Cover

Anfang

Leise schlich ich mich  die Treppe hoch. Hoffentlich war meine Mutter auf dem Sofa oder im Atelier eingeschlafen und nicht bemerkte, dass ich erst um  ein Uhr Nachts nach Hause gekommen war. Plötzlich ging das Licht im Treppen Haus an und meine Mutter  stand unten an der Treppe.  In ihrem Gesicht war eine Mischung aus Müdigkeit, Wut und Enttäuschung zu lesen. „Komm mit.“ Wies sie mich an.   Sie ging in Richtung Küche. Müde und Erschöpft, folgte ich ihr und machte mich mental auf eine  Moral Predigt bereit. Wir gingen in die Küche, Mum kochte eine Kanne Tee auf  und  drückte ein paar Knöpfe  an der Mikrowelle. Ich setzte mich an den alten hölzernen Küchentisch und spielte mit meinem silbernen Armband.  Es war ganz still im Raum.  Nur das dampfen des Teekessels und das stetige brummen der Mikrowelle waren zu hören.  Ich spürte wie meine Mutter mich beobachtete.

Nachdem Tee und Essen fertig waren, setzte sie sich zu mir an den Tisch und schob mir eine Tasse  Jasmin Tee und eine Portion Nudeln mit Spinat  zu.  Ich lächelte sie dankbar an und  stocherte mit meiner Gabel im Essen herum. Ich hatte einfach keinen Appetit um diese Uhrzeit. Angespannt nippte meine Mutter am Tee, bis die Tasse leer war. Dann stellte sie sie wieder hin und sagte endlich: „ Ich finde es nicht gut, dass du mein Vertrauen einfach so ausnutzt und erst um diese Uhrzeit Zuhause bist, ohne mir vorher bescheid zu sagen.  Außerdem hatte ich dir gesagt du sollst dein Handy mitnehmen! Ich wusste nicht wo du warst, noch konnte ich dich erreichen. Weißt du eigentlich wie viele Sorgen ich mir gemacht habe?“  Ich  nickte, ohne ihr wirklich zu begreifen, wie sehr meine Mutter sich gefürchtet hatte.  „Ich will wissen wo du warst!“   „ Am Meer, ich habe nachgedacht.“   „Worüber?“  „Das Leben, die Welt  und die Politik.“   Meine Mutter nickte, als würde sie genau wissen was ich meinte und mich verstehen. Selbstverständlich hatte sie keine Ahnung wie es in mir Aussah.  Ein Teil von mir war Tod,  ein Teil von mir schrie nach Veränderung. „ Anabell,“ so nannte sie mich nur wenn etwas wirklich schlimmes passiert war.   „Ich habe beschlossen, dass es nicht so weiter gehen kann.“  Als ob sie die Macht hätte irgendetwas an dieser Lage  zu ändern. „Seit dem Vorfall, im letzten Jahr…   Du isst kaum noch. Kleidest dich nur in Schwarz. Bist ständig alleine. Ich bekomme dich nicht mehr zu Gesicht… Du veränderst dich!“    Warf sie mir wirklich vor, dass ich nicht einfach der kleine naive Sonnenschein geblieben bin?  „Ich habe beschlossen, dass wir umziehen werden.“ Sprach sie weiter.     Nun hatte sie meine volle Aufmerksamkeit! Ich blickte von meinem zermatschten Nudeln hoch.  „ Du weißt, dass ich seit ein paar Monaten mit  Laurena zusammen bin.“  Genau, ich hatte beinah vergessen, dass meine Mutter Bi war und nun mit einer Frau eine Fernbeziehung führte. Eine bösartige Befürchtung machte sich in mir breit.   „Laurena hat uns angeboten zu ihr, nach LA zu ziehen.“   Ja, so etwas in der Art hatte ich befürchtet.  „Wann?“ fragte ich noch nach. Es war ja nicht so, als könnte ich was an dem Beschluss meiner Mutter ändern. Die einzigen Möglichkeiten die ich noch hatte, waren entweder wie ein kleines Kind um mich zu schlagen, die Welt und das Schicksal zu verfluchen oder mich ihm zu beugen und meine Sachen zu packen.   Ich entschied mich für Option zwei. Letztes Jahr hatte ich erfahren, dass man manchmal einfach nicht gegen jeden ankämpfen konnte.  Verwundert über meine Milde Reaktion, antwortete meine Mutter „Ähm, nun ja, ich hatte überlegt, so in zwei Wochen. Ich muss noch einiges an Papierkram regeln und   außerdem müssen wir packen.“  „Was ist mit Schule? Oder der  Gruppe?“  Mit der Gruppe war keine Band gemeint, noch nicht einmal ein paar Freunde.  Was ich meinte war eine Gruppe von Umwelt Aktivisten, Philosophen, Schriftsteller und Politiker.   Ich war Teil einer Bewegung, dessen Ziel es war, dieses Land zum besseren zu verändern.  In Folge dessen hatte ich schon viele Berühmte Menschen treffen dürfen. Mein größter Wunsch war es eines Tages als Enthüllung´s Journalistin oder  als Politikerin im Weißen Haus zu arbeiten.   Für dieses Ziel arbeitete ich jeden Tag.  „ Ich habe mit Oliver gesprochen, er hat dir eine Mappe  mit Informationen zu LA zusammengestellt, da steht alles drin über die Politik und Parteien in LA, Lobbisten Einfluss und die dortige  Bürger Initiativen.  Was die Schule angeht, Laurena hat sich darum gekümmert. Du wirst dieselbe Schule besuchen, wie ihr Sohn.“  „Laurena hat einen Sohn?!“   platzte ich dazwischen.  Ich war mein leben lang Einzelkind gewesen und war mehr als zufrieden mit dieser Situation.  „ Ja, sie hat zwei Söhne. Einen siebzehn und einen sechs Jährigen. Das hatte ich dir doch erzählt.“ Sie lächelte mich vorfreudig an. Auch wen ich mich nicht an jedes Gespräch mit meiner Mutter über ihre neue Beziehung, oder wie sie es nannte ```Neue Situation´´  erinnern konnte, so war ich mir dennoch ziemlich sicher, dass  sie  Geschwister nie erwähnt hatte.     „Ihre Kinder sind wirklich total nett.  Ihr werdet euch sicher vertragen.  Außerdem werden wir in ein ganz großes Haus ziehen!  Ich kann dort einen Show Room einrichten….“ Meine Mutter plapperte noch weiter vor sich hin und schwärmte von den Haus, LA , ihrem imaginären Showroom, Laurena und vielem mehr. Irgendwann unterbrach ich sie „Das klingt alles ganz toll, aber jetzt bin ich müde und würde  sehr gerne schlafen gehen. Schließlich  müssen wir ja morgen anfangen die Koffer zu packen.“  Meine Stimme platzte  nur so vor Sarkasmus.  Aber Mum schien das gar nicht zu bemerken.

 

 Als ich im Bett lag dachte ich über die nächsten zwei Wochen nach.  Es war durchaus eine Chance neu anzufangen…   Es war auch nicht so als würde mich hier jemand vermissen.  

Umzug Gaven's Sicht

Als der Umzugswagen in die Einfahrt fuhr drehte ich meine Musikanlage noch etwas lauter.  Ich hatte keine Lust,   dass Bild der Happy Familie zu bewahren und die  Neuankömmlinge zu begrüßen.  Ich wollte auf meinem Zimmer bleiben und so tun als  würde das alles nicht um mich herum geschehen.   So zumindest war der Plan gewesen, bis mein kleiner Bruder, dieser verdammte Hosenscheißer, in mein Zimmer gestürmt kam.  Ich hatte   sowohl Flur als auch Balkontür abgeschlossen, aber irgendwie fand  er immer einen Weg in mein Zimmer zu kommen. „Sie sind da! Sie sind da!“ rief er während er wie ein Flummi durch mein Zimmer hüpfte.  „Lass mich in Ruhe!“   „Mummi hat gesagt du sollst runter kommen beim Ausladen helfen!“  fing er an mich zu nerven.  „Sag ``Mummi´´, dass es ist mir egal ist, was sie sagt!“ „Wenn du nicht mit runter kommst halte ich so lange die Luft an bis ich Tod umfalle.“  Drohte mir mein Bruder. Oh , Gott ! Wo hatte er den diese Idiotische Idee  aufgeschnappt?  „Es gibt  da etwas, dass nennt sich Atemreflex und durchkreuzt deinen Diabolischen Plan.“  Erwiederte ich nur trocken, während ich mir mein I Phone schnappte und Jessica   textete.  Ed probierte es wirklich aus und hielt die Luft an.    Doch nach kurzer Zeit scheiterte er kläglich.    Ich konnte mir einen grinsen einfach nicht verkneifen. Versager!

Nach mehreren Versuchen, wurde mein kleiner Bruder sauer und  fing an wie am Spieß rum zu kreischen.  Ich nahm die Fernbedienung meiner Stereoanlage und drehte den Elektrobeat noch etwas lauter.   Es half nichts, das Geplärre meines Bruders hätte selbst einen Düsenjet übertönen können.  Außerdem kamen unmenschliche Tonfrequenzen aus seinem kleinen Mund und verursachten  Kopfschmerzen bei mir.   

So kam es, dass ich keine fünf Minuten später, zu dem von mir vorher so verachteten  Begrüßungkomertie  gehörte und zusah wie sich die Tür des LKW s öffnete.   Eine Frau, Mitte dreißig bis Anfang vierzig stieg aus. Sie hatte langes, welliges Haar und trug ein buntes Maxi Kleid. Jap. Sie erfüllte das Klischee einer  Lesbischen, in San Franzisco lebenden Künstlerin voll und ganz. Als nächstes hätte sie uns nur noch ein Peace Zeichen zur Begrüßung  entgegenstrecken müssen und über die halbe Nachbarschaft, „Arbeit ist verrat am Proletariat!“ ,  rufen müssen. Oder so…

Doch stattdessen ging meine  Mutter auf sie zu und küsste sie leidenschaftlich… Ich hielt meinem Bruder die Hand  vor die Augen.  Lesben Pornos waren nichts für sein Alter.   „Nehmt euch ein Zimmer!“ rief ich.  Beschämt über mein Verhalten, löste sich meine Mutter von ihrer Neuen Flamme und  drehte sich zu mir um.  „Gaven!“ keifte sie. „Was ist eigentlich dein Problem?“  Nun, ja…

Mein Problem war, dass ich nun nicht nur ``Der arme Junge ohne Vater.´´   sondern auch  ``Der Junge mit einer Lesbe, als Mutter sein würde.´´.  Wir lebten in Amerika!!! Dem Land in dem jede noch so idiotische  Partei und fanatische Sekte geduldet wurde, aber keine freie und gleichgeschlechtliche Liebe.   Für mich war es ganz klar, wer unter dem neuen Glück meiner Mutter zu leiden hatte. Mein Bruder und ich. Vor allen dingen mein Bruder würde kämpfen müssen.  Wenn mir jemand mit einem blöden Blick kommen würde, hatte er  schneller eine Faust in der Fresse, als er `` G. A. Y.“  buchstabieren hätte können.  

Erst jetzt bemerkte ich, dass hinter dem großen LKW ein kleiner alter   Mini  Cabrio in die große Auffahrt fuhr. Es handelte sich bei diesem Wagen nicht um einer dieser von BMW aufgeblasenen Schlampenschleudern, sondern um ein Original, britischen Oldtimer.   Der royal blaue Wagen hielt neben dem     LKW, die Fahrer Tür öffnete sich und ein Mädchen stieg aus. 

 

Das Mädchen, sah aus und ich fand wirklich keine bessere Beschreibung, wie eine Edelprostituierte. Nuttenmerkmal Nummer 1. Waren ihre mörderisch hohen High Heels die, als wäre schwarzer Lack nicht schon billig genug, zusätzlich noch mit goldenen Nieten verziert waren. Nuttenmerkmal  Nummer 2.  War ihr selbst für einen Club Besuch  zu kurzes Kleid.  Nuttenmerkmal Nummer 3. Ihr knallroter Lippenstift leuchtete bis ihr hin.  Ich fragte mich, wie Mädchen dazu kamen sich so zu kleiden.   Sie war eigentlich hübsch. Große, leuchtende Augen,  langes, zu einem Pferdeschwanz gebundenes dunkelblondes Haar und eindeutig weibliche Zügen.  Sie verwirrte mich, einerseits war sie nicht die Art von Mädchen die ich abschleppen würde, anderseits war sie auch nicht so hässlich, dass sie keine Beachtung von mir bekäme.  Während  ich über sie nachdachte,  bemerkte ich erst recht spät das sie direkt vor mir stand. 

Umzug Anabell's Sicht

Wäre mein Leben ein Teenie Kitsch Roman, würde ich jetzt bei seinem Anblick hyperventielieren und seitenweise von seinem tollen Adonis Körper und die Art wie er sich die dunkel braunen Haare aus dem Gesicht stich, schwärmen. Tja, mein Leben ist aber kein Kitsch Roman, also blieb mir nichts anderes übrig als  akribisch nach einem Fehler bei dieser 'anscheinend' perfekten Ausgabe des männlichen Geschlechts zu suche  um ihn dann  in meinen Gedanken herunter zu putzen.  Cool bleiben,  du hast deiner Mutter versprochen nett zu sein. "Hi, ähm, nett dich kennen zu lernen?" Machte ich den Anfang und reichte ihm höflich die Hand. Sein Blick glitt von meinem Gesicht auf meinen Busen zurück zu meinem Gesicht,  dann auf meine ausgestreckte Hand, nur um dann zurück auf meinen Busen zu gleiten. " Gefällt dir die Aussicht?" Fragte ich nach, um ihm klar zu machen, dass er sich wie ein Arschloch verhielt. "Nun, ja," antwortete er "Die Rocky Mountains sind es nun nicht gerade..."  Okay, er verhielt sich nicht nur wie ein Arschloch, er war eins. Sorry ,Mum. " Nun ja," Ich ließ meine  Blick über ihn gleiten und blieb an einer gewissen stelle hängen. " Deiner scheint auch nicht gerade das Empire State Building zu sein."  

Mit siegreichem Lächeln drehte ich mich um und ging.    Was der kann, konnte ich schon lange.  Wahrscheinlich hatte ich in meinem Leben als Teenager, schon mehr sexistische Bemerkungen gehört als  Britney Spears. Klar, teilweise lag das durchaus an meinen Klamotten. Aber selbst wenn ich in Strapsen und  Brustklammern auf die Straße treten würde, hätte kein Mensch das Recht über mich zu Urteilen und sich einzubilden ich wäre leicht zu haben.  Ich war Blond nicht blöd.  

Nach der Begrüßung schaffte ich es endlich Luft zu holen, um mich wirklich umzusehen.

Mum hatte durchaus Recht gehabt mit der Behauptung, dass Laurena in einer Art moderner Hollywood  Palast wohnte. Von außen  war  das Haus weiß und hatte ein Flachdacht. Graue in der Sonne LA glitzernde Steine, setzten farbliche Kontraste. Die hohen Fenster  ließen den Koloss aus Stein offen und einladen wirken.  Laurena führte uns ins Haus.  Ein großer, moderner Eingangsbereich erwartete uns.  Weiß schien Laurenas bevorzugte Farbe zu sein, einzelne farbliche Kontraste perfektionierten die Optische Reinheit.  „Anabell, du möchtest sicher dein Zimmer sehen?“  erkundigte sich Laurena. „Gerne.“ Antwortete ich ein wenig schüchtern.

Sie führte uns weiter, ein Stockwerk höher waren die Schlafzimmer.  Der Fußboden war mit glänzendem Holzparkett ausgelegt. Laurena ging einen Schritt voraus und erklärte uns was wo ist und wer wo schläft.  „Als ich das Haus gekauft war, dachte ich es sei viel zu groß, aber nun bin ich froh noch ein paar extra Zimmer eingeplant zu haben.  Hier,“ Sie blieb an der ersten Tür stehen, „ist unser Schlafzimmer.“ Sie zwinkerte meiner Mutter zu und ging weiter, „Daneben ist das Zimmer von  Ed. Vorsicht beim betreten! Es liegen überall seine Spielzeuge herum, selbst Mrs. Patgrie kommt nicht mehr mit dem Aufräumen nach!“    „Wer ist Mrs. Patgrie?“  wollte ich wissen.  „Die Haushälterin, mein Schatz.“ Antwortete meine Mutter. Sie grinste mich an. Wenigstens war sie glücklich.  „Neben  Eds Zimmer, liegt Gavins Zimmer.“  Erzählte  Laurena, während Gavin gerade an uns vorbei ging und die Tür zu seinem Zimmer lautstark zu knallte. Ein Schild hing an der Tür „Keep Out“  stand drauf. Etwas kindisch nach meinem Erachten, aber ich nahm mir trotzdem vor, dieses Schild so bald wie möglich zu missachten. 

Wir waren an der letzten Tür  auf der Linken Seite angelangt.  „Das  war früher  das große Gästezimmer, nun aber ist es deins.“  Eröffnete sie mir. Gespannt auf meine Reaktion, schaute sie  zu mir. Die Gewünschte Reaktion  blieb aus, als sie die Tür öffnete.  Das Zimmer war steriler, als ein Krankenbett. Weiße Decke, weiße Wände, weiße Möbel, nur der dunkle Holz Fußboden, verlier dem Raum noch etwas, dass man Charakter hätte nennen können. Der Raum war groß und lang. Auf der anderen Seite war eine riesige Fensterfront, mit  Tür zum Balkon. Ich schritt durch den Raum, vorbei am Bett, den Schränken und Regalen, dem Schreibtisch und der Sitzecke, hinzu der fantastischen Aussicht die einem vom Balkon geboten wurde.  Unter mir lag halb LA und das Meer.  Die Vorstellung, dieses Panorama jeden Tag aufs Neue zu Bewundern versüßte mir den Umzug ungemein.

„Gefällt es dir?“ fragte mein Mumm vorsichtig nach. Ich nickte nur. „Ich weiß in dem Raum fehlt noch etwas Farbe, aber das können wir noch ganz schnell ändern, sag uns einfach welche Farbe du gerne hättest.“  Sie glaubte, dass  es mir hier nicht gefallen würde. Doch im Gegenteil, ich hatte mich sogar mit dem Sterilen Weiß angefreundet. Es war die Perfekte Grundlage für meine Lieblingsbilder und Fotografin.  In Gedanken richtete ich den Raum schon ein.  „Nein, es ist gut so wie es ist. Endlich habe ich mal Platz meine Leinwände aufzuhängen.“  Ich grinste mein Mutter an.   Als sie merkte, dass ich es ernst meinte, konnte ich beinah physisch spüren wie eine Bürde von ihr abfiel.  Der Rest des Tages, verbrachte das ganze Haus damit den Umzugswagen auszuladen und die Kisten auszupacken. Selbst das Arschloch beteiligte sich murrend. 

Kontaktpunkte

 

Gavin Sicht.

 

Schweiß rannte mir den Rücken hinunter, als ich die bestimmt schon zehnte Kiste hochschleppte.  Das Püppchen war unterdessen mit auspacken beschäftigt.  Sie schien mich gar nicht  zu bemerken. Ich stellte die Kiste ab und beobachtete was sie da tat.  Sie hängte irgendwelche Bilder auf.  Bunte Collagen, Schwarzweiße Fotografien und Bilder von kleinen Kindern dessen Augen mit schwarzen Tape überklebt waren.   Auf dem Tape  standen Sprüche wie „ Wer hätte gedacht, dass sie eines Tages Suizid begehen würde?“  Die Bilder waren, voll solcher Sprüche. Ein Bild schockierte mich besonders.  Es war Gerahmt. Das Bild zeigte sie, als Schulkind in dem Alter von Ed, Unter dem Foto war eine kurze aber aussagekräftige Notiz.  „Es tut mir Leid, dass ich Lebe.“  Geschrieben in schönster Schreibschrift eines Zweitklässler.  Nun war es amtlich, dieses Mädchen hatte ganz klar eine Schraube locker.  „Was tust du da?“ Aha, anscheinend hatte sie mich endlich bemerkt. Ihre Augen funkelten mich böse an. „Mich umsehen. Sag mal, ist das irgendein Trend aus San Franzisco oder richtest nur du dein Zimmer wie ein Irrer Emo.“  Provozierte ich sie. „Raus!“  Ihre Worte waren leise aber scharf.  Ich sah, wie sie ihre Hände zu Fäusten Ballte und ihre Lippen aufeinander presste. Sie war echt angepisst.   Unter ihren Mordlustigen Blicken verließ ich ihr Zimmer mit der Erkenntnis, dass ich nun zusammen mit einer Psychisch Gestörten unter einem Dach wohnte. 

 

 Anabell‘ s  Sicht. 

Ich nahm mir einen Cardigan aus dem Schrank und stellte  mich nach draußen auf den Balkon.  Ich hatte das Gefühl nicht mehr atmen zu können.   Er hatte mich Irre genannt und wahrscheinlich war ich das auch.  Ich spürte wie eine Mischung aus Schuld, Trauer und Verantwortung auf mir lastete. Es war als lägen dies Gefühle wie Steine auf meiner Lunge.  Ich atmete einmal, zweimal tief ein.  Der Vorfall war nun fast ein Jahr her, irgendwann würde ich mich nicht mehr so schuldig deswegen fühlen, es würde besser werden für mich, nur für sie würde sich nie wieder etwas  ändern.  Ich bemerkte wie  die Sicht vor meinen Augen verschwamm und sich tränen bildeten. Mit einem letzten Wunsch an die Untergehende Sonne, ging ich wieder rein und  legte mich schlafen. 

 

Erster Schultag

Am nächsten Tag, sah die Welt schon ganz anders aus.    Ich wachte auf, zuerst musste ich mich an  meine neue Umgebung gewöhnen, dann aber sprang ich aus dem Bett. Ich lief ins Bad, auf diesem Stockwerk gab es eigentlich drei Badezimmer. Eigentlich, denn  das Gäste Bad hatte im Moment Probleme mit dem Abfluss.  Deswegen nahm ich das Badezimmer der Jungs.    Ich zog mir meinen Schlafanzug aus und stellte mich unter die Dusche.  Ich genoss es, wie das warme Wasser über meine Haut floss. Vollkommen entspannt schloss ich die Augen, als ich plötzlich jemanden Fluchen hörte. Ich öffnete die Augen und sah  wie das Arschloch, mit nur einem Handtuch um die Hüfte bekleidet, mich unter der Dusche anstarrte.   „Verdammt was machst du hier? Warum hast du die Tür nicht abgeschlossen? “   fluchte er. Verdammt, ich hatte vergessen die Tür abzuschließen. Von Zuhause war ich es nicht gewohnt gewesen mir mit jemand ein Bad teilen zu müssen, deswegen hatte ich es auch nie abgeschlossen. „Kannst du mir  mal bitte ein Handtuch geben?!“  Fordernd streckte ich meine Hand aus.   Er reichte mir ein großes weißes Duschtuch und ich wickelte es um die wichtigsten Stellen meines Körpers, selbstverständlich konnte ER während des gesamten  Vorfalls nicht aufhören mich und gewisse Regionen meines Körpers anzustarren. Normalerweise machte es mir nicht soviel aus  nackt vor einem Jungen zu stehen, aber vor ihm war es mir extrem Peinlich.  „Könnest du bitte aufhören so hinzustarren! Es ist ja nicht so als hättest du noch nie den Körper einer Frau gesehen.“  Ein schmutziges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, Perversling. „Aber mir gefällt nun mal die Aussicht.“  Ich hätte ihn für dieses Kommentar Ohrfeigen können. Stattdessen zischte ich nur eine üble Beleidigung und ging an ihm vorbei. Ich kam nicht drum herum, auf sein Sixpack und  seinen absolut afrosierenden Duft zu achten. Oh Ausgeburt der Hölle, ich war keine 48 Stunden in LA und schon lief mein Leben wie schlecht geskriptiter Liebesfilm an.  Ich war mehr als froh, als endlich wieder alleine in meinem Zimmer  stand.

 Ich hatte es gestern nicht mehr geschafft alle Kartons auszupacken. Deswegen musste ich ein wenig Kramen bis ich die Klamotten für meinen ersten Schultag zusammengesucht hatte.  Klassische Pepe Toes , eine ausgewaschene Jeans und eine schwarze Bluse mit kurzen Armen landeten auf meinem Bett. Meine Haare waren immer noch ein wenig Feucht, deswegen Band ich sie zu einem hohen Pferdeschwanz.  Ich zog noch silberne hänge Ohringe an, bevor ich mir mein Umhängetasche schnappte und nach unten in die Küche rannte.

Dort hatten sich schon Mumm, Laurena und der kleine Ed versammelt. Ed erzählte meiner Mutter irgendeine wilde Geschichte und fuchtelte dabei mit dem Armen herum. Laurena stand am Herd und machte Frühstück.  Die ganze Scene wirkte so normal und häuslich.  Ich hatte mir nie wirklich vorgestellt, wie es wäre wenn meine Mutter sich nach der Scheidung von meinen Dad, nicht in einen Mann  sondern in eine Frau verlieben würde. Aber ich war der festen Überzeugung, dass ich meine Mutter nur sehr selten so glücklich und strahlend gesehen hatte.

„Auch etwas Bacon und Rührei?“ fragte mich Laurena. Mein Gesicht wurde zu einer Eis Maske.  Bevor ich etwas sagen konnte kam mir meine Mutter zuvor. „Sie ist schon seit ihrem zehnten Lebensjahr Vegetarierin.“  Ich nickte und nahm mir zwei Pancakes.  „Oh, das wusste ich noch gar nicht.“  „Es gibt vieles das du noch nicht weiß,“ wie zum Beispiel das dein Sohn ein dreckiger, frauenfeindlicher Spanner ist. Das besagte  Arschloch betrat  gerade den Raum.  Er ging zur Küchentheke, und stapelte sich auf seinen Teller eine große Portion, Pancakes, Bacon und EI.  Er setzte sich neben seinen Bruder und  aß munter seinen Bacon..   Ich schielte zu dem Besagten  Arschloch hinüber. Hoffentlich würde er an Cholesterin oder Adiposas sterben und das bitte schnell. 

„Habt ihr Obst oder Joghurt?“  erkundigte ich mich.  Gavin schnaubte.  Seine Mutter verdrehte nur die Augen über sein unmögliches Verhalten. „Im Kühlschrank müsste noch ein Joghurt sein.“  Ich lächelte dankbar und ging zum Kühlschrank, es war einer dieser XXL Geräte und wie es dem Klischee entsprach mit sehr viel Fastfood, Soda und Fleischprodukten gefüllt.  Nach langem bemühen, fand  ich dann doch noch Quark und Heidelbeeren.  

„Du bist also eine dieser Mädchen mit ständigen Diät Wimmle.“ Kommentierte  Gavin mein Frühstück.  „ Ich ernähre mich nur gerne gesund.“  Erneutes Schnauben.  Konnte er eigentlich noch andere Geräusche machen?  „Ich finde das sehr gut!“  bestärkte mich seine Mutter.   Ich wartete auf ein erneutes Schnauben, doch diesmal schüttelte er nur mit dem Kopf.

 

Als wir alle mit dem Frühstück fertig waren,  gingen Gavin und ich raus um zur Schule zu fahren. „Kann ich mit dir mit fahren?“  Fragte ich ihn, als er in seinen Sportwagen stieg. „Nein.“ „Warum nicht? Es wäre gut für die Umwelt, wenn nicht jeder von uns mit seinem Wagen fährt. Findest du nicht?“  „Wenn du etwas für die Umwelt tun willst, dann fahr mit dem Fahrrad  und kauf die nicht so eine alte Benzin Schleuder. Mit mir fährst du auf keinen Fall, ich habe einen Ruf zu bewahren!“   Er stieg ins Auto und ließ mich einfach stehen, als er rückwärts aus der  Auffahrt fuhr.  Dieser, argh , Kerl!  Er hatte mein Auto beleidigt! Außerdem    was sollte das heißen, er hatte einen Ruf zu bewahren?  Was war das den bitteschön für ein Ruf, wenn er noch nicht einmal seine überaus attraktive  Stiefschwester mit zu Schule nehmen konnte.   Fluchend und vor Wut kochend ging ich zu meinem kleinen Mini und fuhr los.

 

Meine neue High School war ein der besten im Ganzen Lande. Mein Vater würde vor Stolz platzen (oder vor Wut) , wenn er wüsste, dass ich schlussendlich doch so eine Bonzen Schule besuchte.   Ich ging als erstes  ins Sekretariat und holte mir meinen neuen Stundenplan ab.  Er bestand zum größten Teil aus Fächern, wie Debattieren, Sozialwissenschaften, Soziologie, Geschichte und kreatives Schreiben. Vor dem letzten Fach  hatte mich die Sekretärin noch gewarnt, der Lehrer sollte wohl ein ziemlicher Exzentriker sein.  Als hätte es  Hekate, die griechische Göttin des Unheils, auf mich alleine abgesehen, war kreatives Schreiben mein erstes Fach an diesem Tag.   So weit, so schlecht.

Mit einer Mischung aus Neugier und Unwohlsein im Bauch betrat ich das Klassenzimmer.   Ich kam wohl ein paar Minuten zu spät den alle hinteren Plätze waren schon besetzt.  Also setzte ich mich in die erste Reihe, direkt vor einen Haufen lästerner Mädels. Ich hatte mich  keine fünf Sekunden  auf meinen Platz gesetzt, da stürmte schon der Lehrer in den Raum.  Es war ein, schätzungsweiser, fünfzig Jähriger Mann mit leicht grauen Haaren und einer stämmigen Statur. Seine Ausstrahlung vermittelte Respekt und Angst.   „ Ich habe euch letzte Woche die Aufgabe gegeben, ein Gedicht zu schreiben. Wer von euch hat die Hausaufgaben nicht?“  Niemand zeigte auf. „ Wer von euch, hat sein Gedicht aus dem Internet gezogen?“  Ein paar wenige hebten die Hand.  „Wer von euch glaubt das sein Gedicht  auch nur Ansatzweise  irgendetwas taugt?“ Eine einzelne Hand hebte sich in dem Stummen Meer aus  Schülern. Sie gehörte einem blonden Jungen. Der Junge trug ein graues Hemd und man konnte ihm schon von weiten ansehen das er intelligent war.  Der Lehrer ignorierte die einzelne Hand. Stattdessen  stürmte er hinter das Pult und rief einen Namen auf, meinen Namen. „Anabell Clarcks?“ „Ja.“ „Du bist die Neue.“  „Was sie nicht sagen!“ rutschte es mir hinaus.  Nun hatte ich seine vollkommene Aufmerksamkeit. „Du scheinst  ja ein ziemlich spitzes Mundwerk zu haben… Hast du auch einen Spitzen Stift?“  Man konnte in meinem Gesicht lesen, wie seltsam und verwirrend sich diese Aussage für mich angehört hatte.  „Kannst du schreiben?“ hakte er nun genauer nach.  „Einkaufszettel und Smsen schaffe ich gerade noch so.“  erwiderte ich keck.   Einzelnes Gelächter war in der Klasse zu hören.  Er jedoch fixierte mich mit meinem Blick auf meinen Stuhl, ich wagte es nicht auch nur zu atmen.  „Was ich meine ist, ob du in der Lage bist etwas Geistreiches, ein Stück deiner Seele in Wort, auf Papier festzuhalten vermagst…. Kannst du das?“  „Nein.“  Ich konnte meine Seele nicht zu Papier bringen, denn sie war nicht mehr und nicht weniger als ein schwarzer Klecks.  Meine Antwort, gab dem ihm die Möglichkeit über die Unfähigkeit der Jugend zur Emotionaler Tiefe und Literatur herzu ziehen.  Irgendwann im Laufe des Vortrags schaltete mein Gehirn ab.

 

Mein Gehirn meldete sich den gesamten Vormittag nicht mehr.  Erst als es Mittagspause war und mein Magen  anfing zu grummeln,  nahm es langsam wieder den Betrieb auf.   Wie von einem Puppenspieler Gelenkt steuerte ich  in Richtung Cafeteria. Auch wenn ich   mich hier noch nicht so gut auskannte, fand ich schnell das gesuchte Ziel. 

Die Cafeteria, wie sollte es auch anders sein, war riesig.  Es gab drei Anstellschlangen und unzählige Tische.    Ich schaute mir das Mittag Angebot an und war … überrascht.  Neben dem klassischen Fast Food Müll, gab es auch eine Auswahl an frischen Salaten. Gemüse! In  der Schulcafeteria! Ich dankte Gott, dass ich diesen Tag noch erleben durfte.  Ich ordnete mich in einer der drei Schlangen ein und bestellte mir eine Portion Wedges und zwei  große Salate mit Käse.  Voller Vorfreude auf mein Essen suchte ich mir einen Sitzplatz. Dieses Unterfangen, war schwieriger, als anfangs gedacht.

In jeder Schule gab es eine Gewisse Hierarchie und Gruppendynamik. Jeder saß zusammen mit seinen Freunden, meistens war der Freundeskreis abhängig von Status, Hobbys und Beliebtheitsgrad.  Als  ``Die Neue´´ hatte ich weder Freunde noch einen gewissen Status. Außerdem Bezweifelte ich das es an einer Schule, die vor allen dingen von reichen Jetsetkids besucht wurde, Themen wie Politik und Umwelt zum Hobby der meisten gehörten.  Ich ging also durch die Reihen und suchte nach einem Platz. 

Ich war fast erleichtert als ich Gavin in der Menge wiedererkannte. Er saß zusammen mit seinen Footballfreunden an einem Tisch und lachte. Sofort ging ich auf ihn zu.   „Gavin ?“

Ein verachtender Blick voller Geringschätzung traf meinen. „Was willst du den hier?“ zischte er. Nun bemerkten auch seine Gorilla Freunde, dass ich neben ihnen stand.   „Wer ist den das?“ Fragte ein etwas rundlich Gebauter Typ nach.  „Meine neue Stiefschwester.“  Beantwortete er die Frage Zähneknirschend.  Langsam machte sich die Vermutung in breit, dass ich die Idee mit dem Sitzplatz bei meinem Stiefbruder vergessen konnte…

„Warum hast du nicht erzählt, dass du jetzt eine neue heiße Stiefschwester hast!“ rief ein sportlicher, braunhaariger Junge im Football Trikot .  Ein  anderer Team Kollege von Gavin scherzte   „Und hast du sie schon ...?“   Ich verdrehte die Augen. Diese Typen dachten wirklich, das jedes Mädchen nur dazu da war  Sex mit ihr  zu haben. Auf einmal viel mir noch ein, dass Laurena mich gebeten hatte ihm eine Nachricht auszurichten.  „Deine Mutter hat mich gebeten dir zu sagen, dass sie meine Mutter  heute Abend essen geht.“  Ich beobachtete wie Gavin’s Gesicht bleich wurde.  Geschockt schaute er mich an. Was war passiert? Hatte ich etwas Falsches Gesagt?  „Warum geht den deine Mutter mit der Ex ihres Neuen aus?“  hakte einer seiner Teamkollegen nach.  Ich verdrehte genervt die Augen. „Um sie darüber aufzuklären wie schlecht ihre Tochter erzogen ist.“  Scherzte  Gavin. Die Lacher waren eindeutig auf seiner Seite. Ich  tat so als würde ich mit lachen, „Lustig, aber eigentlich gehen sie aus um  den Einzug  unter sich zu feiern.“  Klärte ich ihn auf. „Halt die Klappe!“ zischte er, sein Gesicht war noch blasser  geworden. Was war los?  „Laurena geht mit der  Ex ihres neues Mannes aus, um seinen Einzug bei ihr zu feiern?“  Die Stimme des Dicken klang   verwirrt.“  Ich verdrehte erneut die Augen. „Schon einmal was von einer Homosexuellen Beziehung gehört? Meine Mutter und seine Mutter sind zusammen, und sie ist bei ihr eingezogen.“  Klärte ich die Idioten auf. In dem Moment wo ich Homosexuell gesagt hatte, war  Gavin aufgesprungen und auf mich zu gestürmt. Sein Gesicht war vor Wut verzehrt, aber er war zu spät. Die Worte waren aus meinem Mund bevor er mich erreicht hatte.  Nun schauten seine Football Kumpels noch verwirrter „Deine Mutter ist ’ne Lesbe?“   

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.12.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Die Geschichte ist inspiriert von einer wahren Begebenheit. Zwar spielte sie nicht im sonnigen LA sondern im eher regnerischen Düsseldorf, aber die Verstrickungen waren oft die selben. Für all diejenige, die einen Menschen verloren haben. Für all diejenigen die für ihre Prinzipien einstehen. Und für all die, die noch nicht wissen was Liebe ist...

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