Alle Rechte vorbehalten! Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form, durch Fotografie, Microfilm, oder andere Verfahren ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Alle Protagonisten, Schauplätze und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht gewollt und rein zufällig! Ab 16 Jahre! Copyright Texte: Liz Montgomery Copyright: Bildmaterialien: Wega
Covergestaltung: Zasu Die Covermodels stehen in keinem Zusammenhang mit dem Text.
Lektorat: Allegra Kühnst
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KAPITEL 1 Entscheidung
KAPITEL 2 Rückkehr
KAPITEL 3 Die Höhle im Teufelsbruch
KAPITEL 4 Der tote Briefkasten
KAPITEL 5 Alex
KAPITEL 6 Erinnerungen
KAPITEL 7 Stasi Verhör
KAPITEL 8 Suche
KAPITEL 9 Wiedersehen
KAPITEL 10 Große Pläne
KAPITEL 1
Entscheidung
Nach einem Autounfall, der mir eine gebrochene Hüfte einbrachte, wartete ich ungeduldig auf Post von meiner Krankenkasse. Endlich hielt ich den Brief in den Händen und hatte die Wahl zwischen zwei Kurorten. Mein Herz machte plötzlich einen Satz und klopfte bis zum Hals, als ich einen wohlbekannten Ort las, der einst meine Heimat war. Ungläubig starrte ich auf die Lettern und grübelte.
War das vielleicht ein Zeichen? Forderte mich das Schicksal heraus oder wurde ich langsam paranoid, nach allem, was in letzter Zeit vorgefallen war? Unbehaglich wanderte mein Blick zwischen den zwei Orten, die mir schwarz auf weiß offeriert wurden. Beide verhießen Erholung, Wiederherstellung, Gesundung. Der letztere vielleicht mit einem Bonus. „Vergebung?“ Ich geriet in einen Zwiespalt.
Wollte ich wirklich dorthin zurück? Oder anders gefragt: „War ich nach über zwanzig Jahren nun endlich bereit, an den Ort des Geschehens zurückzukehren?“
Der Unfall vor ein paar Wochen brockte mir genug Pein und vor allem Zeitverlust, meine Arbeit in der Galerie betreffend ein! Und nicht nur das. Auch privat änderte sich einiges! Eric war ausgezogen. Wie sollte ich mich nun entscheiden?
Drei Nächte lag ich wach, wälzte mich hin und her und dachte nach. Doch schlussendlich stand meine Entscheidung fest. Ich konnte nicht ewig einen großen Bogen um meine Vergangenheit machen. Vielleicht war der Unfall ein Wink des Schicksals?
Wenn ich es recht bedachte, begleitete der Gedanke zumindest mein Unterbewusstsein schon mein ganzes bisheriges Leben lang. Irgendwann wurde es einfach mal fällig, sich diesen Ereignissen und lange uneingestandenen Ängsten zu stellen. Sicher erging es mir nicht allein so. Andere kamen mit ihrer Vergangenheit auch zurecht. Manchmal relativierte sich so etwas auch im Laufe der Zeit. Außerdem, vor Ort erschienen Ereignisse nach so langer Zeit in einem ganz anderen Licht. Wirkten sicher weniger dramatisch. Tief in mir wurde es immer klarer: „Irgendwann war es fällig und „irgendwann“ war dann wohl „Jetzt“. Schließlich stand ich mit beiden Beinen fest im Leben und war eine Frau der Tat. Kurz hielt ich die Luft an und setzte entschlossen das Kreuzchen an den Ort meiner mir nächtlich so schwer abgerungenen Wahl. Geschafft!
Selbstgefällig betrachtete ich das Formular in meinen Händen. Allerlei Gedanken schossen mir jäh durch den Kopf, überschlugen sich beinahe. Beängstigende, wie auch neugierige. Ich beschloss, die positiven auf einer imaginären Liste aufzureihen und lächelte, weil sie auf Anhieb länger wurde. Voller Vorfreude dachte ich, dass ich sie wohl besser schriftlich festhielt, damit ich nichts vergaß.
Vielleicht bot sich bei meinem Besuch auch Gelegenheit, Schulkameraden wiederzutreffen oder gar alte Freundschaften aufzufrischen. Leider war jeglicher Kontakt über die Jahre zum erliegen gekommen. Mein Alltag forderte eben seinen Tribut und verlangte mir nicht gerade wenig ab. Von Zeit oder an Urlaub war gar nicht zu denken.
Also betrachtete ich von nun an diese Gelegenheit als einen Wink des Schicksals, endlich mit meiner unrühmlichen Vergangenheit ins Reine zu kommen. Ich war fest entschlossen, das Ganze von der positiven Seite zu sehen, nicht ohne gewisse Hoffnungen zu hegen. Gesund in jeder Hinsicht werden- und auf den Spuren meiner Kindheit und Jugend zu wandeln.
***
Nun war meine Lebensgeschichte nicht ausschließlich mit Dramen behaftet. Im Grunde verlief sie bis zu jenem schicksalhaften Tag glücklich. Und wer weiß, möglicherweise lenkte mich diese unverhoffte Mission über meine noch nicht lang zurückliegende Trennung von Eric ab. Was „hinwegtrösten“ in der heutigen Zeit oder zumindest für mich bedeutete. Ich litt, wenn man das, was ich als aufrichtiges Bedauern empfand so nennen konnte, nur halb soviel wie er.
Eric warf mir in gewisser Hinsicht, was Nähe und Zweisamkeit, vor allem engere Zukunftsplanung betraf, quasi „Gefühlskälte“ vor. Unsere Beziehung interessiere mich nicht im erforderlichem Maße und ich gäbe mir nicht sonderlich viel Mühe. Um dies abzustellen, kam er mir letztendendes mit der Idee dieser Paarberatung und schleppte mich zu einer Psychologin. Einer angeblichen Koryphäe ihres Faches. Nur ihm zuliebe ging ich mit. Und ich ahnte es schon im Vorfeld. Die Sitzung wurde, wie befürchtet, eine reine Farce.
***
Als wir vor dieser Frau mit ihrem Block saßen, fragte ich mich ernsthaft, ob ich uns das antun sollte. Mir und Eric. Dabei war ihr Plädoyer über Beziehungen, Liebe und Gemeinsamkeiten gar nicht mal so schlecht. Nur, dass es rein gar nichts mit dem zu tun hatte, was Eric und mich verband. Ein Gutes hatte es dennoch. Aufgrund ihrer ausschweifenden Ausführungen erkannte ich, dass ich kostbare Zeit verschwendete. So etwas nahm man doch nur auf sich, wenn man ernsthaft daran interessiert war, eine Beziehung zu retten. Oder falls man in gewissen Verständigungsfragen nicht weiter kam. Aber das war es doch bei uns überhaupt nicht. Zumindest für mich gab es nichts zu retten oder zu verändern.
Wir hatten nicht die selben Grundvoraussetzungen, was die individuelle Gefühlslage betraf. Für Eric galten gänzlich andere Prämissen, als für mich. Nämlich, „er“ liebte, ich bedauerlicher Weise nicht. Nicht, weil ich nicht wollte. Ich „konnte“ nicht. Möglicherweise hatte ich ihn bis dato, wie mir unverblümt vorgeworfen wurde, tatsächlich unabsichtlich „missbraucht“. Seine Gesellschaft ausgenutzt, um nicht allein zu sein.
Ich starrte diese Psychologin entgeistert an und schüttelte innerlich den Kopf über ihre hanebüchenen Theorien.
Sie sprach von Liebe, wie sie reifte, sich veredelte und schlussendlich das Nonplusultra würde. „Liebe“ und immer wieder „Liebe“. Sie gebrauchte diesen Begriff inflationär. Langsam nervte mich ihre eindringliche Art. Wusste sie überhaupt selbst, worüber sie da in frenetische Verzückung geriet?
Zwischen Eric und mir bestand eine gute, solide Freundschaft. Wir fühlten uns von Anfang an durchaus zueinander hingezogen. Ja, zu Beginn gab es auch gewisse Zuneigung. Aber nicht das, wohinein sich die Fachfrau übereifrig steigerte. Und durchaus. Ich kannte „die Liebe“, welche auf ihre verglorifizierende Beschreibung passte.
Ja, im Ernst. Diese eine, Große, die einen erwischt, umhaut und nie wieder loslässt. Vielleicht wird aus so einer das, wovon die Psychologin so selbstherrlich referierte. Aber nicht aus dem, was meinen Lebensgefährten und mich verband. Eric rückte derweil unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. Ihm war klar, dass die Fachfrau meine Geduld mit ihrem Geschwafel aufs Äußerste strapazierte. Einen Augenblick später platzte mir schon der Kragen. Ich unterbrach ihren Redefluss, ergriff das Wort und gab meine Ansichten unaufgefordert zum Besten.
„Liebe“ konnte man doch nicht einfordern. Erst nicht aus Dankbarkeit. Warum kann man nicht in einer guten Kameradschaft, mit sexueller Treue leben? Warum musste es gleich „die Liebe“ sein?
Das sahen die Beziehungsretterin und Eric offenbar anders. Mich traf Erics verletzter Blick. Hilfesuchend schaute er zur Therapeutin. Beide ritten weiter auf dem Begriff herum und versuchten ihn mir abzuringen. Himmel Herrgott. Es nervte kolossal.
„Liebe“ passiert. Sie ist nicht rational. Zu Kameradschaft oder einer Beziehung können sich intelligente Menschen hinentwickeln und was war bitte schön an freundschaftlichen Zweckbeziehungen auszusetzen? Während die Menschenkennerin vom Fach auf mich einredete, verselbständigten sich meine Gedanken.
Ich verstand einfach nicht, worauf die beiden hinauswollten. Mir ging es bislang damit doch recht gut und Eric im Grunde auch.
Da wir aber letztendlich hier landeten, offenbar wohl nicht. Was reichte ihm denn auf einmal nicht mehr? Mit unseren Jobs lebten wir in einer Welt der Superlativen. Wir hatten alles. Beruflich Erfolg, privat Harmonie und gesellschaftliche Anerkennung.
Plötzlich hatte Eric aber diese hirnrissige Idee. Er wollte heiraten. Ich nicht. Wozu? Wieso jetzt auf einmal? Wir kamen doch auch so gut miteinander aus. Ich brauchte keinen Versorger.
Ich hatte es aus wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen, als Tina noch klein war, bis hier her geschafft! Allein! Gewiss! Es waren bei weitem keine leichten Zeiten gewesen. Warum sollte ich mich jetzt, wo meine Karriere gut lief, an jemanden gesetzlich binden?
Sicher, wenn man sich zum Thema umhörte, traf ich dabei tatsächlich auf ein allgegenwärtiges Phänomen. Bis dahin unverheiratete Männer schienen ab dem vierzigsten Lebensalter einer schweren Torschlusspanik ausgesetzt. Wahrscheinlich wollten sie sich im Alter umsorgt sehen. Meinetwegen. Aber nicht mit mir.
Als der Begriff „Seelische Verkrüppelung“ fiel, während ich so nachsann und bis in mein Bewusstsein vordrang, war das Maß meiner Geduld endgültig voll.
Ich stand abrupt auf. Das musste ich mir nicht länger mit anhören. Was wollten die beiden mir einreden? Sollten sie meinetwegen glauben, ich sei beratungsresistent. Kurzerhand verabschiedete mich mit dem Hinweis, dass dies nicht der richtige Weg für mich sei, Konflikte zu lösen und ich auch gewiss nicht wiederkommen würde. Ihre verblüfften Blicke spürte ich in meinem Rücken brennen, bevor ich die Tür Hollywoodreif ins Schloss krachen ließ.
***
Befreit atmete ich vor der Tür auf und stürmte mit großen Schritten auf den Ausgang zu. Draußen erwartete mich schönstes Frühlingswetter. Die Knospen sprangen gerade auf. Überall in den Vorgärten blühten Schneeglöckchen und Krokusse. Und ich sollte mir den schönen Nachmittag in der Räuberhöhle
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Liz Montgomery
Bildmaterialien: Wega Cover-Gestaltung: Zasu
Lektorat: Allegra Kühnst
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2013
ISBN: 978-3-7309-5448-5
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
für Guido