VOLTITU
Roman von Dr. med. Wolfgang Ripp
Kapitel 1
Alex bog mit quietschenden Reifen von der Hauptstraße in die Siebertstraße ein. Er konnte in 50 Meter Entfernung die gläsernen Eingangstüren der Zentrale des Siebert-Konzerns sehen. Er gab noch mal Gas. Als er die drei Stufen, die zur Eingangshalle führten, bemerkte, schrie er nur: „Chin, halte dich fest.“ Er hupte laut, damit die zahlreichen Wachmänner zur Seite springen konnten. Als das Auto die Treppen hochschoss, konnte man das Platzen der Reifen hören, dann klirrten die Scheiben der Eingangstür, die Airbags wurden ausgelöst. Alex bremste scharf, und sie kamen in der Mitte der Eingangshalle zum Stehen. Die Eingangshalle war hell erleuchtet. Das Voltitu sprang mit einem leichten Vibrieren an. Zur Not würde er sich jetzt wieder verteidigen können. Fünf Männer des Werkschutzes umstellten den Wagen beziehungsweise das, was von ihm übrig geblieben war.
Kapitel 2
Alex fuhr mit seinen Eltern auf der Straße von Otjiwarongo nach Rundu. Das nächste Ziel war Grootfontein. Die Straßen in Namibia waren im Gegensatz zu Europa leer. Es konnte passieren, dass man eine halbe Stunde oder noch viel länger fuhr und keinem anderen Pkw begegnete. Alex war von seinen Eltern zu dieser Namibia-Rundreise eingeladen worden. Ein halbes Jahr zuvor hatte sich seine Freundin Corinna von ihm getrennt. Er kannte Corinna schon seit der Schulzeit. Sie waren zwei Jahre zusammen, aber plötzlich wollte Corinna größeren Abstand zu Alex, auf einmal trennte sie sich von ihm. Alle Versuche, ihre Liebe erneut zu gewinnen, misslangen.
Es begann eine schwere Zeit für Alex, in der er sehr traurig war. Dies haben auch seine Eltern mitbekommen. Und um ihn auf andere Gedanken zu bringen, schenkten sie ihm diese Rundfahrt in Namibia. Der Termin wurde in die vorlesungsfreie Zeit gelegt. Nach diesen Semesterferien galt es für Alex, seine Diplomarbeit zu schreiben. Vor zwei Monaten änderte sich der Gemütszustand von Alex jedoch gewaltig. Er lernte auf einer Feier eines chinesischen Kommilitonen die schöne Chin kennen. Sie hatte langes, schwarzes Haar und eine schlanke Figur. Sie sprach fließend Deutsch, Englisch und natürlich Chinesisch. Sie studierte Betriebswirtschaft. Alex war sofort von ihr angetan. Am nächsten Tag verabredeten sie sich zum Kaffee. Danach trafen sie sich jeden Tag, bis sie auch die Nächte in einem ihrer engen Studentenzimmer zusammen verbrachten.
Zwei Wochen vor Urlaubsantritt hatten sie durch Zufall eine kleine Zweizimmerwohnung nahe der Uni gefunden, in die sie nun zusammengezogen waren. Alex liebte Chin. So interessant die Urlaubsreise auch war, er musste häufig an sie denken und schrieb ihr jeden Tag mehrere SMS. „So, Alex“, sagte seine Mutter, „wir sind jetzt gleich in Grootfontein, dann biegen wir nach Westen ab, und in 20 km sind wir am Hoba-Meteoriten.“
Die Mutter, die sehr esoterisch angehaucht war, bestand auf einen im Reiseführer nicht vorgesehenen Abstecher zum Hoba-Meteoriten. Allerdings hatte sie beim Vorschlag dieses Zieles nur Zustimmung erhalten, da sowohl der Vater als auch Alex bei dem Gedanken, einen der größten Meteoriten der Welt sehen zu können, regelrecht dankbar waren. Der Meteorit war lediglich in einem kleinen Abschnitt des Reiseführers beschrieben, den nur die Mutter gelesen hatte. In der Mittagszeit hatten sie den Meteoriten erreicht. Das Areal um den Meteoriten war großzügig abgezäunt. Auf dem Gelände befanden sich lediglich drei amerikanische Besucher, die eifrig fotografierten und nach zehn Minuten verschwunden waren. Alex war mit seinen Eltern allein auf dem Gelände. Der Meteorit war nicht bewacht. Es handelte sich um einen circa vier mal drei Meter großen etwa 50 Tonnen schweren Metallbrocken, der vor circa 30 000 bis 80 000 Jahren auf der Erde eingeschlagen war. Das Alter des Meteoriten wird auf 100 bis 300 Millionen Jahre geschätzt. Die Familie konnte den Meteoriten betreten und packte daneben das Picknick aus. Nach dem Essen legte sich Alex auf eine Bank neben den Meteoriten. Er sah an der Unterkante eines Vorsprunges am Meteoriten eine unvollständige Schnittstelle. Jemand musste versucht haben, ein Stück von dem Meteoriten herauszuschneiden. Obwohl es nicht seine Art war, kam Alex auf die Idee, das Stück, etwa walnussgroß, mitzunehmen. Er gab vor, er habe sein Handy im Auto vergessen und wollte es holen, um Chin eine SMS zu schreiben, außerdem wollte er Robert, seinem befreundeten Studienkollegen, ein Bild schicken. Er ging zum Auto, nahm sein Handy in die Hand und nahm aus dem Werkzeugkasten eine Metallsäge. In Namibia werden in der Regel mehr Werkzeuge im Auto mitgeführt als in Europa, da Tankstellen und Werkstätten sehr viel weiter auseinanderliegen und man sich zur Not selbst behelfen muss. Er wusste, seine Eltern würden es missbilligen, wenn er ein Stück des Naturdenkmals mitnehmen würde.
Nach circa einer Stunde gab der Vater das Zeichen zum Aufbruch. Die Eltern packten die Picknicktasche ein und gingen zum Auto. Alex sagte, er wolle noch kurz das Bild vom Meteoriten an seinen Freund schicken und eine SMS dazu schreiben, er würde gleich nachkommen. Als die Eltern außer Sichtweite waren, machte sich Alex daran, das Stück des Meteoriten endgültig herauszusägen, was ihm nach circa fünf Minuten schweißtreibender Arbeit gelang, da der Meteorit sehr hart war. Er steckte es in seine Hosentasche und die kleine Eisensäge in seine Fototasche. Als er zum Auto kam, warteten die Eltern schon und sagten: „Alex, wir haben noch einen weiten Weg bis nach Rundu, wir möchten nicht bei Dunkelheit in unserer Unterkunft ankommen, du weißt, wenn wir hier mit einem Kudu oder einem noch größeren Tier kollidieren, dann kann es gefährlich werden.“ Bei Einbruch der Dunkelheit kamen sie auf der in der Reiseroute gebuchten Gästefarm an. Der Urlaub war wunderschön. Alex beobachtete eine Elefantenherde am Kwando-Fluss. Er sah einen Leoparden mit seiner Beute auf einem Baum. Ein weiterer Höhepunkt war das Angeln eines Tigerfisches auf dem Okawango. Der Urlaub ging schnell vorbei. Am Flughafen freute sich Alex auf Chin zu Hause. Weiterhin musste er an die Universität und an seine bevorstehende Diplomarbeit denken. Alex war im 11. Semester der Elektrotechnik. Er war kein Genie und hatte ab und zu eine Klausur wiederholen müssen. Trotzdem hatte er alles in allem sein Studium problemlos gemeistert. Die Diplomarbeit stellte jetzt die letzte Hürde vor dem Abschluss seines Studiums dar. Alex wollte eine Arbeit über Fotovoltaiktechnik schreiben. Die vorgegebenen Themen, wie zum Beispiel optische Tropfengrößenmessung an der Tropfenkammer, erschienen ihm nicht so interessant. Von dieser Idee musste er noch den zuständigen Tutor, der ihm noch genannt werden würde, überzeugen.
Kapitel 3
Alex öffnete seinen Laptop und kontaktierte das Uni-Programm. Sein Name und seine Diplomarbeit waren bei dem Tutor Professor Schreiber zu finden. Gott sei Dank, dachte Alex, es ist Professor Schreiber. Professor Schreiber gehörte zu den beliebtesten Professoren der Studenten, da er Verständnis für Fehler oder Unzulänglichkeiten zeigen konnte. Er war nicht arrogant und hatte sich eine gewisse Euphorie für die Forschung erhalten. Auch hat er oft genug Interesse an den Ideen der Studenten gezeigt.
Alex war froh, dass er nicht an so einen arroganten Deppen, wie die Studenten insgeheim sagten, wie Professor Martini geraten war. Professor Martini war bei den Studenten sehr unbeliebt, da er unter anderem einen Studenten wegen eines fehlenden Punktes in einer Wiederholungsklausur von der Uni verwies und ihm keine Chance zu einer mündlichen Nachprüfung gewährte.
Alex vereinbarte einen Termin mit dem Sekretariat von Professor Schreiber für den nächsten Vormittag. Als es soweit war und er dem Professor gegenüberstand, war sich Alex nicht mehr so sicher, ob er ihm sein selbst gewähltes Thema für die Diplomarbeit vorschlagen sollte. Er nahm seinen Mut zusammen und sagte: „Herr Professor, ich möchte gerne meine Diplomarbeit über Fotovoltaikanlagen schreiben.“ „Alex, was versprechen Sie sich davon?“„Ich möchte versuchen, an einer effektiveren Fotovoltaiktechnik zu arbeiten.“
Professor Schreiber antwortete: „Sie wissen, dass schon viele Wissenschaftler in der Welt an diesem Thema forschen.”„Ja, ich weiß“, sagte Alex, „aber Sie selbst haben in einer ihrer Vorlesungen gesagt, nur Menschen mit Visionen werden die Zukunft verändern. Außerdem sind immer Verbesserungen möglich.”
Als Konrad Zuse seinen ersten Computer baute, war dieser so groß wie ein halbes Zimmer. Heute ist ein Computer fast so klein wie eine Streichholzschachtel und viel leistungsfähiger. Die heutigen Fotovoltaikanlagen brauchen ganze Scheunendächer, um einige Kilowatt Strom zu produzieren. Wenn es gelänge, die Effektivität der Fotovoltaikanlagen zu steigern, wie dies im Vergleich bei den Computern gelungen ist, könnte man Unmengen an sauberem Strom produzieren. Herr Professor, mein Interesse galt schon seit langem der Fotovoltaiktechnik, ich möchte die Zeit der Diplomarbeit nutzen, um mich in dem Gebiet einzuarbeiten und einige Messungen anzustellen. Vielleicht lässt sich ja doch die Effektivität steigern. Wenn ich keinen Fortschritt sehe, dann werde ich wieder zu Ihnen kommen und ein anderes Thema bearbeiten.“ Der Professor entgegnete: „Was Sie da vorhaben, ist sehr ehrgeizig und mutig, aber versuchen Sie es. Ich werde mich von Zeit zu Zeit nach Ihren Ergebnissen erkundigen.“ Nach einiger Zeit der Überlegungen ließ sich Alex von der Haustechnik Fotovoltaikplatten in der Größe von DIN-A5-Blättern anfertigen. Er fing an, Messungen durchzuführen, versuchte die Leistung der Platten durch Erwärmung und durch Erhöhung der Anzahl der Halbleitersilikate zu verändern. Weiterhin veränderte er die Grundfarbe der Platten. Er arbeitete zwei Wochen intensiv im Labor. Die Messergebnisse entsprachen dem Größenverhältnis der Fotovoltaikplatten – und nicht mehr. Es ließen sich bisher keine wesentlichen verwertbaren Ergebnisse nachweisen. Auch die folgenden Wochen vergingen ohne wesentlichen Fortschritt. Nach insgesamt vier Wochen meldete sich Professor Schreiber und erkundigte sich nach den Ergebnissen der Arbeiten. Einige Kommilitonen hatten schon einen ordentlichen Teil der Diplomarbeit geschrieben. Alex war noch nicht vorangekommen. Professor Schreiber sagte: „Alex, Sie wissen, in drei Monaten ist der Abgabetermin, wenn Sie sich nicht ranhalten, werden Sie ein Semester anhängen müssen. Vielleicht sollten Sie doch eines der von mir vorgeschlagenen Themen bearbeiten.“ Alex war frustriert. Es kam ihm die Idee, etwas an den Halbleitern der Fotovoltaikplatten zu verändern. Als er vor seinem Schreibtisch saß, fiel sein Blick auf das Stück, das er von dem Hoba-Meteoriten mitgehen gelassen hatte. Er nahm eine Metallfeile und feilte feinen Sternenstaub über eine der Fotovoltaikplatten. Er schloss die Platte an den Strommesser an und hielt sie ans Fenster. Das Sonnenlicht fiel gerade so auf die Platte. Das Messgerät fing an zu zählen. Die Platte produzierte mindestens das Doppelte an Strom, was die Platte ohne den Meteoritenstaub produziert hatte.
Alex war erfreut. Wenigstens etwas, dachte er. Er nahm die Platte und feilte noch mehr von dem Meteoritenstaub darauf. Danach schob er die Platte in den Reaktionsofen und erhitzte sie auf 500 °C. Zehn Minuten später nahm er die Platte und führte die gleiche Messung nochmals durch. Mittlerweile war es bewölkt, aber als er die Abdeckung von der Platte nahm, raste das Messgerät in noch nie da gewesener Geschwindigkeit. Alex war begeistert. Er beeilte sich heute, schnell nach Hause zu kommen, um Chin von seiner Entdeckung zu berichten. Chin konnte zunächst die Begeisterung von Alex nicht verstehen. Da sie sich mit Betriebswirtschaft auskannte und wenig von Elektrotechnik verstand, sagten ihr die von Alex beschriebenen Messwerte nicht viel. Aber der Enthusiasmus und die gute Laune von Alex steckten sie schließlich an. Gut gelaunt gingen sie in ein Lokal und bestellten sich etwas zu essen, was angesichts ihrer spärlichen Einkommen nicht häufig vorkam. Chin fragte: „Wenn du eine tolle Entdeckung gemacht hast, wie willst du sie nennen?“ Alex antwortete: „Ich weiß nicht.“ „Wie wär’s mit Fotovoltaik zwei oder Fotovoltaik two?“ „Nicht schlecht“, antwortete Alex. „Es ist mir aber zu lang.“„Wie wär’s mit Voltitwo?” „Hört sich gut an. Wenn wir jetzt noch den Anglizismus weglassen, gefällt es mir gut.”„Also heißt es jetzt Voltitu.”
Kapitel 4
Alex machte einige Versuche mit dem Voltitu, bis er sich sicher war, dass es funktionierte. Er bastelte sich eine lichtdichte Hülle und veränderte eine Laptoptasche, sodass das Voltitu darin nicht zu sehen war. Für den nächsten Tag vereinbarte Alex einen Termin mit Professor Schreiber. Professor Schreiber trat ein und sagte: „Na, Alex, haben Sie es sich überlegt, wollen Sie nicht lieber über einen Glasfaser-Durchflusssensor Ihre Arbeit schreiben, oder ich hätte noch Hochspannungspulserzeugung für einen Ultraschallwandler im Angebot.“
Alex antwortete wenig beeindruckt. „Bitte, Professor, schauen Sie sich mein neues Voltitu einmal näher an.“
„
Was soll das sein, ein Voltitu?“ fragte Professor Schreiber. Alex hatte alles vorbereitet, das Voltitu hatte er in Fensternähe abgelegt. Nun schloss er es an eine Glühbirne an. Darauf nahm er einen Teil der Abdeckung vom Voltitu ab. Die Glühbirne blitzte ganz kurz auf und war kaputt. Daraufhin nahm Alex einen Halogenstrahler und schloss ihn an das Voltitu an. Es trat ein helles Licht auf, das ganz kurz aufleuchtete wie ein Blitz und dann verlosch. Professor Schreiber stutzte: „Sind denn hier alle Birnen kaputt? Ich besorge einen Voltmeter.“ Nach kurzer Zeit war er mit einem Voltmeter zurückgekehrt. Alex schloss den Voltmeter an und öffnete etwas die Abdeckung des Voltitu, der Voltmeter raste. Daraufhin deckte Alex das Voltitu ganz auf, und es dauerte nicht lange, und der Voltmeter gab seinen Geist auf. Professor Schreiber hielt seine Hand ans Kinn, als könne er nicht glauben, was er gerade gesehen hatte. „Alex, warten Sie einen Moment, ich arbeite gerade an einem potenten CO2-Laser, der sehr viel Strom verbraucht, mit dem versuchen wir es noch mal.“ Fünf Minuten später kam Professor Schreiber mit seinem Lasergerät zurück ins Labor. Es handelte sich um einen modernen Laser, der nur noch 20 cm lang und so dick wie ein Daumen war. An der Wand vor dem Laser bauten sie eine Bleiplatte auf. Alex schloss den Laser an, und im Nu trat ein heller, starker Lichtstrahl auf, der auf die Metallplatte prallte. Professor Schreiber starrte auf das Voltitu, so was hatte er noch nicht erlebt. Wie konnte eine so kleine Fotovoltaikplatte eine so riesige Menge Energie produzieren?
Nach kurzer Zeit fand Professor Schreiber seine Sprache wieder. „Wie haben Sie das gemacht, Alex?“ „Ich weiß es selbst noch nicht genau“, antwortete Alex. „Ich muss noch einige Untersuchungen durchführen. Ich kann nur soviel sagen, ich habe die Halbleiter verändert, Herr Professor.“ „Es ist schon spät, Alex, treffen wir uns morgen um 10 Uhr erneut im Labor; was Sie da haben, interessiert mich kolossal.“
Pünktlich am nächsten Tag trafen sich Professor Schreiber und Alex im Labor. Der Laser wurde wieder angeschlossen, und vor der Bleiplatte wurden Holz, Kunststoffe und andere Materialien aufgebaut. Auch heute war wieder ein bewölkter Tag. Nachdem das Voltitu geöffnet war, konnte der Laserstrahl sowohl die verschiedenen Kunststoffe sowie das Holz wie Butter durchschneiden. Professor Schreiber staunte und war begeistert. Nach kurzer Zeit fing er an zu reden.
„
Alex, was Sie da haben, ist eine Sensation. Ihr Voltitu produziert Strom im Megawattbereich. Was möchten Sie damit anfangen?“ „Nun“, antwortete Alex, „zunächst einmal möchte ich meine Diplomarbeit schreiben, und dann soll das Voltitu gebaut werden und Energie für alle produzieren zu einem günstigen Preis.“ „Sind Sie sich überhaupt der Dimension Ihrer Erfindung bewusst, Alex? Wenn es gelingt, Ihr Voltitu in Serie zu produzieren, dann wären die Energieprobleme ein für allemal gelöst. Man hätte Energie in unbegrenzter Menge zur Verfügung. Tagsüber würde der Strom sowieso ausreichen, und in der Nacht könnte mit dem überflüssigen Strom Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt werden, oder man könnte Methangas produzieren.
Überlegen Sie, was das für die Volkswirtschaft in Deutschland, ja in ganz Europa bedeuten würde. Die Milliarden, die jährlich nach Russland und in die arabischen Länder fließen, stünden den Menschen hier wieder zur Verfügung. Man könnte die Armut bekämpfen. Beim Einsatz dieser Technologie wäre es möglich, die CO2-Emission in den nächsten Jahren um circa 80 Prozent zu reduzieren. Der Klimawandel würde verlangsamt oder gestoppt, es würde weniger Überschwemmungen oder Wirbelstürme geben, es könnten Millionen von Menschen gerettet werden. Man könnte endlich die Kernkraftwerke abstellen, es würde nie mehr Strahlungskatastrophen wie in Harrisburg, Tschernobyl oder Fukushima geben, und auch die hässlichen Windräder auf den Bergen könnten abmontiert werden, die unsere Greifvögel erschlagen. Der Eisbär könnte weiterleben. Und die russischen Ölmilliardäre, die ihren Reichtum durch uns haben, werden dann ihre europäischen Fußballvereine verkaufen müssen, und die arabischen Scheichs können schon so langsam wieder die Kamele aus dem Stall holen. Sie werden viele Bewunderer haben, aber auch viele Neider und Feinde. Danke, Alex, ich habe mir schon immer gewünscht, bei einer so weitreichenden Entdeckung dabei zu sein.“
„
Noch was“, ergänzte Professor Schreiber, „Sie werden das allein nicht schaffen, Alex, ich habe einen guten Freund im Vorstand der Firma Siebert in München, der heißt Dr. Traber, mit dem werde ich mal Kontakt aufnehmen. Zusätzlich sollte ich vielleicht mit einem der großen Energieversorger reden, Ihre Erfindung wird dort sicherlich auf großes Interesse stoßen. Ich bin jetzt für drei Tage auf einem Kongress, danach sehen wir weiter.“ „Professor Schreiber, ich möchte in den nächsten Tagen noch einige Versuche durchführen“, sagte Alex, „kann ich dafür das Labor und Ihren Laser benutzen?“ „Es steht Ihnen alles zur Verfügung, Alex“, antwortete Professor Schreiber „ich unterstütze Sie mit allem, was in meiner Macht steht.“
Kapitel 5
Wu Wang war ein aufstrebender, ehrgeiziger Mann, der seit fünf Jahren die Filiale der Schanghai Solar Industries in Frankfurt leitete. Er war bisher mäßig erfolgreich, obwohl er schon einige Tricks ausprobiert hat, um seine Geschäfte zu erweitern und anzukurbeln. Unter anderem hat er ein Jahr nach Übernahme der Filialleitung in Frankfurt Erkundigungen eingezogen, um Schwächen der Professoren der Technischen Universität Frankfurt herauszufinden. Sowohl er als auch seine Vorgesetzten in China wussten um den hohen Standard der Technischen Universität. Auch sie wussten, dass bereits zwei spätere Nobelpreisträger an der Uni studiert hatten. Um so interessanter war es, an neue Forschungsergebnisse zu gelangen und die möglichst frühzeitig umzusetzen.
Bei diesen Erkundigungen hatte Wu erfahren, dass Professor Martini an Spielsucht litt. Er hatte ganz beträchtliche Schulden durch Roulette und Pokerspiel. Mit dem Wissen um diese Schwäche näherte sich ihm Wu Wang langsam an. Zunächst besichtigte er offiziell die Solaranlagen der Uni Frankfurt, die Professor Martini als Bereichsleiter zu verwalten hatte, dann kam eine Einladung in die Firma von Wu Wang. Bei der zweiten Verabredung, nach gutem Essen und nachdem reichlich Alkohol geflossen war, ließ Wu Wang durchblicken, dass für mögliche Verbesserungen in seiner Firma Prämien ausgesetzt wären.
Professor Martini war zunächst skeptisch, aber nachdem er den ersten Geldbetrag erhielt, als er die Lagerung der Solarzellen bei Schanghai Solar Industries in Frankfurt optimierte, vertraute er Wu zunehmend. Zunächst war es kein Geheimnisverrat, sondern lediglich eine Dienstleistung. Bei weiteren Treffen verriet Professor Martini aber eben auch jüngste Forschungsergebnisse der Studenten und der Kollegen der Universität. Hierfür erhielt er mehrfach Geldbeträge bis zu 5000 Euro.
Professor Martini konnte seine Spielsucht nicht bezwingen und hat das Geld jeweils angenommen, um wenigstens die gröbsten Schulden zu tilgen. Professor Martini war einst ein hervorragender Wissenschaftler, der akkurat seine Ergebnisse dokumentierte und mehrfach Auszeichnungen erhielt. Nach seiner Scheidung brach eine Welt für ihn zusammen, und er flüchtete sich mehr und mehr in den Alkohol sowie das Glücksspiel. Den Alkohol bekam er wieder in den Griff, aber das Glücksspiel konnte er nicht lassen.
Weiterhin hat Wu Wang halbjährlich Treffen für die chinesischen Studenten der Universität ausgerichtet. Hierbei wies er die Studenten an, fleißig zu lernen und gute Abschlüsse zu erzielen, um den Fortschritt in China zu beschleunigen. Beiläufig ließ er jedoch durchblicken, dass interessante Neuerungen zuerst ihm gemeldet werden sollten, „damit er sie schneller in die Heimat weiterleiten könne“. Insgeheim hoffte er auf den großen Wurf, eine große Entdeckung oder einen großen Verkaufsvertrag, der ihn weit nach vorne katapultieren würde, der ihn zu einem reichen Mann machen würde.
Sein Traum war es, wie seine Vorgesetzten, in einer großen Villa in einem Nobelvorort von Schanghai zu leben und als geachteter Mann in der High Society von Schanghai zu verkehren. Hierfür nahm er einiges in Kauf. Er war fleißig und jederzeit verfügbar, aber auch skrupellos. Er war täglich der letzte, der sein Büro verließ. Für die Erfüllung seines großen Traumes waren ihm fast alle Mittel recht. Auch die Zentrale in Schanghai machte häufig Druck. Die Verkaufszahlen stagnierten, allerdings auf einem guten Niveau. Aber das war den Bossen in Schanghai nicht genug, auch sie wollten noch reicher werden und noch mehr Marktanteile gewinnen.
Kapitel 6
Alex forschte intensiv an seinem Voltitu. Die chemische Analyse ergab ein bisher nicht entdecktes Eisen- und Nickel-Silikat mit der Summenformel Fe (Ni Si3 08). Das Molekül hatte die Form eines Prismas. Hierdurch wurden die Sonnenstrahlen gebrochen und in die Spektralfarben zerlegt. Dadurch wurde die Effektivität der Halbleiter potenziert. Nicht nur dieser Effekt wirkte sich auf die Effektivität des Voltitus aus. Bei der physikalischen Analyse stellte Alex fest, dass die Elektronen der äußeren Schichten des Eisen- und des Nickelatoms durch die Konkurrenz der beiden Metalle instabil waren und leicht ihre Elektronenbahnen verlassen konnten. Dies schien eine weitere Ursache für die Wirkungsstärke des Voltitus zu sein. Nach Alex’ Ansicht potenzierten sich diese beiden Effekte zusätzlich.
Als Alex über den Namen des neu entwickelten Silikates nachdachte, musste er schmunzeln. Ihm fielen Namen wie Alexat oder Chintat ein. Man würde später sehen, nach Veröffentlichung der Diplomarbeit, wie das neue Silikat heißen würde. Alex begann in den nächsten Tagen seine Diplomarbeit zu schreiben.
Als er eines Abends nach Hause kam, wartete Chin bereits auf ihn. Sie sagte: „Stell dir vor, Alex, heute waren zwei freundliche Herren von der Firma Wasserfall und Egon bei mir und haben sehr freundlich und lange mit mir geredet. Sie sagten, wenn du bereit wärest, ihnen deine Erfindung zu verkaufen, würden sie uns 100 000 Euro geben. Wäre das nicht toll, Alex? Dann könnten wir endlich mal in Urlaub fahren, vielleicht auf die Malediven oder an einen anderen schönen Strand.“ Die Herren hatten ihre Telefonnummer hinterlassen, und Alex hatte für den nächsten Tag einen Termin vereinbart.
Bei dem Treffen mit den Vertretern von Wasserfall und Egon fragte Alex die Herren zunächst, woher sie von seiner Entdeckung wussten. Sie sagten, Professor Schreiber habe mit ihrem Chef auf einem Kongress geredet und sie aufmerksam gemacht, dass ein Student seiner Fakultät eine sehr interessante Entdeckung gemacht hatte. Alex fragte die Herren, ob überhaupt Kapazitäten frei wären, ein solches Gerät in Serie zu bauen und zur Stromproduktion einzusetzen. Daraufhin sagten ihm die beiden Vertreter, das Gerät müsse erst mal genauestens geprüft werden und mit einer serienmäßigen Produktion könnte frühestens in zwei bis drei Jahren begonnen werden. Alex verabschiedete die Herren und teilte ihnen mit, er müsse sich die ganze Sache noch mal durch den Kopf gehen lassen.
Als er wieder mit Chin allein war, zeigte sich Alex wenig begeistert. Chin, diese Herren vertreten den Atomstrom und die Kohlekraftwerke; wenn ich denen mein Voltitu verkaufe, dann landet das in der Schublade und kein Mensch wird davon profitieren, und die Umwelt und die Natur werden weiter zerstört, und niemand kann diesen Leuten Einhalt gebieten.
Wenn die noch mal hier aufkreuzen, sage ihnen, das Gerät sei defekt oder ich hätte mich anders entschieden. Die kriegen das Voltitu auf jeden Fall nicht.
Kapitel 7
Als Professor Schreiber vom Kongress zurückkam, ließ er sofort über sein Sekretariat einen Termin mit Alex vereinbaren. Alex war ein wenig enttäuscht, dass Professor Schreiber ohne ihn zu benachrichtigen, bereits mit der Energieversorgung gesprochen hatte. Als er Professor Schreiber traf, sagte er: „Herr Professor, ich habe den Eindruck, die Vertreter von Wasserfall und Egon wollten nur das Voltitu in ihren Besitz bringen, um es dann verschwinden zu lassen. Diese Herren vertreten die Atomenergie und die Kohlekraftwerke. Das sind keine Ansprechpartner für mich. Ich suche einen Partner, der auf Innovation setzt und sauberen Elektrostrom produzieren möchte.“ „Ich glaube, Sie haben recht, Alex. Ich habe ein weiteres Gespräch mit meinem Studienkollegen Dr. Traber von der Firma Siebert in München geführt. Dr. Traber war ähnlich begeistert wie ich. Ich glaube, das ist der richtige Mann für Sie. Aber lassen Sie uns heute noch einige Versuche durchführen. Wir müssen die Effektivität des Voltitus noch genau ausmessen.“ Hierzu hatte Professor Schreiber ein industrielles Starkstrommessgerät besorgt.
Es war ein sonniger Tag, und das Voltitu produzierte Strom im Überfluss, über den Tag hochgerechnet im Megawattbereich. Professor Schreiber war bester Laune. Er sagte: „Alex, wir haben jetzt so viel zusammengearbeitet, und da Sie so ein freundlicher und talentierter junger Mann sind, möchte ich Ihnen das Du anbieten, falls Sie einverstanden sind, mein Name ist Udo.” Alex war erfreut. Es war eine Ehre für ihn, ein Duzfreund von Professor Schreiber zu sein, das kam an der Uni nicht oft vor. Alex sagte: „Sehr gern, meinen Namen kennst du ja.” Sie gaben sich herzlich die Hand. Am Ende der Messserie holte Udo (Professor Schreiber) erneut seinen CO2-Laser heraus. Es sagte zu Alex: „Jetzt lass’ mal sehen, was der Laser bei voller Leistung des Voltitus für eine Strahlenstärke bringt.”
Alex öffnete das Voltitu, der Laserstrahl traf auf die Bleiplatte. Plötzlich begann der Schrank hinter der Bleiplatte zu brennen. Der Laser hatte die Bleiplatte durchbrochen und sofort den Schrank fünf Meter dahinter in Flammen gesetzt. Der Feuermelder an der Decke schlug an und löste den Alarm aus. Alex lief in den Flur und holte den Feuerlöscher. Nach kurzer Löscharbeit war das Feuer aus. Dennoch kamen einige Leute, unter anderen auch Professor Martini in das Labor gerannt. Er fragte sofort: „Was ist hier los?” Professor Schreiber antwortete: „Wir haben lediglich ein paar Versuche mit meinem neuen CO2-Laser gemacht.” Professor Martini schaute misstrauisch. Er sah keinen Generator für den Laser. Er stellte lediglich fest, dass Alex vermutlich seinen Laptop rasch in der Hülle verstaute. „Wie haben Sie den Laser angetrieben?” fragte er Professor Schreiber. „Nun, wir haben hier etwas Neues ausprobiert. Damit soll es fürs Erste genug sein. Der Sachschaden an dem Schrank ist nicht hoch. Ich werde das aus meinem Forschungsbudget begleichen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden Alex und ich Ihnen mehr dazu sagen.“ Professor Martini wurde noch misstrauischer, er wollte jedoch mit seinem Kollegen keinen Streit beginnen. Er sagte zu den Haustechnikern: „Räumen Sie den Dreck auf “ und verließ den Raum.
Am nächsten Morgen rief Professor Martini bei Alex an; da Alex noch schlief, sprach er ihm auf die Mailbox: „Alex, Sie müssen zu mir ins Büro kommen, wir müssen wegen des gestrigen Vorfalls einen Bericht aufnehmen, dazu müssen Sie mir alle Einzelheiten Ihres Versuches mitteilen. Bitte kommen Sie sofort, und bringen Sie auch Ihren Laptop mit.“ Als Alex seine Mailbox abhörte, wurde er stutzig. Er dachte, Professor Schreiber habe die Angelegenheit schon bereinigt. Als Alex aufgestanden war, klingelte erneut sein Handy. Professor Martini, am anderen Ende der Leitung, sagte: „Alex, kommen Sie bitte unverzüglich in mein Büro, wir müssen einen Bericht wegen des gestrigen Brands im Labor aufsetzen.“ Alex fragte sich, warum es Professor Martini so eilig hatte. Kleinere Feuer oder Zwischenfälle ereigneten sich häufig im Labor. Er wollte jedoch Schwierigkeiten vermeiden und ging zu Professor Martini. Professor Martini befragte Alex ausführlich zu den Geschehnissen am Vortag. Als Alex ihm erklärte, sie hätten mit einer Solarplatte den Strom für den Laser erzeugt, war Professor Martini äußerst neugierig und drängte Alex, ihm das Gerät zu zeigen. Alex zeigte ihm das Voltitu. Professor Martini sagte: „Am besten, Sie lassen das Gerät bei mir, ich werde darauf aufpassen, bis der Bericht fertig ist.“ Was sollte das? Dachte Alex. Er würde das Gerät nie dalassen, da konnte sich Professor Martini auf den Kopf stellen. Alex musste eine Möglichkeit finden, jetzt möglichst diplomatisch den Rückzug anzutreten. Er sagte: „Herr Professor, ich benötige das Gerät noch für meine Versuche für die Diplomarbeit.” Professor Martini erhob die Stimme: „Sie lassen sofort das Gerät hier.” Alex begann nun zu verstehen, dass Professor Martini es nur auf das Gerät abgesehen hatte und der Bericht völlig unwichtig war. „Ich habe jetzt einen Termin und muss gehen, Herr Professor Martini, und das Gerät nehme ich mit.” Gerade wollte Professor Martini das Voltitu an sich reißen, da nahm Alex das Gerät und rannte aus dem Büro. Professor Martini verfolgte ihn kurz und rief ihm nach: „Wenn Sie mir bis Morgen das Voltitu nicht gebracht haben, werde ich dafür sorgen, dass Sie Ihre Diplomarbeit an unserer Uni vergessen können.” Nach dem Ereignis ging Alex sofort zu Professor Schreiber. Er schilderte ihm den Vorfall. Auch Professor Schreiber konnte das Verhalten von Professor Martini nicht erklären. Er beruhigte Alex jedoch, dass Professor Martini allein nicht die Macht hatte, ihm seinen Studienabschluss zu verwehren. Was Alex nicht wusste, war, dass Professor Martini jetzt mit Wu Wang Kontakt aufnahm.
Er sagte ihm: „Ich habe hier etwas ganz Großes für Sie, wenn Sie bereit sind, eine ordentliche Summe im sechsstelligen Bereich zu bezahlen, dann können Sie die größte Erfindung dieses Jahrhunderts bekommen.“ Wu Wang war sehr interessiert und sagte zu Professor Martini: „Wenn die Qualität stimmt, spielt Geld keine Rolle.” Professor Martini gab Wang alle Informationen einschließlich der Adresse von Alex.
Kapitel 8
Alex war am nächsten Tag mit Schreibarbeiten an seiner Diplomarbeit beschäftigt. Als er am Abend nach Hause kam, öffnete ihm Chin freudig die Tür. „Alex, Alex, weißt du, wer heute hier war?“ „Na, sag schon”, entgegnete Alex. „Der ehrenwerte Wu Wang von Schanghai Solar Industries war hier und hat mir 50 000 Euro geboten, wenn er sich das Voltitu für einen halben Tag mal ausleihen dürfte.“ Alex war entsetzt, woher wusste Wu Wang von dem Voltitu? Hatte etwa Udo auch Wu Wang benachrichtigt? „Und was hast du gesagt, Chin?“ „Ich habe einen Termin für morgen Nachmittag um 17 Uhr mit ihm und dir vereinbart.“
„
So ein Mist“, dachte Alex: „Wenn die mein Voltitu kriegen, dann werden sie es bis ins kleinste Detail kopieren und vielleicht kommen die Chinesen sogar auf die Formel der Halbleiterveränderungen im Voltitu, sodass sie es komplett nachbauen können. Sie würden wahrscheinlich sogar die Initialen von seiner Laptoptasche noch mitbenutzen. Und schließlich würden sie behaupten, es wäre alles in China erfunden und hergestellt worden. So wie sie es zum Beispiel mit den original Räuchermännern aus dem Erzgebirge versucht hatten.“
„
Woher wusste Wu von dem Voltitu?“ wollte Alex wissen. Chin sagte: „Das hat er mir nicht verraten. Aber er ist ein ehrenwerter Mann. Er lädt, wie du weißt, alle chinesischen Studenten einmal im Semester zu einer großen Feier ein. Außerdem ist er der Direktor einer großen Niederlassung der Schanghai Solar Industries in Frankfurt, nahe dem Botschaftsviertel.“ Am nächsten Morgen ging Alex direkt ins Sekretariat von Professor Schreiber. Als die Sekretärin ihn einließ, fragte er nach kurzer Begrüßung: „Udo hast du einem gewissen Wu Wang von Schanghai Solar Industries von dem Voltitu erzählt? Der war nämlich gestern bei mir zu Hause und wollte, dass meine Freundin ihm das Voltitu für einen Tag überlässt.“
„
Von mir weiß dieser Mann nichts. Aber was ich dir sowieso sagen wollte, Alex, gestern habe ich zufällig Professor Martini beobachtet, wie er mit zwei Asiaten auf dem Parkplatz gesprochen hat, und als ich näher kam habe ich deutlich deinen Namen verstanden. Da ist etwas faul.“ „Du solltest möglichst bald mit der Veröffentlichung deiner Arbeit beginnen, damit die Urheberrechte geklärt sind, und dann musst du noch ein Patent beantragen.“ „Ja, das ist das Sinnvollste, so werde ich vorgehen.“
„
Danke, Udo, meine Freundin hat für heute Nachmittag einen Termin mit Wu Wang ausgemacht, da werde ich versuchen ihn auszufragen.“ „Sei vorsichtig, Alex, man weiß nicht, was diese Leute im Schilde führen, sicher ist nur eins: Sie wollen dein Voltitu haben.“ „Ach, noch was, Udo, kann ich deinen Laser ausborgen, ich wollte noch mal die Effektivität des Lasers testen. Ich bringe ihn dir morgen am späten Nachmittag zurück.“ „Selbstverständlich, Alex, nimm alles, was du gebrauchen kannst.“ Alex ging nach Haus und war sehr gespannt auf den Nachmittagstermin mit Wu Wang.
Kapitel 9
Als Alex nach Hause kam, wartete Chin schon auf ihn. Sie hatte ihm einen leckeren grünen Tee gekocht, den sie gerne nach der Uni getrunken haben. Außerdem hatte sie einen Kuchen gekauft, um ihren Gästen nachher etwas anbieten zu können. Gegen 17 Uhr klingelte es an der Tür. Chin öffnete. Vor der Tür standen Wu Wang und ein weiterer Mann. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln verbeugte sich Chin und ließ die Gäste herein. Alex konnte vom Wohnzimmer aus die beiden Herren beobachten. Beide Männer waren circa 1,80 Meter groß, der Mann neben Wu Wang hatte eine stattliche Gestalt. Er sah eher wie ein Bodybuilder als ein Geschäftsmann aus. Nach kurzer Unterhaltung kam Wu Wang zur Sache. Alex fragte Wu Wang zunächst, woher er seine Informationen über das Voltitu habe. Wu Wang antwortete knapp, er erhalte ab und zu Informationen aus der Universität. Im weiteren Verlauf des Gesprächs bot er Alex zunächst 50 000 Euro, wenn er das Voltitu für einen Tag haben könnte. Als er merkte, dass Alex zögerte, bot er sogar 100 000 Euro. Alex versuchte Wu Wang dadurch zu vertrösten, dass er ihm erklärte, das Voltitu sei noch nicht ausgereift und seine Forschungen seien noch nicht abgeschlossen. Danach zeigte sich Wu Wang zunehmend ungeduldig. Er bestand darauf, das Voltitu zu sehen. Der Muskelmann neben Wang spielte an einer Kette an seinem linken Unterarm. Alex wurde es zunehmend mulmig. Er wollte Wang auf keinen Fall das Voltitu zeigen oder gar übergeben. Obwohl er und auch Chin wussten, dass das Voltitu in seiner Laptoptasche neben dem Schreibtisch lag, sagte Alex: „Das Voltitu befindet sich im Labor im Institut.“ Zum Glück blieb Chin ruhig und verriet ihn nicht. Wang stand auf und ging unverschämterweise im Zimmer hin und her, wobei er die Gegenstände im Regal und auf den Tischen genau musterte. Alex stand ebenfalls auf und sagte: „Wir sollten den Besuch jetzt hier beenden und uns ein andermal weiter unterhalten.“ Wu Wang schaute sehr misstrauisch und gab seinem Begleiter durch ein kurzes Zucken mit dem Kopf die Anweisung, die Wohnung zu verlassen.
Alex war mit den Nerven am Ende. Er ließ sich in den Sessel fallen und atmete einmal fest aus. Chin setzte sich neben ihn und fragte: „Warum hast du ihm das Voltitu nicht gegeben, das schöne Geld, wir hätten einen Vertrag mit ihm schließen können, warum hast du ihn nicht wenigstens einen Blick darauf werfen lassen?” Alex antwortete: „Ich traue diesen Männern nicht, das Voltitu ist unbezahlbar, es kann alle Energieprobleme dieser Zeit und auch die Kohlendioxidprobleme lösen, wenn es in die richtigen Hände gerät. Es darf auf keinen Fall jemand bekommen, der sich nur skrupellos bereichern will.
Ich werde jetzt meine Diplomarbeit fertigschreiben, und dann werde ich ein Patent anmelden, und anschließend werde ich versuchen, das Voltitu in Serie produzieren zu lassen, damit die Energieprobleme gelöst werden und nicht, damit einige Geschäfte damit machen.“ Chin wurde auf einmal anschmiegsam. „Wenn das so ist, mein großer Erfinder, dann sollten wir es uns jetzt mal gemütlich machen.“ Chin ging in Richtung Schlafzimmer. Alex liebte es, wenn Chin ihn verführte, aber heute gingen ihm so viele Gedanken durch den Kopf, dass er sich richtig überwinden musste, ihr zu folgen.
Am nächsten Morgen ging Chin pünktlich um 8 Uhr in die Uni. Alex hatte starke Kopfschmerzen. Er nahm eine Kopfschmerztablette und legte sich wieder ins Bett. Als er aufwachte, war es später Nachmittag. Chin hatte eigentlich nur bis 12 Uhr Uni gehabt. Normalerweise gab sie kurz Bescheid, wenn sie später kam oder etwas anderes vorhatte. Bis jetzt hatte sie sich jedoch noch nicht gemeldet. Auch auf seinem Handy fand Alex keine SMS. Als Alex aufstand, fiel sein Blick auf das Voltitu, und er erinnerte sich, dass er den Laser von Udo Schreiber dabei hatte. Er wollte das Lasergerät heute Mittag zurückgeben. Aber sein Kopfschmerz war noch nicht ganz vergangen. Er würde heute nicht in die Uni gehen. Er wählte die Nummer von Udo Schreiber.
Es meldete sich die vertraute Stimme der Sekretärin, die sich jedoch total eigenartig und verstört anhörte. Alex fragte sie: „Was ist los?“ Die Sekretärin fing an zu weinen und sagte: „Alex, haben sie es noch nicht gehört? Professor Schreiber ist gestern Nacht im Labor umgebracht worden, es ist eingebrochen worden, die Einbrecher haben das ganze Labor durchsucht und alles durchwühlt. Den ganzen Morgen ist die Polizei schon hier und sucht nach Spuren.“ „Wer hat ihn gefunden?“ „Ich glaube, es war Prfessor Martini, der zuerst ins Labor ging.“ Es durchfuhr Alex, er legte den Hörer auf. Hatte er seinen Freund auf dem Gewissen, als er gestern Wu Wang mitteilte, dass sein Voltitu im Labor sei? Alex überlegte, auf seine Kopfschmerzen konnte er jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Er fuhr zum Baumarkt. Nachdem er zurückgekommen war, wartete er noch eine Stunde auf Chin.
Dann rief er Chin auf ihrem Handy an. Am anderen Ende der Leitung wurde das Gespräch angenommen. Alex fragte: „Chin?“, keine Antwort. „Wo ist Chin, ich möchte Chin sprechen.“ Eine Stimme antwortete, und Alex erkannte sofort, es war die Stimme von Wu Wang. Er sagte: „Chin ist bei mir, Alex, Sie können Chin bei Schanghai Solar Industries abholen, bringen Sie aber Ihr Voltitu mit.“ Alex wusste, das war Erpressung, was sollte er jetzt tun? Sollte er jetzt kapitulieren, seine Erfindung verlieren und vielleicht sogar noch Chin, da sie als Augenzeugin Wang belasten könnte und dieser vermutlich deshalb Chin verschwinden lassen würde? Wenn er zu Schanghai Solar Industrie gehen würde, wäre es sicher auch für ihn lebensgefährlich. Er schaute aus dem Fenster. Vor dem Haus stand eine schwarze Limousine mit zwei Asiaten darin. Er musste die Polizei alarmieren.
Doch gerade als er dies dachte, klingelte es an der Tür. Zwei Polizeibeamte standen vor der Tür und fragten: „Sind Sie Alex Müller?” „Ja, das bin ich.” „Wir haben hier einen Haftbefehl gegen Sie.“ Alex fiel aus allen Wolken. „Was wird mir vorgeworfen?” „Es liegt eine Anzeige gegen Sie vor, Sie werden verdächtigt, ein Lasergerät sowie eine Solarzelle aus der Universität gestohlen zu haben.” „Wer sagt das?” „Professor Martini hat Sie angezeigt, darüber hinaus muss untersucht werden, ob Sie etwas mit dem Tod von Professor Schreiber zu tun haben.” In Sekundenschnelle ging es Alex durch den Kopf. Also auch Professor Martini wollte das Voltitu an sich reißen. Bis Alex bei der Polizei klargestellt hätte, dass er nichts getan hatte, wären alle seine Felle davongeschwommen. Er hätte nicht einmal beweisen können, dass das Voltitu seine Erfindung war. Das war zuviel für Alex, das Maß war voll. Er musste jetzt etwas tun.
„
Wir möchten Sie jetzt bitten, ein paar Sachen zusammenzupacken und mitzukommen“, drängte einer der beiden Beamten. Alex, der mit erneutem Besuch gerechnet hat, aber nicht mit der Polizei, öffnete leicht sein Voltitu, das er auf dem Tisch liegend angeschlossen hatte. Die Polizeibeamten zuckten zusammen, krampften ruckartig und fielen auf den Boden. Alex hatte eine Gittermatte unter den Läufer am Eingang gelegt und jetzt unter Strom gesetzt. Dadurch waren die Beamten kurzzeitig ohnmächtig. Er packte die wichtigsten Dinge zusammen, wie das Voltitu, den Laser, das restliche Geld und seine dicke Jacke, und verließ die Wohnung. Er wusste, hierher würde er in der nächsten Zeit nicht mehr zurückkehren können. Die Asiaten in der schwarzen Limousine standen immer noch vor dem Haus. Alex schlich sich daher durch den Keller auf der Rückseite des Hauses nach draußen. Wegen des Parkplatzmangels konnte er selten sein Auto vor dem Haus parken, was sich diesmal als Glücksfall erwies. Er ging zwei Querstraßen weiter, setzte sich in sein Auto und fuhr los.
Kapitel 10
Wu Wang hatte Chin vor der Uni abgepasst. Zunächst sagt er ihr, er sei nur zufällig hier, aber er könne sie ja nach Hause fahren. Als Chin ablehnte, sagte er, er würde sich heute Mittag sowieso mit Alex treffen und es wäre doch schön, wenn sie dabei wäre, sie solle in sein Auto einsteigen und mitfahren. Chin misstraute Wang und antwortete ihm, sie müsse noch in die Stadt einkaufen gehen, und schlug eine andere Richtung ein. Da fuhr Wang plötzlich mit seiner Limousine ganz nah an Chin heran, der Leibwächter öffnete die Tür und zog sie in das Auto. So sehr sie sich auch wehrte, gegen den kräftigen Leibwächter hatte sie keine Chance. Wang fuhr zu dem Haus von Schanghai Solar Industries im Konsulatviertel. Sie fuhren in die Tiefgarage, und Chin wurde in ein Nebenzimmer des Büros von Wang gezerrt, auf einem Stuhl geknebelt und gefesselt. Ihr Handy klingelte. Wang nahm es an sich. Aus dem Verlauf der Unterhaltung konnte sie feststellen, dass er mit Alex telefonierte. Sie versuchte Alex zu warnen. Doch so sehr sie sich anstrengte, durch den Knebel kam lediglich ein leises Gewinsel heraus, was Alex nicht hören konnte.
Chin hörte, wie Wang Alex erpresste und ihn drängte, mit dem Voltitu zu kommen und sie dagegen einzutauschen. Mittlerweile wusste sie, dass Wang ein skrupelloser Mann war, der vor nichts zurückschreckte. Er würde noch nicht einmal davor zurückschrecken, ihr oder Alex etwas anzutun. Es wurde Abend, und Alex kam nicht. Chin war erleichtert. Vielleicht hatte Alex die Falle durchschaut und ist zur Polizei gegangen. Vielleicht würden gleich einige Streifenwagen vorfahren und Wang festnehmen und sie befreien. Wang hatte mittlerweile mit Professor Martini telefoniert und wusste, dass Alex vor der Polizei geflohen war. Martini hatte ihm versichert, dass die Polizei das angeblich gestohlene Voltitu zu Martini bringen würde. Wang konnte dann das Voltitu bei Martini abholen. So weit konnte er ganz beruhigt sein. Er musste sich dann nur noch einen Plan überlegen, wie er Chin als Zeugin loswerden würde.
Kapitel 11
Alex fuhr nach Oberursel, einem Nachbarort von Frankfurt, und hielt auf einem Parkplatz. Er wählte die Nummer des Polizeipräsidiums und ließ sich mit dem zuständigen Beamten verbinden. Nach kurzer Zeit hatte er den zuständigen Kommissar mit Namen Geier an der Leitung. Er fragte: „Sind Sie Alex Müller?“. Alex antwortete: „Ja, ich bin’s.“ Der Kommissar fuhr fort: „Es ist das Beste, wenn Sie sich stellen, das wird in der Verhandlung für Sie positiv ausgelegt.“Alex antwortete:„Ich habe nichts getan, es wird keine Verhandlung geben.“ Darauf sagte Kommissar Geier: „Um so besser, dann können wir die Sache gleich auf dem Kommissariat klären, bringen Sie die gestohlenen Gegenstände mit, und melden Sie sich noch heute bei mir.“ „Und was machen Sie mit mir, wenn ich komme?“ „Sie werden erst mal bei uns bleiben müssen, bis der Untersuchungsrichter Sie verhört hat, und es wird eine Gegenüberstellung mit Professor Martini geben. Das Weitere wird dann der Richter entscheiden.“
„
Nein, danke“, antwortete Alex, „ich habe nichts getan, für das ich mich verantworten müsste. Außerdem werde ich erpresst, und zu gegebener Zeit wird sich alles klären.“ Alex legte den Hörer auf und warf das Handy in einen Müllcontainer. Er setzte sich in sein Auto und fuhr zu seinem Freund und Studienkollegen Robert. Seit Alex mit Chin zusammen wohnte, hatte er seinen Freund Robert vernachlässigt. Da es schon dunkel wurde, brauchte er einen Platz zum Übernachten. Morgen würde er irgendwie zu Schanghai Solar Industries gehen, um Chin zu retten.
Robert war erstaunt, als Alex vor seiner Tür stand. Nach kurzer Unterhaltung merkte Alex, dass Robert die letzten Tage krank gewesen war und nichts von den Geschehnissen in der Uni mitbekommen hat. Als Alex Robert sagte, er wolle bei ihm übernachten, fragte Robert, ob er Ärger mit Chin hätte. Alex wollte Robert auf keinen Fall in die Affäre mit hineinziehen, er ergriff die Möglichkeit und sagte ihm, er hätte sich sehr heftig mit Chin gestritten und müsse heute woanders übernachten. Damit war dieses heikle Thema für Alex überstanden.
Robert und Alex unterhielten sich mehrere Stunden über die Uni und über Fußball und andere Themen, die jedoch nichts mit den aktuellen Nöten von Alex zu tun hatten. Robert führte die gedrückte Stimmung von Alex auf den angeblichen Streit mit Chin zurück. Wenn sie sich sonst begegnet oder zusammen ausgegangen waren, herrschte eine ausgelassene Stimmung, die heute einfach nicht aufkommen wollte.
Um circa 23 Uhr legte sich Alex auf die Matratze, die ihm Robert, wie schon so oft in früheren Zeiten, als Schlafplatz zur Verfügung gestellt hat. Da Robert noch kränklich war, war es ihm ebenfalls recht, einigermaßen früh zu Bett zu gehen. Alex schlief diese Nacht sehr schlecht und war froh, als es Morgen wurde und er aufstehen konnte. Gegen 8 Uhr verabschiedete er sich von Robert und sagte ihm, er müsse in die Uni. Alex näherte sich dem Konsulatviertel. Er stellte seinen Pkw zwei Querstraßen weiter ab. Er zog seine Kappe ins Gesicht und setzte die Sonnenbrille auf. Dann ging er möglichst unauffällig an dem Gebäude von Schanghai Solar Industries vorbei.
Er versuchte sich alles einzuprägen, was er sah. An jeder Ecke des großen Gebäudes waren Videokameras angebracht. Im Gebäude selbst sah Alex vier Männer, zwei Wachmänner am Empfang und zwei weitere Männer unterhielten sich am Ende der Eingangshalle. Von Chin war nichts zu sehen, das wunderte ihn jedoch nicht. Chin war entweder im Keller des Gebäudes oder im Büro von Wu Wang festgehalten. Er entfernte sich unauffällig. Alex kontrollierte das Voltitu und den Laser. Alles war funktionsfähig. Er setzte sich nochmals in sein Auto und überlegte. Er musste es riskieren. Er stieg aus und ging wieder zum Gebäude von Schanghai Solar Industries. Er benutzte die andere Straßenseite. Beim Vorbeigehen startete er das Voltitu, und mit einem feinen Laserstrahl durchtrennte er die Stromleitung der hinteren Videokamera rechts. Kurz danach schaltet er die vorderen Videokameras der rechten Hausseite aus. Das Gleiche tat er mit den Videokameras der linken Hausseite.
Danach duckte er sich hinter einem parkenden Wagen auf der Gegenseite. Plötzlich merkte er, wie Bewegung in die Männer in der Eingangshalle kam. Je zwei Männer liefen nach rechts und nach links aus dem Gebäude. Das war seine Chance. Kurz entschlossen lief Alex durch die offenstehende Tür in die Eingangshalle. Mit dem Laser schaltete er die Überwachungskamera der Eingangshalle aus. Es reichte, einfach in die Kamera reinzustrahlen, und er sah, wie das Glas der Kamera zersprang. Jetzt musste er seine Intuition spielen lassen. In der Eingangshalle konnte er nicht bleiben. Er musste sich entscheiden, ob er die Treppe hoch- oder runterlaufen sollte. Die Wachmänner würden gleich zurück sein. Sie durften ihn auf keinen Fall sehen, sonst war er und bestimmt auch Chin verloren.
Kapitel 12
Wu Wang telefonierte mit Professor Martini. „Wir können jetzt nicht mehr zurück. Alex hat sich nicht gemeldet, obwohl ich seine Freundin hier gefangenhalte. Wie sollen wir weiter vorgehen? Wo hat er sich versteckt?“ „Bleiben Sie ruhig, Wu, ich habe gerade mit Kommissar Geier in Frankfurt telefoniert. Er sagte, sie würden Alex noch heute schnappen, sie hätten sein Handy geortet und drei Einsatzwagen nach Oberursel geschickt, um ihn dort festzunehmen. Nach der Funkortung hielt er sich seit einigen Stunden in der Nähe der S-Bahn-Station versteckt. Die Festnahme sei nur noch eine Frage von Minuten. Anschließend würde er mir die gestohlenen Gegenstände zurückgeben.
Ich habe Kommissar Geier auf die Wichtigkeit des Voltitu für die Universität hingewiesen.“ „Ich hoffe, es funktioniert, wie Sie sich das vorstellen, Martini“, entgegnete Wu. „Ich werde das Mädchen auf jeden Fall noch hierbehalten, eventuell muss ich sie verschwinden lassen.“ Martini wollte gerade noch protestieren, „Wu, nicht noch ein To…“ Aber Wu hatte schon aufgelegt.
Kapitel 13
Alex entschied sich dafür, die Treppe hochzurennen. Gleich würden die Leibwächter wieder ins Haus kommen. Im ersten Stock angekommen, stand er vor einer Tür. Auf der Tür stand „Sekretariat.“ Anmelden wollte er sich bestimmt nicht. Er ging zur nächsten Tür, die er für die Bürotür von Wang hielt. Er lauschte kurz und konnte die Stimme eines telefonierenden Mannes hören. Am Akzent erkannte er, dass es sich um Wang handelte. Auf dem Flur gab es fünf weitere Türen. Welche war die richtige? War Chin überhaupt hier? Alex hatte keine Wahl, er musste weitersuchen. Er ging zur nächsten Tür. Es war kein Geräusch zu hören. Er versuchte leise die Türklinke herunterzudrücken und die Tür zu öffnen. Die Tür war jedoch verschlossen. Er nahm das Voltitu und mit einem feinen Strahl brannte er das Schloss heraus. Die Tür war offen.
Er ging vorsichtig in das Zimmer. In der hinteren Ecke des Zimmers saß Chin gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl. Alex war erleichtert. Er hatte sie gefunden. Rasch ging er zu ihr hinüber, löste das Klebeband von ihrem Mund und die Seile an ihren Händen und Füßen. Chin war befreit. Sie fiel ihm um den Hals. Alex sagte: „Wir haben keine Zeit, Chin, wir müssen hier weg.“ Sie gingen vorsichtig zur Tür, öffneten sie und schauten hinaus. Der Flur war leer. Durch die Eingangstür konnten sie nicht raus. Dorthin waren sicherlich die Leibwächter zurückgekehrt. Sie gingen zum Ende des Flurs und fanden dort eine Nottreppe, die nach unten in den Keller führte. Plötzlich hörten sie am anderen Ende des Flurs lautstarke Geräusche. Sicherlich hatten die Leibwächter bemerkt, dass Chin entflohen war. Alex und Chin waren im Keller angekommen. Der Keller war dunkel, das Voltitu war aus. Die Tür nach draußen war verschlossen. Es handelte sich um eine schwere Eisentür, die mit Körperkraft allein nicht zu öffnen war. Die Geräusche auf der Kellertreppe wurden lauter. Alex und Chin sahen sich verzweifelt an. Wenn sie zurückgehen würden, würde es zum Kampf kommen und es würde sicherlich Tote geben.
„
Was machen wir jetzt?“ fragte Chin. Alex schwieg. Er überlegte. Chin drückte sich an die Wand. Sie bemerkte einen Lichtschalter und schaltete das Licht an. Das Voltitu vibrierte. Alex musste die volle Stärke einschalten und konnte schließlich das Schloss mit dem Laser heraustrennen. Sie waren im Freien. Die hintere Begrenzung des Grundstückes bildete ein Maschendrahtzaun, den Alex jetzt bei hellem Licht leicht durchschnitt. Sie waren auf dem Nachbargrundstück, liefen die Einfahrt hinunter und waren jetzt auf der Straße. Sie rannten zwei Straßen weiter, dorthin, wo Alex sein Auto geparkt hatte. Sie stiegen ein und fuhren los. Alex sagte zu Chin: „In die Wohnung können wir nicht, sie wird überwacht. Nach meinem Auto wird sicherlich auch gefahndet, weil die Polizei hinter mir her ist.
Wir müssen bald auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.“ „Wo wollen wir hin?“ fragte Chin. „Meine Eltern haben eine Hütte am See in der Wetterau. Dort werden wir erst mal übernachten.“ Sie fuhren bis zur S-Bahn-Station nach Friedberg. Auf der Fahrt gab es keine Vorkommnisse. Alex parkte den Wagen in einer Seitenstraße. Danach fuhren sie mit der S-Bahn drei Stationen weiter. Den Rest liefen sie zu Fuß. Sie gingen zur Hütte. Der Schlüssel lag wie immer unter einem Stein neben dem Eingang. Alex öffnete die Tür. Und sie ließen sich erst mal aufs Bett fallen. Die Anspannung der letzten Stunden wich langsam von ihnen. Nachdem sie sich etwas ausgeruht hatten, besprachen sie noch mal die Vorkommnisse der letzten Tage. Alex sagte schließlich: „Wang wird nicht aufgeben. Auch Professor Martini wird weiterhin alles versuchen, um in den Besitz des Voltitus zu kommen. Allein werden wir das nicht schaffen. Wir brauchen Hilfe. An die Polizei können wir uns nicht wenden. Kommissar Geier arbeitet mit Professor Martini zusammen.“
Chin sagte: „Vielleicht sollten wir uns an die chinesische Botschaft wenden. Vielleicht glauben sie mir und schützen uns, bis die Dinge aufgeklärt sind.“ „Chin, ich weiß nicht, dabei hätte ich kein gutes Gefühl. Udo Schreiber hatte mir gegenüber noch seinen guten Freund Dr.Traber von der Firma Siebert in München erwähnt. Er sagte, an den könne ich mich wenden, er wäre ein absolut vertrauenswürdiger und ehrlicher Mensch. Den rufe ich jetzt an.“ Alex hatte rasch über Chins Laptop die Telefonnummer der Firmenzentrale der Firma Siebert herausgesucht. Er ließ sich von Chin das Handy geben und wählte die Nummer. Nach kurzer Zeit wurde er von der Zentrale mit Dr. Traber verbunden. Alex sagte: „Ich bin Alex Müller, ich habe Ihre Adresse von Professor Udo Schreiber. Er hat mir empfohlen, mich an Sie zu wenden.“ „Ich hatte gehofft, Sie würden mich anrufen“, antwortete Dr. Traber.“ „Udo hat mir so von ihrer Erfindung vorgeschwärmt. Haben Sie etwas mit Udos Tod zu tun?“ „Nein, natürlich nicht, er war mein Freund“, entrüstete sich Alex.
„
Entschuldigung, das hatte ich auch nicht angenommen. Udo hat nur in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen.“ Alex hatte sich wieder beruhigt. „Ich brauche Ihre Hilfe, die Chinesen und die Polizei sind hinter mir her. Und ich brauche jemand, der mir hilft, viele Voltitus zu bauen zum Wohle der Menschheit.“ „Ist es wirklich so gut, wie Udo Schreiber es mir geschildert hat?“ fragte Dr. Traber. „Es ist die Zukunft der Energiegewinnung“, antwortete Alex. „Wo wollen wir uns treffen?“ fragte Dr. Traber. „Am besten bei mir in der Konzernzentrale in München“, nahm er die Antwort vorweg. „Hier kann ich Sie beschützen, und hier können wir über alles in Ruhe reden.“ „Ich hätte gerne noch eine Vertrauensperson bei unserem Treffen dabei“ sagte Alex.
„
An wen haben Sie gedacht?“ Alex überlegte kurz. Es müsste ein Anwalt sein, ein unbestechlicher Anwalt. Es fiel ihm nur der Vater seines Jugendfreundes ein, er war fähig, und vertrauenswürdig. Alex sagte: „Können Sie es einrichten, dass Roland Kreutz bei dem Treffen zugegen ist?“ „Wenn Sie mir die Adresse sagen, werde ich dafür sorgen, dass Roland Kreutz da ist. Wann wollen wir uns treffen?“ „Am besten morgen“, entgegnete Alex. „Die Uhrzeit kann ich Ihnen noch nicht sagen, ich befürchte, wir werden noch auf Widerstand stoßen.“„Also dann bis morgen“, verabschiedete sich Dr. Traber.
Kapitel 14
Professor Martini hatte zwischenzeitlich die Polizei kontaktiert. Kommissar Geier teilte ihm mit, dass Alex Müller der Festnahme entgangen sei. Sie hätten sein Handy in einer Mülltonne gefunden. Martini, der bereits mit Wang gesprochen hatte, wusste, dass Chin entkommen war. Er dachte sich, dass Chin Alex begleiten würde. Bei dem Telefonat mit Kommissar Geier teilte Martini dem Kommissar den Namen von Chin Hao mit und löste somit die Ortung von Chins Handy aus. Martini wusste nicht, dass Wang an Chin einen Sender befestigt hatte und bereits ihre Spur verfolgte.
Kapitel 15
Alex und Chin hatten an diesem Abend noch lange geredet. Alex hatte am Abend das Radio nochmals eingeschaltet, und in den Nachrichten wurde durchgegeben, dass ein Student der Universität Frankfurt gesucht werde. Es war auch ein Bild von Alex gezeigt worden. Alex und Chin waren sehr beunruhigt. Erst spät waren sie in den Schlaf gefallen. Sie mussten am nächsten Tag nach München gelangen. Dort würde hoffentlich Dr. Traber sein Wort halten und sie unterstützen und ein fairer Partner sein. Alex und Chin schliefen noch, als es plötzlich laut krachte und die Tür der Hütte einstürzte. Durch die Tür kam ein Leibwächter mit gezogener Pistole, dahinter kam Wang. Alex und Chin schreckten aus dem Schlaf. Wang sagte etwas auf Chinesisch. Der Leibwächter bedrohte Alex und Chin mit der Pistole. Wang schaute sich in der Hütte um und sah das Voltitu auf dem Tisch liegen.
Er nahm sich das Voltitu. Chin schrie: „Tun Sie das nicht.“ In der Ferne hörte man ein Martinshorn. Wang öffnete das Voltitu, er hielt den Laserstift ganz unbedacht in Richtung Leibwächter. Alex rief laut: „Schuss und aus.“ Der Laserstrahl löste aus und traf den Leibwächter in den Rücken. Der Leibwächter schrie auf und fiel zu Boden. Er ließ die Pistole fallen. Kurz dachte Alex, der Tag Arbeit, um die Sprachsteuerung einzubauen, hat sich doch gelohnt. Dann sprang er augenblicklich auf und stürzte sich auf Wang. Chin nahm geistesgegenwärtig die Pistole und zielte auf den mit Alex am Boden kämpfenden Wang. Wang ließ das Voltitu los und hob die Hände. Alex ließ von ihm ab.
Wang sagte etwas auf Chinesisch zu Chin. Dann drehte er sich um und rannte aus der Hütte. Das Martinshorn wurde lauter. Chin und Alex zogen sich sofort an, nahmen das Voltitu und verließen hastig die Hütte. Sie rannten von der Hütte in Richtung Naturschutzgebiet und Maisfeld. Als sie gerade um die Ecke bogen, sahen sie, wie zwei Polizisten Richtung Hütte liefen. Vorsichtig gingen sie in das Maisfeld. Dann setzten sie sich nieder und holten tief Luft. „Was hat Wang dir gesagt?“ fragte Alex. Chin antwortete: „Das nächste Mal, wenn er uns sieht, will er uns die Hände abschneiden.“ Alex schaute entsetzt. Aus der Entfernung bemerkten beide noch mehrere Streifenwagen, die in Richtung Hütte fuhren. „Wie haben die uns gefunden? Mensch, Chin, dein Handy, das müssen wir loswerden, gib es mir bitte.“ Alex nahm das Handy und warf es in hohem Bogen in Richtung des nahe gelegenen Baches. Danach machten sie sich wieder auf den Weg. Weg von der Hütte. Sie mussten irgendein Auto bekommen. Sie entfernten sich immer weiter von der Hütte. Sie liefen zügig, bis sie in der Nähe der S-Bahn-Haltestelle ankamen. Sie verhielten sich so unauffällig wie möglich und stiegen dann zügig in die S-Bahn ein, als diese anhielt.
Sie fuhren drei Stationen weiter, bis sie in Gießen ankamen. Dort stiegen sie aus und suchten über das Laptop einen Autoverleih. Und tatsächlich es gab einen Autoverleih in Gießen. Sie suchten den Autoverleih auf, und Alex schickte Chin hinein, um ein Auto zu leihen. Er befürchtete, erkannt zu werden. Chin war in den Nachrichten nicht erwähnt worden. Chin lieh einen unauffälligen Golf aus, der keine wesentlichen Extras hatte. Beim Verlassen des Autoverleihs sagte die Verkäuferin: „Nehmen Sie aber keine Anhalter mit, in der Nähe könnte vielleicht ein Verbrecher herumlaufen.“ Chin antwortete nicht, sie nahm wortlos den Schlüssel und fuhr mit dem Wagen los. Hinter der Kurve stieg Alex zu ihr in das Auto, und beide waren froh, dass das Ausleihen des Autos problemlos geklappt hatte. Es war bereits später Nachmittag. Alex setzte sich ans Steuer und fuhr die Autobahn Richtung Hanau. Sie erreichten Hanau ohne besondere Vorkommnisse, und die Anspannung, die die beiden den ganzen Tag verspürt hatten, löste sich langsam. Vielleicht hatten sie es ja geschafft und sowohl die Polizei als auch Wang waren abgeschüttelt. Vielleicht wären sie in vier Stunden in München und könnten mit Dr.Traber verhandeln. Alex begann sogar wieder Witze zu reißen.
Trotzdem blieben beide voll konzentriert. Kurz hinter Würzburg bemerkte Alex im Rückspiegel zwei dunkle Limousinen, von denen er bereits eine damals vor seiner Wohnung in Frankfurt gesehen hatte. Zunächst sagte er nichts, aber als die beiden Wagen zügig näher kamen, machte er Chin aufmerksam. Was sollten sie tun? Am besten erst mal weiterfahren. Alex fuhr auf der rechten Spur. Einer der Wagen blieb hinter Alex, der andere setzte sich neben Alex. Alex erkannte die Männer im Wagen gegenüber wieder. Es waren zwei Leibwächter von Wang. Plötzlich drängte der links neben ihm fahrende Wagen nach rechts, als wollte er Alex rammen. Alex konnte gerade noch auf die Standspur ausweichen und fuhr neben einen Lkw, der auf der rechten Spur fuhr. Alex beschleunigte und fuhr rechts an dem Lkw vorbei. Als er vorbei war, sah er die schwarze Limousine ebenfalls wieder links neben sich. Er sah, wie einer der Leibwächter eine Pistole herauszog und auf ihn zielte. Alex bremste. Die Seitenscheiben splitterten. Ein Schuss hatte den Fahrerraum durchschlagen. Alex hörte einen zweiten Schuss, und plötzlich spürte er etwas wie einen Blitzschlag in seiner rechten Schulter. Er drohte kurz das Bewusstsein zu verlieren. Chin griff in das Steuer und stabilisierte den Wagen.
Alex sammelte sich wieder und sagte: „Chin, nimm das Voltitu, nimm das Voltitu, und jetzt ziele auf die Vorderreifen des Wagens neben uns.“ „Nein, ich kann das nicht Alex“, antwortete Chin. „Chin, du musst, sonst sind wir in einer Minute tot.“ Chin nahm etwas unbeholfen das Voltitu und hielt den Laserstab auf den Wagen neben ihnen. Alex sagte: „Schuss.“ Der Laserstrahl zischte durch die defekte Seitenscheibe. Chin traf zunächst den Asphalt. Doch bevor der Leibwächter ein weiteres Mal schießen konnte, traf Chin den Vorderreifen und die Vorderachse. Augenblicklich platzte der Reifen, der Wagen geriet stark ins Schlingern und prallte gegen die Leitplanke. „Aus“, sagte Alex: „Gut gemacht, Chin, und jetzt schieß dem Wagen hinter uns die Reifen platt.“ Chin drehte sich nach hinten. Aber die Limousine hinter ihnen hatte schon abgebremst und hatte einen Abstand von circa 50 Meter zwischen sich und den Wagen von Alex gebracht. Die Schulter von Alex blutete. Alex bog am nächsten Parkplatz ab und hielt an. Das Voltitu hatte er in seiner linken Hand. Er sah, wie die Limousine an der Einfahrt des Parkplatzes stehenblieb. „Schnell, Chin, du musst mich verbinden.“ Chin zog ihm das Hemd herunter, nahm ihren Schal und wickelte ihn fest um die Schulter von Alex. Die Verfolger öffneten die Tür. Es handelte sich um drei Mann. Alex konnte gerade noch im Spiegel sehen, wie ein Mann mit gezogener Waffe auf ihr Auto zulief. Alex löste das Voltitu aus, und der Laserstrahl traf den Mann am Bein. Er schrie auf und stürzte zu Boden.
Die anderen beiden Männer steckten die Waffen ein und gingen zu dem Verletzten. Sie hoben ihn vom Boden auf, stützten ihn unter den Achseln und trugen ihn zum Auto zurück. Alex drängte: „Wir müssen weiter.“ Was würden die Männer von Wang jetzt weiter tun? Schnell setzte sich Chin ans Steuer und fuhr los. Sie gab ordentlich Gas und fuhr mit hoher Geschwindigkeit weiter. Sie hatten Nürnberg passiert. Die Limousine fuhr ihnen in gehörigem Abstand hinterher, jedoch ohne sie aus den Augen zu lassen. Es wurde dämmerig.
Kapitel 16
Kurz nach dem Streifenwagen traf Kommissar Geier mit seinem Assistenten an der Hütte ein. Die Streifenpolizisten hatten bereits einen Krankenwagen verständigt, um den schwerverletzten Leibwächter abzutransportieren. Der Mann war nicht vernehmungsfähig. Viele Fragen gingen Kommissar Geier durch den Kopf. Was hatte dieser Mann hier zu suchen? War er auch hinter Alex her? Alex und Chin hatten hier übernachtet. Die Spurenlage deutete eindeutig darauf hin. Außerdem hatte die Handyortung genau diese Stelle angezeigt. Warum rief ständig dieser Professor Martini von der Uni an? Das war auffällig. Warum war der Professor so interessiert, diese Fotovoltaikzelle zu erhalten? Er hätte mittlerweile für Ersatz sorgen oder sich eine neue bauen können, das alte Ding könnte doch mittlerweile schon längst auf der Flucht zerstört oder verloren sein. Und dann war da noch das Gespräch mit Alex, der glaubhaft seine Unschuld beteuerte. Sein Gefühl sagte ihm, dass hier irgend etwas nicht stimmte.
Kapitel 17
Chin bog von der Autobahn ab auf den äußeren Ring in München. Alex hatte sich etwas erholt. Es war fast dunkel. Das Voltitu war aus. Alex drängte Chin zum Fahrerwechsel, den sie bei langsamer Fahrt bewerkstelligten. Die schwarze Limousine kam näher heran. Alex drängte sich mit seinem Auto zwischen die anderen Pkw und versuchte, durch häufiges Spurenwechseln Abstand zu den Verfolgern zu gewinnen. Dabei wurde er häufig von den anderen Fahrern angehupt, was ihm aber egal war. Auch von einer roten Ampel ließ er sich nicht aufhalten. Trotzdem gelang es ihm nicht, die schwarze Limousine abzuschütteln, im Gegenteil, der Wagen kam immer näher und war jetzt direkt hinter ihnen.
Das Navigationssystem zeigte jetzt noch zwei Kilometer bis zur Siebertstraße. Plötzlich fiel ein Schuss, und die Heckscheibe splitterte. Alex fuhr Schlangenlinien. Er trat aufs Gas und holte aus dem Auto heraus, was rauszuholen war. Es fielen noch zwei oder drei Schüsse, aber Alex verspürte keinen Schmerz, und von Chin, die sich unter das Armaturenbrett geduckt hatte, waren ebenfalls keine Schreie zu hören. Das Navy sagte, jetzt scharf links fahren. Alex bremste ab, riss das Steuer nach links und bog in die Siebertstraße ein. Er beschleunigte erneut und fing an zu hupen.
Kapitel 18
Alex bog mit quietschenden Reifen von der Hauptstraße in die Siebertstraße ein. Er konnte in 50 Meter Entfernung die gläsernen Eingangstüren der Zentrale des Siebert-Konzerns sehen. Er gab noch mal Gas. Als er die drei Stufen, die zur Eingangshalle führten, bemerkte, schrie er nur: „Chin, halte dich fest.“ Er hupte laut, damit die zahlreichen Wachmänner zur Seite springen konnten. Als das Auto die Treppen hochschoss, konnte man das Platzen der Reifen hören, dann klirrten die Scheiben der Eingangstür, die Airbags wurden ausgelöst. Alex bremste scharf, und der Wagen kam in der Mitte der Eingangshalle zum Stehen. Er bemerkte noch, wie die schwarze Limousine hastig wendete und davonbrauste. Die Eingangshalle war hell erleuchtet. Das Voltitu sprang mit einem leichten Vibrieren an. Zur Not würde er sich jetzt wieder verteidigen können. Fünf Männer des Werkschutzes umstellten den Wagen beziehungsweise das, was von ihm übriggeblieben war.
Nachdem Chin und Alex aus dem Wagen ausgestiegen waren, kam ein gut gekleideter, etwa 55-jähriger Mann auf Alex zugelaufen, streckte ihm die rechte Hand entgegen und sagte: „Ich bin Dr. Traber.“ Alex hatte zu viel erlebt, er war misstrauisch und hielt seine linke Hand an dem Laser. Misstrauisch fragte Alex: „Wo ist Roland Kreutz?“ Kurze Zeit später kam Roland Kreutz aus dem gleichen Raum wie Dr. Traber. Er lächelte Alex und Chin freundlich an und sagte: „Was hast du alles angestellt, Alex? Du blutest ja!“ „Nur ein Kratzer“, antwortete Alex.
Erst jetzt legte sich die Anspannung bei Alex allmählich. Dr. Traber fragte neugierig: „Haben Sie das Voltitu, Alex? Ich würde es gern einmal sehen. Professor Schreiber hat mir so viel davon erzählt und mich sehr neugierig gemacht.“ Alex antwortete: „Ich habe das Voltitu bei mir, es ist unter meinem Laptop versteckt.“ Sie gingen in einen gemütlichen Konferenzraum. Alex bat Dr. Traber, zunächst mit Roland Kreutz allein reden zu dürfen. Nachdem Dr. Traber den Raum verlassen hatte, fragte Alex: „Können wir der Firma und Dr. Traber trauen?“
Roland antwortete: „Ich glaube schon.“ „Roland, du musst mir helfen, zum einen musst du einen Vertrag aushandeln, der meine Entdeckung durch die Firma Siebert produzieren lässt. Zum anderen musst du mich bei der Polizei verteidigen wegen angeblichen Diebstahls, verschiedener Verkehrsdelikte und Widerstands gegen die Staatsgewalt. Mir ist die Entdeckung des Voltitus und allem was damit verbunden ist, über den Kopf gewachsen. Wir können jetzt alles in Ruhe mit Dr. Traber besprechen. Bei der Vertragsgestaltung und den anderen Dingen verlasse ich mich ganz auf dich.“ In der Zwischenzeit hatte Dr. Traber die Betriebskrankenschwester gerufen, die sich um Alex Verletzung kümmerte. Nach einer mehrstündigen Unterredung hatten Alex und Chin nur noch den Wunsch, zu schlafen und die ganzen Gefahren und den ganzen Trubel hinter sich zu lassen. Dr. Traber schlug vor, die beiden mit seinem Firmenjet am nächsten Morgen auf die Malediven fliegen zu lassen. Das Angebot nahmen Alex und Chin freudig an. Sie würden sich nach drei Wochen erholt dem dann auf sie einströmenden Trubel stellen. Wahrscheinlich würden sie dann auch ihr Studium wieder aufnehmen.
Kapitel 19
Alex und Chin verlebten eine wunderbare Zeit auf den Malediven. In der ersten Woche war Alex noch mit seiner Schulterverletzung gehandicapt. Er konnte sich jedoch wunderbar entspannen und das schöne Wetter genießen. In der zweiten Woche gingen die beiden schnorcheln und genossen das warme Meer. Sie waren in einem wunderschönen Resort auf einer kleinen Insel untergebracht. Ihr Zimmer war auf Stelzen im seichten Meer errichtet, und beim Ausblick aus dem Fenster konnte man das Meer und bunte Fische sehen. Zum Essen gingen die beiden über einen hölzernen Steg bis auf die Insel, wo wunderbares Essen mit Meeresfrüchten und exotische Cocktails angeboten wurden.
Abends wurde ein wechselndes Programm mit einheimischen Tänzerinnen sowie an anderen Tagen mit Limbo-Tänzern und Feuerschluckern angeboten. Insgesamt war es nach dem Stress bis zum Abflug die reinste Erholung. Nach zwei Wochen bekam Alex durch Zufall eine Zeitung des Malediven-Reports in die Hände. Neben lokalen Nachrichten, die Alex wenig oder gar nicht interessierten, las er die Berichte aus aller Welt. Hierbei erregte ein Artikel seine ganze Aufmerksamkeit. Es stand zu lesen, die Firma Siebert aus Deutschland hat eine sensationelle Entdeckung gemacht.
Auf einer Pressekonferenz, zu der Fachleute aus ganz Europa geladen waren, wurde ein Fotovoltaik-Gerät mit sensationeller Energiegewinnung vorgestellt. Nachdem sich mehrere internationale Fachleute von der Qualität des Gerätes überzeugt hatten, stieg die Siebertaktie sprunghaft an. In den ersten Tagen gewann der Aktienkurs täglich mindestens zehn Prozent. Alex’ Name war nicht erwähnt. Was ihn auch nicht weiter verwunderte. Alex und Chin verlebten noch mehrere schöne Tage auf der Insel.
Zwei Tage vor dem geplanten Abflugtermin erhielten sie ein Telegramm, in dem stand, dass sie ruhig noch um eine Woche verlängern könnten. Chin freute sich sehr. Aber Alex kam das komisch vor. Am nächsten Tag ging er zum Hotelempfang und orderte Werkzeuge, Draht und einige andere technische Dinge. Er musste die ganze Bestellung im Voraus bezahlen, da es für Touristen ungewöhnlich war, solche Dinge zu bestellen.
Obwohl Alex nicht damit gerechnet hatte, waren die bestellten Gegenstände nach zwei Tagen da. Alex öffnete sein Necessaire, im seitlichen Reißverschluss hatte er sein Meteoriten-Nugget untergebracht. Darauf hatte er sehr aufgepasst. Er fing an zu basteln. Das halbe Zimmer sah aus wie eine Werkstatt. Chin verstand Alex nicht und war sauer, weil Alex so lange im Zimmer blieb.
Schließlich schlossen sie folgenden Kompromiss, Alex bastelte morgens bis 12 Uhr, und den übrigen Tag verbrachte er mit Chin. Chin schlief morgens sowieso länger als Alex. Nach einer Woche war Alex mit seinen Bastelarbeiten fertig. Er hatte sich ein neues Voltitu hergestellt und einige Dinge dabei verbessert.
Alex ging in die Küche, und bat den Koch ihm für eine Stunde seinen Ofen zu überlassen. Es kostete Alex ein ordentliches Trinkgeld, bis der Koch mit Argwohn zuließ, dass Alex seine Platten für eine Stunde in den Ofen schieben konnte.
Auch die letzten schönen Tage vergingen, und Alex und Chin setzten mit dem Boot zur Hauptinsel Male über und flogen von dort nach Frankfurt zurück.
Kapitel 20
Nach der Heimreise war Alex auf den Vertrag, den Roland Kreutz und die Firma Siebert geschlossen hatten, gespannt. Am nächsten Morgen rief Alex bei der Firma Siebert an und wollte Dr. Traber sprechen. Die Dame an der Anmeldung teilte Alex mit, dass Dr. Traber nicht mehr bei der Firma Siebert arbeite. Netterweise gab sie Alex aber die Privatnummer von Dr. Traber.
Auch der Anruf bei Roland Kreutz brachte Alex nicht weiter, da Roland Kreutz auf Dienstreise sei, wie ihm die Sekretärin mitteilte. Alex stutzte. Als Nächstes rief Alex die Privatnummer von Dr. Traber an. Am anderen Leitungsende meldete sich Dr. Traber. Er sagte: „Alex, sind Sie gut aus dem Urlaub zurückgekommen? Hier hat sich viel verändert. Es sind einige unvorhergesehene Dinge passiert. Am besten ist’s, wir treffen uns, und ich erkläre Ihnen alles in Ruhe.” Alex war erstaunt, willigte jedoch sofort ein und machte sich am nächsten Tag auf den Weg nach München. Dr. Traber wohnte in einer noblen Villa in Schwabing.
Nachdem Alex eingelassen wurde, begrüßte ihn Dr. Traber sehr freundlich. „Nehmen Sie Platz, Alex”, sagte Dr. Traber. „Nachdem Sie in Urlaub geflogen sind, habe ich mit Ihrem Anwalt Roland Kreutz einen fairen Vertrag ausgehandelt, der Sie an allen verkauften Voltitus beteiligt hätte. Zusätzlich sollten Sie direkt 200 000 Euro bekommen.
Als ich jedoch meinen Vorstandskollegen das Voltitu vorgestellt habe, waren diese zunächst begeistert. Sie witterten jedoch auch die Chance auf das große Geld. Sie demonstrierten das Voltitu vor einer internationalen Expertenkommission. Danach stieg der Aktienkurs der Siebert- Aktie sprunghaft an, und die Vorstandskollegen haben nur noch das Geld gesehen und wollten das Voltitu möglichst teuer verkaufen.
Da zwei Kollegen und ich aus dem Vorstand eher auf eine Vermarktung unter sozialen Gesichtspunkten und unter umwelttechnischen Aspekten, möglichst schnell zu moderaten Preisen, gedrängt haben, wie wir es vereinbart hatten, kam es zum Streit im Vorstand. Der neue Vorstandsvorsitzende Dieter Schneider hat mich mit zwei jüngeren Kollegen, die nur von Gewinnmaximierung und shareholder value gesprochen haben, sowie einem weiteren Aufsichtsratsmitglied, der ehemals Politiker war und von Elektrotechnik nicht viel verstand, entmachtet.“
Alex unterbrach Dr. Traber: „Das tut mir leid für Sie.“ „Ach, Alex, machen Sie sich um mich keine Sorgen, ich bin bereits 55 Jahre alt, man hat mich mit einer guten Abfindung versehen und mich in den Ruhestand geschickt.
Jetzt habe ich endlich Zeit für meine Hobbys, außerdem werde ich demnächst Großvater und kann mich dann um meinen Enkel kümmern. Für Sie ist es schade, Alex, denn der ausgehandelte Vertrag wurde von Herrn Schneider sowie Ihrem Anwalt zerrissen. Sie hätten vielleicht doch keine Generalvollmacht ausstellen sollen. In dem neuen Vertrag wurde vereinbart, dass Sie alle Rechte an die Firma Siebert abtreten, und Sie erhalten lediglich 50 000 Euro als Einmalzahlung.“
„
Wie konnte Roland Kreutz das tun, ich habe ihm vertraut.“ „Ach, wissen Sie, Alex, es gibt leider viel zu wenig Menschen, die ein Ehrgefühl besitzen. Die meisten sind käuflich so wie Ihr Anwalt. Ich habe gehört, er habe sich von seiner Frau getrennt. Vielleicht brauchte er daher viel Geld. Schneider hat ihn regelrecht gekauft. Er hat an dem Deal wesentlich mehr verdient als Sie.“
„
Das ist doch alles Wahnsinn“, entgegnete Alex. „Na, wenigstens kann ich jetzt mein altes Leben wieder aufnehmen. Wann bekomme ich das Geld? Ich bin nämlich nach dem Urlaub knapp bei Kasse.“ „Es müsste schon auf Ihrem Konto sein, sonst wäre der Vertrag nicht gültig“, entgegnete Dr. Traber.
„
Noch was, Alex, obwohl Schneider alle Chemiker der Firma Siebert angesetzt hat, ist es bis jetzt nicht gelungen ein weiteres Voltitu zu bauen. Irgendein Geheimnis müssen Sie noch haben, Alex.“ Alex hatte zwar die chemische Formel mit verkauft und hat auch erklärt, wie er die Platte mit Eisen und Zink bestreut hatte, aber er hat von seinem Meteoriten Nugget nichts verraten. Dies würde er jetzt auch nicht mehr tun.
„
Ein weiteres Problem, Alex, es ist Ihrem Anwalt nicht gelungen, die Staatsanwaltschaft von Ihrer Unschuld zu überzeugen. Ich weiß auch nicht, ob er alles dafür getan hat. Es wird daher in zwei Monaten eine Gerichtsverhandlung in Frankfurt geben. Setzen Sie sich mit Kommissar Geier in Verbindung, und suchen Sie sich einen Verteidiger.“
Nach einer etwa zweistündigen Unterredung, während Dr. Traber Alex alle Neuigkeiten geschildert hatte, gingen die beiden essen. Nach dem Essen verabschiedeten sie sich freundlich. Zuletzt sagte Dr. Traber: „Wenn Sie mich brauchen, wenden Sie sich ruhig an mich, Sie haben ja meine Telefonnummer. Ich werde für Sie tun, was ich kann, auch im Andenken an meinen alten Freund Udo Schreiber.“ Alex fuhr nach Frankfurt zurück.
Kapitel 21
Am nächsten Morgen kontaktierte Alex Kommissar Geier. Kommissar Geier war sehr freundlich, drängte aber Alex unbedingt am Morgen noch ins Kommissariat zu kommen. Auch Chin sollte er unbedingt mitbringen, um die Protokolle aufzunehmen, da die Gerichtsverhandlung demnächst anstand. Wenigstens hatte Roland Kreutz ihn bei der Polizei entschuldigt und der Polizei seinen Aufenthaltsort (im Urlaub) mitgeteilt. Dadurch wurde Alex momentan nicht mehr gesucht.
Gegen 11 Uhr trafen Chin und Alex bei Kommissar Geier ein. Von Kommissar Geier erfuhr Alex, dass Wu Wang nach China abgereist war und nicht vernommen werden konnte. Auch der verletzte Leibwächter war nach dreitägiger Krankenhausbehandlung plötzlich verschwunden und vermutlich auch nach China abgereist. Der Tod von Udo Schreiber konnte bis jetzt nicht aufgeklärt werden. Alex war aber in diesem Punkt nicht verdächtig.
Trotzdem waren die Aussagen von Alex von Wichtigkeit. Was an Anklagepunkten blieb, war die Körperverletzung an zwei Polizeibeamten, Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie der von Professor Martini angezeigte Diebstahl von Geräten der elektrotechnischen Fakultät. Kommissar Geier hatte in 20 Dienstjahren eine gewisse Menschenkenntnis erlangt. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass Alex ein ehrlicher Mensch war, der unverschuldet in diesen Schlamassel geraten war. Er verstand jetzt auch, was Alex entdeckt hatte. Es wurde ihm der Zusammenhang zwischen der Wertexplosion der Siebert-Aktie und der Entdeckung, die Alex gemacht hatte, klar.
Schließlich sagte Kommissar Geier: „Alex, Sie sind ein Genie.“ Alex antwortete: „Naja, so kann man das nicht sehen.“ „Sie haben also Ihr Voltitu an die Firma Siebert in München verkauft, haben Sie vielleicht noch eins?” „Vielleicht“ antwortete Alex. Aber schon im nächsten Moment tat ihm seine Antwort leid.
„
Wie ich gehört habe, sind Sie einfach mit Ihrem Voltitu in das gesicherte Gebäude von Schanghai Solar Industries reinmarschiert und haben Ihre Freundin befreit. Alle Achtung, Alex. So jemand würde der Frankfurter Polizei auch gut zu Gesicht stehen. Aber lassen wir das. Was ich Ihnen jetzt sage, dürfte ich Ihnen gar nicht anvertrauen, Alex. Der Hauptverdächtige im Mordfall Professor Schreiber ist der Chinese Wang, der nicht mehr aufzufinden und wahrscheinlich nach China geflüchtet ist. Auch Ihre heutigen Aussagen belasten Wang. Wie wir herausgefunden haben, hat ein gewisser Zong die Arbeit von Wang übernommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er auch wieder versuchen wird, in den Besitz des Voltitus zu kommen.“
„
Das Voltitu gehört jetzt der Firma Siebert in München, wenn die Chinesen es haben wollen, müssen sie es in München stehlen“, entgegnete Alex. „Ich fürchte so einfach ist es nicht, Alex“, sagte Kommissar Geier. „Wir haben letzte Woche neue kugelsichere Westen bekommen, ich habe meine alte hier noch liegen, wenn Sie sie haben wollen, können Sie sie nehmen.“ „Das ist sehr nett von Ihnen”, antwortete Alex. „Ich nehme sie mal mit, wenn ich sie nicht brauche, dann werfe ich sie weg.“
Das Gespräch hatte einen sehr freundlichen Verlauf genommen, und nach drei Stunden Vernehmung beziehungsweise Unterhaltung konnten Chin, die in einem Nebenraum verhört wurde, und Alex wieder nach Hause.
Kapitel 22
Chin und Alex nahmen ihr Studium wieder auf. Die Abschlussprüfungen standen in vier Monaten an.
Alex musste sich, da die Firma Siebert ein Patent auf sein Voltitu angemeldet hatte, eine neue Diplomarbeit suchen. Er erhielt natürlicherweise einen neuen Tutor, es war Professor Friedrich. Ein Wissenschaftler aus Leidenschaft, der schon über das Pensionsalter hinaus war.
Er hatte, wie jeder andere der Universität, den Trubel um Alex mitbekommen. Ebenso wusste er durch die Veröffentlichungen der Firma Siebert, welche riesige Entdeckung Alex gemacht hatte. Aus diesem Grunde war Professor Friedrich Alex mehr als wohlgesinnt. Die neue Diplomarbeit von Alex handelte von der Optimierung von Schaltungen in Stoßwellengeneratoren.
Professor Friedrich half Alex bereitwillig bei allen Fragen, die die Diplomarbeit betrafen. Dennoch hatte Alex keinen richtigen Spaß an seiner Arbeit. Lieber, wenn es die Zeit zuließ, bastelte Alex an seinem Voltitu.
Professor Martini ging Alex aus dem Weg. Nachdem Alex wieder zurückgekehrt war, hatte er kein einziges Mal mit ihm geredet. Alex hatte verständlicherweise auch nicht das Bedürfnis, mit Professor Martini zu sprechen.
Chin bereitete sich intensiv auf ihre Prüfung vor. Sie war trotz einiger Sprachschwierigkeiten eine sehr gute Studentin.
Die Monate vergingen wie im Flug.
Zwei Tage vor der Prüfung erhielt Alex einen Anruf von der Firma Siebert. Zunächst meldete sich die Sekretärin und kündigte mit großem Brumborium an, dass der Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Schneider, ihn sprechen wollte. Herr Schneider war am Telefon überfreundlich. Er sagte: „Herr Meier, es ist mir eine große Freude, endlich persönlich mit Ihnen zu sprechen. Mit Ihrem Vertrag wegen des Voltitus, Herr Meier, ist es damals nicht optimal gelaufen. Wir müssen uns noch mal zusammensetzen und nachbessern.“ Alex war sehr verwundert und fragte: „Was wollen Sie, Herr Schneider.“
„
Es wäre doch schön, wenn wir unsere Zusammenarbeit vertiefen könnten“, fuhr Schneider fort. „So ein intelligenter junger Mann wie Sie könnte in unserer Firma Karriere machen. Ich mache Ihnen ein gutes Angebot, am besten ist es, wenn Sie zu mir nach München kommen.“ Alex dachte einen Moment nach und sagte dann: „Ich traue Ihnen nicht, Sie haben mich schon mal betrogen.“ „Das war ein Missverständnis“, fiel ihm Schneider ins Wort, „bevor Sie etwas Unüberlegtes sagen, sollten Sie eine Nacht darüber schlafen. Ich werde Sie morgen zur gleichen Zeit nochmals anrufen.“ Alex war über den Anruf sehr erstaunt. Er wusste auch zunächst nicht, wie er sich verhalten sollte. Da kam ihm die Idee, bei Dr. Traber anzurufen.
Gleich wählte er seine Nummer. Am anderen Ende war Dr. Traber zu hören. Nach der Begrüßung fragte Dr. Traber: „Na, was gibt es, Alex?“ Alex antwortete: „Vorhin hat mich Dieter Schneider angerufen und mir sehr schleimig eine Zusammenarbeit angeboten. Darüber bin ich jetzt erstaunt und möchte gern Ihre Meinung dazu hören.“
„
Sehen Sie, Herr Schneider ist ein sehr berechnender Mann. Aber als er Sie mit dem Vertrag übers Ohr gehauen hat, war er der festen Überzeugung, dass die Firma Siebert das Voltitu allein bauen könnte. Trotz aller Bemühungen ist es den Chemikern und auch den Technikern bisher nicht gelungen, ein weiteres Voltitu herzustellen. Ihre chemische Formel wurde mehrmals überprüft, sie ist richtig. Trotzdem sind die Wissenschaftler nicht in der Lage, ein neues Voltitu zu bauen. Die Chinesen haben für ein einziges Voltitu zehn Millionen Euro geboten. Auch aus anderen Ländern liegen hohe Angebote für das Voltitu vor. Aber Schneider kann nicht liefern. Langsam fallen die in die Höhe geschnellten Aktienkurse, und man wird nervös in der Konzernzentrale. Daher kommt wahrscheinlich der Sinneswandel von Herrn Schneider. Es ist natürlich Ihre Entscheidung, Alex, aber Schneider kann man nicht trauen.
“
Nach dem Telefonat überlegte Alex nicht lange. Er hatte seine Grundsätze. Eine Zusammenarbeit mit jemandem, der ihn über das Ohr gehauen hatte, kam nicht in Frage. In Sachen Anstand und Moral gab es keine Verhandlungsspielräume. Herr Schneider hat sich als unehrenwert herausgestellt, und damit war der Mann für Alex erledigt.
Wie angekündigt, rief Schneider am nächsten Tag bei Alex an: „Haben Sie es sich überlegt, Herr Meier, gehen Sie auf mein Angebot ein?“
„
Nein, Herr Schneider, ich werde nicht mit Ihnen zusammenarbeiten. Sie besitzen keine Fairness, und Sie brauchen es auch gar nicht weiter zu versuchen. Ich möchte nichts mit Ihnen zu tun haben“, antwortete Alex.
Alex hörte, wie Herr Schneider am Telefon schnaufte. Dann sagte Schneider: „Das ist sicher nicht Ihr letztes Wort. Wenn Sie nicht mit mir zusammenarbeiten, werden Sie das noch einmal bitter bereuen.“ Alex legte den Hörer auf.
Alex konnte das Gespräch in seiner Prüfungsvorbereitung sehr gut ausblenden. Er hatte Chin nicht von dem Telefonat erzählt, um sie nicht zu ängstigen. Eine Woche nach der Prüfung stand die Gerichtsverhandlung an. Alex bestand seine Prüfung mit Note 3, während Chin ihr Betriebswirtschaftsstudium mit der Note 1 bis 2 abschloss.
Kapitel 23
Chin und Alex feierten ihre bestandenen Abschlüsse mit ihren Kommilitonen. Die Stimmung war jedoch nicht ganz so ausgelassen, da sie an die in drei Tagen anstehende Gerichtsverhandlung denken mussten.
Drei Tage später war es so weit.
Mit dem Verteidiger, der Alex vor Gericht vertreten sollte, hatte Alex gerade einmal gesprochen.
Der Mann machte keinen sehr motivierten Eindruck, vermutlich, weil es bei dem Mandat von Alex nicht viel zu verdienen gab.
Der Staatsanwalt warf Alex Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie Diebstahl von mehreren Artikeln aus der Universität vor.
Im Laufe der Verhandlung war Alex mehr oder weniger auf sich gestellt, da der Verteidiger kaum das Wort ergriff.
Bei der Vernehmung von Kommissar Geier bestätigte dieser nahezu vollständig die Angaben von Alex. Auch die übrigen Zeugen sagten zugunsten von Alex aus.
Als schließlich noch Professor Martini auf mehrfache Nachfrage sowohl des Staatsanwalts als auch von Alex einräumte, dass die Instrumente, die angeblich in der Hochschule gestohlen worden seien, im Einverständnis mit Professor Schreiber ausgeliehen oder ausgehändigt wurden, ließ der Staatsanwalt den Vorwurf des Diebstahls fallen.
Zu guter Letzt wurde Alex wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Ein Polizeibeamter konnte vier Wochen, der andere sechs Wochen seinen Dienst nicht versehen.
Alex erhielt sechs Monate auf Bewährung. Er musste sich jede Woche auf dem Polizeipräsidium melden, außerdem wurde er verurteilt, hundert Stunden bei der Obdachlosentafel in Frankfurt mitzuarbeiten.
Alex und Chin waren nach dem Urteil sehr enttäuscht, aber nach Beratung mit dem Anwalt akzeptierte Alex das Urteil.
Kapitel 24
Alex war schon am Vortag aufgefallen, dass den ganzen Tag im oberen Teil der Straße ein fremder Wagen parkte.
Nachmittags ging er unauffällig an dem Auto vorbei, und es fielen ihm zwei Asiaten in dem Auto auf.
Er wollte sich jedoch nichts anmerken lassen und lud Chin zu einer Fahrt zu einem Spaziergang in den nahe gelegenen Odenwald ein. Alex schaute mehrfach in den Rückspiegel, doch er konnte keine Verfolger feststellen.
Alex und Chin machten einen schönen Spaziergang bei sonnigem Wetter. Zwischenzeitlich hatten sie, auf einer Wiese sitzend, den Ausblick über ein wunderschönes Tal genossen.
Gut gelaunt machten sie sich auf den Weg zurück zum Auto.
Von weitem konnte Alex zwei weitere Wagen, die rechts und links von seinem Auto parkten, erkennen. Das war nichts Ungewöhnliches. Als sie näher kamen, sah Alex jedoch, wie jeweils zwei Männer aus den Autos zu ihnen herüberschauten.
Der Puls von Alex stieg an. Er sagte zu Chin: „Ich drücke jetzt die Verriegelung des Autos auf, und du setzt dich ganz schnell hinein. Ich komme kurz danach zu dir. Fasse auf keinen Fall den Rahmen des Autos an.“„Alex was soll das?“, wunderte sich Chin. „Tue nur das, was ich dir jetzt gesagt habe, alles andere erkläre ich dir nachher.“
Alex öffnete das Voltitu. Er blieb ein Stück zurück, während Chin fünf Meter vor ihm auf den Wagen zulief.
Alex öffnete die Verriegelung, und Chin öffnete die Tür und sprang auf den Rücksitz in den Wagen.
Die vier Männer waren mittlerweile ausgestiegen. Zwei von ihnen gingen auf die Beifahrerseite zu Chin. Die beiden anderen Männer bewegten sich auf Alex zu. Die zwei Männer am Auto rissen die Tür auf. Chin schrie erschrocken auf.
Allein Alex rief laut: „Farad.“ Die zwei Männer am Auto blieben starr am Auto kleben und zitterten. Alex hatte mittlerweile einen Stab aus seinem Ärmel hervorgezogen und hielt ihn in Richtung des ersten Mannes, der auf ihn zukam.
Als der Mann in etwa zwei Meter vor ihm stand und sich gerade auf ihn stürzen wollte, löste Alex aus und der Elektroschock durchzuckte den Mann. Alex stoppte das Gerät, und der Mann blieb, noch leicht zitternd, am Boden liegen. Der vierte Mann drehte sich um und wollte zu seinem Auto zurücklaufen. Alex stellte auf Gleichstrom, Stufe zwei, und zielte in Richtung auf den fortrennenden Mann. Der Mann blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht stehen. Alex ging näher auf ihn zu, ohne das Gerät abzuschalten.
Alex fragte: „Wer sind Sie?” Der Mann antwortete zunächst nicht. Alex stellte auf Stufe drei. Der Körper des Fremden bebte. Er versuchte mit der Hand ein Zeichen zu geben, dass er sprechen wolle.
Alex reduzierte die Stromstärke auf Stufe zwei und wiederholte seine Frage: „Wer sind Sie?”„Ich bin Marian Dragulic“, antwortete der Fremde.
Alex sagte: „Geben Sie mir Ihre Waffe und Ihren Ausweis.” Alex merkte, der Fremde zögerte. Er griff wieder zum Regulator des Voltitus. Doch Dragulic, wie er sich nannte, zeigte auf seine Brusttasche. Alex konnte selbst den Mann nicht anfassen, da er sich sonst selbst unter Strom gesetzt hätte. Er reduzierte das Voltitu auf Stufe eins. Die Motorik des Mannes war jetzt nicht mehr eingeschränkt, er hatte jedoch noch Schmerzen durch den fließenden Strom.
Alex hielt die Hand am Voltitu und war jederzeit bereit, den Strom wieder hochzufahren. Das sah auch Dragulic, deswegen gab er vorsichtig seinen Pass und seine Pistole heraus. Alex bemerkte, wie Chin im Auto heftig weinte. Er konnte sich jetzt aber nicht um sie kümmern, er musste hier erst reinen Tisch machen.
Er wandte sich wieder an Dragulic. „Wer hat Sie beauftragt, und was wollen Sie?“ Alex erhöhte, ohne abzuwarten, die Stromstärke auf Stufe zwei. Dragulic merkte, dass er verloren hatte und auspacken musste, andernfalls würde er hier höllische Schmerzen erleiden.
„
Ich wurde von einem Herrn Fiedler beauftragt, Sie und Ihre Freundin nach München zu bringen.“ „Wer ist Herr Fiedler?”, unterbrach Alex. „Herr Fiedler ist der neue Chef des Werkschutzes der Firma Siebert in München. Er hat uns eine hohe Belohnung versprochen.“ Also so läuft der Hase, dachte sich Alex.
Alex wandte sich wieder an Dragulic. „Dragulic, Sie gehen jetzt zurück zu Ihrem Herrn Fiedler und sagen ihm und seinem Vorgesetzten, wenn ich oder meine Freundin nochmal bedroht werden, dann komme ich persönlich nach München, aber dann nicht, um freundschaftlich zu verhandeln, sondern dann mache ich richtig Ärger. Und es wird den beiden Herren sehr weh tun. Jetzt sehen sie sich meine Freundin an, sie ist in Tränen aufgelöst, und es wird Stunden, wenn nicht Tage dauern, sie zu trösten. Und das alles habe ich Ihnen zu verdanken. Wenn Sie jetzt nicht augenblicklich verschwinden und nach München abhauen, dann überlege ich es mir anders und mache Sie hier auf der Stelle kalt. Haben Sie das verstanden?“
Dragulic nickte kurz. Alex stellte das Voltitu auf Stufe drei, dann aus. Dragulic stand langsam auf und rannte schließlich in Richtung Straße und dann davon.
Alex ging zu den Wagen der Männer, dann zu seinem Auto, holte aus dem Handschuhfach ein Taschenmesser und stach die Hinterreifen der beiden fremden Autos kaputt. Die drei Männer lagen benommen neben den Autos.
Jetzt erst fand Alex Zeit, sich um Chin zu kümmern. Er nahm sie in den Arm und redete tröstend auf sie ein. Es half wenig. Chin schluchzte. Nach circa fünf Minuten sagte Alex zu Chin: „Wir müssen hier weg, wer weiß, ob Dragulic nicht wieder hier erscheint.“
Alex löste die Umarmung von Chin. Er griff zum Handy und wählte die Nummer von Kommissar Geier. Am anderen Ende meldete sich Geier. Alex sagte zu Geier: „Wir sind hier eben von vier Männern überfallen worden. Drei von ihnen sind verletzt, sie liegen hier in Zwingenberg auf dem Waldparkplatz. Einer von ihnen ist entkommen, und ich weiß nicht, ob er gleich wieder auftaucht. Wir werden jetzt den Platz verlassen. Sie werden die drei Verletzten neben den Autos vorfinden. Darüber hinaus stehen hier die Fahrzeuge der Täter, die Hinterreifen habe ich platt gestochen. Den Ausweis und die Waffe des vierten Mannes habe ich auf den Fahrersitz gelegt. Meiner Freundin geht es sehr schlecht, mir im Übrigen auch. Sie werden verstehen, dass ich jetzt nicht länger warten kann. Ich werde mich morgen bei Ihnen melden.“ Alex legte auf, setzte sich ins Auto und fuhr los. Er fuhr einige Umwege, bis er sicher war, dass er nicht verfolgt wurde.
Alex fuhr heim. Chin schien apathisch. Sie hielten vor ihrer Wohnung an. Alex schaute zu dem Platz, wo am Morgen noch das fremde Auto geparkt war. Es war kein weiterer Wagen mehr zu sehen. Er zog Chin aus dem Auto, und öffnete die Tür und ging das Treppenhaus hoch. Die Wohnungstür stand offen. Alex erschrak. Er setzte Chin auf die Treppe und ging allein in die Wohnung. Die Wohnung war zerwühlt. Jemand hatte das Voltitu gesucht. Er konnte es aber nicht finden, da Alex immer darauf achtete, die wertvollen Dinge bei sich zu tragen.
Etwas leichtsinnig war er in seinem Auto gewesen. Er hatte eine Voltituscheibe auf die Heckablage gelegt und so den Strom für den Faradayschen Käfig, den er vorhin unter Strom gesetzt hatte und der zwei Angreifer lahmgelegt hatte, erzeugt. Im Nachhinein hat sich dies als richtige Vorsorgemaßnahme erwiesen. Nur die Wohnung hatte er nicht abgesichert. Das hatte er jetzt davon.
Chin war am Ende, und er war auch kurz vor dem Durchdrehen. Er versuchte sich zu beruhigen. Jetzt nur nicht in Panik verfallen. Es kam ihm der Gedanke: Wir müssen hier weg. Er nahm Chin und legte sie in der Wohnung auf das Sofa. Anschließend fing er an zu packen. Er packte hastig die wichtigsten Dinge für Chin und sich in die Reisetaschen.
Anschließend nahm er das Handy und rief Kommissar Geier an. Kommissar Geier am anderen Ende der Leitung war gut gelaunt und begrüßte Alex mit: „Hallo, Alex, ich gratuliere, da haben Sie ganze Arbeit geleistet, besser hätten wir das auch nicht machen können. Drei der vier Männer sind uns bereits als vorbestrafte Schwerverbrecher bekannt, und sie wurden per Haftbefehl gesucht.“ Alex unterbrach ihn: „Herr Geier, ich habe leider keine Zeit, mit Ihnen zu reden. Man ist in unsere Wohnung eingebrochen und hat alles durchwühlt, ich weiß nicht, was als Nächstes kommt. Wir sind in Lebensgefahr. Wir werden jetzt untertauchen. Bitte regeln Sie das mit dem Bewährungshelfer für mich. Kommen Sie als Nächstes in die Wohnung, vielleicht können Sie noch einige Spuren sichern. Ich muss Schluss machen, wir fahren jetzt weg.“ „Aber Alex“, wollte Geier erwidern. Alex hatte jedoch schon aufgelegt. Er nahm Chin und die Taschen und ging zum Auto. Alex fuhr schnurstracks Richtung Flughafen.
Kapitel 25
Alex parkte im Stadtteil Schwanheim. Anschließend rief er ein Taxi und ließ sich mit Chin zum Flughafen fahren. Chin war noch immer unter Schock. Alex hatte ihr eine Kopfschmerztablette und einen Schluck Cognac gegeben. Er lief zum Last-Minute-Schalter. Er wusste nicht, wo die Reise hingehen sollte. Als er sich den Plan der nächsten freien Flugzeuge anschaute, entdeckte er in zwei Stunden einen Flug nach Windhuk. Er erinnerte sich an seinen Urlaub in Namibia, eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt. Ja, da würden sie jetzt hinfahren. Und selbst wenn die Verfolger den Flug nach Namibia nachvollziehen könnten, sie würden ihn dort nicht finden. Chin und Alex würden sich in Namibia ein Auto ausleihen und irgendwohin fahren. In Namibia wären sie sicher.
Alex bezahlte, und kurze Zeit später waren sie auf dem Weg zum Flugzeug. Beim Einchecken piepste es, als Alex durch den Metalldetektor ging. Der Kontrolleur ließ sich den Metallklumpen, den Alex in seiner Brusttasche trug, zeigen. Er fragte Alex: „Was ist das?“ „Das ist ein Stück Metall“, antwortete Alex. „Wofür brauchen Sie das?“, wollte der Beamte wissen. Alex antwortete: „Das ist mein Glücksbringer, den trage ich immer bei mir.“ Und leise murmelte er: „Eigentlich bringt er gar kein Glück.“
Beim Einsteigen ins Flugzeug wollte die Stewardess wissen, warum Chin so müde und abwesend sei. Alex antwortete nur: „Sie hat immer solche Flugangst und hat eine Beruhigungstablette genommen.“ Mit der Antwort war die Stewardess zufrieden, und Chin und Alex konnten in das Flugzeug einsteigen. Gott sei Dank schlief Chin während des Fluges ein. Alex machte sich aber Gedanken, wie es in Namibia weitergehen sollte. Zunächst würde er ein Auto ausleihen. Er kannte ja noch Sam’s Autoverleih von vor einem Jahr.Von da würden sie losfahren. Nach längerem Überlegen kam Alex die Idee, zunächst zur Glückjes-Lodge in die Kalahari-Wüste zu fahren. Dort hatte es ihm vor einem Jahr sehr gut gefallen. Damals war er nur eine Nacht geblieben, was er sehr bedauert hatte.
Kurz vor der Landung wachte Chin auf. Sie war langsam zu sich gekommen und fragte: „Alex, wo sind wir?“ „Wir sind jetzt gleich in Namibia, du weißt doch, wir wollten nach unserer Prüfung sowieso einmal länger Urlaub machen. In Namibia wird es dir gefallen. Ich habe eine schöne Lodge für uns ausgesucht, dort werden wir erst mal Urlaub machen. Anschließend überlegen wir, wie es weitergeht.“
Zum Glück widersprach Chin nicht und schien mit der Entscheidung von Alex zufrieden zu sein. Alex war nach dem Flug sehr müde, aber er mietete das Auto für vier Wochen, und sie fuhren aus Windhuk los. Nach vier Stunden Fahrt kamen sie auf der „Glückjes-Farm“ an. Es gab auf der Farm zwei Lodges. Eine Luxus-Lodge mit Whirlpool und eine einfache Lodge, die aus Holzhütten bestand. Alex entschied sich für die einfache Lodge, die viel landestypischer und gemütlicher war, außerdem kostete sie nur die Hälfte.
Sie wurden von Samuel, dem farbigen Vorarbeiter der „Glückjes-Farm“, in Empfang genommen und zu ihrer Hütte gefahren. Die Hütte lag circa zehn Kilometer im Farmgelände, mitten in der Wildnis. Sie war Teil eines Camps von acht Hütten, die im Kreis angelegt waren und einen wunderbaren Blick auf eine Wasserstelle zuließen.
Dort wurden sie von Martha, der Ehefrau von Samuel, freundlich aufgenommen. Sie legten sich zunächst ins Bett und verschliefen das Mittagessen. Nachdem sie ausgeschlafen waren, schauten sie sich im Camp näher um. Die Hütte, in der sie wohnten, war klein, aber sehr zweckmäßig eingerichtet. Es waren zwei Betten darin, und am hinteren Ende war ein kleiner Waschraum mit Dusche, Toilette und Waschbecken. Draußen schien wärmend die Sonne. Beim Abendessen saßen sie an einem Tisch, von dem sie den Sonnenuntergang sehen konnten. Martha kam nach dem Essen und bot einen Nachtisch an. Es herrschte eine sehr freundliche Atmosphäre. Anschließend wurden Chin und Alex gefragt, ob sie am nächsten Tag an einer Safari teilnehmen wollten. Beide waren sich einig, an der Safari teilzunehmen. Nach einem guten Glas Rotwein gingen sie zu Bett.
Am nächsten Morgen wurden sie mit einer Tasse Tee geweckt und bereiteten sich auf die Safari vor. Ihr Fahrer Julius schien ein bisschen erkältet zu sein, war aber sehr freundlich und erklärte und beantwortete gerne alle Fragen der Touristen. Alex und Chin waren mit einem anderen Ehepaar, das seine Hochzeitsreise hier verbrachte, in einem Jeep. Es folgte ein wunderschöner Tag in der afrikanischen Natur. Alle bestaunten die eleganten Giraffen, auch viele Antilopen wie Kudus mit ihren spiralförmigen Hörnern oder Oryx-Antilopen waren zu sehen. Die Natur war einfach herrlich. Nach dem Abendessen konnten Chin und Alex einen wunderbaren Sternenhimmel beobachten. Martha setzte sich zu ihnen. Sie kamen ins Gespräch, und Alex sagte: „Das ist ja wie im Paradies hier.“
„
Ja, es ist sehr schön hier“, antwortete Martha, „aber wir haben auch unsere Probleme. Die Farm gehört Dan Glückje, wie ihr wisst. Er lebt in der vierten Generation in Afrika. Vor zwei Jahren ist seine Frau bei einem Ausritt vom Pferd gefallen, als das Pferd vor einem Leoparden gescheut hatte. Sie zog sich, wie wir später erfahren haben, einen Beckenbruch zu. Dan hat sofort jemand nach Windhuk geschickt, um einen Arzt zu holen. Bis aber nach acht Stunden der Arzt kam, war seine Frau schon tot. Seitdem liegt ein Schatten auf der „Glückjes-Farm“. Außerdem hat Dan vor 30 Jahren die Rinderzucht aufgegeben und die Farm in ein Wildschutzgebiet umgestaltet und führt stattdessen Touristen durch seine Wildnis. Das war eine richtige Entscheidung. Vor fünf Jahren hat er zehn Nashörner für 50 000 Euro gekauft, um die Attraktivität zu erhöhen. Die Nashörner haben sich bis auf 15 Stück vermehrt. Aber seit drei Monaten sind Wilderer unterwegs, die früher nie auf die private Farm gekommen sind, und haben bereits drei Nashörner wegen ihrer Hörner geschossen. Seitdem patrouillieren Dans Männer jeden Tag durch das Schutzgebiet, um Wilderer aufzuspüren. Was aber bisher nicht gelungen ist.“ „Was sind das für Bilder an der Wand mit dem kleinen Nashorn bzw. den Touristen, die sich mit dem Nashorn haben fotografieren lassen?“, unterbrach sie Alex.
Martha fuhr fort: „Das sind Bilder von Kate, einem zahmen Nashorn, dessen Mutter ebenfalls von Wilderern erlegt wurde. Der Buschmann Ndogo hat es damals gefunden und zu Dan auf die Farm gebracht. Ndogo könnt ihr auf dem ersten Bild über dem Eingang sehen. Ndogo und Dan haben Kate von Hand aufgezogen. Sie war die Sensation für alle Touristen, die hier übernachtet haben. Wir hatten sogar Tagestouristen, die extra wegen eines Fotos mit Kate zu uns auf die Farm gekommen sind. Kate hat sich prächtig entwickelt. Sie wurde nach eineinhalb Jahren ausgewildert. Was wirklich gut funktioniert hat. Zuletzt wurde sie sogar mit einem Kalb gesehen. Aber was langweile ich euch mit unseren Problemen. Ihr jungen Leute habt doch sicherlich was Besseres zu tun, als mir den ganzen Abend zuzuhören.“ Damit beendete Marta die Unterhaltung und verließ den Tisch. Alex und Chin schauten Arm in Arm in die Dunkelheit und genossen den Sternenhimmel, bis sie dann zu Bett gingen.
Am nächsten Tag unternahmen sie eine Wanderung durch das Buschland und kamen zu einem Gebiet, wo sie nach Beschreibung des Touristenführers Dinosaurierspuren sahen. Man konnte sich die Spuren genau ansehen, das Areal war weder eingezäunt, noch stand ein Wächter da, um die Touristen von den Spuren fernzuhalten. Sie verlebten eine wunderbare Zeit, ohne sich Gedanken über ihre Probleme machen zu müssen.
Kapitel 26
Nach weiteren drei Tagen nahm Alex erneut an einer Safari teil. Die Safari ging um 7 Uhr in der Frühe los, um den Sonnenaufgang mitzuerleben. Chin wollte etwas länger im Bett bleiben und noch etwas lesen, sodass Alex allein auf den Fahrer wartete. Als der Jeep kam, konnte Alex nicht, wie erwartet, den Fahrer Julius begrüßen, sondern Dan Glückje stellte sich vor und sagte, Julius sei krank, er würde heute die Morgensafari übernehmen. Wie auf Safaris üblich, duzten sich beide gleich. Es ging los, Dan kannte sich natürlich auf seiner eigenen Farm sehr gut aus. Er konnte Alex annährend den Bestand an Antilopen, Giraffen, Elefanten und anderen Tieren auf seiner Farm mitteilen. Auch über das Verhalten der Tiere wusste Dan Interessantes zu berichten.
Auf einer kleinen Anhöhe hielten sie und genossen bei einer Tasse Tee den Sonnenaufgang. Es war ein schönes Naturschauspiel. Alex bemerkte aber, dass Dan unruhig war. Er schaute mit seinem Fernglas und suchte die Gegend ab. In circa zehn Kilometer Entfernung konnte man am Himmel zwei Geier kreisen sehen. Nach der Frühstückspause sagte Dan: „Wir fahren mal in die Richtung, wo die Geier fliegen, und schauen, was da los ist.“
Als sie sich der Stelle näherten, kreisten mindestens schon zehn Geier am Himmel. Alex konnte die Anspannung in Dans Gesicht erkennen. Dan fuhr schneller, der Jeep wippte bei jeder Unebenheit. Als sie näher kamen, sah Alex schon von weitem einen grauen Dickhäuter am Boden liegen. Er hörte Dan murmeln: „Oh nein, nicht schon wieder.“ Als sie etwa bis auf zehn Meter herangefahren waren, sprang Dan vom Jeep und rannte zu dem Tier. Es war ein Nashorn. Dan blieb wie angewurzelt stehen. Das Tier röchelte in den letzten Zügen. Der Anblick war fürchterlich. Das Nashorn hatte zwei Einschüsse in der linken Seite. Das Herz schien verfehlt worden zu sein, andernfalls wäre die Nashornkuh sofort tot gewesen.
Die Hörner waren brutal abgesägt worden. Aus der Entnahmestelle lief noch Blut. Der Kopf lag in einer Pfütze von geronnenem Blut. Alex hörte Dan noch murmeln: „Ausgerechnet Kate.“ Dan kniete vor dem Nashorn und fing an zu weinen. Alex konnte nichts tun. Er konnte jedoch auch den Anblick nicht länger ertragen. Er stieg aus dem Jeep, lief etwa 50 Meter in die entgegengesetzte Richtung und setzte sich an einen Baum.
Alex stand für das Gute. Und Tierschutz war zweifellos eine lebenswichtige Angelegenheit. Ja, er würde Dan helfen, das hatte er sich fest vorgenommen. Wie, wusste er noch nicht, aber das würde sich im Laufe der Zeit zeigen. Für Dan musste es sehr bitter sein. Wenn ein so harter, durch die Natur geprägter Mann wie ein Schlosshund weinte, dann mussten tiefe Gefühle im Inneren verletzt sein. Alex wusste nicht, wie lange er an dem Baum saß. Er beschloss zurückzugehen.
Als er zurückkam, stand ein kleiner Mann neben Dan. Er erkannte den Buschmann Ndogo, den er nur auf den Bildern im Camp gesehen hatte. Er sprach viele Sätze mit eigenartigen Klicklauten. Es hörte sich fast wie ein Gebet an. Dan stand jetzt wieder. Er hatte sich wieder gefasst.
Er sagte zu Ndogo: „Wir müssen jetzt das Kalb suchen. Alex, du bleibst am besten beim Jeep.“
Alex widersprach: „Nein, ich werde euch beim Suchen helfen.“ „Das ist nicht klug, du hast keine Erfahrung in der Wildnis, und es wäre für dich zu gefährlich, allein im Busch herumzulaufen“, antwortete Dan. Aber Alex gab nicht nach. „Zu dritt sind unsere Chancen größer, das Kalb zu finden. Ich habe keine Angst. Dan, mache dir um mich keine Sorgen.“ „Also gut“, sagte Dan, ihm war jetzt nicht nach Diskussionen zumute. „Alex, hier hast du ein Seil, du gehst nach Westen, ich gehe in südlicher Richtung, und Ndogo geht Richtung Osten. Wenn wir in zwei Stunden das Kalb nicht gefunden haben, treffen wir uns wieder am Jeep. Wenn einer das Kalb sieht, dann ruft er laut. Und die anderen kommen dazu. Also dann.“ Die Männer steckten ihre Seile ein, grüßten sich und gingen los.
Kapitel 27
Alex lief los. Er hatte wirklich keine Angst vor der Wildnis. Darüber hinaus hatte er ja sein Voltitu dabei. Er steckte sich das Seil in den Gürtel. Er ging, wie vereinbart, Richtung Westen. Das Kalb konnte noch nicht so weit weg sein. Das Gelände war mit kleinwüchsigen Dornenbüschen und hohem gelben Gras bewachsen. Alex musste nach vorne schauen und manchmal einen Weg um die Dornenbüsche suchen.
Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel und brannte auf seinen Körper. Zum Glück hatte er seinen Safarihut dabei. Nach zehnminütigem Gang hatte Alex noch kein Tier gesehen. Außer den gewohnten Stimmen der Vögel, die sich im Tagesverlauf abwechselten, waren auch keine weiteren Geräusche zu hören.
Plötzlich sah Alex etwas Dunkles im Gras, er duckte sich. Dann schlich er sich langsam an. Aber das war nur ein umgefallener Baumstamm der gräulich, ähnlich der Farbe eines Nashorns, schimmerte. Alex ging weiter. Etwa 100 Meter vor ihm war ein kleiner Hügel zu sehen. Alex dachte sich, das wäre ein guter Aussichtspunkt, um nach dem kleinen Nashorn Ausschau zu halten. Er lief den Hügel hoch, stellte sich und schaute in die Umgebung.
Tatsächlich, in einer Entfernung von circa 200 Metern sah er einen grauen kleinen Körper, der sich nur leicht bewegte. Da die Mutter ja vermutlich seit zwei Tagen im Todeskampf lag und das Kalb nicht mehr gesäugt hatte, war das Tier geschwächt. Alex schlich sich, so leise er konnte, an. Auch als er in zehn Meter Entfernung zu dem Kalb angekommen war, regte es sich nicht. Er nahm das Seil aus seinem Gürtel, formte eine Schlinge und warf sie nach dem Kalb. Er traf nur den Rücken des Kalbes. Das Tier zuckte, blieb jedoch liegen. Vorsichtig zog er das Seil wieder an sich. Es musste ihm doch gelingen, das Tier einzufangen, wo er jetzt so nahe dran war und eine so große Chance hatte, das Tier zu fangen und es dadurch vielleicht zu retten. Er nahm erneut das Lasso, konzentrierte sich und warf es zu dem kleinen Nashorn rüber. Tatsächlich war die Schlinge über das Horn und über die Schnauze gerutscht. Das Nashorn sprang auf. Alex zog die Schlinge an. Obwohl es sich noch um ein junges Tier handelte, hatte Alex seine Kraft unterschätzt. Das Nashorn versuchte wegzulaufen, Alex hielt das Seil so fest er konnte. Trotzdem zog ihn das Nashorn zuerst stehend, dann liegend hinter sich her. Alex dachte, nur nicht loslassen. Bei dem Bodenkontakt erhielt er einige Stiche und Kratzer im Bereich seiner Beine. Das Nashorn rannte an einer kleinen Akazie vorbei. Alex nahm seine ganze Kraft zusammen und es gelang ihm das Seil einmal um die Akazie zu schlingen. Das Nashornkalb kam zum Stehen. Alex versuchte dem Tier näher zu kommen, das jedoch bei dem Versuch immer wilder wurde und heftiger an dem Seil zog. Er wollte das Tier beruhigen, was aber nur in geringem Maße gelang.
Um das Tier nicht weiter zu beunruhigen, ging Alex zu dem Hügel zurück. Er formte seine Hände zu einem Trichter und rief einmal laut Dan und danach Ndogo. Er ging zur Akazie zurück und setzte sich hin. Es dauerte keine fünf Minuten, bis Ndogo neben ihm stand.
Ndogo ging auf das Tier zu, redete mit seinen Klicklauten mit dem Tier, und wie durch ein Wunder beruhigte sich das Nashornkalb. Weitere zehn Minuten später war Dan eingetroffen. Er klopfte Alex anerkennend auf die Schulter. Wortlos ging er fort, um den Jeep zu holen.
Weitere zehn Minuten später war Dan mit dem Jeep trotz der Unwegsamkeit des Geländes vorgefahren, und sie luden das Nashornkalb ein. Dan sagte zu Alex: „Du hast das Kalb gefunden, du darfst ihm jetzt einen Namen geben.“Alex antwortete: „Wenn es ein männliches Tier ist, dann soll es Dan heißen. Wenn es ein weibliches Tier ist, dann nennen wir es Chin.“
„
Es ist ein Weibchen, Alex.“ Bevor Alex etwas sagen konnte, meinte Ndogo, der die Unterhaltung verfolgt hatte: „Es ist Rhino Chin.“ Die Männer sahen sich an und waren sich einig. Das Tier hieß ab jetzt Rhino Chin. Sie fuhren zum Camp zurück. Samuel wurde benachrichtigt, und er baute mit einigen Männern einen kleinen Holzpferch an der Seite des Hüttencamps. Martha hatte zwischenzeitlich die Milch vorbereitet, da das Kalb offensichtlich sehr durstig und ausgetrocknet war.
Dan sagte zu Alex: „So, hier sind Milchflaschen, jetzt füttere mal das Kalb.“ Vielleicht hatte Dan gedacht, dass Alex sich dumm anstellen würde. Das war überhaupt nicht der Fall. Rhino Chin hatte sehr schnell eine Flasche leer getrunken. Bevor Alex ihm die zweite Flasche geben konnte, war bereits Chin da und sagte zu Alex: „Jetzt lass mich mal.“ Und auch bei Chin trank das Kalb begierig. Dan sagte zu Ndogo: „Wie bei seiner Mutter, muss das Kalb alle sechs Stunden gefüttert werden.“ Ndogo wusste das selbstverständlich.
Chin sagte: „Das kann ich doch morgens, mittags und abends erledigen. Nur in der Nacht wäre es mir lieb, wenn es Ndogo übernehmen würde.“ Ndogo wusste natürlich, dass er wie vor vier Jahren das Tier aufziehen würde. Ab diesem Moment drehte sich für Chin fast alles nur noch um Rhino Chin.
Chin war sehr glücklich. Am Abend nahm sie Alex in den Arm, gab ihm einen Kuss und sagte: „Alex, es war eine sehr gute Idee, nach Afrika zu fahren.“ Auch Dan kam am Abend nochmal zu Alex und dankte ihm für seine Hilfe.
Alex sagte zu Dan: „Dan, ich werde dir auch jetzt bei der Suche nach den Wilderern helfen. Bitte informiere mich, wenn ihr losgeht.“ Dan überlegte kurz, dann sagte er: „Na gut, du weißt, dass es sehr gefährlich werden kann. Ndogo hat Spuren von einem Lastwagen gefunden. Es ist noch fast Vollmond. Die Wilderer haben immer um die Vollmondzeit zugeschlagen, weil es da nachts am hellsten ist. Wir werden heute Nacht um vier Uhr losgehen und die Stelle beobachten. Alex, das ist kein Spaß. Nur wenn du dir der Gefahr bewusst bist und es auf dich nehmen willst, kannst du mitgehen. „Ich habe es mir überlegt, Dan, ich gehe mit.“
Kapitel 28
Pünktlich um vier Uhr in der Nacht fuhr Dan mit dem Pickup vor. Alex stieg ein. Als er im Auto saß, gab Dan ihm eine Pistole und sagte: „Bitte, schieße nur im Notfall. Ich hoffe, wir werden die Schusswaffen nicht gebrauchen müssen.“
Sie fuhren in die Richtung, wo sie die Wilderer vermuteten. Circa einen Kilometer vorher stellten sie den Wagen ab und liefen, so leise wie sie konnten, in Richtung des Zielortes. Dan wies Alex an, sich hinter einem großen Stein zu verstecken, circa 50 Meter weiter postierte er sich hinter einer großen Akazie. Samuel wiederum ging weitere 50 Meter und stand ebenfalls hinter einem Baum.
Sie saßen alle drei ruhig da und warteten. Die Nacht in Afrika ist nie ganz still. Irgendwelche Vögel oder Insekten machen die Geräusche der Wildnis.
Alex hatte noch nie mit einer Pistole geschossen, und er wusste sicher, dass er nicht treffen würde. Trotzdem, irgendwie beruhigte ihn die Pistole. Als Alex richtig müde war und beinahe eingeschlafen wäre, hörte er und bestimmt auch seine zwei Kameraden einen Lastwagen heranfahren. Jetzt waren alle drei hellwach. Sie warteten, der Lastwagen wurde angehalten und ausgeschaltet. Man konnte schemenhaft drei Männer sehen, die in Richtung Wildpark liefen. Als sie am nächsten an den Verstecken waren, rief Dan ihnen zu: „Stehenbleiben und die Waffen niederlegen.“
Kaum hatte er dies gesagt, ertönte eine Maschinengewehrsalve in seine Richtung. Die Wilderer konnten Dan nicht ausmachen. Wiederum krachten die Maschinengewehrschüsse in Richtung von Dan. Alex entsicherte die Pistole und schoss dreimal in die Luft. Daraufhin krachte eine Maschinengewehrsalve in seine Richtung. Alex war hinter dem Stein gut geschützt, trotzdem hätte er sich die Feuersalve nicht so schlimm und beängstigend vorgestellt. Das musste eine Kalaschnikow sein. Plötzlich hörte Alex einen einzelnen Schuss, und ein Mann wimmerte. Eine weitere Maschinengewehrsalve krachte in die Richtung von Dan. Alex schoss erneut dreimal in den Himmel. Wiederum wurde das Feuer in Richtung Alex eröffnet.
Erneut knallte ein einzelner Schuss. Alex konnte nicht sagen, ob es Dan oder Samuel war, der geschossen hatte. Es gab ein eigenartiges Einschlagsgeräusch. Zum letzten Mal vernahmen die drei eine Maschinengewehrsalve. Danach wurde der Lastwagen gestartet und weggefahren.
Es wurde langsam dämmrig. Dan und Samuel gingen langsam auf die zwei liegenden Personen zu. Die eine jammerte. Alex hielt sich etwas im Hintergrund. Dan und Samuel zielten mit ihren Gewehren auf die zwei Männer. Der eine Mann rührte sich nicht. Der zweite Mann hob die Hände. Samuel sammelte die beiden Gewehre der Männer ein. Der zweite Mann war tot. Der andere Mann, der noch am Boden jammerte, hatte einen Schuss im Bein. Jetzt war Alex auch direkt am Geschehen. Er riss dem toten Mann sein Hemd herunter, schnitt aus dem Ärmel Streifen und verband die blutende Wunde. So weit Alex es beurteilen konnte, war es nur eine tiefe Fleischwunde. Samuel holte den Wagen. Dan fragte den verwundeten Mann, wer er sei. Zunächst antwortete er nicht. Als er aber sah, dass Dan wütend wurde und zunächst leicht einen Fuß auf sein verletztes Bein stellte, fing er an zu reden. Sie waren Mitglied des Stammes der Talu. Sie waren zu dritt. Der dritte Mann war jedoch abgehauen.
Sie handelten im Auftrag des Häuptlings Tzeki, der die Nashornhörner weiterleitete und auch das Geld bekam. Der Mann wimmerte: „Bwana, bitte erschieße mich nicht.“ Dan antwortete: „Wir erschießen dich nicht, wir bringen dich zu deinem Stamm und deinem Häuptling.“ Der Stamm der Talu lebte etwa 50 Meilen entfernt von Dans Farm. Es bestand schon längere Zeit der Verdacht, dass sie mit der Wilderei in Zusammenhang standen.
Samuel und Dan luden den Toten auf die Ladefläche des Pickups. Der Verwundete wurde danebengelegt. Anschließend sagte Dan: „Jetzt werden wir dem Häuptling einen Besuch abstatten und uns mit ihm unterhalten.“ Nach etwa zweieinhalbstündiger Fahrt erreichten sie das Dorf der Talu. Das Dorf bestand aus wenigen Hütten. Am Eingang, etwas abseits, konnte man einen alten Lkw stehen sehen.
Dan fuhr in die Ortsmitte. Es dauerte nicht lange, und die Mitglieder des Dorfes waren um den Pick-up versammelt. Dan lud den Toten und den Verletzten ab. Einige Frauen kümmerten sich sofort um ihr verletztes Stammesmitglied. Es dauerte keine Minute, bis der Häuptling Tzeki sich circa fünf Meter vor ihnen aufbaute. Er fragte unwirsch: „Was wollt ihr hier, habt ihr einen meiner Männer erschossen?” Dan antwortete: „Deine Männer sind Wilderer in deinem Auftrag. Du wirst dafür geradestehen.“ Tzeki blieb weiter unverschämt und nahm eine drohende Haltung ein: „Wenn ihr nicht gleich von hier verschwindet, dann lasse ich euch töten. Betretet nie mehr mein Dorf, und lasst euch nie mehr hier sehen.“
Samuel, der nicht nur zu Tzeki, sondern auch zu den übrigen Männern herüber schaute, rief plötzlich: „Bwana.“ Alex drehte sich um und konnte gerade noch einem Speer, der dicht an seinem Kopf vorbeiflog, ausweichen. Alex zögerte keine Sekunde, das Voltitu war bereits auf Schock gestellt. Er betäubte den Speerwerfer und den Mann daneben, der ebenfalls ausholte, um seinen Speer zu schleudern. Ein dritter Mann, der bereits mit einem Messer in Richtung Alex unterwegs war, erhielt ebenfalls einen Elektroschock. Die drei Männer lagen am Boden und zuckten. Dan wollte gerade etwas zu Tzeki sagen, als Alex ihm ins Wort fiel und leise sagte: „Dan, lass mal, jetzt verhandele ich. Du musst noch dein Leben lang mit diesen Leuten hier auskommen, ich bin in ein paar Wochen weg, wenn sie dann wütend sind, ist es nicht schlimm für dich.“ Alex ging auf Tzeki zu und stellte das Voltitu auf Gleichstrom Stufe zwei. Tzeki vibrierte. Er winselte: „Bwana, bitte nicht, hören Sie auf.“ Alex antwortete: „Das liegt ganz bei dir, wenn du kooperierst, dann werde ich das Gerät ausstellen, ich kann aber auch anders. Und Alex stellte das Gerät auf Stufe drei. Tzeki zitterte sehr. Alex stellte das Voltitu auf Stufe eins. Tzeki konnte wieder sprechen. Alex sagte: „Gib uns jetzt die gewilderten Hörner raus.“ Tzeki machte eine abweisende Geste. Bevor er jedoch antworten konnte, stellte Alex das Voltitu auf Stufe drei. Dann wieder zurück auf eins. Tzeki rief einem seiner Männer etwas zu, worauf dieser in einer der Hütten verschwand. Alex sagte zu Dan: „Am besten du fotografierst die Szenen, damit du Beweismittel hast.“ Was Dan auch sofort tat. Der Mann brachte drei Hörner, an denen noch geronnenes Blut klebte. „Für wen sind diese Hörner?“, fragte Alex. Alex tat eine Bewegung in Richtung des Voltitus. Sofort sagte Tzeki: „Sie sind für Mombasa, für Rasik Chander in Mombasa, der gibt uns viel Geld dafür.“
„
Wann solltet Ihr die Hörner abgeben?“ „In drei Tagen“, antwortete Tzeki. Alex sagte: „Dieser Mann ist ein Verbrecher. Wir werden ihn zur Strecke bringen. Tzeki, wenn du oder einer deiner Männer noch mal beim Wildern auf Dans Farm oder sonstwo erwischt wird, dann holen wir die Polizei und ihr werdet für lange Zeit ins Gefängnis gehen. Und wenn noch ein Nashorn auf Dans Farm stirbt, dann werde ich wiederkommen und ich habe dieses Gerät, mein Zaubergerät, wieder dabei und es wird dir und deinen Leuten sehr, sehr weh tun. Es kann auch töten. Und selbst wenn ich dann wieder in Europa bin, wenn Dan anruft, werde ich wiederkommen. Und wenn ich das Gerät benutze, dann wird es dir so ergehen wie deinen Stammesangehörigen. Sie werden mehrere Tage Schmerzen haben.“ Daraufhin nahm Samuel die drei Hörner. Sie setzen sich in den Pick-up und fuhren davon. Nach einer Weile sagte Dan: „Alex, was du da hast, ist ein tolles Ding, kann ich auch so eins haben oder kannst du es mir verkaufen?“ Alex antwortete: „Nein, Dan, ich kann es dir nicht geben, es bringt kein Glück.“ Wie sie so zurückfuhren und über diesen wunderbaren Sieg nachdachten, wurde die Stimmung immer besser. Dan wollte am Abend seinen besten Wein aufmachen, und sie wollten den Triumph ordentlich feiern. Samuel fragte Alex, wie sein Feuerstock heißt. Alex antwortete: „Voltitu.“ Samuel fing plötzlich an zu singen:
The best you can do
is to take the Voltitu
zick zick fire stick
makes the pouchers sick
rick rick fire stick
is a very good trick
chic chic fire stick
the man who owns is very big
Alex legte nach:
zock zock Feuer-stock
legt die Verbrecher unter Schock
tock tock Feuer-stock
haut die Wilderer aus dem Rock
mock mock Feuer-stock
macht den Erfinder zum Sündenbock.
Bestens gelaunt kamen sie am Abend im Camp an. Sie feierten einen wunderschönen Abend im Camp am Lagerfeuer. Es war weit nach Mitternacht, als sie ins Bett gingen.
Kapitel 29
Dan hatte einen befreundeten Piloten gebeten, die Männer nach Mombasa zu fliegen. Sie landeten auf einem kleinen Flugplatz, der Ukunda hieß. Hier stiegen sie um in einen gemieteten Wagen, mit dem sie nach Mombasa an die Küste fuhren.
Dan hatte am Vortag mit dem Hauptmann der Polizeistation in Mombasa telefoniert und ihm mitgeteilt, dass er versuchen würde einen Hehler und Wilderer zu überführen. Dan würde, wenn es gelänge, die Polizei verständigen, die jetzt bereits Bescheid wusste. Außerdem hatten Dan und Samuel überlegt, wie sie Alex möglichst aus den Polizeiangelegenheiten heraushalten könnten. Samuel hatte sehr geschickt aus Holz Atrappen der Nashornhörner angefertigt, um nicht wirklich in den Verdacht der Wilderei zu kommen. Sie wussten nicht, was sie erwartete, aber sie wollten Rasik Chander ans Messer liefern.
Sie fanden das Haus, in dem Rasik Chander lebte, relativ rasch. Es war ein großes Haus, das von hohen Mauern umgeben war, auf denen Stacheldraht montiert war. Am Eingangstor standen zwei Wachmänner, die bewaffnet waren. Das Haus konnte von außen nicht eingesehen werden. Dan parkte den Wagen zwei Straßen entfernt. Er bezahlte einem Carguard zwei kenianische Pfund, um auf den Wagen aufzupassen. In der Tasche hatten sie die Attrappen der Nashornhörner. Sie stiegen aus und gingen langsam zum Tor des Hauses von Rasik Chander.
Sie mussten irgendwie auf das Gelände gelangen. Am Eingangstor wurden sie von einem Wachmann angesprochen. Dan sagte:„Wir haben eine Lieferung für Herrn Chander.“ Der Wachmann schaute Dan kritisch an. „Ich kenne euch nicht, was habt ihr?“
„
Wir haben zwei Hörner, die wollen wir Herrn Chander persönlich abgeben.“ „Das geht nicht, gebt mir die Hörner, ich bringe sie rein.“ Dan ließ nicht locker: „Wir müssen mit Chander über den Preis verhandeln.“ Der Wachmann antwortete: „Es gibt nichts zu verhandeln, gebt mir jetzt die Tasche.“
Dan blinzelte Alex zu. Alex trat näher und stellte den Mann durch die Schockfunktion des Voltitus ruhig. Als der Wachmann zusammensank, kam sofort der zweite Mann herbeigelaufen und wollte gerade seine Waffe ziehen, da wurde auch er zu Boden geschickt. Alex, Dan und Samuel betraten das Gelände. Es waren keine weiteren Männer zu sehen. Sie durchquerten den etwa 20 Meter langen Vorgarten. Sie standen an der Eingangstür, als sie plötzlich lautes Bellen hörten. Eine Stimme redete mit dem Hund. Plötzlich ging die Tür auf, ein mittelgroßer Hund kam herausgerannt und sprang an Samuel hoch. Samuel versetzte dem Tier einen Tritt gegen die Rippen, worauf der Hund jaulend davonzog.
Mittlerweile hatte Dan die Pistole des zweiten Wachmanns gezogen, und sie drängten den Mann, der Chanders Diener war, in das Zimmer von Rasik Chander. Chander, der gerade die Zeitung las, war sehr überrascht, als er die drei Männer und seinen Diener, mit erhobenen Händen, vor sich sah. „Was wollen Sie?“, fragte er. „Wir wollen einen Wilderer und Hehler dingfest machen“, antwortete Dan unverblümt.
Samuel hielt den Diener in Schach, während Dan sich Chander näherte. „Wo sind die Nashornhörner?“ „Was meinen Sie?“ „Tun sie nicht so dumm, wir wissen genau, dass Sie einen Wilderer sind.“
Dan zog den elektrischen Bullentreiber aus der Hose. Er hielt ihn Chander ans Bein. Dieser jaulte auf. Später sagte Dan zu Alex: „Ich habe von dir gelernt und wollte mal ausprobieren, ob der Bullentreiber auch so gut funktioniert wie dein Voltitu.“ Dan traktierte Chander mehrmals mit dem Bullentreiber, bis dieser seinen Tresor öffnete und zehn Nashornhörner zum Vorschein kamen. Wie sich herausstellte, sollten die Hörner mit einem Frachter nächste Woche nach Hongkong verschifft werden.
Dan rief die Polizei an und teilte dem Polizeihauptmann mit, dass Rasik Chander der Hehler sei und er nun überführt wurde. Zu Alex sagte Dan: „Wir treffen uns heute Abend in Billys Internet-Café, es ist besser, wenn du als Nichtafrikaner nicht bei der Polizei in Erscheinung trittst. Es wird sicherlich einige Stunden dauern, lass dir Zeit.“ Er gab Alex die Adresse und Alex verließ das Grundstück. Als er circa 500 Meter gegangen war, hörte er die Sirenen der Polizeiwagen.
Alex ging langsam die Straßen hinauf in Richtung Billys Café. Er sah viele Kinder mit zerrissenen Kleidern, Verkaufsstände, die provisorisch mit Wellblech gedeckt waren, Straßen, die nicht gereinigt wurden. Er lief eine ganze Weile in die von Dan angegebene Richtung. Er musste mehrmals nach dem Weg fragen, wobei ihm die Menschen jeweils freundlich die Richtung anzeigten. In einer kleinen Gasse roch es nach Verfaultem. Das war eben Afrika.
In den Lodges purer Luxus, man wird behandelt wie ein König in unverfälschter Natur. In den Städten Armut und Überbevölkerung. Nach einer Stunde Fußmarsch erreichte Alex Billys Café. Er bestellte sich etwas zu trinken und surfte im Internet. Hierbei rief er die neuesten Nachrichten aus Deutschland ab.
Die Siebert-Aktie verlor weiter an Wert, der Vorstand gerät zunehmend in die Kritik. Die Nachrichtendienste warnen vor islamistischen Anschlägen. Der Frankfurter Fußballverein hat die letzten drei Spiele souverän gewonnen. Es dauerte bis zum Abend, als ihn Dan und Samuel abholten.
Die Polizei war sehr erfreut, einen der Köpfe der Hehlerei und Wilderei, die auch in Kenia sehr verbreitet ist, gefunden und verhaftet zu haben. Die Sache mit den Elektroschocks erklärte Dan mit dem elektrischen Bullentreiber, der wohl verstärkt bei den Wachmännern gewirkt hatte. Außerdem sagten die Verhafteten aus, es wären drei Männer gewesen, die Rasik Chander gestellt hätten.
Dan hatte das damit erklärt, dass er einen Außenstehenden gefragt hätte, sie zu der Hausnummer zu begleiten, und der wäre kurzzeitig mit im Haus gewesen. Kurzum, die Befragung bei der Polizei war beendet, die Protokolle waren unterschrieben. Die Männer machten sich auf den Heimweg. Natürlich würde die Wilderei deswegen nicht aufhören. Aber es war ein kleiner Schritt nach vorne. Und lieber kleine Schritte nach vorne tun, als am Abgrund stehen und warten, bis die Kante abbricht.
Kapitel 30
Alex und Chin unternahmen jeden Tag einen Spaziergang mit Rhino Chin. Das Kalb folgte den beiden fast wie ein Hund. Nicht zuletzt, weil Chin immer zwei Flaschen Milch dabei hatte. Es war eine herrliche Zeit. Als sie aber eines späten Nachmittags ins Camp zurückkamen, warteten Dan und Samuel bereits auf sie.
An den Gesichtern konnte Alex ablesen, dass etwas nicht in Ordnung war. „Was ist los?”, fragte Alex. Dan antwortete: „Es waren drei Männer und ein Polizist hier und haben nach dir gesucht.“ „Was wollen die von dir“, fragte Samuel. „Sie wollen das Voltitu“, sagte Alex traurig. Dan sagte weiter: „Wir haben ihnen gesagt, ihr seid schon nach Etoscha weitergefahren, aber die Männer waren sehr misstrauisch. Sie werden vermutlich wiederkommen.“
Alex und Chin überlegten nicht lange. „Wir müssen hier weg, am besten wir fliegen zurück nach Deutschland.“Alex wurde klar, dass Weglaufen keine Lösung war. „Dan, mache bitte die Rechnung fertig.“
„
Alex, für euch gibt es keine Rechnung. Ihr seid für immer Gast auf meiner Farm. Am besten wird euch Samuel den Weg über Nebenstraßen zeigen, ich weiß nicht, ob die Hauptstraße kontrolliert wird.“ Wehmütig packten Chin und Alex ihre Sachen. Sie verabschiedeten sich und umarmten ihre afrikanischen Freunde. Ndogo, war der letzte. Er sagte: „Pass gut auf Chin auf, sie hat ein gutes Herz.“ Alex antwortete: „Pass du gut auf Rhino Chin auf, wenn ich wiederkomme, dann möchte ich sie wohlauf sehen.“
Chin, Samuel und Alex brachen auf. Samuel kannte sich in der Gegend sehr gut aus, und sie fuhren auf Straßen, auf denen ihnen niemand entgegenkam. Gegen Mitternacht hielten sie an, machten ein Lagerfeuer, und sie verbrachten ihre letzte Nacht in Afrika.
Gegen Morgen kamen sie in Windhuk an, Alex machte den Flug klar. Es waren noch genügend Sitzplätze frei. Danach schlenderten sie noch ein wenig durch Windhuk, bis es soweit war und sie sich von Samuel verabschiedeten. Alex drückte Samuel 100 Euro in die Hand, was für ihn viel Geld war, aber Alex war ihm für seine Hilfe sehr dankbar. Sie verabschiedeten sich herzlich. Samuel brachte das Auto zum Autoverleih zurück.
Beim Einchecken ins Flugzeug gab es keine Probleme. Es war niemand da, der verdächtig aussah oder der irgendwelche Fragen stellte. Trotzdem war Alex sehr angespannt, er wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte. Er musste sich bei Kommissar Geier melden, ja, das würde er als Erstes tun. Außerdem musste er, wenn die Wohnung bewohnbar war, Sicherungen anbringen, die Chin an- und ausschalten konnte wie den Lichtschalter. Er würde Strom an die Tür und an die Fenster leiten.
Chin dürfte erst mal die Wohnung nur in seiner Gegenwart verlassen. Irgendwie würde das schon gehen. Das Weitere würde sich nach dem Gespräch mit Kommissar Geier finden. Alex schlief ebenso wie Chin im Flugzeug ein.
Sie landeten in Frankfurt. Auch bei der Passkontrolle in Frankfurt gab es keine Probleme. Alex nahm ein Taxi, und sie fuhren zu seinem Auto, das noch am gleichen Platz stand wie vor der Abreise. Von dort fuhren sie in ein Hotel in einem Vorort von Frankfurt. In dem Hotelzimmer würden sie erst mal ein bis zwei Nächte bleiben, bis Alex geklärt hatte, ob ihre Wohnung wieder bezogen werden konnte. Chin und Alex schliefen vom Nachmittag bis zum Morgen. Alex sortierte seine Gedanken.
Als Erstes rief er bei Kommissar Geier an. Die Sekretärin sagte zu Alex: „Kommissar Geier hat jetzt keine Zeit, er hat ein wichtiges Problem zu lösen.“ Alex bat die Sekretärin eindringlich: „Ich habe auch ein großes Problem, bitte, geben Sie mir Kommissar Geier.“ Im Hintergrund hörte Alex eine Tür schlagen und die Stimme von Kommissar Geier. Die Sekretärin sagte etwas zu Kommissar Geier, was Alex nicht verstand. Plötzlich hatte Alex Kommissar Geier am Telefon. Er klang etwas abwesend, sagte aber: „Hallo, Herr Meier, ich habe jetzt keine Zeit für Sie. Rufen Sie doch morgen noch mal an. Wir sind hier in Frankfurt sehr beschäftigt.“ Als Alex gerade auflegen wollte, änderte sich die Stimme von Kommissar Geier. „Halt, Herr Meier, warten Sie, ich habe eine Idee, vielleicht kann ich Sie brauchen. Kommen Sie unverzüglich ins Polizeipräsidium.“
Alex war verdutzt, aber er zog sich an. Er sagte zu Chin eindringlich, dass sie das Hotelzimmer nicht verlassen und niemandem die Tür öffnen solle, bis er zurück sei. Dann fuhr Alex auf dem schnellsten Wege zum Polizeipräsidium.
Kapitel 31
Alex fuhr mit klopfendem Herzen aufs Kommissariat. Als er das Vorzimmer von Kommissar Geier passieren wollte, sagte die Sekretärin: „Herr Meier, Sie werden schon erwartet. Bitte gehen Sie in den Sitzungssaal.“ Als Alex den Sitzungssaal betrat, saßen fünf Herren und Kommissar Geier um eine Landkarte. Alex dachte: Was hat das mit mir zu tun? Sie können mich höchstens wegen Verletzung der Bewährungsauflagen drankriegen. Dafür brauchen sie aber nicht so einen Aufstand zu machen.
Kommissar Geier schaute auf und begrüßte Alex freundlich: „Da sind Sie ja. Wir haben hier ein Riesenproblem und wissen nicht, wie wir das lösen sollen.“ Kommissar Geier stellte Alex die anderen Herren als Einsatzleiter vom Sondereinsatzkommando mit Stellvertreter, einen Staatssekretär vom Innenministerium, den Polizeipräsidenten und einen Vertreter der Landesregierung vor.
Alex fragte verdutzt: „Was ist hier los, Herr Geier?“ „Alex, wissen sie, heute Morgen haben drei Personen, vermutlich aus dem islamistischen Umfeld, das Kernkraftwerk Rheinburg überfallen. Sie sind mit einem gestohlenen Lastwagen in das Eingangstor gefahren und haben die drei Wachtposten erschossen. Anschließend sind sie in den Überwachungsbereich des Kernkraftwerkes eingedrungen. Über einen Notruf konnten sich die drei Techniker vom Kontrollbereich in den Überwachungsbereich des Kernkraftwerks retten und die Sicherheitstür schließen.
Jetzt haben sich die drei Männer im Überwachungsbereich verschanzt, und den Geräuschen nach versuchen die Terroristen, die Wand zum Überwachungsbereich zu durchbrechen.“„Aber warum greifen Sie nicht zu und verhaften die drei mit Ihrem Sondereinsatzkommando?“, fragte Alex. „Wir wissen nicht, wie stark die Sprengladung ist, die die Terroristen dabei haben. Es könnte sein, dass die Ladung ausreicht, um das Kernkraftwerk so zu beschädigen, dass der Kühlkreislauf kollabiert. Und was dann folgt, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu erklären“, sagte Kommissar Geier.
Alex war leicht irritiert und erwiderte: „Was kann ich dabei tun?“ „Wenn wir schwer bewaffnet in das Kraftwerk eindringen, da sind wir uns hier alle einig, wird es zu einer Explosion kommen. Wie gesagt, wir können nicht einschätzen, was dann passiert. Ich denke, wenn Sie es sich zutrauen, sollten Sie versuchen, die Terroristen ruhigzustellen. Trauen Sie sich das zu, Alex?“
„
Nein“, antwortete Alex. „Aber in einer solchen Situation muss ich es einfach probieren.“
„
Um keine Zeit zu verlieren, sage ich Ihnen kurz, es handelt sich um drei Männer. Zwei von ihnen konnten identifiziert werden. Einer ist ebenfalls ein Elektrotechnikstudent. Er heißt Ismail Khan und hat zwei Semester über Ihnen studiert.“ Alex antwortete: „Ismail Khan, den kenne ich doch. Er war einer der besten Studenten seines Jahrganges, und er hat mich in einem Kurs als Assistent betreut. Der war immer sehr nett. Das traue ihm nicht zu.“
„
Es ist aber so, Alex“, entgegnete Geier. Er fuhr fort: „Der zweite Mann ist ein Deutscher, der zum Islam konvertiert ist. Er nennt sich jetzt Ahmad. Der dritte Mann ist uns nicht bekannt.
Ich weiß, dass wir viel von Ihnen verlangen, aber wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren, es steht viel auf dem Spiel. Sie haben ihre Ausrüstung dabei?“ „Ja“, antwortete Alex.
Alex wurde nach Rheinburg gefahren. Das Gelände war weiträumig abgesperrt. Überall waren Einsatzkräfte mit Gewehren und Schutzausrüstung verschanzt. Kurz vor dem Tor des Kernkraftwerkes wurde Alex aus dem Auto gelassen. Der Leiter des Sondereinsatzkommandos wünschte Alex viel Glück und sagte zum Schluss: „Wenn Sie nicht mehr weiterwissen, dann geben Sie uns ein Zeichen, dann kommen wir rein.“
Alex dachte: Wie soll ich ihm ein Zeichen geben. Vielleicht bin ich in zehn Minuten tot. Vielleicht soll der Schuss das Zeichen sein, das das Sondereinsatzkommando veranlasst einzugreifen. Vielleicht fliegt hier auch alles gleich in die Luft, und keiner wird mehr eingreifen, sondern alles wird verwüstet und verstrahlt sein.
Alex ging durch das geöffnete Tor des Atomkraftwerkes. Die Leichen der drei Wachleute am Tor lagen unverändert da. Es war zu gefährlich, sie aus dem Weg zu räumen. Alex war an der Eingangstür des Atomkraftwerks angelangt. Er versuchte die Tür zu öffnen. Die Tür war verschlossen. Er nahm das Voltitu und schnitt mit dem Laser das Schloss heraus. Er öffnete die Tür und wollte gerade die Treppe hochgehen, da hörte er einen Schuss und verspürte einen starken Schmerz in der Brust. Alex fiel um. Er war ohnmächtig.
Der Leiter des Sondereinsatzkommandos drehte sich zu Kommissar Geier um. Und fragte: „Sollen wir jetzt stürmen? Ihr Mann ist tot.“ „Warten Sie“, sagte Kommissar Geier. „Er ist schon mit anderen Gangstern fertig geworden. Geben Sie ihm noch zehn Minuten.“ „Okay, zehn Minuten.“
Alex war bewusstlos. Der Mann, der auf ihn geschossen hatte, war Ahmad. Da Alex in der Tür lag und die Tür offen stand, kam Ahmad die Treppe runter und zog Alex aus der Tür raus. Alex prallte gegen die Treppenstufen. Dadurch kam sein Bewusstsein zurück. Er blickte auf und sah einen Mann, dessen Gesicht mit einem Palästinenserschal umwickelt war. In der rechten Hand hielt er eine Pistole.
Alex überlegte nicht lange. Er sagte: „Gidet.“ Ahmad ließ sofort los und fiel hin. Alex hatte seine schusssichere Weste, die er mit Metallstäben präpariert hatte, über die Sprachsteuerung unter Strom gesetzt. Aber auch Alex verspürte einen starken Schmerz in der linken Schulter, da der Arm von Ahmad seine Schulter berührt hat und der Stromstoß auf Alex übergegangen war. Alex riss sich los und stand auf. Die Schulter schmerzte. Ahmad kam langsam wieder zu sich, er wollte gerade die Pistole anheben, als Alex die Schockfunktion des Voltitus auslöste und Ahmad in den Schlaf schickte.
Alex hörte ein lautes Hämmern. Er ging dem Geräusch nach. Er kam in einen Raum, der vermutlich dem Überwachungsbereich des Kernkraftwerkes zuzuordnen war. Er schaute um die Ecke und sah Ismail Khan, der dick bepackt mit einer Sprengladung an der Wand stand. Neben ihm war ein dritter Mann mit einem großen Vorschlaghammer zugange und bearbeitete eine Betonwand. Er hatte schon einen beträchtlichen Teil von Bruchstücken aus der Wand herausgeschlagen. Er war mindestens schon einen halben Meter tief in die Wand eingedrungen. Und er schlug in regelmäßigen Abständen mit dem Hammer auf den Beton ein und immer spritzten Steinstücke heraus.
Ismail rief laut: „Ahmad, was ist los? Warum hast du geschossen?“ Ismail rief wieder: „Ahmad, komm her.“
Alex trat vor. „Ahmad schläft, ich bin statt seiner hier. Ismail, was macht ihr hier?“ Ismail und der dritte Mann sahen Alex erstaunt an. Der Unbekannte ließ den Hammer fallen und wollte auf Alex zurennen. Ismail rief ihm zu: „Ali.“ Es hörte sich an wie „äm äm.“
Ali drehte um und nahm den Hammer und widmete sich wieder seiner Arbeit.
Ismail war immer noch erstaunt und fragte Alex: „Was willst du hier? Verschwinde sofort. Hier wird gleich alles in die Luft fliegen, und wenn du nicht gleich abhaust, bist du auch dabei.“ Ismail griff sich mit der linken Hand an den Gürtel, wo vermutlich der Auslöser für den Sprengsatz angebracht war.
Alex sagte: „Ihr habt kein Recht, das Land zu verwüsten und so viele Menschen umzubringen.“ Ismail antwortete: „Eure Soldaten und die Amerikaner töten in Afghanistan viele unschuldige Moslems, das muss gesühnt werden. Wir tun das, was ein aufrechter Moslem tun muss.“ Alex antwortete: „Ich bin, wie die meisten Deutschen, gegen den Afghanistankrieg. Ismail, wurdest du nicht freundlich in Deutschland aufgenommen? Du hast hier studieren dürfen und hast eine tolle Ausbildung. Du kannst in deinem Leben noch so viel erreichen. Gib jetzt bitte auf. Dann kommst du mit dem Leben davon.“
Ismail drehte sich um: „Mein Leben endet heute hier und deins auch. Ich gebe mein Leben für Allah. Ich werde ein Märtyrer sein.“
„
Denk doch an deine Schwester, Ismail, sie lebt auch in Frankfurt. Sie studiert auch hier.“„Sie benimmt sich nicht mehr wie eine Muslima. Sie trägt kein Kopftuch mehr und sie spricht mit Männern. Sie hat sich vom Islam abgewandt. Sie hat auch den Tod verdient.“ Alex antwortete: „Bist du verrückt, Ismail. Sie ist eine moderne, intelligente Frau, wir leben nicht mehr im Mittelalter.“ Der Ton der Hammerschläge hatte sich plötzlich verändert. Er wurde immer heller, auch das Splittern der Wand hörte sich verändert an. Alex schaute zu Ali. Die Wand hatte bereits ein kleines Loch. Alex drehte sich wieder zu Ismail und fuhr fort: „Denke an die vielen Kinder und an Professor Friedrich, der dir so viel geholfen hat.“
Alex musste etwas tun. Alex sagte: „Allah ist groß.“ Ismail rief laut: „Allah oh akbar.“ Alex fuhr fort: „Allah ist gerecht, und Allah ist kein Mörder.“ Er ging auf Ali zu. Ali, der eine kurze Pause machte, da ihm vermutlich seine Arme brannten, bemerkte Alex sofort. Er nahm den Hammer hoch, ging zwei Meter auf Alex zu.
Alex löste die Schockfunktion aus, Ali fiel zu Boden, der Hammer fiel ihm aus der Hand. Ismail zögerte nicht, er nahm mit der rechten Hand die Pistole aus dem Halfter und schoss auf Alex. Der Schuss ging vorbei. Alex hatte schnell auf Laserfunktion umgeschaltet und zielte auf den linken Oberarm von Ismail. Ein weiterer Schuss ging Alex knapp am rechten Ohr vorbei. Endlich traf Alex mit dem Laser, er meinte zu sehen, wie die Muskeln und Sehnen am linken Oberarm durchtrennt wurden. Alex sah, wie Ismail versuchte, am linken Arm zu ziehen. Die Finger gehorchten ihm nicht mehr. Der Arm war abgetrennt. Alex war entsetzt. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren, er war orientierungslos. Es fiel ein weiterer Schuss. Alex dachte im Stillen, das war’s wohl. Er schaute zu Ismail und sah, dass er sich selbst in den Kopf geschossen hatte. Alex war es sehr elend zumute. Er fühlte sich schlecht wie nie.
Alex schleppte sich langsam Richtung Ausgang. Er durchquerte die Eingangstür und sah, dass die SEK-Leute sehr viel näher herangerückt waren. Alex hob die Arme und kreuzte sie als Zeichen, dass alles vorüber sei. Kommissar Geier und der Chef des Sondereinsatzkommandos liefen auf Alex zu und fragten fast zeitgleich: „Wie ist die Lage?“
Alex antwortete: „Zwei Mann bewusstlos und einer tot. Die Sprengladung hängt an dem Toten. Um die muss man sich noch kümmern.“ Kommissar Geier jubelte: „Sie sind der Größte, Alex.“
Alex hatte für solche Jubelworte im Moment keinen Sinn. Er wollte nur noch weg hier, und er wollte zu Chin. Kommissar Geier ließ Alex sofort mit einem Streifenwagen zu seinem Hotel fahren.
Alex sah sehr mitgenommen aus. Chin war richtig erschrocken. Sie wollte sich noch mit Alex unterhalten, aber Alex sagte, er sei sehr müde. Er würde ihr am nächsten Tag alles erklären. Alex legte sich auf sein Bett und schlief gleich ein.
Kapitel 32
Am nächsten Morgen um 11 Uhr klopfte es an der Zimmertür. Alex und Chin erschraken. Kommissar Geier sagte: „Ich bin’s nur, Kommissar Geier. Alex und Chin, machen Sie sich bitte fertig. Ich bringe sie ins Polizeipräsidium. Der Innenminister ist da und möchte sich mit Ihnen unterhalten. Chin fragte Alex: „Was hat das zu bedeuten?“ Alex antwortete: „Das wirst du gleich sehen, jetzt mache dich fertig, wir wollen den Innenminister nicht lange warten lassen.“ Beide beeilten sich beim Anziehen und Fertigmachen.
Kommissar Geier begrüßte sie freudig und chauffierte beide zum Polizeipräsidium.Vor dem Polizeipräsidium standen einige Journalisten. Chin und Alex wurden in den Sitzungssaal des Präsidiums gebracht. Als Alex eintrat, standen alle Menschen im Saal auf und applaudierten heftig. Chin wandte den Kopf zu Alex und fragte: „Was hast du gemacht, dass die Leute so begeistert sind?“ „Ich erkläre es dir später“, flüsterte Alex zurück.
Sie wurden mitten in die erste Reihe gesetzt, gegenüber saß der Innenminister. Der Innenminister, der auf Krücken lief, begrüßte beide per Handschlag. Dann hob er zu seiner Rede an: „Sehr geehrter Herr Meier und liebe Frau Hao, es ist mir eine besondere Ehre, mich heute bei Ihnen für Ihre vorbildliche und heldenhafte Tat zu bedanken. Sie haben nicht nur Frankfurt und Hessen gerettet, sondern eine bundesweite Katastrophe verhindert. Solcher Heldenmut ist leider nicht mehr häufig anzutreffen.“ Alex war es zu viel der Lobhudelei. Er schaltete innerlich ab. Er konnte nur noch einige Worte verstehen, wie Vorbild, selbstlos und Zivilcourage.
Die Rede des Ministers endete, die Anwesenden im Saal applaudierten. Dann wandte sich der Innenminister nochmals an Alex. „Kann ich noch etwas für Sie tun?“ „Ja“, antwortete Alex. „Ich möchte Sie bitten, die Presse von mir fernzuhalten. Sagen Sie einfach, ein Mann des SEK hätte den Anschlag vereitelt. Dazu können Sie ein Bild eines vermummten SEK-Mannes zeigen.
Weiterhin möchte ich Sie bitten, die Untersuchungen im Mordfall Professor Udo Schreiber, der mein Mentor und Freund war, zu forcieren. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, ein gewisser Wu Wang, der vermutlich nach China geflohen ist, ist dringend verdächtigt, die Tat begangen zu haben. Im Sinne der Gerechtigkeit muss hier etwas geschehen.“ „Ich werde mich persönlich darum kümmern“, sagte der Innenminister. Er schaute zum Polizeipräsidenten herüber und sagte: „Ich bin mir sicher, die Frankfurter Polizei wird alles unternehmen, um den Fall zu klären.“ Der Polizeipräsident nickte. Chin und Alex verließen den Saal, Kommissar Geier begleitete sie. Der Innenminister machte sich für die Pressekonferenz bereit. Chin und Alex wollten wieder in ihre Wohnung zurück. Kommissar Geier sagte jedoch: „Heute Mittag wartet noch der Forschungsminister auf Sie, er möchte dringend mit Ihnen sprechen.Wie wäre es, wenn wir jetzt zu Mittag essen gehen würden.“ Chin und Alex willigten ein und wurden von Kommissar Geier zum Essen eingeladen.
Gegen 16 Uhr trafen sie in kleinem Rahmen mit dem Forschungsminister zusammen. Der Forschungsminister begrüßte Alex und Chin freundlich. „Ich habe schon viel von Ihrem Voltitu gehört, Herr Meier“, begann er die Unterhaltung. Alex erkannte den Forschungsminister aus dem Fernsehen und hielt ihn für einen fortschrittlichen und aufgeschlossenen Mann. Alex antwortete: „Das Voltitu bzw. das Patent des Voltitus gehört mir nicht mehr. Es wurde mir von der Firma Siebert, sagen wir mal, abgenommen. Oder besser gesagt, ich wurde um das Patent betrogen.“ „Ja, ich habe davon gehört“, sagte der Minister. „Die Firma Siebert weiß aber nicht recht, was sie mit dem Patent anfangen soll.“ „Sie meinen, die Firma Siebert ist nicht imstande, das Voltitu zu bauen.“
„
Ja, so ist es“, sagte Alex. „Bei all seiner Schlauheit ist es Herrn Schneider bisher nicht gelungen, das Patent auszuschlachten und dasVoltitu zu bauen.“ „Wäre es Ihnen denn möglich, Herr Meier, das Voltitu zu produzieren?“„ Ja, ich könnte Voltitus produzieren, zwar nur eine begrenzte Zahl, aber ich könnte.“ „Sie wissen, Herr Meier, es wäre für uns von größter Wichtigkeit, wenn das Voltitu in Deutschland produziert würde. Wäre denn eine Zusammenarbeit mit Ihnen und der Firma Siebert möglich?“„ Solange Herr Schneider Vorstandsvorsitzender der Firma Siebert ist, ist eine Kooperation ausgeschlossen. Außerdem sitzen im Aufsichtsrat noch einige Halbverbrecher, mit denen ich auch auf keinen Fall zusammenarbeiten würde.“
„
Unter welchen Voraussetzungen könnten Sie sich denn eine Zusammenarbeit mit der Firma Siebert vorstellen?“ „Zunächst müsste der alte Aufsichtsratsvorsitzende, Dr. Traber, die Geschäfte wieder übernehmen. Mit ihm könnte ich einen neuen Vertrag aushandeln, und wir könnten das Voltitu produzieren. Wie gesagt, zunächst nur eine überschaubare Anzahl. Nach einigen Forschungsanstrengungen sollte es jedoch möglich sein, das Voltitu in Serie zu produzieren.“
„
Das hört sich doch vielversprechend an“, antwortete der Minister. „Ich könnte Ihnen aber auch eine Dozentur im staatlich geförderten Herrenhofer-Institut in Benediktbeuren anbieten, überlegen Sie sich das noch mal, Herr Meier. Und was die Vorgänge in der Firma Siebert angeht, da werde mich erkundigen, was im Einzelnen vorgefallen ist. Sie werden von mir hören, Herr Meier.“ Der Minister schüttelte Alex und Chin die Hand und verabschiedete sich.
Kommissar Geier sagte zu Chin und Alex: „Der Polizeipräsident hat mir mitgeteilt, dass meine Abteilung und ich zunächst nur noch für den Mordfall Udo Schreiber und für Ihren persönlichen Schutz abgestellt sind. Ich schlage vor, da wir uns jetzt so gut kennen, Ihnen beziehungsweise euch, das Du anzubieten. Mein Name ist Wolfgang.“ Chin und Alex willigten ein, und die Drei duzten sich ab jetzt. Wolfgang Geier fuhr die beiden nach Hause und betrat mit ihnen die Wohnung. Die Wohnung war ein wenig aufgeräumt, jedoch hatten Chin und Alex viel Arbeit, sie wieder wohnlich herzurichten. Als Kommissar Geier sich verabschiedete, sagte er zum Schluss noch: „Unten steht ein Wagen mit Kennzeichen WI, da sitzen zwei Männer drin, die zu eurem Schutz abgestellt sind. Alex, bitte tue den beiden nichts. Am besten, wir telefonieren täglich. Ich halte euch auf dem Laufenden.“
Kapitel 33
Es verging die erste Woche. Die Anrufe von Wolfgang Geier waren interessant, erbrachten jedoch keine Neuigkeiten. Chin und Alex verließen nur gemeinsam die Wohnung. In einigem Abstand wurden sie immer von zwei Beamten in Zivil begleitet. Am nächsten Morgen konnte Alex in der Zeitung lesen, dass die Steuerfahndung auf Veranlassung des Finanzamts München eine Hausdurchsuchung bei Dieter Schneider, dem Vorstandsvorsitzenden der Firma Siebert, durchgeführt hatte. Aha, dachte Alex, die hohen Tiere scheinen doch ein Interesse an dem Bau des Voltitus zu haben.
Weitere zwei Tage später erzählte Kommissar Geier, der Innenminister habe anrufen lassen und mitgeteilt, einem englischen Agenten in Asien namens Blond sei es gelungen, die Telefonate von Wu Wang mit seinen Chefs abzuhören. Aus den Telefonaten sei eindeutig hervorgegangen, dass Wu Wang nach Deutschland kommen wollte, um eigenhändig das Voltitu zu holen und nach China zu bringen.
Alex wollte wissen. „Wann kommt Wang?“„Das wissen wir nicht“, antwortete Wolfgang Geier. „Wir müssen ihm eine Falle stellen. Auf keinen Fall darf er das Voltitu bekommen. Ich habe auch schon einen Plan. Alex, du musst eine Kopie des Voltitus ohne wesentliche Funktion herstellen. Das benutzen wir als Köder. Ihr müsst dann regelmäßig irgendetwas machen, was die Chinesen beobachten können. Treibt ihr gerne Sport? Geht ihr gerne joggen?“ Alex antwortete: „Eine Zeit lang sind wir zum Badminton gegangen, aber durch den Stress der vergangenen Monate haben wir das schon einige Zeit nicht mehr gemacht.“
„
Badminton ist prima, ihr werdet jetzt regelmäßig wieder zum Badminton gehen, ich werde euch sagen in welcher Halle und an welchen Tagen ihr dort spielen sollt.“ Alex machte sich an die Arbeit. Er stellte ein wirkungsloses Voltitu her, das von dem echten Voltitu nicht zu unterscheiden war. Es fehlte nur der Sternenstaub.
Am nächsten Tag meldete sich Wolfgang Geier wieder. Er vereinbarte mit Chin und Alex die Badmintontermine. Und zwar sollten beide jeweils dienstags und donnerstags von 19 bis 20 Uhr in einer Badmintonhalle in einem Vorort von Frankfurt spielen. Von der Gaststätte aus konnte man die Badmintonfelder gut übersehen. Zwei Polizisten wurden, als Bedienung getarnt, in der Gaststätte untergebracht.
Chin und Alex fuhren jetzt regelmäßig in die Halle. Alex ließ das Voltitu ab und zu an seiner Jacke hängen, um es als Lockvogel einzusetzen. In unregelmäßigen Abständen schlenderten Asiaten durch die Straße. Selbstverständlich spielten auch regelmäßig Asiaten Badminton in der gleichen Halle wie Chin und Alex. Natürlich wusste niemand, ob es sich um Wangs Leute oder einfache Zivilisten handelte. Der Sport machte Chin und Alex Spaß und brachte sie auf andere Gedanken.
Es vergingen mehrere Wochen, bis eines Morgens Kommissar Geier mitteilte, der englische Agent Blond habe sich gemeldet und gesagt,Wu Wang wäre heute nach Deutschland abgereist. „Jetzt gilt es, Alex“, sagte Kommissar Geier. „Wir werden versuchen, Wang am Flughafen abzufangen. Wenn das nicht gelingt, wird er sicherlich früher oder später in die Nähe der Sporthalle kommen. Wir haben unsere Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Ihr müsst aber unbedingt weiterhin zum Badminton gehen.“„Alles klar“, antwortete Alex.
Obwohl es jetzt sehr wichtig war, konnte Alex Chin kaum zum Badminton motivieren. Chin klagte über Übelkeit. Alex führte das auf die ständige Anspannung, in der die beiden lebten, zurück. Schließlich gab Chin jedoch nach und ging sowohl am Dienstag sowie am Donnerstag mit zum Badminton. Dienstag passierte nichts beim Badminton.
Wolfgang Geier teilte Alex am nächsten Morgen mit, Wu Wang sei nicht über den Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt angekommen. Vielleicht war ihm was dazwischengekommen.
Kapitel 34
Donnerstags war wieder die Zeit zum Badminton gekommen. Chin wollte nicht spielen, weil es ihr schlecht war. Aber Alex sagte ihr, es sei sehr wichtig und sie müsse jetzt durchhalten. Er wusste, wie schlecht es ihr ging, aber sie wären vielleicht kurz davor, Wu Wang zu treffen. Sie betraten die Halle und gingen zum Platz vier, wie jedes Mal. Der Platz lag in der äußersten Ecke der Halle. Alle anderen drei Plätze waren belegt. Auf zwei Plätzen spielten unbekannte asiatische Spieler.
Alex zog sich, wie immer, die Trainingshose aus und legte sie zusammen mit der Kopie des Voltitus in die Trainingstasche. Das richtige Voltitu hatte sich Alex an den Körper geklebt, der Laserstift war am Arm befestigt. Alex und Chin fingen an zu spielen, wobei Chin sich nicht gut bewegte und kein rechtes Spiel zustande kam. Nach circa zehn Minuten kam ein Ball von Platz drei zu Platz vier herübergeflogen. Alex wollte den Ball wieder zurückspielen, aber die asiatischen Spieler kamen rübergelaufen und sprachen mit Alex und sagten ihm, er habe den falschen Ball zurückgegeben. Es gab eine kurze Diskussion, wobei sich die zwei Männer so vor Alex stellten, dass ihm die Sicht zur Bank und zu seiner Tasche verstellt war. Die Männer gingen zurück zu ihrem Platz und spielten weiter.
Alex schaute auf seine Tasche. Die Tasche war weg, und die beiden Spieler, die auf Platz zwei gespielt hatten, verließen hastig die Halle. Hinter sich hörte Alex, wie Chin sich erbrach. Gleichzeitig sah er, wie Wolfgang Geier an die Scheibe des Restaurants klopfte. Alex drehte sich zu Chin. „Chin, geh bitte ins Restaurant nach oben, da wird man dir helfen.“ Alex beeilte sich, zog seine Trainingshose an und rannte zum Ausgang.
Wolfgang Geier saß bereits in seinem Wagen und öffnete Alex die Tür. Gerade als Alex einstieg, kam ein Getränkelastwagen in die Einfahrt gefahren. Auf der anderen Seite konnte man sehen, wie zwei Männer mit schwarzen Aktentaschen jeweils in eine schwarze Limousine stiegen. Die Limousinen fuhren los.
Wolfgang Geier fluchte, er sprang aus dem Wagen und rannte auf den Getränkefahrer zu. Er öffnete die Tür, und als er sah, dass es sich ebenfalls um einen Asiaten handelte, zog er seine Pistole und hielt sie ihm an den Kopf. Der Mann tat erschrocken. Nach kurzer Zeit setzte sich der Lkw in Bewegung und machte die Einfahrt frei. Kommissar Geier lief zurück zum Auto, und sie fuhren los. Alex wetterte: „Die entkommen uns, hole aus deinem Wagen raus, was rauszuholen ist.“ „Nur keine Panik, Alex, die Kollegen am Flughafen wissen Bescheid, er wird nicht entkommen.“ Nach fünfminütiger Fahrt bemerkten Alex und Wolfgang Geier auf ihrem Monitor, wie die beiden verfolgten Autos die Richtung änderten und Richtung A 661 fuhren und nicht in Richtung Rhein- Main-Flughafen. An dem Nachbau des Voltitus hatte Alex einen GPSSender eingebaut. Wolfgang Geier sagte: „Sie fahren nicht zum Rhein- Main-Flughafen, sie fahren zum Sportflughafen nach Egelsbach. Deshalb haben wir die Einreise von Wu Wang nicht bemerkt. Ich rufe jetzt in Egelsbach an und lasse alle Abflüge sperren.“ Über die Leitstelle ließ Kommissar Geier sofort den Sportflughafen Egelsbach sperren.
Er gab Vollgas und rauschte mit Blaulicht die A 661 runter. Nach Verlassen der Autobahn kurz vor Egelsbach kam der Funkspruch, ein Flieger habe trotz Startverbots den Flughafen verlassen und sei abgeflogen. Alex dachte: Verdammt, jetzt sind sie uns entkommen. Es war alles umsonst, jetzt geht der Albtraum weiter.
Kommissar Geier fuhr mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit weiter. Der Flughafen war in Sichtweite. Zum Glück kannte sich Geier hier etwas aus. Er fuhr einen kleinen Weg rein, wo nur eine Schranke die Straße vom Rollfeld trennte. Er durchbrach die Schranke und fuhr auf das Rollfeld. Das Auto rauschte über das Rollfeld. In etwa 100 Meter Entfernung war eine Cessna schon losgefahren und beschleunigte zum Abflug.
Alex machte das Voltitu klar und zielte mit dem Laser auf die Hinterreifen. Trotz der Unruhe in seinem Arm, durch das Holpern des Autos auf dem nicht ganz glatten Rollfeld, traf er die Hinterräder rechts, die mit einem Knall zerbarsten. Der Flieger schlingerte und kam zum Stehen. Kommissar Geier fuhr bis auf 20 Meter an die Cessna heran. Das Flugzeug stand. Der Pilot öffnete die Tür, ließ die Treppe runter und wollte nach den Reifen schauen. Alex sagte zu Wolfgang Geier: „Bitte, lass mich nachschauen, falls Wang noch da ist, möchte ich gerne zehn Minuten mit ihm allein reden.“ „Okay, Alex, aber pass auf, es handelt sich um einen sehr gerissenen Gegner.“
Alex ging zu dem Piloten und schrie ihn an, er solle verschwinden. Eingeschüchtert durch den Tonfall, aber auch durch den blinkenden Polizeiwagen verließ er das Flugzeug Richtung Halle. Alex stieg vorsichtig über dem Piloteneingang in die Maschine ein und schaute auf die Sitzplätze. Wang saß allein auf einem der vorderen Plätze und schien gut gelaunt zu sein. Er rief Alex zu: „Hallo, Herr Meier, haben Sie mich doch noch abgefangen.“ Er deutete auf seine schwarze Aktentasche und fuhr fort. Alex hatte das Voltitu startbereit und konnte jederzeit damit schießen.Wang öffnete seine Aktentasche, die außer einer chinesischen Tageszeitung nichts enthielt. „Ja, Herr Meier, ich habe gewonnen. Das Voltitu ist bereits auf dem Weg nach China. Die Maschine von Zong wird in circa zehn Minuten den deutschen Luftraum verlassen. Danach ist es nur noch ein Kinderspiel, und das Voltitu ist in China. Unsere Ingenieure freuen sich jetzt schon drauf, die größte Erfindung des Jahrhunderts nachzubauen. Und dann wird China den Weltmarkt beherrschen.“ Alex antwortete mit einem knappen: „Ja, so ist es.“ Er sah, wie sich Wangs Augen bei dieser Antwort leicht öffneten. Wang schien überrascht zu sein.
„
Ich bin nicht hier, um mit Ihnen über das Voltitu zu reden, Wang. Wir reden jetzt über Professor Udo Schreiber.“ Alex hörte im Hintergrund, wie mehrere Martinshörner bzw. mehrere Polizeiautos um das Flugzeug abgestellt wurden. „Bevor wir aber über Professor Schreiber reden, möchte ich Sie bitten, Ihre Pistole abzulegen.“
Alex hatte das Voltitu auf Gleichstrom umgestellt, er wusste, Wang würde freiwillig seine Pistole nicht ablegen. Er stellte das Voltitu auf Stufe zwei und fuhr fort. „Da ich weiß, dass Sie nicht freiwillig Ihre Pistole abgeben, muss ich leider etwas nachhelfen. Wenn Sie mir Ihre Pistole zugeschoben haben, können wir das Gespräch auch ohne Voltitu fortsetzen.“ Alex bemerkte eine wahnsinnige Entschlossenheit in Wangs Gesicht. Er bewegte seine Hand, trotz der wohl erheblichen Schmerzen, kontrolliert in Richtung Pistole. Alex wusste, dieser Mann ist auch bei Stufe zwei noch fähig abzudrücken.
Alex wartete noch ein Augenblick. Es schien, als ob Wang die Pistole gegriffen hätte. Alex erhöhte auf Stufe drei. Wang zitterte. Jetzt konnte er die Waffe nicht mehr kontrollieren. Er zitterte die Pistole auf den Tisch. Alex reduzierte das Voltitu auf Stufe eins, nahm die Pistole und warf sie aus der offenen Cockpit-Tür.
Kommissar Geier, der jede Regung, soweit dies möglich war, im Flugzeug verfolgte, war erleichtert, als die Pistole herausgeflogen kam. „Nun, Wang, jetzt reden wir über Professor Schreiber. Was hat sich damals in der Nacht in dem Uni-Forschungslabor abgespielt?“ Wang schwieg. Alex fing an, an dem Voltitu zu spielen, Stufe eins, dann zwei, drei, wieder eins, dann wieder hoch auf drei. Es war Alex klar, was er tat war nicht legal. Aber jetzt musste die Wahrheit ans Licht, koste es, was es wolle.Wang hob die Hand. Alex schaltete auf eins.
„
Also gut“, sagte Wang. „Wir sind in die Universität gegangen, um das Voltitu zu holen. Im Labor haben wir Professor Schreiber angetroffen. Wir wollten das Voltitu von ihm haben. Er gab es uns nicht. Stattdessen ließ er einige Papiere in einer Schublade verschwinden. Wir haben die Papiere später an uns genommen. Es waren handschriftliche Zettel von Ihnen, die aber für unsere Ingenieure in China wertlos waren. Als wir uns mit der Schublade beschäftigten, versuchte der Professor durch die Tür zu fliehen. Einer meiner Männer lief ihm nach und hat ihm in den Rücken und in den Kopf geschossen. Übrigens, das letzte Wort, was er gesagt hatte, war Alex.“
Alex war fassungslos. Eiskalt und ohne Regung hatte dieser skrupellose und geldgierige Mann die Geschichte vom Tod seines Mentors und Freundes berichtet.
Alex lehnte sich ein Augenblick an die Cockpit-Tür. „Wang, du weißt, du wirst jetzt für deine Taten bezahlen. Wegen dir bin ich vorbestraft.“ Alex drehte das Voltitu auf Stufe drei. „Wegen dir musste ich fliehen, du hast meine Freundin entführt, wegen dir habe ich Menschen verletzt, und es sind Menschen zu Tode gekommen.“ Alex merkte, wie er die Fassung verlor. Er war kurz davor, das Voltitu auf Stufe vier oder fünf zu drehen, was den Tod von Wang bedeutet hätte. Aber er dachte an Chin. Er konnte jetzt nicht ins Gefängnis gehen. Er schaltete das Voltitu ab, ging zum Cockpit, ging ein paar Stufen die Treppe runter und kauerte sich unten auf die Stufen.
Wolfgang Geier rief rüber: „Alles in Ordnung, Alex?“ „Ja“, sagte Alex leise, „soweit unter diesen Umständen noch etwas in Ordnung sein kann.“ Plötzlich wackelte die Maschine hinter Alex. Es ging alles sehr schnell. Alex verspürte einen starken Stich im Bereich der rechten Schulter. Alex sprang reflektorisch nach vorne. Doch bevor Wang ein zweites Mal zustechen konnte, fiel ein Schuss.
Wolfgang Geier hatte Wu Wang mit einem Kopfschuss getötet.
Kapitel 35
Alex merkte, wie ihm eine warme Flüssigkeit am Rücken herunterlief. Wolfgang Geier war sofort zu ihm gelaufen und drückte ihm mit der Hand auf den Rücken und die Wunde. Er schrie einen Beamten an: „Holen Sie sofort den Rettungswagen.“ Die dabei stehenden Polizisten reagierten sofort. Nach fünf Minuten war der Rettungswagen da. Der Notarzt untersuchte die Wunde und fing an zu nähen, um die Blutung zu stillen.Wolfgang Geier bedrängte den Notarzt: „Ist es was Schlimmes? Wie geht es ihm?“
Der Notarzt blieb ruhig: „Es ist eine stark blutende Wunde über dem rechten Schulterblatt. Ich werde jetzt die Wunde nähen, dann fahren wir in das St.-Matthias-Krankenhaus nach Frankfurt. Dort muss die Lunge geröntgt werden, und wir müssen sehen, ob er weitere Verletzungen hat.“ Um in Ruhe arbeiten zu können, ließ der Notarzt die Tür des Rettungswagens schließen. Alex, der die letzte halbe Stunde nur in Trance mitbekommen hatte, kam langsam wieder zu sich. Er sagte zu dem Notarzt: „Ich muss zu Chin, fahren Sie mich bitte nach Hause.“ Der Notarzt sagte: „Wir fahren jetzt erst mal in das St.-Matthias-Krankenhaus nach Frankfurt. Wenn die Untersuchungen positiv verlaufen, können Sie vielleicht heute noch nach Hause.“
Alex war damit nicht zufrieden: „Sagen Sie bitte Kommissar Geier, er soll Chin herbringen.“ Der Rettungswagen fuhr los. Als sie im Krankenhaus angekommen waren, bestand Alex darauf, dass Chin angerufen wurde. Was der Arzt auch tat, um Alex zu beruhigen. Bei Alex wurde durch eine Röntgenuntersuchung eine Lungenverletzung ausgeschlossen. Der Arzt im Krankenhaus empfahl jedoch, Alex zur Beobachtung stationär aufzunehmen. Alex lehnte dies ab und sagte dem Arzt, wenn es ihm schlechter ginge, würde er wiederkommen.
Als Alex die Klinik verließ, sah er, wie Chin aus einem Polizeiwagen stieg. Sie lief auf Alex zu. Chin unterbrach Alex: „Ich muss dir was sagen, Alex, ich bin schwanger.“
Ungläubig schaute Alex Chin an. Bis Chin wiederholte: „Ich bin schwanger, Alex.“ Alex drückte sie fest an sich, seine Schmerzen vergaß er im Moment, küsste sie, hob sie hoch und drehte sich mit ihr einmal im Kreis. Er war glücklich, nein, beide zusammen waren glücklich.
So standen sie noch für einige Minuten da, und Alex schaute Chin über die Schulter, und die Sonne leuchtete über Frankfurt.
Nachwort
Der Traum von Alex und Udo Schreiber, der in Wirklichkeit der Traum von uns allen ist, wird wahr.
Jeder von uns wünscht für sich und die ganze Menschheit eine umweltverträgliche Energiegewinnung, die preiswert und für alle verfügbar ist. Durch die Verwirklichung des Voltitus könnten der CO2-Ausstoß drastisch reduziert und die Umweltfolgen für die Erde durch die Besiedlung der Menschen gemindert werden. Auch die Lebensqualität der Menschheit, zum Beispiel durch Elektrofahrzeuge, wird gewaltig zunehmen.
Wann Alex Müller das Voltitu baut, steht noch nicht fest. Sicher ist nur, er oder ein anderer wird es entwickeln.
Ich denke, in den nächsten 30 Jahren wird es soweit sein, und die Energiegewinnung auf der Erde wird ein wesentlich geringeres Problem darstellen als heute.
Dr. med. Wolfgang Ripp · Tituscorso 2–6 · 60439 Frankfurt am Main
Tag der Veröffentlichung: 27.03.2013
Alle Rechte vorbehalten