Was tun, wenn die Luft knapp wird?
(und ein Reisebericht, der Mut macht)
Die Diagnose COPD ist für jeden, der sie erhält, erst einmal ein Schock. Viele wissen in dem Moment nicht einmal, was COPD eigentlich bedeutet. Ängste kommen hoch, die das typische Merkmal der COPD, die Luftnot, zusätzlich verschlimmern. Wie kann man damit umgehen?
Der Autor, der seit mehr als 30 Jahren mit COPD mit Lungenemphysem lebt, berichtet aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz, klärt über die Krankheit auf und zeigt, wie er selbst mit der immer noch unheilbaren Krankheit klarkommt und was trotz aller Einschränkungen möglich sein kann.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliographie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Impressum
© 2022, Copyright by Roland Blümel
Grandweg 100
22529 Hamburg
Lektorat: Petra Bülow
Beginnen möchte ich mit ein paar allgemeinen Bemerkungen zu dieser immer noch bei vielen Menschen unbekannten Krankheit. COPD steht für "chronic obstructive pulmonary disease", was übersetzt so viel heißt wie „chronisch obstruktive Lungenerkrankung“. Statistiken besagen, dass allein in Deutschland mittlerweile etwa sieben bis acht Millionen Menschen an COPD leiden.
Mit meinem ersten Buch "COPD – Mein positives Leben mit der unheilbaren Krankheit" habe ich bereits versucht, nicht nur Patienten, sondern auch Angehörige über diese Erkrankung aufzuklären. Außerdem möchte ich Mut machen und Tipps dazu geben, wie man mit der Krankheit umgehen und an vielen Stellen Besserung erzielen kann, um nicht daran zu verzweifeln. Manches davon werde ich in diesem Buch aufgreifen und vertiefen, vieles ist neu.
Zur COPD gehört auch die chronische Bronchitis. Dabei sind die Bronchien dauerhaft entzündet. Laut der Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) wird eine Bronchitis dann als chronisch bezeichnet, wenn die wesentlichen Symptome Husten und Auswurf in zwei aufeinander folgenden Jahren über mindestens drei Monate pro Jahr durchgehend bestehen.
Häufig leiden Menschen, wie auch ich selbst, unter COPD mit Lungenemphysem. Gemäß Wikipedia versteht man unter Lungenemphysem oder auch nur Emphysem folgendes: Als Lungenemphysem (der Lunge) oder chronische Lungenblähung wird eine irreversible Überblähung der kleinsten luftgefüllten Strukturen (Lungenbläschen, Alveolen) der Lunge bezeichnet. Es ist der gemeinsame Endpunkt einer Reihe von chronischen Lungenerkrankungen.
Dieser Lungenschaden ist nicht heilbar. Die Lunge enthält zu viel verbrauchte Luft, die sich nicht mehr ausatmen lässt, weswegen sich die Lunge überbläht.
Bei mir wurde vor über 30 Jahren eine COPD mit Lungenemphysem diagnostiziert. Das heißt, meine Atemwege sind chronisch verengt, meine Lunge ist überbläht und viele Lungenbläschen, die für den Sauerstoffaustausch wichtig sind, sind irreparabel zerstört. Statt ganz vieler kleiner gibt es eine ganze Reihe größerer Lungenblasen. Das hat mein Leben nachhaltig beeinflusst.
Als ich die Diagnose erhielt, war ich gerade 30 Jahre alt. Ich bin also bereits mein halbes Leben lang krank. Das war damals ein herber Schlag. Mein Arzt erklärte mir, dass es nicht mehr besser werden würde, dass man mit Medikamenten lediglich die Verschlimmerung hinauszögern, also auch nicht stoppen könnte.
Natürlich war ich geschockt, als mir dies mitgeteilt wurde. Fast wäre ich in eine Depression abgeglitten. Das geht nach meiner Erfahrung vielen Betroffenen so. Es fühlte sich an, als ob das Leben zu Ende wäre und ich nur noch wenige Jahre zu leben hätte.
Ganz typisch für die COPD ist die Tatsache, dass sie sich quasi anschleicht, zuerst beinahe unbemerkt, und irgendwann stellt man fest: Ich bekomme nicht mehr gut Luft, und der Zustand hält an.
Viele Dinge, die ich vorher mit Begeisterung gemacht hatte, gingen mit einem Mal nicht mehr. Ich spielte bis dahin gern Fußball, Volleyball oder Tischtennis, hatte mir gerade einen Tennisschläger besorgt und mit dem Tennisspielen begonnen. All das konnte ich nun vergessen. Stattdessen hieß es, Medikamente zu nehmen, alle Anstrengungen schön dosiert zu absolvieren und irgendwie damit klarzukommen. Was hinzukam war die Angst vor der Luftnot, die Angst, im Extremfall sogar zu ersticken, und diese Angst begleitete mich über lange Zeit.
COPD gehört mittlerweile zu den häufigsten Todesursachen. Nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs sind Atemwegserkrankungen die Nummer 3. Wobei ich gleich zu Beginn mit einer häufig zu hörenden Falschaussage aufräumen möchte: COPD ist kein Todesurteil, und die Frage nach der Lebenserwartung lässt sich nicht pauschal beantworten. Dazu später mehr. Ich lebe mittlerweile wie gesagt seit mehr als 30 Jahren damit und hoffe, dass noch viele Jahre dazukommen.
Im ersten Teil dieses Buchs werde ich einiges aus meinem persönlichen Erleben schildern bis hin zu meinem Abenteuer Neuseeland. Im zweiten Teil werde ich mich ausführlich mit verschiedenen Themen im Zusammenhang mit COPD beschäftigen, die für Betroffene und ihre Angehörigen wichtig sein können. Hierzu gehört auch das Thema Angst, das vermutlich den meisten COPD-Patienten mehr oder weniger stark begegnet.
Ich möchte eingangs aber noch einmal ausdrücklich betonen, dass ich kein Arzt bin und mir das medizinische Wissen nur angelesen habe. Es ist mir jedoch wichtig, dass ich neben meinen persönlichen Erfahrungen mit der Krankheit auch den medizinischen Hintergrund, so gut es mir möglich ist, weitergebe.
Noch ein persönliches Wort: Ich versuche zu meinen Lesern eine Beziehung aufzubauen und werde zum Du übergehen. Ich hoffe, das ist in Ordnung! Ansonsten ersetzen Sie das Du einfach durch ein Sie.
Ich bin von Natur aus kein ängstlicher Mensch. Ich habe zum Beispiel nicht wie Majestix aus den Asterix-Büchern Angst, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt. Was das anbetrifft, bin ich relativ entspannt. Auch vor Spinnen habe ich keine Angst, wenngleich diese mir nicht sonderlich sympathisch sind und ich sie zuhause ungern beherberge. Gleiches gilt für Schlangen und Ratten.
Was ist eigentlich Angst? Angst ist zum Beispiel die Befürchtung, körperlich oder auch geistig Schaden zu nehmen. Es kann aber auch die Furcht vor Situationen sein, in denen man sich unsicher fühlt, oder die Sorge davor, sich möglicherweise zu blamieren, zu scheitern oder ähnliches. Ein Mensch, der Angst empfindet, ist in diesem Moment besorgt und erregt.
Zurück zu mir. Nur vor ein paar Dingen habe ich Angst: vor Höhe, vor hohen bzw. wackeligen Brücken, vor dem Autofahren, Angst vor der Angst und insbesondere davor, dass mir die Luft wegbleibt. Und da wären wir schon bei dem Zusammenspiel meiner beiden Hauptprobleme.
Ein zusätzliches Handicap neben der COPD ist meine Höhenangst. Hierfür gibt es einen "schönen" Fachbegriff: Akrophobie. Sie tritt laut Wikipedia unter anderem auf Türmen, hohen Bergen, vor Abhängen, auf Brücken, Hochhäusern, Balkonen und Leitern auf.
Mir hilft es auch nicht zu wissen, dass diese Angst eigentlich irrational ist, wenn ich zum Beispiel im 5. Stock auf dem Balkon stehe und da eine Mauer ist, die mir bis zur Brust reicht. Es bleibt unangenehm, wenn ich vom Balkon hinuntersehe. Aber ich bin dennoch in eine Wohnung im 5. Stock gezogen, weil die Aussicht von hier oben, speziell bei Sonnenuntergang, traumhaft ist, und ich mich meinen Ängsten stellen möchte.
Weiter schreibt Wikipedia: Psychische Symptome der Akrophobie sind neben der eigentlichen Angstreaktion etwa Depersonalisation, intensive Vorstellungen, aus Versehen in die Tiefe zu stürzen oder dies unter einem Kontrollverlust bewusst zu tun. Unter Depersonalisation versteht man Selbstentfremdung.
Und natürlich treten bei akuter Höhenangst Beschwerden auf wie zum Beispiel Herzklopfen, aber auch Atemnot. Dies gilt wie gesagt aber für die meisten Ängste und Situationen, in denen man aufgeregt ist. Was Menschen Angst macht, kann durchaus sehr unterschiedlich sein. Manche fühlen sich zum Beispiel im Fahrstuhl unwohl, anderen steht ein unangenehmes Gespräch bevor oder sie fürchten sich in einer großen Menschenmenge, wieder anderen macht es Angst, vor fremden Menschen zu sprechen. Dies sind nur einige Beispiele. Wenn man mal die Liste der Ängste durchgeht, dann staunt man, wovor Menschen Angst haben können. Zum Glück leide ich nur unter einigen wenigen dieser Ängste, aber es sind leider mehr als genug.
Meine persönliche Lösung für die Akrophobie lautete früher immer: Höhen vermeiden. Es ist sicherlich eine natürliche Reaktion, Situationen, die einem Angst machen, zu meiden. Gut, mit COPD und Lungenemphysem Berge hochzusteigen, bietet sich ohnehin nicht an, denn da würde sich die Kurzatmigkeit durch die Anstrengung mit der Atemnot wegen der Höhenangst potenzieren. Überhaupt strengte es mich zu manchen Zeiten unglaublich an, selbst kleinere Steigungen zu bewältigen. Auf Berge oder Hügel zu steigen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Für Treppensteigen galt ähnliches.
Aber man kann natürlich auch auf andere Weise an einem hoch gelegenen Punkt oder auf einem Berg landen, wenn man zum Beispiel durch einen Lift nach oben gelangt oder mit dem Auto dorthin gefahren wird. Allein der Gedanke an eine Schlucht, über die nur eine mehr oder weniger wackelige Hängebrücke führt, verursacht bei mir schon Schweißausbrüche und schnelleres Atmen.
Das war also mein Paket, als es hieß: Herr Blümel, Sie haben COPD mit Lungenemphysem. Und jetzt? Nur noch alles ganz langsam tun, um nur ja nicht außer Puste zu kommen, schön im Flachen bleiben, und vielleicht irgendwann die Wohnung gar nicht mehr verlassen? Viele Leidensgenossen schränken aus Angst vor Luftnot ihren Bewegungsradius so weit ein, dass er schließlich auf dem Sofa endet. Was sind das für Aussichten?
Ich blickte also trostlos in die Zukunft und hätte mir nie vorstellen können, wie gut mein weiteres Leben verlaufen, wieviel Freude ich erleben und wie gut es mir gelingen würde, mit der Krankheit klarzukommen.
Das Problem ist wie gesagt, dass man COPD nicht heilen kann. Man kann nur die Verschlechterung bremsen. Durch den Alterungsprozess verringert sich die Lungenkapazität bei jedem Menschen ohnehin, insbesondere wenn man nicht dagegen an arbeitet, wie zum Beispiel durch regelmäßige Bewegung und Training.
Leider hat jede Erkältung, jede Bronchitis, jeder grippale Infekt gerade bei Lungenkranken gravierende Auswirkungen. Man nennt das Exazerbation, ein Wort, bei dem ich mir beim Aussprechen jedes Mal die Zunge breche. Eine Exazerbation ist eine plötzliche Verschlechterung des Gesundheitszustands. Typisch hierfür sind zunehmende Atemnot, stärkerer Husten mit verstärkt zähem Schleim, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Fieber. Im Laufe der Jahre hatte ich diverse Anfälle dieses Zungenbrechers, und jedes Mal war dies mit erheblicher Atemnot verbunden und mit der bangen Frage: Wird es jemals wieder besser werden oder bleibt es so schlecht und wird vielleicht sogar noch schlimmer?
Manches Mal war schon das Zähneputzen oder das Waschen eine Qual. Etwas im Mund zu haben, wie zum Beispiel beim Zahnarzt, mag ich ohnehin nicht besonders. Aber bei Erkältungen, wenn die Nase verstopft war, bekam ich schon beim Zähneputzen kaum Luft. Vor der vorgebeugten Haltung beim Haarewaschen graute mir jedes Mal ganz besonders, wenn ich erkältet war.
Die Krönung des "Genusses" war und ist bei mir und vielen Leidensgenossen der Lungenfunktionstest beim Arzt. Den kennen und fürchten vermutlich fast alle COPD-Patienten. Später werde ich ausführlicher darauf eingehen.
Auch das Bücken bereitete immer größere Probleme. Etwas vom Boden aufzuheben, war jedes Mal mit Luftnot verbunden, und ich musste danach schwer nach Atem ringen. Schuhe und Strümpfe anzuziehen, wurde auch mit einem Mal zu einer echten Herausforderung. Warum sind die Füße nur so weit entfernt? Beim Einkaufen musste ich mich vornehm zurückhalten. Meine Frau schleppte die meisten Einkäufe und hob auch Getränkekisten ins Auto. Ich kam mir dabei ziemlich blöd vor, fühlte mich wie ein Pascha.
Spazierengehen funktionierte nur mit vielen Pausen, und sich dabei zu unterhalten, ging zeitweise gar nicht. Entweder Gehen oder Sprechen war für mich die Alternative. Im fortgeschrittenen Stadium bekommen manche Patienten sogar beim Essen Luftnot, was ich bei einem Klinikaufenthalt mitbekommen habe. So weit war ich zum Glück noch nicht, aber solche Berichte machten beim Blick in die Zukunft natürlich nicht unbedingt Mut.
Bevor ich selbst meinen weiteren Bewegungsradius einschränken konnte, tat dies mein Arzt: Flüge waren ab sofort für mich tabu. Gern wäre ich auch mal nach Amerika geflogen, aber da bremste mein Arzt. Da der Sauerstoffanteil in der Kabine bei Transatlantikflügen stark abgesenkt wird, könnte es bei einem solchen Trip mit der Atemluft knapp werden. Meine Lungenwerte hatten sich im Laufe der Zeit kontinuierlich verschlechtert, also konnte ich das vergessen.
Das Fliegen schien also in den ersten Jahren meiner Krankheit außerhalb der Reichweite. Ich leide zwar unter Höhen-, aber nicht unter Flugangst, von daher war ich vor meiner Erkrankung häufiger geflogen. Als COPD-ler, dem es immer schlechter ging, war das für mich einige Jahre lang dann kein Thema mehr.
Auf meine Frage, ob das Fliegen denn grundsätzlich riskant wäre, antwortete mein Lungenarzt nach einigen Jahren, ich müsse es ausprobieren. Toll! Und wenn ich keine Luft mehr bekomme? Dann wüsste ich, dass das nicht mehr geht, und ich würde ersticken? Emotional zog es mich immer weiter runter und gefühlt wartete ich auf mein Ende.
Aber eine meiner positiven Eigenschaften ist, dass ich im tiefsten Inneren eine Kämpfernatur bin. Und so kam es, dass ich begann, Stück für Stück gegen die Einschränkungen anzukämpfen. Irgendwann musste ich aus beruflichen Gründen nach Frankfurt. Ich hätte mit dem Zug
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2022
ISBN: 978-3-7554-0734-8
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