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Rache

Der Tek zog hinkend und stolpernd einen Sack hinter sich den Gang hinunter. Die Servomotoren und hydraulischen Elemente seines halb menschlichen, halb künstlichen Körpers pfiffen und schnaubten. Jesaja stand an der Wand und betrachtete die schier endlosen Datenpaneele. Hart bemühte er sich, die Kreatur nicht zu beachten. Doch so sehr er es versuchte, musste er aus dem Augenwinkel immer wieder einen Blick riskieren. Wie alle Adepten fürchtete er sich auch vor diesen merkwürdigen, verstümmelten Figuren.

 

Keuchend bewegte er sich langsam weiter. Den Weg, den er bereits zurückgelegt hatte, kennzeichnete ein roter Strich auf dem Boden. Aufgrund des schlenkernden Ganges glich er einer endlosen, scharlachfarbenen Schlange.

Aus den versteckten Winkeln und Öffnungen der Wände krabbelten kleine mechanische Insekten hervor und stürzten sich auf die Blutspur. Ein durchdringendes Surren erfüllte den Flur, als die widerwertigen Geschöpfe begannen, sich an diesem kargen Mal zu laben.

Der Tek war endlich vorbei und Jesaja atmete auf. Er wollte nicht wissen, warum es aus dem Beutel blutete.

Naaman kam ihm entgegen gerannt.

»Program Esau möchte Dich sofort in seiner Kammer sehen«,

rief er schon von weitem.

Augenblicklich stiegen Angst und Ekel in Jesaja hoch.

»Sofort. Er wirkte sehr ungehalten.«

Leicht schwitzend kam der andere Adept vor ihm zu stehen.

Seine ohnehin fahle, ungesunde Hautfarbe erschien in dem grünen Licht der Myriaden, matt aufblinkender Lämpchen noch kränklicher. Er versuchte ein Lächeln, doch es gelang ihm nicht. Zu sehr ergriff ihn die Bestürzung über die überbrachte Botschaft. Wusste er doch selbst zu genau, was sie bedeutete.

»Gleich. Ich muß nur noch hier ...«

»Er sagte ausdrücklich sofort. Du weißt, dass sie keine Verzögerung oder Widerspruch erdulden.«

Seufzend machte sich Jesaja auf den Weg in Richtung der Kammer des Program.

Sein Weg führte ihn durch die verwinkelten und verschlungenen Wege der riesigen Raumstation. Eigentlich war es ein einziger großer Computer, ein Datenspeicher, am Lagrange Punkt eines Gasriesen schwebend, irgendwo in der unendlichen Galaxis. Nur einer von vielen Stützpunkten, die die Menschheit bei der Eroberung der Milchstraße errichtet hatten. Ursprünglich errichtete man sie, um das gesamte Wissen zu speichern. Alle Erfahrungen, Musik, Literatur und Wissenschaft. Doch durch die gewaltigen Konzerne, die sie einstmals entwickelt und geplant hatten, waren sie zu Informationssammlern verkommen. Über jeden Bewohner, einer jeden Welt, trugen sie Informationen zur Lebensweise, zum Kaufverhalten und Bewegungsmuster zusammen. Aus rein kommerziellen Zwecken. Die großen Konzerne, die nun das Leben bestimmten und alle versuchten zum Konsum anzustacheln, bedienten sich ihrer. Betrieben wurden sie von einer Priesterkaste, den Program. Ausschließlich Männer, die die Maschinen überwachten, warteten und pflegten. Zur Seite standen ihnen die Adepten. Kinder, kleine Jungen, die, meist ohne Eltern geboren, in den Nischen des Systems gefunden wurden und auf den immensen Stationen ihre Ausbildung erfahren sollten, um die Maschinen weiter am Leben zu erhalten. Wenn eine ausreichende Zeit vergangen war und die Adepten genügend Erfahrungen im Umgang mit den gewaltigen Anlagen hatten, wurde ihnen ein Datenport in den Hinterkopf gerammt, der automatisch eine Verbindung mit dem neuralen System einging und dadurch eine virtuelle Verbindung zum Rechensystem herstellte. Doch viele überlebten diesen Vorgang nicht. Der Nervenschock, ohne Betäubung ein bioelektrisches Teil in das junge, sich in der Entwicklung befindende Gehirn gebohrt zu bekommen, erzeugte unsagbare

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: T. Hentschel
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 01.09.2016
ISBN: 978-3-7396-7147-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Adele und Ruskya

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