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Impressum

 

Impressum

Titel: Jagdsaison auf Mr. Right Liebe, Chaos und Affären


Autor: Liz Montgomery

Covergestaltung: Zasu

Lizenzfreie Stockfoto-Nummer: 142320643

Young beautiful woman wearing sexy red dress, hand bag, belt and hat walking in Paris, France

Copyright: 2020

Über das Buch

 

Über das Buch

Fünf Freundinnen treffen sich regelmäßig auf einen Cosmopolitan-Cocktail und werten ganz Frauentypisch die vergangene Woche aus. Einstimmig beschließen sie, endlich wieder etwas Abwechslung in ihr Leben zu bringen. Da kommt Martyns Vorschlag, ein Erlebniswochenende mit "Amüsementgarantie" in Paris gerade recht. Für die Ladys beginnt ein Abenteuer, das sie aus ihrem grauen Alltag in eine glitzernde, schillernde Welt hineinkatapultiert, in der es bei amourösen Stunden mit geheimnisvollen und charismatischen Herren mit flotten Sprüchen und verrückten bis okkulten Erlebnissen ununterbrochen turbulent zugeht. Vergnügliche Stunden beim Lesen garantiert.

Vorwort

Vorwort

Wir Frauen sind unumstritten eine besondere Spezies. Spätestens ab dem 35. Lebensjahr, stehen wir mitten im Leben und gestalten es auf eigenwillige Weise. Wir agieren vernünftig, konventionell oder aber schlagen die ein- oder andere Kapriole. Manchmal treibt uns die weibliche Neugier so weit, dass wir uns an den scharfen Kanten des Lebens verletzen und unter den Hieben, die uns die Geißel der Liebe schlägt, schmerzlich leiden. Dann müssen wir Wunden lecken. Am liebsten im fachkundigen Kreis unserer Leidensgefährtinnen. Wer, wenn nicht sie, kennen sich bestens damit aus? Eines steht doch unumstritten fest: Wie die Bezeichnungen für uns ausfallen mögen – ob wir Madame, Diven oder das angeblich, schwache Geschlecht sind. Auch wenn wir als Weibsbilder verteufelt werden, als treue Weggefährtinnen geschätzt -, die gnädige Frau - oder die gern zitierte bessere Hälfte sind, kommt man nicht umhin, dass wir unverzichtbare Individuen für den Rest der Welt sind. Allen Warnungen zum Trotz immer auf der Jagd nach der viel zitierten, einzigartigen großen Liebe. Täglich stellen wir uns Herausforderungen und geraten direkt in die Arme der Spezies Mann. Eben jener Gattung, um die es uns seit Jahrtausenden geht. Diese Treuen oder Abtrünnigen, fantastischen Geliebten, eitlen Machos oder grandiose Typen. Eben, unseren genetischen Gegenpol.

Komiker halten sie für harmlos, primitiv, aber glücklich. Ob sie nun jung oder im besten Alter, schön und sportlich, charismatisch oder gar galant sind - sind sie doch einzigartige Fehlermagnete, Liebesterroristen oder Kummerhelden - genau das, was wir Frauen logischerweise nicht sind. Und so dreht sich unser Gesprächsstoff immer um die Herren der Schöpfung, die unangefochten Spitzenposition der Hitliste unserer Hauptthemen einnehmen. Und wo ließe sich dieses ewig aktuelle Thema besser ausdiskutieren, als im elitären Kreis Gleichgesinnter?

 

Cafeteria-Treff

 Gähnend sank ich in den gepolsterten Sessel der Cosmopolitan-Lounge. Entspannungsmusik flirrte durch Salomés Wellnesscenter. Wohlig seufzend streckte ich meine Beine aus. Ach, das tat gut. Erschöpft, dennoch zufrieden blickte ich mich um. Schon beim Eintreffen fiel sie mir ins Auge. Salomé hatte ein Händchen für Inszenierung. Da stand nun mein Kunstwerk. Die Statue, die ich für die Inhaberin zwischen zwei Aufträgen, geschaffen hatte. Schließlich ist Salomé meine Freundin. Wie hätte ich ihr diese Bitte auch abschlagen können.

Zum Schluss wurde es zwar ziemlich eng, denn der Eröffnungstermin raste auf mich zu. Aber ich hatte es geschafft. Wie immer, auf den letzten Drücker. Einer zwanghaften Perfektionistin, wie Joy Sanders, ging Termindruck mittlerweile an die Substanz. Schließlich bin ich nicht mehr die Jüngste. Unwillkürlich stahl sich ein Lächeln in mein Gesicht.

Dabei dachte ich an meine Freundinnen. Mit diesem Spruch löste ich bei ihnen eine Welle überschwänglichen Trosts aus und sie versicherten mir inbrünstig, dass ich immer noch hinreißend und fabelhaft sei.

Phishing for compliments oder weniger business-like: Balsam für mein Ego.

Künstler, da mache ich keine Ausnahme, haben ein ziemlich empfindliches. Meine Mädels. Lächelnd zogen sie an meinem geistigen Auge vorüber. Martyn, Isa, Jenna und Beverly. Zumindest war ich mit meinen 37 Lenzen die an Jahren „Betagteste“, gefolgt von Martyn, unserer crazy Lebedame. Allmählich wurde ich müde. Die Sessel waren teuflisch bequem. Jenna, Psychologin und genauso neurotisch, wie man diesem Berufsstand nachsagt, nannte so etwas lapidar: Stoffwechselpause.

Von wegen, Stoffwechselpause. Darunter verstehe ich shoppen. Ich tippe eher einen kleinen Burn out, was in Anbetracht meines zu leistenden Pensums nicht verwunderlich wäre. Und der ist heutzutage mittlerweile salonfähig. Momentan fühlte ich mich nur erledigt. Da half nur ein ordentlicher Espresso. Mein Stoff. Zugegebenermaßen, ich oute mich als Koffeinjunkie. Wenn ich arbeitete, hatte ich genug davon im Blut und mutierte zum Energiebündel. Die Schattenseite daran, denn es gibt ja immer eine, war, dass ich damit manchem Verehrer zu anstrengend wurde.

„Überdreht“ hatte es der Letzte vorsichtig ausgedrückt und war dabei in Deckung gegangen. Jeder hat seine Droge.

Meine war meine Profession, die Kunst, kurz gesagt, die Arbeit, für die ich lebte und in der ich ganz und gar aufging. Bedauerlicherweise lag die momentane Müdigkeit an keinem feurigen Verehrer, sondern eher daran, dass ich mich während der Schaffensphase in die Kunst verbiss, kaum aß, geschweige denn genügend Schlaf bekam. Im polierten Tisch versuchte ich einen Blick auf mein Spiegelbild zu erahnen, aber außer undefinierbarem Schatten, war nichts zu erkennen. Besser so. Ich gab dem Kellner ein Zeichen. Er verstand. Salomé hatte ihre Leute im Griff. In der Bildhauerei war Älterwerden nicht nachteilig, man bedenke die alten Meister.

Langsam machte ich mir einen Namen. Mit meinen roten Locken, die sich zu meinem Leidwesen nicht bändigen ließen, mittlerweile mein Markenzeichen waren, erntete ich nach wie vor manchen interessierten Blick. Als Kind war das selten lustig.

Der Mähne wegen und meines ungestümen Temperamentes, rief man mir damals gehässig „Feuerteufel“ hinterher.

Wenn ich seinerzeit einen zierlichen Eindruck machte, war ich nicht zimperlich. Vieles wurde kurz und manchmal handgreiflich geklärt und ich war weder die Klügere, noch die Nachgebende.

Ich höre noch den gönnerhaften Trost meiner Oma: „Du wirst so schön wie Milva." Von wegen. Ich hatte weder Milvas Körpergröße oder ihre Figur. Meine kam eher einer Sanduhr gleich. Miniaturausgabe, wohlgemerkt, denn der untere Teil hatte bei weitem nicht die gleichen Maße, wie der obere. Als hätte der bereits eine halbe Fußballmannschaft Kinder ausgetragen.

Das nennt sich eben Avantgarde, dachte ich trotzig. Egal.

So mancher männlicher Verehrer fand sie sexy. Rothaarige Frauen sind etwas Exotisches. Wir unterscheiden uns nicht nur rein optisch von unseren Zeitgenossinnen. Zeitweise glaubte ich bei dem einen oder anderen Verehrer, dass meine Haarfarbe fast in einem Fetisch gipfelte.

Ich ließ mich tiefer in den Loungesessel sinken.

Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss den dezenten Öl-Duft, der mir in die Nase stieg. Die Massage vorhin war göttlich. Ausnahmsweise war ich heute früh dran, von den Mädels war weit und breit noch nichts zu sehen. Ein bisschen kribbelte es in meinem Bauch. Ich war gespannt, was sie zu meinem Werk, nunmehr Salomès „Aphrodite" sagten.

Als Handwerkerin war ich eine totale Einzelgängerin, doch wie alle Wesen der weiblichen Gattung, überkam mich logischerweise irgendwann ein Mitteilungsbedürfnis. In irgendeinem Klatschblatt beim Frisör las ich vor kurzem, dass eine Frau am Tag siebentausend Wörter spricht. Ein Mann dagegen bringt es auf dreitausend. Wie bezeichnend. Obwohl ich nervige Schwätzer erlebt hatte. Meinen täglichen Kommunikationsbedarf befriedigte ich via Telefon oder mit Selbstgesprächen. Als Rechtfertigungsgrund, um nicht komplett schizophren dazustehen, diente mir Charly, mein geliebter Stubentiger. Frei nach dem Motto: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott". Da ich aber davon ausging, dass Gott ein Mann ist und mehrere weibliche Schäfchen verwalten musste, konnte ich ihm weder meine Meinung, noch die täglich siebentausend Wörter Redefluss zumuten.

Wie ging Jennas Spruch gleich, mit dem sie uns immer triezte: „Wenn man mit Gott redet, dann ist das normal. Wenn Gott aber mit uns redet, dann nennt man das eine Paranoia." Ein Geräusch schreckte mich aus den Gedanken.

Ein Glas war zu Bruch gegangen. Augenblicklich war ich hellwach und sah mich suchend um. Wo blieben die Mädels nur? Die Cafeteria dieses exklusiven Wellnesscenters in der Mainmetropole war unser wöchentlicher Treffpunkt.

Nichts auf der Welt, nicht mal der größte Auftragsdruck, konnten mich davon abhalten, mir diesen Luxus zu gönnen. Doch, wenn ich es überlegte, gab es zwei Ausnahmen. Entweder eine Ausstellung oder ein Mann. Schließlich musste ich ja ab und zu mit ein paar delikaten Begebenheiten aus meinem Künstlerleben aufwarten.

Wenn ich mich so umsah, verfügte Salomés Wellnesstempel über viele Möglichkeiten, um die Berufs- und Kindgestresste Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts im ewigen Kampf gegen das sichtbare, biologische Alter wirkungsvoll auf Vordermann zu „tunen“.

Ein Gebrauchtwagenhändler würde sich am Rande der Kriminalität bewegen, was Damen alles bereit waren, für ihr Äußeres zu tun. Außerdem bot dieser Ort, gefolgt vom Wartezimmer eines Arztes oder dem Friedhof, einen idealen Umschlagplatz für Neuigkeiten.

Somit war er um Klassen besser, als ein Bistro oder der Kaffee zwischendurch an der Tanke. Gemächlich schälten sich zwei Silhouetten aus dem diffusen Licht der Lounge. Sofort erkannte ich Isa, die wild gestikulierte. Im Schlepptau trippelte Jenna, wie immer versuchte sie vergeblich mit Isas langen Beinen Schritt zu halten. Bis hier her vernahm ich Isas lautstarkes Organ. Sie ist Chirurgin und schiebt kräftezehrende Schichten an der Uniklinik.

Auch Jenna arbeitet dort. Ihr Fachgebiet: Psychologie. Im Näherkommen riss Jenna ihren Arm hoch. „Joy, wartest du lange?"

„Nein, nein."

Lachend winkte ich ab und erhob mich für unser Begrüßungsritual, Küsschen links und rechts auf die Wange. Typisch Jenna. Andauernd machte sie sich irgendwelche Sorgen. Peinlich genau achtete sie darauf, niemandem zu nah zu treten oder mit unbedachten Worten zu verletzen. Doch letztendlich machte sie diese übertriebene Vorsicht nur unsicher.

Da rastete ich doch lieber ab und zu aus oder ließ meinem Zorn an einem Granitblock freien Lauf. Der konnte nicht heulen und nicht beleidigt weglaufen. Isa plumpste stöhnend neben Jenna in die Polster und fuhr sich durchs Haar. Ihren Job wollte ich nicht geschenkt haben. Immer steril eingepackt bis zum Stehkragen und wie durch ein Mikroskop nach irgendwelchen kranken Dingen im menschlichen Körper fahnden. Minimal-Invasiv-Chirurgie. Ein Segen für den Patienten, dem man dabei eine große OP-Narbe ersparte, doch reinste Höhlenforschung für den Arzt. Gar nicht mein Ding. Meine Exponate jammerten nicht, sie konnten misslingen, aber nicht draufgehen. Wenn alles schiefging, wurde daraus noch ein Briefbeschwerer, wie mein Meister zu sagen pflegte. Jenna kramte in ihrer Riesenhandtasche.

Voller Selbstzufriedenheit, richtete ich mich kerzengerade und schlug die Beine übereinander. Noch mit dem Wühlen beschäftigt, sah sie kurz zu mir auf und fragte: „Hast du schon bestellt?" Ich nickte in Richtung meiner leeren Espressotasse. Isa reckte den Hals nach allen Seiten und schien jemanden entdeckt zu haben. Sie winkte. Der auf diese Weise angepeilte Kellner verstand, denn sie setzte die Zeichensprache fort und hob drei Finger. Ich konnte mir dabei bildhaft vorstellen, wie sie ihre Assistenzärzte abrichtete.

„So, erledigt", erklärte sie selbstzufrieden. In Nullkommanichts dominierte sie sogar die Kellner.

Aber niemand des Pinguingeschwaders erschien, sondern Salomé persönlich kam an unseren Tisch. Auf der Hand balancierte sie ein silbernes Tablett. Mit ihrer unnachahmlichen Eleganz servierte sie uns den Cosmopolitan-Cocktail. „Geht heute aufs Haus", erklärte sie beiläufig.

„Ich habe etwas zu feiern!" Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu. Aufs Stichwort, beschleunigte mein Puls. Trotz der Hitze, die durch mein Gesicht huschte, versuchte ich, einen neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren. Jeder Lügendetektor wäre bei mir verschwendetes Steuergeld. Isa und Jenna schauten Salomé abwartend an.

„Mädels, ich habe endlich meine Statue, Tadaaah!“ Sie simulierte einen Tusch.

„Joy hat sie heute geliefert." Mit einer Kopfbewegung wies sie nach vorn und lenkte die Blicke auf die verhüllte Figur.

„Lasst uns feiern!" Ihre schwarzen Augen strahlten vor Freude.

„Man sieht ja gar nichts", stichelte Isa.

Sie ist doch nicht etwa nackt?" Schalk blitzte in ihren Augen und lachend stupste sie mich in die Seite. Salomé war bereits aufgestanden, um das Tuch mit elegantem Schwung herunterzuziehen. Mein Puls legte noch einen Gang zu. Solche Momente waren für mich immer aufregend.

„Wow!“ Isa und Jenna waren aufgestanden und nahmen sie näher in Augenschein. Mit unverhohlener Bewunderung betrachteten sie mein Werk.

„Als wäre sie eben erst erstarrt", flüsterte Jenna. Isa schien ebenso beeindruckt. Alle starrten auf die Statue.

„Sie sieht Salomé ähnlich“, murmelte Jenna bewundernd.

Isa nickte nachdenklich. „Stimmt.“

Stolz übermannte mich. Dass sie es erkannt haben, sprach für mein handwerkliches Geschick und die gute Wahrnehmung meiner Freundinnen.

„Mensch Joy, da hast du dich wieder einmal übertroffen. Lasert man sowas heutzutage?“

Ich zeigte auf meine Hände. „Bin ich Darth Vader?“, fragte ich tonlos.

„Toll“, nickte mir Isa zu und drehte sich zu Salomé, „das ist also die Namenspatin deiner Wellnessoase. Wenn du sie nach unserem Vorschlag Cosmopolitan-Oase benannt hättest, dann hätte Joy wesentlich mehr zum Klopfen gehabt. Sie hätte uns in Stein hauen müssen, wie wir alle mit dem Drink anstoßen."

„Das fehlte noch, euch verwöhnte Superzicken in Felsen zu tackern!" Salomé spielte lachend die Empörte.

„Ist meine Wellnessoase etwa ein Madame Tussaud Kabinett?" Isa spann den Gedanken weiter.

„Immerhin könnte Joy dabei gleich einige Verschönerungen mit vornehmen." Ich konnte mir das Lachen nicht länger verbeißen.

„Da müsste ich wohl hier und da ein Pfündchen weg klopfen?“ Isa gefiel dieser Gedanke.

„Ja, du könntest zum Beispiel diese Falte …" sie zeigte auf eine Stelle zwischen den Augen auf der Stirn, „... ausschleifen!“ „Dafür gibt es Botox oder eine Brille Frau Doktor“, konterte ich.

Jenna seufzte hingerissen. „Ach, sie ist so schön, so makellos!"

„Hm, ein antiker, heißer Feger!" Isa zwinkerte.

Salomè hockte sich auf meine Sesselkante und warf einen prüfenden Blick zur Theke. „Mädels, kennt ihr Aphrodites Legende?“ Erwartungsvoll richteten sich alle Augenpaare auf sie. „Aphrodite, ist in meiner Heimat Zypern die Göttin der Liebe, außerdem das Symbol der Schönheit und der sinnlichen Begierde!"

„Kann ich mir vorstellen", platzte Isa dazwischen und erntete von Jenna einen missbilligenden Blick. „Man erzählt sich, sie sei die Tochter des Uranos. Kronos schnitt besagtem Uranos nach dem Gebot seiner Mutter Gaia sein allerbestes Stück, mit einem Sichelhieb ab und warf es hinter sich ins Meer.“

Im Erzählen stellte es Salomé pantomimisch dar und warf etwas imaginäres über die Schulter. Als hätte sie Jenna damit getroffen, zuckte sie zusammen und schlug erschrocken beide Hände vors Gesicht.

„Oh, mein Gott …" Isas rechte Augenbraue schnellte, wie immer, wenn sie zweifelte, skeptisch in die Höhe. Salomé schaute triumphierend in die Runde. Mit verschwörerischem Timbre in der Stimme fuhr sie fort: „Plötzlich schäumte das Meer, bäumte sich auf und der Gischt entstieg die unvergleichlich schöne Aphrodite. Deshalb nennt man sie die Schaumgeborene.“ Isa konnte sich nicht bremsen und kommentierte ironisch: „Also, es gibt eindeutig schönere Methoden, für Nachwuchs zu sorgen, als mit einem abgeschnittenen Penis!" Mit gespielter Entrüstung schüttelte sie den Kopf und ihr Lachen riss uns mit. Salomé nickte.

„Es gibt auch andere Überlieferungen. „Homer, beschrieb sie als Tochter von Göttervater Zeus und Dione. Und in Botticellis Gemälde entstieg sie einer Muschel."

Isa glaubte sich zu erinnern und murmelte: „Von dem Szenario habe ich Servietten."

„Diese Variante gefällt mir auch viel besser", monierte Jenna.

„Und macht sich hübscher auf den Servietten“, ergänzte Isa prustend.

Ich hatte Salomé bewundernd zugehört. Kurz und knapp brachte sie die Story auf den Punkt. Im Vorfeld hatte ich mich natürlich auch mit diesen Legenden befasst, um eine Vorstellung zu bekommen, wie Aphrodite am Ende auszusehen hatte. Gut, dass es inzwischen Google gibt. Früher musste man mindestens eine Lexika-Reihe besitzen oder in eine gut sortierte Bibliothek gehen.

Salomé stand auf. „Mädels, ich muss wieder! Zum Wohl", forderte sie uns auf und wies auf die unberührten Cocktails auf dem Glastisch.

„Auf Aphrodite!" Isa hob ihr Glas, auch Jenna griff nach ihrem. Wir prosteten uns zu.

„Zimperlich waren die alten Griechen nicht", bemerkte Isa nachdenklich. Sie drehte ihr Glas in der Hand und blickte mich herausfordernd an. Schalk blitzte in ihren Augen.

„Hat aber einen Bezug zu dir Joy, findest du nicht?“ Jenna blickte mit hochgezogenen Augenbrauen ratlos drein und ich stand heute ein wenig auf der Leitung. „Joy, angesichts dessen, gehst du ja richtig human mit deinen Liebhabern um!" Sie betonte das Wort. Ach daher wehte der Wind! Isas Anspielung auf meine etwas skurrile Sammlung steckte sogar Jenna zur Heiterkeit an. Ihre Mundwinkel zuckten und ich sah, wie sie sich beherrschte, um nicht loszukichern.

„Na ihr beiden, jetzt habt ihr Kopfkino, oder?“ Meine Freundinnen spielten oft und gern bei jeder Gelegenheit auf meine kleine Leidenschaft, von jedem Liebhaber, ein Replik seines besten Stücks in Gips anzufertigen an. Jeder hat seine Neigung. Manchmal war es ein Teil des Liebesaktes und bisher hatte sich noch niemand wirklich dagegen gesträubt. Männer sind im Grunde eitel und ich hatte noch keinen erlebt, der etwas dagegen hatte, sein repräsentativstes Stück aus den besten Jahren in Gips verewigt zu wissen.

Ja, die Krieger unserer Generation haben richtig Glück, zum einen, in diesem Jahrhundert und außerdem, unter den Menschen zu leben. Die Götter sind ja offenbar, Salomés Legende nach, nicht so zart besaitet.

„Nun, bislang brauchte ich auch keinen zu Reproduktionszwecken“, konterte ich. Isa kicherte.

„Unsere Künstlerin nimmt nur die Abdrücke und lässt das Original am Mann, sehr löblich, angesichts der Ladys in der Antike." Dabei ließ sie ihre Wunschkandidaten im Kopf Revue passieren. Welcher ihrer Verehrer käme für solcherlei Kunst in Frage? Schon die Vorstellung der Mine ihres Auserwählten nach dem Vortragen des bizarren Ansinnens, zauberte Isa ein sarkastisches Schmunzeln ins Gesicht.

Wir waren so sehr mit Herumalbern beschäftigt, dass wir nicht bemerkten, als Martyn mit in die Hüften gestemmten Händen plötzlich vor uns stand.

Martyn, unersetzliches Mitglied unserer Ladyrunde, hieß eigentlich Martina Sommer. Diese Variante ihres Namens hatte sie einem französischen Filou, namens Pierre zu verdanken, der ihn mit fantastischem Akzent aussprach und einen bleibenden Eindruck hinterließ.

Martyn nahm Platz und schlug die Beine übereinander.

„Na, hier geht es ja hoch her", bemerkte sie fröhlich.

„Was habe ich verpasst?" Sie wiegte ihren Blondschopf und die riesigen Ohrgehänge schwangen im Takt.

„Wir feiern Salomés Errungenschaft." Isa wies mit dem Kopf in Richtung Aphrodite - Statue. Dann deutete sie auf mich.

„Von unserer Künstlerin.“ Martyns Blick blieb wohlwollend an der Statue hängen.

„Oh, Aphrodite, sehr schön. Alle Achtung.“

Martyn kniff die Augen etwas zusammen. Kommt mir irgendwie bekannt vor!“

„Salomé, sie hat Salomés Züge“, platzte Jenna heraus.

„Alle Achtung!“ Martyn schenkte mir ein bewunderndes Lächeln. Isa platzte heraus: „Die Story dazu musst du erst mal hören. Da fällt dir nichts mehr ein."

Aber noch bevor sie zum Erzählen ansetzte, fiel ihr Martyn ins Wort: „Ich kenne die Legende." Doch so schnell gab sich Isa nicht geschlagen.

„Ja, da gibt es mehrere, welche kennst du? Die mit der Muschel oder vom amputierten besten Stück des armen Uranus?"

„Beide", schoss Martyn schlagfertig zurück.

Dann setzte sie sich in Position: „Süße, was meinst du, wie ich meine Reisen nach Zypern verkaufe? Auf solche Schauplätze sind meine Kunden ganz wild." Sie klimperte mit unschuldigem Augenaufschlag und lachte Isa verschwörerisch zu.

„Bleibt nur noch zu klären, was verkauft sich besser, Uranus oder die Muschel?“

Martyn zwinkerte. „Je nachdem. Botticelli eher weniger. Die Leute wollen Skandale, Meuchel und Blut.“

„Genau“, pflichtete Isa im Brustton der Überzeugung bei. „Der harmlose Botticelli bleibt auch schön, wo er hingehört, und zwar auf meine Servietten.“

„Na, dann sind wir ja alle wieder mal auf dem gleichen Wissensstand", gab sich Isa schließlich lachend geschlagen. Mich wunderte es nicht, dass sich Martyn mit solchen Legenden auskannte. Sie war clever, was solche Dinge betraf. Nicht umsonst trug sie seit dem Vorjahr den begehrten Titel: "Geschäftsfrau des Jahres".

Sie besaß die gut, florierende Reiseagenturkette "Weltenbummler". Dieses Business erlaubte es ihr, ohnehin finanziell unabhängig, oft recht kostspieligen Abenteuern nachzugehen. Gern stürzte sie sich ohne Kompromisse oder Repressalien zu fürchten, kopfüber in das Leben und genoss es in vollen Zügen.

Dann ließ sie uns mit ihrer Selbstdarstellung und den bald schon bühnenreifen Schilderungen anschaulich an ihren jüngsten Erinnerungen teilhaben und weckte mit ihrer ungezügelten Energie Lust auf neue Abenteuer. Der Kaffee wurde serviert. „Danke Cherie", ließ sie verlauten und bedachte den Kellner mit einem liebenswürdigen Blick. Jener entfernte sich tänzelnd. Sie seufzte und schüttelte den wasserstoffblonden Pony. Als sie ihn außer Hörweite wähnte, platze es sehnsüchtig aus ihr heraus:

„Ich glaube es nicht, da verblitzt man sich ja die Augen!"

Isa murmelte verwundert: „Meinst du Salvatore, den Kellner?

Der schwimmt auf der anderen Uferseite. Leider“, seufzte sie.

„Auch wenn er sonst ein leckeres Kerlchen ist!"

„Das meine ich nicht", konterte Martyn.

„Habt ihr sein Hemd gesehen? Im Geschirrtuchlook. Grauenhaft. Normalerweise haben die doch einen erlesenen, zumindest stilsicheren Geschmack."

Skeptisch fixierte sie uns. Dann besah sie sich ihre perfekt manikürten Fingernägel.

Wie wir richtig vermuteten, gehörte zu dieser Bemerkung eine spektakuläre Story im Martyn-Style. Nach einem hörbar tiefen Luftzug begann sie:

„Ich dachte, es gäbe keine Steigerung nach diesem unerträglichen rosa faux pas. Doch seit Neuestem tragen die Herren der Schöpfung, schwul oder hetero, ungeniert Küchentuchkaros und Großvater-Schlafanzugstreifenmuster auf den Hemden. Sieht das nicht absolut verboten aus?“

Vorwurfsvoll schaute sie in die Runde. „Keine eine anständige Krawatte passt dazu", klagte sie pathetisch. Jenna zog ihr abwartendes Psychologengesicht, welches unendliche Geduld verhieß. Ihr war noch nicht klar, worauf Martyn hinaus wollte. Als hätte sie Jennas Ausdruck richtig gedeutet, erklärte Martyn, was sie aufregte.

„Thomas lud mich gestern zum Abendessen zu Sergè ein. Als er mich abholte und im Restaurant die Anzugjacke öffnete, wäre ich beinahe vornüber gekippt. Geschirrtuchstreifen! Mir kroch sofort eine Gänsehaut über den Rücken. Wie kann ein Mann von Welt modisch nur so daneben sein? Lagerfeld wäre augenblicklich blind geworden", echauffierte sie sich.

„Kennt ihr das Gefühl Fremdschämen? Für mich war der Abend gelaufen. Martyn seufzte tief.

„Vorsichtshalber sah ich mich um und Ladys, wisst ihr, was ich feststellen musste? Thomas war beileibe nicht der einzig modisch Verirrte, der mit dieser Grässlichkeit von Hemd in einem Nobelrestaurant Staat machen wollte."

Jenna glaubte, einen Anflug von Verzweiflung aus Martyns Worten zu hören. „Aber es ist jetzt in Mode", beschwichtigte sie vorsichtig.

„Grauenvoll", murmelte Martyn.

„Muss es denn immer erst schlimmer werden, bevor es besser wird?“

„Wobei wir bei der Chaostheorie wären", griff ich Martyns Gedanken auf.

„Hm, auf die Mode angewandt, interessant“, spann ich den Faden weiter. Da hat man sich eben an Knautschlook, Verzeihung, Krinkel gewöhnt, folgt für die Männer Rosa und nun Geschirrtuchdesign.

Vielleicht bald Würfelmuster – obwohl, wir sind ja bereits wieder bei großflächigen Rauten aus den Siebzigern. Ich übertönte alle auf einmal durcheinander Plappernden: „In der Modewelt greift man gerne auf Bewährtes zurück, wenn einem nichts mehr einfällt. Das war alles schon mal da und dann man nennt es der Einfachheit halber eben Retro …"

„Oder Muttersöhnchenlook", murmelte Martyn abfällig. „Aber", warf Jenna ein, „wer zuletzt lacht, lacht am besten und kommerziell ist es momentan der Renner. Selbst unsere Akademiker flanieren damit in der Klinik.“

Isa nickte. „Sag ich doch, Muttersöhnchenlook. Ist offenbar eine Marketingstrategie?" Martyn fiel ihr ins Wort. Sie konnte sich immer noch nicht mit dem Gedanken aussöhnen.

Isa stupste Martyn an. „Momentan ist Lila modern. Heißt es nicht so schön, Lila, der letzte Versuch?" Isa blickte spitzbübisch zu Martyn, die ausgerechnet heute in einem lila Oberteil mit irgendeiner krakeligen Goldschrift gekleidet steckte.

„Amüsiert euch nur auf meine Kosten. Jetzt werde ich zur Lästerzielscheibe", seufzte sie tragisch. „Außerdem, ich habe ein Recht auf Lila und einen letzten Versuch!“

Sie straffte sich und streckte ihren Busen provokant heraus, so dass sich die Goldkrakel auf dem Shirt dehnten.

„Thomas ist mittlerweile Geschichte, mir steht ein bisschen Lila zu.“ Ablenkend wandte sich Martyn mir zu:

„Nun, Joy, was gibt es Neues an der Künstlerfront? Was macht eigentlich Herzbube, wie hieß er gleich? Harry, the Body?“ Letzteres betonte sie ironisch. Demonstrativ sackte ich in eine Kauerhaltung.

„Ein unleidliches Thema, nicht der Rede wert“, versuchte ich abzuwehren. Reihum blickte ich nun in erwartungsvolle Gesichter.

„Das wollt ihr nicht wirklich hören!"

Isa, langte herüber und gab mir statt einer Antwort einen freundschaftlich motivierenden Klaps aufs Knie.

„Jetzt gibt dir mal einen Ruck, Joy, selbst Katastrophen haben in unserer Runde Unterhaltungswert“. Ich nickte ergeben.

„Na gut, wenn ihr euch wirklich desillusionieren lassen wollt … " Isa blieb beharrlich, streckte ihr Kreuz ächzend durch und setzte sich in Zuhörerposition:

„Komm, was ist mit Harry - the Body?

„Steht er bereits im Regal?" Unter Lachen zeigte sie eine imaginäre Größe des wahrscheinlichen Harry-Gipspenis von Übergröße bis zum Minimodel ihres kleinen Fingers. „Soll ich gleich mit der Moral meiner Story anfangen?", fragte ich Augen zwinkernd.

„Ok, ich rede ja schon“, rief ich schnell, als ich Martyns ungeduldiges Räuspern vernahm. Kurz sammelte ich mich und nahm noch einen Schluck vom Cocktail.

Ich kannte Harry bereits seit zwei Monaten und war ein oder zwei Mal mit ihm aus. Zunächst war alles ganz unverfänglich. Harry - the Body, wie ihn die Freundinnen unter sich genannt hatten, ist Fitnesstrainer in einem angesagten Club der Stadt. Den Beinamen erhielt er, da sein Body zum Niederknien gut definiert war. Alles an ihm war proportioniert, was den Beinamen „The Body“ rechtfertigte.

Nebenher arbeitete er, nicht, wie man vermutet hätte als Türsteher - Nein - Harry arbeitete als Model. Auf einer Vernissage hatte ich ihn kennen gelernt. Seinen Körper stählte er täglich im Fitnessstudio und unter seinem Hemd wölbten sich die Muskelpakete. Ja, alles in allem, sah er ästhetisch aus. Festes Fleisch, straffe Haut. Ein echter Hingucker und nach meinem Geschmack. „The Body" signalisierte nach der ersten Modell-Sitzung sein Interesse an mir.

Möglicherweise war er als Kandidat für meine hübsche Sammlung im heimischen Regal prädestiniert?

Die Mädels wurden ungeduldig. Ich sah es an ihren Bewegungen. Ich räkelte mich, holte tief Luft und begann:

„Schöne Männer brauchen sich keine Mühe zu geben", platzte Jenna mit kläglichem Unterton in die Spannung und strich nervös den Rock über ihren langen Beinen glatt. „Meinst du?" Unbewusst war mir dieser ironische Ton entglitten.

„Erinnert ihr euch nicht?“ Letzte Woche kam ich von einer Kurzreise aus Italien, zur Vorbereitung meiner nächsten Ausstellung zurück. Harry hatte sich erboten, mich vom Flughafen abzuholen. Er war pünktlich vor Ort."

„Dein Koffer ist aber für einen Kurztrip ziemlich schwer", bemerkte mein Muskelmann, als er ebendiesen in sein Auto hievte.

„Hast einen Steinbruch eingepackt?“ Eigentlich war das mein Standardgepäck für drei Tage. Ich sah ihn verwundert an.

„Sorry, ich bin eine Frau, nächste Frage?"

„Noch hielt ich diese Sticheleien für eine Art witziges Vorspiel. Vielleicht war er etwas verunsichert und versuchte die Situation ein wenig aufzuheitern. Weit gefehlt. Nach einigen, zwischen den Zähnen zischend hervorgepressten Fluchtiraden, hatte er meinen Koffer endlich verstaut. Als wir bei mir zu Hause ankamen, war ausgerechnet an diesem Tag der Fahrstuhl defekt. Uns blieb nichts übrig, als die Treppe zu nehmen. Harry konnte seine antrainierte Manneskraft unter Beweis stellen. Aber - das könnt ihr euch nicht vorstellen -, schon auf der Hälfte brach er keuchend zusammen und lies den Koffer auf den Treppenabsatz knallen. Völlig außer Atem, verfluchte er mit ziemlich rüden Worten den Fahrstuhl und setzte sich jammernd am Ende seiner Kräfte auf die Treppe. Ich, die hinter ihm die Treppe hochstieg, konnte es kaum glauben.“

„Was hast du da nur geladen?", stöhnte mein Muskelchamp vorwurfsvoll. Ich war total perplex, dass der bereits auf der Hälfte schlappmachte. „Das ist mit Sicherheit nicht mehr Gewicht, als du in deiner Edelmucki-Bude stemmst", rutschte mir heraus. Das klang wohl ziemlich herablassend.

Rot vor Wut oder Anstrengung schoss er zurück: „In meiner Edelmucki-Bude, wie du sie nennst, sind die Gewichte gleichmäßig verteilt.“ Dabei rieb er sich vorwurfsvoll die Oberarme.

Langsam ging mir sein Gehabe auf die Nerven. „Wozu trainierst du dann, wenn es dir am Ende nichts nützt? Trainiere doch gefälligst praxistauglich!"

Augenblicklich waren jegliche amouröse Empfindungen, die ich für ihn hätte aufbringen können, verflogen.“

Die Mädels blickten mich erwartungsvoll an.

Kurz räusperte ich mich: „Mädels, da trainiert der Typ täglich, macht Body-Pump-ups, stemmt Gewichte, drückt, wer weiß wie viele Kilos. Aber bei einen simplen Koffer hochtragen, macht er schlapp …

Martyn grinste vielsagend in die Runde: „Sag ich doch, kein Schwanz ist so hart wie das Leben.“

Isa stupste mich in die Seite: „Und wie ist der Koffer nun nach oben gekommen? Hast du ihn am Ende selbst geschleppt?" Ihre schmalen Augenbrauen zogen sich missbilligend zu einem Strich zusammen.

Ich schüttelte den Kopf. „Zunächst war mir tatsächlich danach. Und gerade, als ich gefrustet nach dem Koffer greifen wollte, kam mein neuer Obermieter vorbei und sah das Dilemma. Er grüßte mich grinsend und fragte, ob der, er wies auf das Corpus delicti Koffer, es nicht nach oben schaffte. Mein Blick zu Mister Universum und wieder zurück zu ihm sprachen in diesem Augenblick Bände. Mit einem verächtlichen Seitenblick stieg er samt Koffer über Mr. Body und knurrte: Was für ein aufgepumpter Hahn!"

Die Ladys aus der Runde kicherten und prusteten unverhohlen.

„Wie ist es ausgegangen?", drängelte Martyn sensationslüstern und rutschte unruhig auf ihrem Platz hin und her. Ich zuckte mit den Schultern. „Erwartest du etwa ein Happy End mit Mr. Schlappschwanz -, ähm, Body? Da muss ich dich leider enttäuschen.“ „Nein“, sagte Martyn gedehnt und ihre Augen blitzten vor Übermut.

„Joy, hast du stattdessen deinen Nachbarn als Dankeschön auf deinem Regal stehen?" Lachend winkte ich ab. „Hältst du mich für promiskuitiv? Ernsthaft, für einmal Koffertragen?“

„Nein, bisher sind wir nur zum Dankeschön-Kaffee verabredet."

Ich zwinkerte vielsagend. „Und Harry?", erkundigte sich Jenna. Mit ihrer mitfühlenden Art gedachte sie sein geschändetes Ego.

„Dieser halber Hahn …", betonte ich jedes Wort nachdrücklich, „machte ohne ein Wort auf der Treppe eine beleidigte Kehrtwende und sich wie ein geprügelter Hund aus dem Staub. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört."

Jenna wiegte ihren Kopf wie in einem Therapiegespräch. Ich befürchtete einen Vortrag, über meine Unsensibilität.

„Bestimmt ist er in seinem Selbstvertrauen gekränkt und wagt sich nicht, Joy noch weiterhin unter die Augen zu treten."

Isa konterte: „Jenna, das ist ein selektiver Vorgang, in der Natur sortiert es sich auch von selbst aus. Die Stärksten haben Erfolg bei den Weibchen, nicht die Aufgeplusterten. Außerdem hat Joy doch damit gut für deinen Nachschub gesorgt, oder Jenna?"

Die Angesprochene schaute sie fragend an.

„Na, solche Ego-Unfälle sind doch deine Baustelle, Süße", half sie Jenna auf die Sprünge. „Eine Hand wäscht die andere“, erklärte sie selbstzufrieden.

„Schade Joy, jetzt bist du gar nicht in Genuss seiner vielleicht anderen, vielleicht sogar brauchbaren Qualitäten gekommen", mischte sich Martyn kichernd ein.

„Meinst du?"

Nur Jenna sah mich noch mitleidig an.

„Ist schon gut, ich bin längst darüber hinweg. Und es ist auch kein Verlust, glaub es mir.“ Schalkhaft zwinkerte ich in die Runde. Denn nun folgte das eigentliche, obligatorische Geständnis. Den Höhepunkt hatte ich mir wie ein erlesenes Pralinè bis zum Schluss aufgehoben.

„Mädels, ihr wisst ja längst noch nicht alles!" Damit hatte ich sofort die gesamte Aufmerksamkeit meiner Ladyrunde. „Es hatte sich die ganze Zeit abgezeichnet. Ich wollte auf Herz und Nieren prüfen." „Die inneren Werte", fiel mir Isa vorlaut ins Wort. „Joy, meintest du anatomisch nicht eher weiter unten?" Die Ladyrunde kicherte. Mit hochgezogenen Augenbrauen jagte ich einen amüsiert, gequälten Blick in Isas Richtung und nickte langsam. „Also, Harry, rein äußerlich ein Klon von Adonis, hatte nur ein zur Schau getragenes Selbstbewusstsein. Das wurde ich erst richtig gewahr, als er mich in seine Wohnung zu einem romantischen Kerzendiner einlud! Er hatte sich wahrlich viel Mühe mit den Vorbereitungen gegeben. Und mir war klar, dass er bei dieser Gelegenheit aufs Ganze gehen würde." Isa rief vorlaut: „Ja, wenn Männer aufs Ganze gehen wollen, meinen sie meist die untere Hälfte!“

„Nun ja", beschwichtigte ich sie. „Zu Beginn war ich auch nicht abgeneigt."

„Hätte mich auch schwer gewundert", flötete Martyn dazwischen. „Ich hatte schon länger keinen Kopfkissenzerwühler in meinem Reich. Manchmal reichte auch Charlys Kuschelflash nicht ganz. Es wurde also mal wieder Zeit und bevor man letztendlich im allerletzten Zugzwang am Ende vor dem Fernseher Serien abhängig wird …"

Die Ladyrunde nickte. Ja, das verstanden sie nur zu gut.

„Meine Blutspende Woche war soeben vorbei und nichts stand uns mehr im Weg! Ich konnte mich ungeteilt meiner sexuellen Vorfreude auf Harry, the ultimative Body hingeben und folgte seiner Einladung.

Ihr kennt meinen Tick. Die Wohnung eines Mannes gibt viel Aufschluss über sein wahres Wesen. Und im Speziellen meine ich sein Bücherregal, so er eins besitzt! Als er mich verschüchtert herumführte, blieb mein Blick gleich an selbigen Ikeawunder hängen! Was Männer immer noch nicht verstanden haben, ist, dass genau der Inhalt eines solchen mehr über sie verrät, als sie je zugeben würden."

Meine Freundinnen schmunzelten wissend.

Deshalb ist eine Wohnung stets die erste Informationsquelle. Wenn man aber darunter etliche Lebensratgeber findet mit diversen Covertiteln, wie zum Beispiel: Wie stärke ich mein Selbstbewusstsein - Wie lerne ich Nein sagen - oder Tipps von Experten, eine Frau zu erobern ... Wenn Anmachsprüche, neben Science-Fiction-Romanen, dem Duden und einer Biographie von Dieter Bohlen dümpeln, dann eröffnen sich leider keine, sondern schließen sich eher Horizonte!"

Ich gönnte mir eine kurze Atempause, begann aber rechtzeitig, bevor Jenna ansetzen konnte, eine ihrer Analysereden zu schwingen.

„Harry führte mich durch alle Räume und gelangten wir in sein Schlafzimmer. Und welch ein Wunder, hier waren unter anderen DVDs und nicht nur das! Neben einer beachtlichen Sammlung von Pornofilmen mit Teresa Orlowski und Dolly Buster aus ihren besten Jahren, der Kuschelrockfolge eins bis unendlich, standen das Kamasutra in einer Sonderedition, gleich neben einem Band mit SMS Lyrik! Bei soviel geheimem Wissensvorlauf von Mr. Body, war ich nun gespannt, wie er sich den Verlauf seiner angelesenen Frauengebrauchsanleitungs-Bildung vorgestellt hatte."

Martyn sprühte ihren Sarkasmus ungeniert heraus.

„Erstaunlich, dass der lesen kann, ich dachte, er starrt die Bücher so lange an, bis sie ihr Wissen freiwillig preisgeben. Für die wichtigen Dinge hatte er die DVDs als Bildungsfernsehen", witzelte Isa.

„Hat der Anschauungsunterricht oder besser gesagt, das Selbststudium etwas gebracht?“ Jenna antwortete, bevor ich nur einen Ton herausbekam.

„Immerhin hat sich Harry Gedanken gemacht und verlässt sich nicht ausschließlich nur auf Lebenserfahrungen." Ich prustete los und legte ihr freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Ach Jenna, vielleicht wäre er aber besser mit einem Selbststudium bedient gewesen.“

Ich fuhr fort: „Um seine dubiose Sammlung zu würdigen, nahm ich ein Buch aus dem Regal und las die Widmung eines wohlmeinenden Freundes.“

Jenna schlenkerte ungeduldig mit dem Fuß. „Was stand da?"

Mit einer Stimme, zwei Oktaven tiefer zitierte ich aus dem Gedächtnis: „Damit du endlich auch mal eine flachlegen kannst, hau`rein Alter! Unterschrieben mit Jupp.“

Isa schlug lachend die Hände vor ihr Gesicht. „Zumindest scheint ominöser Jupp einschlägige Erfahrungen zu haben?"

„Glaubt mir", rief ich in die schallende Lachsalve. „Ich habe Geduld mit ihm gehabt, aber ich bin letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass Nachhilfeunterricht für erotisch Unbegabte, genauso sinnvoll ist, wie ein Flugblatt für Analphabeten!" „Wieso, hätte er vorher eine Viagra einwerfen sollen?“ Martyn ließ nicht locker, die Anderen gierten ungeniert nach mehr brisanten Details.

„Nein, ganz und gar nicht, daran lag es nicht."

„Was war es dann?", drängte Martyn, wo es vermeintlich interessant wurde.

„Kingsize war leider nur sein Bett", gestand ich.

„Zwei Zentimeter weniger und er wäre eine Prinzessin geworden. Und es war nicht kalt und ich erwähnte vorhin nicht umsonst, dass er ein „Klon“ von Adonis gewesen sein muss.“ Dabei zeigte ich eine imaginäre Größe zwischen Daumen und Zeigefinger.

Die Ladys schmunzelten und bekundeten ihr Mitleid. Ich fühlte mich dennoch im Nachhinein ziemlich zu kurz gekommen.

„Bedauert mich gefälligst jemand?", rief ich mit gespielter Entrüstung in die Runde. Doch ich erntete nur mäßig mitfühlendes Aufseufzen.

Enttäuscht gestand ich meinen Freundinnen: „Ich habe versucht, alle Warnsignale zu ignorieren und mich dennoch auf eine Kampfrunde eingelassen.“

„Sex!", platzte Jenna heraus. Ich bejahte mit einem Blick.

Meine Freundinnen bekamen spitze Ohren und plötzlich hatte ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. „Immerhin kenne ich einige Paarungsrituale und möglicherweise war er ja ein Techniker, wenn die Natur nicht gerade großzügig zu ihm war.

Leider erlebte ich den totalen Reinfall. Um überhaupt etwas von der Show mitzubekommen, habe ich mich sogar auf seinen, wie nannte er es gleich? … " einen Moment dachte ich nach, „…ach ja, Doggystyle eingelassen. Ich kam ich mir vor, wie ein Rehpinscher, der von einem Labrador besprungen wird!“

Statt kollektivem Mitleid, brachen die Mädels in Gelächter aus, jede von ihnen hatte das Szenario bildlich vor Augen.

„Es war nichts weiter als Karnickelsex", rief ich pathetisch.

„Letztendlich masturbierte Harry mit einer Frau, statt mit der eigenen Hand", setzte ich noch einen drauf.

„Interessanter Denkansatz", drang Jennas Stimme durch die schallenden Lachsalven. Sie war der Profi und hatte ihre Belustigung schon berufsbedingt gut unter Kontrolle. „Könnt ihr euch meinen Frust vorstellen?" Die Mädels konnten und nickten wissend. „Ich hätte es von dem Moment an wissen müssen, als ich seine Wohnung näher in Augenschein nahm.

Als ich mich anschließend frustriert auf die Toilette zurückzog, grinste mich zu allem Übel Leonardo Di Caprio als Türposter vis a vis in Lebensgröße süffisant an, als wüsste er von meiner Pleite.

Ich seufzte herzzerreißend. „Es gab genug Vorzeichen, leider konnte er nicht mal richtig küssen. Als wäre ich an einen überdimensionalen Klebestift geraten. Dies war mein erstes und letztes Gastspiel in seinem Refugium!"

„Aber Joy hat sich das denn bei deinen Arbeiten mit ihm als Modell nicht abgezeichnet?" Jenna sah mir forschend ins Gesicht.

„Wieso, bei Adonis geht man doch auch nicht davon aus, dass er beim Modellstehen scharf war. Zudem waren Bildhauer damals vorwiegend männlich", schmetterte Isa dazwischen.

„Bedeutet aber nicht hetero!", konterte Martyn.

„Harry ist aber hetero", beharrte ich nachdrücklich.

Das musste ich ihm zugestehen. Trotz allem war er sehr um mich bemüht. Klein zwar, aber hetero! Manchmal glaube ich, dass die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Liz Montgomery
Bildmaterialien: katalinks Lizenzfreie Stockfoto-Nummer: 142320643 Young beautiful woman wearing sexy red dress, hand bag, belt and hat walking in Paris, France
Cover: Zasu
Lektorat: R. Weber
Satz: Liz Montgomery
Tag der Veröffentlichung: 11.08.2020
ISBN: 978-3-7487-5328-5

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