen, weder Tot noch lebendig!
„Bitte lasst uns in Ruhe!“, appellierte ich etwas zu kleinlaut, so das es nur Francis hören konnte. Als er zu mir rüber schaute entdeckte ich Panik in seinen Augen, es war dieselbe die mich ergriffen hatte. Die Gefahr die in der Luft lag hatte den aus Urzeiten in uns angelegten Fluchtinstinkt zur Folge.
„Lass uns schnell abhauen!“, flüsterte er mir mit unsicherem Unterton zu.
Und wir rannten was das Zeug hielt. Angetrieben durch das Adrenalin, dass durch unsere Adern jagte, waren unsere Körper dazu bereit Höchstleistungen zu geben. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass ich so schnell rennen konnte ohne über meine eigenen Füße zu stolpern. Warum ich in so einer Situation über meine Tollpatschigkeit nachdachte lag sicherlich an meiner erhöhten Ablenkungsbereitschaft, die in keinen Moment meines Lebens wirklich hinein zupassen schien, sich jedoch immer wieder breit machte. Sobald mir diese bewusst wurde, ermahnte ich mich meine Konzentration auf wichtigeres zu lenken. Nämlich die Flucht!
Lauf schneller!

, trieb ich mich an. Doch so schnell wir auch rannten, das bösartige Lachen schien schneller zu sein. Je näher die feindseligen Stimmen kamen, desto mehr stellten sich meine Nackenhaare aufrecht. Sie wurden immer lauter und durch das Echo konnten wir nicht erkennen aus welcher Richtung sie kamen. Mit von Panik geweiteten Augen schauten wir uns nach der Bedrohung um. Hier und da flackerten ein paar in die Länge gezogene Schatten auf, aber sonst war nichts zu sehen.
Plötzlich ertönte eine grausam klingende männliche Stimme.
„Es hat keinen Zweck wegzulaufen, denn wir kriegen euch sowieso!“
Und als ob dies noch nicht genug wäre wurde diese Botschaft von einem hysterischen Kichern noch zusätzlich untermalt.
Immer wieder wurde das zweigeteilte Grauen von den Wänden wiedergegeben. Dieses beschissene Echo, führte nicht gerade dazu dass ich mich beruhigte. Nein, es feuerte mein Herz nur noch mehr an und es schlug so fest gegen meine Rippen, dass man meinen konnte es wolle herausspringen. Dem Herzschlag folgend strömte das Blut wie ein reißender Fluss durch meine Halsschlagadern. Das Rauschen welches dadurch entstand, übertönte meine stoßweise Atmung völlig. Hoffentlich hält mein Körper diese Scheiße noch ein bisschen aus! Wenn ich jetzt umkippe ist keinem geholfen. Hm, zumindest die Irren die uns folgen würden sich darüber freuen. Aber diesen Gefallen tue ich ihnen nicht! … Warum sind wir eigentlich in eine so verdammt ruhige Gegend gezogen? Wir haben drei Uhr morgens und keine Menschenseele ist hier Unterwegs! Aber an welchem Ort dieser Welt ist zu dieser Zeit eigentlich überhaupt noch was los? Wo immer das sein mag, dort will ich auf der Stelle hin!

Während ich mich fragte wo dies wohl sein mochte, kam mir ein viel produktiverer Gedanke!
Doch bevor ich ihn aussprechen konnte wurde meine Angst von einer weiteren Lach und Kreischsalve weiter angeschürt. Diese Mistkerle waren viel schneller als wir, so erklärte ich mir jedenfalls die immer lauter werdenden Jagdrufe.
„Wir… müssen … uns … verstecken … sie … kommen … immer … näher!“ Und so stieß ich völlig außer Puste meinen einen nützlichen Gedanken doch noch aus.
Schneller als es bei mir der Fall gewesen wäre, verarbeitete Francis das Gehörte und zog mich auch schon einen Sekundenbruchteil später in eine Gasse. Diese war sehr unübersichtlich, aber das war ja genau das was wir suchten! Die sich anbietenden Verstecke waren jedoch spärlicher gesät als wir angenommen hatten. Die komplette Gasse war in ein schummriges Licht getaucht. Zwei große, stinkende Mülltonnen verunstalteten die linke Seite. Auf der anderen führte eine im Verfall begriffene Treppe zu einer massiven Stahltür, hinter der sich vermutlich die Kellerabteile des Hauses befanden. Insgesamt lagen uns also zwei Möglichkeiten offen, die Mülltonnen oder die Tür. Wir entschieden uns für die in die Tiefe führende Treppe. Unten angekommen zeigte uns das Schicksal, dass es heute nicht gut für uns bestellt war.
„Mist! Abgeschlossen!“, fluchte ich in einem leiseren Ton als sonst.
Um keine Zeit zu verschwenden schleifte mich mein Freund schon wieder nach oben und zeigte auf die letzte uns verbleibende Chance.
Igitt! Eine stinkende Mülltonne. Bäh! Rein bekommt mich da niemand! Eher gebe ich freiwillig auf!

, redete ich mir Gedanklich gut zu. Doch als ich die am Boden verstreuten Kartons liegen sah, lobte ich die Faulheit der Menschen. Mein schlauer Francis hatte in Null Komma nix meinen hysterischen Blick gedeutet und zog mich und ein Paar riesen Pappschachteln hinter den Container.
Schnell krabbelten wir unter die lieblos behandelte Verpackungsware und setzten uns aneinander geklammert auf den dreckigen Boden. Da es zwischen diesen Ungetümen von Kartons ganz schön muffelte, hoffte ich das die Qual wenigstens ihren Sinn erfüllte und wir unentdeckt blieben.
Immer wieder musste ich meine Atmung bewusst regulieren, da diese vor Angst und der zuvor bewältigten Anstrengung nur stoßweise aus meiner Lunge entwich. Wenn ich dies nicht bald in den Griff bekomme unterschreibe ich dadurch noch unser Todesurteil!

, klärte der vernünftige Teil von mir den anderen auf. Meine irrationale und panische Seite gab sich geschlagen.
Folglich inhalierte ich die stickige Luft etwas ruhiger, aber das Zittern meiner Muskeln konnte ich nicht verhindern. Deshalb versuchte ich meinen Körper ganz klein zu machen, damit dieser keinen Kontakt zu den Schachteln um uns herum hatte. Dies war zwar vergebens, aber wenigstens hatte ich es versucht! Um meine Panik zu dämpfen streichelte der Engel, der neben mir saß behutsam meinen Kopf. Beim Versuch ihm in seine fast türkisfarbenen Augen zu schauen, wendete er schnell den Blick ab. Vermutlich wollte er nicht, dass ich in ihnen die Angst sehen konnte, welche auch ihn eingenommen hatte. Er wollte mich beschützen das konnte ich spüren. Auch wollte er meine Angst durch seine eigene nicht noch verstärken. Dankbar erhöhte ich den Druck meiner Arme, um ihn noch näher an mir zu spüren und er tat es mir gleich. Unsere aneinander gedrückten Herzen rannten um die Wette und stachelten sich gegenseitig zu einem noch schnelleren Lauf an.
Ich wollte ihn fragen was er von der Situation hielt, wollte wissen wie er unsere Chancen einschätzte, stattdessen schwieg ich. Und dies fiel mir verdammt schwer.
Mit der beträchtlichen Anspannung die sich in uns breit gemacht hatte, lauschten wir nach Geräuschen die uns den Aufenthaltsort unserer Verfolger genannt hätten. Nichts! Plötzlich herrschte eine Totenstille.
Hatte das etwas Gutes oder eher etwas Schlechtes zu bedeuten?
Und wie es manchmal so war, kam die Antwort auf die Frage gleich mitgeliefert!
Denn wie aus heiterem Himmel stoben die Kartons - die unseren einzigen Schutz darstellten - von uns weg. Aber es gab keinen sichtbaren Hinweis dafür. Niemand war zu sehen der sie hätte wegziehen können. Zudem herrschte absolute Windstille.
Einen Wimpernschlag später lösten sich aus dem dunklen Hintergrund die Umrisse von zwei Personen. Beim genaueren Hinsehen konnte man erkennen das einer von ihnen sehr weibliche Formen hatte, während der andere ein wahres Muskelpaket zu sein schien. Keine Sekunde später waren der furchteinflößende Mann und seine nicht minder beeindruckende Begleiterin schon viel zu nah an uns herangetreten.
Mein Herz setzte für ein paar Takte aus, nur um danach in einem noch schnelleren Tempo weiter zuschlagen.
Da es stockdunkel war, konnte ich nur ihre Schemen ausfindig machen. Man konnte weder ihre Gesichter noch ihre Mimik erkennen und ich wusste nicht, ob es mich eher beunruhigen oder trösten sollte.
Mein furchtbar krankes Hirn half mir wieder einmal auf die Sprünge und setzte dem Unerkenntlichen Masken auf, die zum Erschrecken verzerrt waren. Wie paralysiert saß ich auf dem Boden, zu starr um zu reagieren.
Francis hingegen bewahrte die Fassung, zog mich nach oben und hinter sich, damit wir ihnen nicht am Boden kauernd wehrlos ausgeliefert waren. Die Bewegung befreite mich aus meiner Ohnmacht und ich wollte unsere Angreifer fragen, was sie von uns wollten doch ich brachte keinen Ton heraus. In dem Moment als ich dies herausfand spürte ich eine unsichtbare Kraft, die mich gegen die Wand hinter uns presste. Was war denn hier los? Wie konnte das sein?
Als ich verwirrt und ängstlich zu Francis hinüber blickte, bemerkte ich, dass auch er gegen den Beton gedrückt wurde. Todesangst erfasste mich.
Ich will noch nicht sterben! … Lasst wenigstens Francis in Ruhe!

, schrie ich innerlich, da meine Stimmbänder immer noch keinen Ton produzieren konnten.
Die beiden Angreifer lachten noch einmal auf und auch diesmal klang dieselbe Grausamkeit mit, die ich vorhin schon herausgehört hatte. Sadisten!
Der Mann vollzog eine ruckartige Bewegung mit seinem rechten Arm, welche dazu führte das sowohl Francis als auch mein Kopf gegen die Mauer gestoßen wurden. Ich erwartete die berühmten Sternchen zu Gesicht zu bekommen, stattdessen breitete sich eine Schwärze vor meinen Augen aus. Am Rande meines Bewusstseins bekam ich noch mit wie meine Beine nachgaben und ich langsam zu Boden ging.
Ich liebe dich Francis! Es tut mir so Leid das es so mit uns enden muss!


Dies war der letzte Gedanke den ich fassen konnte, bevor ich das Bewusstsein verlor. Immerhin konnte ich so keine Schmerzen spüren.

Impressum

Texte: Der Text, die Geschichte, die Personen und die nicht Existierenden Orte sind mein geistiger Eigentum. ;)
Tag der Veröffentlichung: 20.04.2010

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