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Wenn wir an Silvester und Neujahr denken, gibt es in der Regel nur einen Gewinner. Denn gegen den letzten Tag des Vorjahres hat der erste Tag des neuen Jahres nicht viel auszurichten. Abgesehen von der ersten Stunde des neuen Jahres, nachdem wir alle freudig angestoßen und unser Feuerwerk verschossen haben, bleibt dem Neujahrstag nämlich nur all der Müll, den das farbenfrohe Spektakel des Vorabends hinterlassen hat. Entsprechend schlafen viele Menschen an Neujahr gerne lange aus und verarbeiten den Kater der vergangenen Stunden. Doch 2013 war bei mir alles anders.

Als mich der Wecker um 5 Uhr morgens aus dem Schlaf riss, fehlte mir erst einmal jegliche Orientierung. Ich war nach der ausgedehnten Silvesterfeier erst gegen 3 Uhr morgens zur Ruhe gekommen. Der nervige Krach der Böller und das Zischen der Feuerwerke waren schon länger verstummt, aber irgendwie konnte ich keinen Schlaf finden. Als ich dann penetrant piepend aus dem Tiefschlaf gerissen wurde, hatte ich wohl gerade einmal zweieinhalb Stunden Ruhe hinter mir – für die typischen Schlafbedürfnisse eines 19jährigen weitaus zu wenig. Und etliche Stunden von der Schlafausbeute vorangegangener Neujahrsmorgen entfernt.

Verschlafen guckte ich also auf meinen Wecker und konnte es nicht fassen. Das verdammte Teil musste durch irgendeinen Fehler von selbst angesprungen sein, denn ich hatte den Wecker definitiv nicht in einem spontanen Wahn eingeschaltet. Mit gespitzten Ohren lauschte ich und stellte fest, dass meine nebenan schlafenden Eltern von meinem ungewollten Weckdienst wohl nichts mitbekommen hatten und friedlich weiterschlummerten. Meine spontane Reaktion war nicht schwer nachzuvollziehen, schließlich bin ich notorischer Langschläfer. Mit ein paar schlaftrunkenen Handgriffen entfernte ich die Batterie aus dem Wecker und knallte das nun verstummte Stück Plastik zurück auf den Nachttisch. Noch einmal würde ich mich nicht durch einen Fehler dieses Billigteils wecken lassen!

Doch das war auch gar nicht nötig. Denn trotz meiner geringen Schlafausbeute konnte ich einfach nicht mehr einschlummern. Nachdem ich mich dann noch ein paar Minuten hin- und hergewälzt hatte, fasste ich schließlich einen Entschluss. Warum sollte ich nicht aus der Not einfach eine Tugend machen und die frühen Morgenstunden nutzen, die ich unerwarteter Weise vom Schicksal geschenkt bekommen hatte? Also schwang ich mich aus dem Bett, zog mich bedacht leise an und tastete mich die Treppe hinunter. Keine zwei Minuten später hatte ich meine Wintersachen angezogen und zog behutsam die Haustür hinter mir ins Schloss. Und dann atmete ich in der kalten Morgenluft erst einmal richtig durch.

Es waren eigenartige Momente, die ich an Neujahr 2013 in den frühen Morgenstunden erlebte. Die Straßen waren fast komplett ausgestorben. Nur die durch den Regen matschigen Überreste etlicher Silvesterfeten begegneten mir auf meinem Trip. Durch dieses Trümmerfeld der Feuerwerksraketen zu laufen, rief eine tiefe Melancholie in mir hervor. Es fühlte sich an, wie die Ruhe nach dem Sturm. Wie der erste Sonnenstrahl nach einem Platzregen. Die klare Morgenluft war im Vergleich zum rauchigen Knallkörperanzünden der vergangenen Nacht ein wahrer Segen. Während ich einsam die immer noch mit leichtem Schnee bedeckten Wege entlangging, machte ich mir meine Gedanken über das Jahr 2013.

Dieses Jahr würde mein Abitur anstehen. Und dann der Schritt in die große weite Welt. Hinaus aus der Schule und hinein in die Selbstständigkeit. Normalerweise haben diese Gedanken in mir immer eine gewisse Angst hervorgerufen. Doch an diesem Neujahrsmorgen sollten mich in der Klarheit des Moments sämtliche Sorgen unberührt lassen. Ich stand für mehr als eine halbe Stunde an dem kleinen See, der einen paar Kilometer von meinem Haus entfernt an einem Waldrand liegt. Ich blickte aufs Wasser, stapfte durch den Schnee und genoss mit jedem Atemzug die klare Luft. Es war ein privates Stückchen Freiheit. Ein Erlebnis, das ich nicht vergessen werde.

Das neue Jahr hat für mich also höchst ungewöhnlich begonnen. Vielleicht ein Hinweis auf das, was zwölf neue Monate noch für mich bereithalten werden. Für mich waren es jedenfalls unbeschreiblich schöne und ruhige Momente, die meinen Jahresanfang zu einem ganz besonderen und persönlichen Erlebnis haben werden lassen. Ich kann euch allen nur dazu raten – es lohnt sich. Und aus diesen Momenten habe ich auch schon die erste Erkenntnis gewonnen, die mich durch dieses Jahr geleiten wird: Man kann der ganzen Hektik des Alltags entkommen, wenn man ein bisschen früher aufsteht und sich Zeit für sich selbst nimmt.

Den Verursacher meines morgendlichen Ausflugs habe ich im Anschluss übrigens reich entlohnt. Mein Wecker hat jetzt eine nagelneue Batterie …

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Texte: Tobias Greiser
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2013

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