Cover

1. Samira Milow

Wow, das ist mal ne Villa. Dean Wrestler ist wirklich reich. Mom lächelt mich mit geröteten Wangen an: "Willst du klingeln?" Etwas eingeschüchtert weiche ich vor dem imposanten Tor zurück: "Ne, mach du mal". Nach paar Sekunden tönt es aus der Sprechanlage:" Ja bitte? Wer da?" "Cassandra Milow und Tochter" Das Tor wird lautlos geöffnet und vor uns erstreckt sich eine mit weißem Kies ausgelegte Einfahrt. Meine Mutter steigt in ihren Mercedes und fährt das kurze Stück bis vor die Haustür, ich laufe lieber. Auf der Veranda stehen zwei Buchsbüsche und in der Tür mein zukünftiger Stiefvater. Er lächelt mich an während Mom ihm um den Hals fällt. Als die beiden beginnen, sich ausgiebig  zu küssen, wende ich mich ab und gehe zum Auto. Etwas angestrengt hiefe ich meinen Rucksack mit den nötigsten Sachen raus. "Kann man dir helfen.?", ertönt  hinter mir eine tiefe Stimme. Erschrocken fahre ich rum: "Äh, was? Achso, äh...Passt schon" Natürlich muss mir in dem Moment die Tasche auf die Füße fallen, und weil ich unten ein Buch reingepackt habe tut es besonders weh, als sie auf meine offenen Highheels trifft. Ich stoße einen nicht jugendfreien Fluch aus während sich auf einmal das Gewicht auf meinen Schuhen erleichtert. Lachend hat der Typ meine Tasche aufgehoben, woraufhin ich in die Hocke gehe und meine Schmerzenden Füße massiere. Scheinbar hat auch Dean seine Zunge aus Moms Hals befreien können: "Ach, schön. Samira, dass ist mein Sohn Justin. Jus, das ist deine zukünftige Stiefschwester Samira. Und dass ist ihre Mutter Cas, aber die kennst du ja schon." Irritiert sehe ich zu ihm rüber. Meine Mom und mein Stepbrother kennen sich? Und ich nicht mal Dean? "Wollen wir dann mal reingehen?", fordert meine Mutter auf.

Gemeinsam begeben  wir uns ins Haus...und fahren erschrocken zusammen, als auf einmal ein Scheppern gefolgt von einem spitzen Schrei ertönt. Sofort drehen sich alle zu mir um. "Äh, hallo? Warum sollte ich das gewesen sein?"  Die Erwachsenen schauen hinter mich. Auch ich wende mich langsam um. Zu meinen Füßen liegen all meine Schimkutensilien, mein Buch und noch alle möglichen Snacks. Inmitten des Chaos' stecht mit geröteten Wangen...Justin. "Ne, oder?", fahre ich ihn an. "Sorry, aber wenn die Tasche nicht mal zu ist?" "Hab ich gesagt, dass du sie reintragen sollst?" "Nein, aber ich bin sozial?" Ich schlage meinen Blick nieder und murmel ein Danke. Dann bücke ich mich runter und sammle mit hochrotem Kopf meine Kosmetikartikel ein. Anstatt mir zu helfen,steht unser Hochwohlgeborener Justin Wrestler inmitten des Caos', das, nebenbe, er angezettelt hat, und holt seine Packung Airwaves raus. 

2. Justin Wrestler

 Gelangweilt kaue ich auf meinem Kaugummi rum während ich Samira zuschaue, wie sie ihr Zeug einpackt. Schade, dass da nichtmal Unterwäsche dabei ist. Mit dem Fuß stößt sie einen Lippenstift, Marke SENSAI zur Seite. Sie bekommt es nicht mit. Unauffällig stelle ich mich drauf, gerade so, dass man ihn sieht aber nicht wegnehmen kann. Auch Samira scheint jetzt der Verlust ihres Stiftes aufgefallen zu sein. Und dass ich drauf stehe. Also mit dem Schuh auf dem Lippenstift und NICHT auf sie. "Justin, geh da runter. Der war teuer" "Wie teuer?" "Teurer als dein Leben.", faucht sie. "Jo, immer schön langsam, Kitty" Kurz ist sie irritiert: "Kitty?" "Jap, so heißt du ab jetzt für mich. Also, wie teuer jetzt." "45,90€" Spöttisch verziehe ich den Mund: "Nur? Mein billigstes Parfum kostet 87€" "Schön für dich" Samira fängt an, ihren Blick in meine Augen zu bohren. Irgendwie wird es mir aber unheimlich und ich hebe meinen Fuß. Zufällig öffnet sich die Kappe und ehe ich bemerke was passiert, habe ich einen roten Strich auf meinem Nike Air. "Scheisse, wie asozial kann man sein", erschrocken springe ich einen Satz nach hinten. Überlegen grinst Samira mich an, steht auf und macht sich auf den Weg in Richtung Wohnzimmer, wo sich unsere Eltern angeregt unterhalten.
Jetzt erst recht angepisst, gehe ich in mein Zimmer um meine  Schuhe umzuziehen. Die anderen Nike Airs oder die Jordan 1er? Seufzend steige ich in die Jordans und beginne "meinen Hintern in das Wohnzimmer zu bewegen". Missmutig lasse ich mich auf die Coach, die möglichst weit weg von Samira entfernt ist, fallen. Mein Dad beobachtet mich nur mit missbilligem Blick, sagt aber nichts weiter dazu. Erwartungsvoll ziehe ich eine Augenbraue hoch als Cas das Wort ergreift: „Also Kinder. Wie ihr sicher schon wisst, planen Dean und ich, demnächst zu heiraten“ Kitty wirft ungefragt ein: „Den Typ, den ich heute erst kennengelernt habe…“ Ihre Mom übergeht sie: „Wir werden damit anfangen, dass Samira und ich zu Dean ziehen werden. Was ja heute schon geschiehtt. Ja, Justin?" Ich habe mich vorbildlich wie in der Schule gemeldet. "Wie wär's, wenn ihr uns nicht mit Tatsachen "konfrontiert" sondern mal Zukunftsaussichten durchgebt?" Ich werde strafend angeschaut, sehe aber, wir Kitty sich ein Lächeln verkneift. Sieh einmal einer an, schiebbar sind wir doch nicht die arrogante Bitch von nebenan. Allerdings kann sie sich schnell fangen, und baut wieder eine undurchdringliche Wand vor sich. Irgendwas in meinem Inneren brennt darauf, zu erfahren, wer Samira Milow ist.

3. Dean Wrestler

Ihm ist sicher nicht entgangen, dass sein Sohn ein Auge auf Cas‘ Tochter geworfen hat. Ohne Frage, Samira ist jung und nicht ganz ohne. Wie man im Flur gehört hat, scheint sie Jus auch schon gezeigt zu haben, wo die Grenze ist.Trotzdem gefällt es ihm nicht, dass Justin zunehmend Gefallen an ihr findet. Nicht weil er es ihm nicht gönnt, sondern weil er Samira bald als seine Schwester sehen muss. Aber warum macht er sich darüber einen Kopf? Viel schöner ist es doch, jetzt zu spüren, das Cassandra bei ihm ist. Für immer. Er hat nach Camila  nie eine Frau mehr sehr geliebt wie sie, obwohl er kaum etwas über sie weiß. Wie ihre Tochter, schafft sie es, ein großes Geheimnis aus ihrer Vergangenheit zu machen- er hat sie schon auf alle möglichen Weisen erfolglos verführt. Auch jetzt lächelt sie auf eine undurchschaubare Weise zu ihm hoch. Ist es Zuneigung? Oder hat sie seine Gedanken gelesen? Er weiß es nicht. Sanft erwidert er ihren Blick- worüber hat sie gerade gesprochen? Er hat nicht zugehört. „Was hast du gerade gesagt, Schatz?“ Sein Sohn schnaubt im Hintergrund.

Er weiß, dass er ihn verliert. Er hat es ihm nie verziehen, dass sich seine Mutter wegen ihm umgebracht hat. Ja, die beiden sind ein super eingespieltes Team, selten kommt es vor dass Vater und Sohn so eine enge Beziehung haben, aber seit Cas in sein Leben getreten ist, wendet sich Jus immer weiter von ihm ab. Wieder hat er den Faden verloren. Allerdings wird er gerade nicht gefragt, denn Samira ereifert sich gerade:" Ich werde ganz sicher nicht mit dem da in einem Zimmer schlafen!" Justin nickt bestätigend. Sie sind also beim einzigen Knackpunkt angelangt: die Zimmerverteilung. Cas aber hält dagegen: "Doch wirst du, Justin beißt nicht" Der typische Elternspruch also. Auf einmal wieder angestachelt entgegnet mein Sohn: "Wer weiß..." Samira wirft ihm einen giftigen Blick zu. Das war zu viel für den Pubertierenden: genervt rauscht Jus aus dem Raum, oben hört man seine Tür zuknallen. Oder besser, Samiras und Justins Tür. Auch ihr wird es zu bunt, sie steht auf und geht raus. Allerdings durch die Terrassentür in den Garten. Leider kann er von seiner Position aus, nicht sehen, was sie macht. Seufzend legt Cas ihren Kopf auf seine Brust: "Es wird vielleicht dauern, aber irgendwann werden sie sich verstehen. Sie sind sich ähnlicher als sie denken." "Ja, Jus muss sich erst an Familie gewöhnen. Er hat Familie seit Jahren nicht mehr so erlebt, wie es jetzt sein wird" Ich will meinen Sohn nicht ins schlechte Licht stellen, für seine Kindheit kann er ja auch nichts.

4. Cassandra Milow

 Denkt Dean, ich wüsste nicht, dass er nicht zugehört hat? Ich nehme es ihm nicht übel, aber mir fällt auf, wie leicht er zu durchschauen ist. Jetzt versucht er aber, es wieder gut  machen. Ich lasse mich darauf ein und schmiege mich an ihn, während er beginnt, meinen Kopf zu massieren. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, als ich mich an etwas erinnere:

Es war ein Langer Abend, wir haben es uns zuletzt auf dem Sofa gemütlich gemacht. Dean saß in der Ecke des Sofas, ich lag mit dem Kopf auf seinem Schoß. Er hat mir durch die Haare gewuschelt. Wir waren frisch zusammen, gerade mal 3 Monate. Er hatte mich total süß spontan zu einem Date eingeladen. Jedenfalls haben wir so etwas Zeit verbracht, bis Dean meine Hand nahm und sie küsste. Irgendwann lag ich unter ihm und wir küssten uns heiß. Zwischenzeitlich konnte er mich ins Schlafzimmer bugsieren und wir verbrachten eine wunderschöne Nacht. Als ich am Morgen aufwachte, blickte ich direkt in einen tiefblauen Ozean. Deans Augen. In ihnen spiegelt sich wortwörtlich seine Seele wieder. Wir machten uns ein angenehmes Frühstück, bis irgendwann Justin heimkam. Er hatte am Abend davor gefeiert und bei einem Kumpel gepennt. Als er dann komplett verschlafen und verkatert in der Küche ankam, drang in mir der mütterliche Instinkt durch. Ich machte ihm einen Kaffe, ein Nutellatoast und gab ihm eine Aspirin mit einer Flasche Wasser.
Ganz gegen seine sonstige Art, war er total nett zu mir, er sagte "Danke, Mom". Ich wäre fast in Tränen ausgebrochen, das war eine Bestätigung dessen, wie sehr er eine Mutter braucht, die ihn liebt, so wie er ist.
Später war er aggressiver denn je drauf, aber so ist das halt bei Justin. Ihm fällt es schwer, Bekanntes aufzugeben und Neues auszuprobieren. Auch das mit Samira wird nicht leicht für ihn werden. Trotzdem will ich mich jetzt erst mal auf Dean konzentrieren. Nicht, dass das hier noch aus dem Ruder läuft und unsere Kinder uns auf dem Sofa erwischen. Ich weiss, dass Dean das weiß und er gibt sich große Mühe uns und die Kinder einander vertrauter zu machen. Ich denke das wird mit der Zeit. Ich stand meiner Tochter immer schon sehr nahe, lange Zeit nach dem Tod ihres Vaters schlief sie mit mir im Ehebett. Erst, weil sie Trost suchte, dann, weil sie spürte, dass ich sie brauche. In der Zeit begannen wir eine besonders starke Bindung zueinander aufzubauen. Damals war sie 9. Wir haben immer über alles geredet, waren das beste Team dass es gibt. Ich glaube niemand steht sich so nahe, wie wir uns.

5. Samira Milow

 Ich bin einfach kopflos auf die Terrasse gestürmt. Draußen stecke ich mir frustrietr Kopfhörer in die Ohren und lasse erstmal wütenden Rap laufen. Ich habe keine Schuhe an, streife mit den Fußspitzen über den violett beleuchteten Pool. Das Wasser kräuselt sich und spritzt auf, als ich fest reintrete. Mit ausdruckslosem Gesicht schaue ich zu, wie das Wasser jetzt über den Rand austritt.

Ich denke an Justin. Er sieht gut aus, keine Frage. Aber ich kann mich nicht verlieben. Würde ich damit Mom schaden? Klar keine Frage. Dann hätte ich ein Geheimnis vor ihr und das will ich nicht. Ich liebe sie, ich will sie nicht enttäuschen. Sie ist gerade glücklich mir Dean und das will ich ihr nicht nehmen.

Mein Blick wandert an der Fassade entlang. Mein Herz bliebt fast stehen, als mir Justin am Fenster auffällt. Gebannt sehe ich zu, wie er sein Shirt auszieht. Sein Rücken wird von einem albanischen Adler geschmückt. Das gleiche Symbol, dass ich in klein auf der Fussfessel habe. Ich kann meine Augen nicht losreißen, als er sich umdreht. Ohne eine Mine zu verziehen schaut er mir direkt in die Augen. Ein Lächeln schleicht sich unbemerkt auf unsere Lippen. Eine gefühlte Ewigkeit halten wir uns so fest, bis ich zusammenzucke weil die Tür auf der Terrasse aufgeht. Schnell sehe ich weg und hefte meinen Blick auf Dean, der gerade rauskommt. "Hey, sorry. Willst du reinkommen? Wir machen das Abendessen immer als Familie, deshalb lade ich dich ein..." Er steht etwas hilflos vor mir. Aufmunternd lächel ich ihn an und wir gehen rein. Oben am Fenster hat Jus sich keinen Zentimeter gerührt. Erschrocken stelle ich fest, dass mein Herz flattert. 
In der Küche werde ich schon von meiner Mom erwartet. Sie schält Karotten und fragt mich, ob ich sie vorher waschen kann. Wenig später kommen auch die Männer dazu und wir bereiten das ganze als... Familie vor. Trotzdem meidet Jus mich den restlichen Abend und ich ich versuche zu verdrängen, dass wir ab jetzt in einem Zimmer schlafen werden müssen. Gegen 21 Uhr fällt mir aber die Decke auf den Kopf. Es ist wieder mal etwas unüberlegt von mir, aber ich verschwinde im Bademantel nach dem Duschen nach draußen. Dort setze ich mich an den Pool und lasse die Beine ins Wasser baumeln. Wieder schießt mir ein unnötiger Gedanke durch den Kopf: Samira, du bist ewig alt, aber hast dich noch nie an den Beinen rasieren müssen? Verwundert über solche absurden Gedanken schütteln ich den Kopf. Ich stütze mich auf meine Unterarme und schließe die Augen. Es ist immer eine Wohltat, die letzten Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren und dabei einfach an nichts zu denken. Dementsprechend aufs Neue einem Herzinfakt nahe, fahre ich zusammen, als die Terrassentür geöffnet wird.

6. Justin Wrestler

 Ich musste lange mit mir ringen, aber jetzt traue ich mich. Vorsichtig öffne ich die Tür. Ich habe sie schon etwas länger beobachtet, den Spott meines Vaters im Rücken. Leise gehe ich auf Samira zu, ihr Bademantel hat sich leicht geöffnet sodass ich leichte Schatten ihrer Brüste erkennen kann. Sie erwartet mich schon, scheinbar war ich doch nicht so leise wie erhofft. Samira rutscht ein Stück zur Seite, ich setze mich neben sie. "War nicht so eine guter Start heute. Sorry" Samira gibt kein Zeichen dessen, ob sie mich gehört hat. Sie lässt mich zappeln. Dann: "Ja. Sorry auch von mir", sie holt tief Luft: "Justin, was war das vorhin am Fenster?" Das war hart. Es fühlt sich an, als hätte sie mir einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf gekippt. Ich muss tief einatmen: "Ich weiß es nicht. Aber du faszinierst mich. Samira, ich will dich kennenlernen." Wieder bleibt sie regungslos sitzen. Fast hätte ich sie überhört, so leise spricht sie: "Ja. Ich dich auch, Justin Wrestler" Ungeschickt rutsche ich ein Stück zu ihr rüber und umarme sie ungelenk. Sie legt ihren Kopf an meine Brust und schlingt einen Arm um meinen Rücken. Gemeinsam sehen wir uns den Sonnenutergan an.
Mir fällt auf, dass mir das reicht. Ich will Samira langsam kennenlernen. Ich glaube, sie hat etwas in ihrer Kindheit erlebt, das sie vorsichtig werden lässt. Vorsichtig im Vertrauen zu anderen Menschen. Ich kann sie verstehen, ich vertraue mich auch nur ungern anderen an, denn ich hatte immer meinen Dad. Oft hat er zu mir gesagt, ich wäre ein "typischer Homo sapiens. Der will sich auch nie verändern". Danach haben wir uns immer lachend umarmt und was gemeinsames gemacht. Es war für mich immer "Justin und Dean gegen den Rest der Welt", und es war genug für uns. Genauso wie es für Samira und mich gerade genug ist, uns zu halten.
Nach einiger Zeit beginnt die Kleine zu zittern. "Ist dir kalt?" "Bischen" Also machen wir uns auf den Weg nach drinnen. Unsere Eltern sind immernoch im Wohnzimmer und sehen sich einen Film an. Er scheint gruselig zu sein, denn Cas vergräbt öfters den Kopf in Dads Bauch. "Wir gehen dann mal hoch", gebe ich bekannt. Samira wird bereitwillig von ihrer Mom in die Arme gezogen, Ich von meinem Dad auf die Stirn geküsst. Ein alter Brauch aus Kindheitstagen: Ich wurde immer auf die Stirn geküsst, wenn gesagt wurde, dass man für mich da ist. Meine Tanten machen das auch immer, aber von meinem Dad ist das immer besonders. Dann "tauschen" wir Eltern. Ich umarme Cas und Murmel ein "Gute Nacht", was Samira macht kann ich an Cas' Brust nicht erkennen. Aber es ist auch ok. Cassandra hat das Zeug dazu, meine Mutter zu werden.

7. Samira Milow

 

  • Abschminken
  • Zähneputzen
  • Bett machen
  • Social Media checken
  • Ins Bett gehen
  • Schlafen

    Ich stehe im Bad und checke meine "Liste für jeden Abend", als Jus reinkommt. "Äh…ok? Hi." Er nickt mir kurz zu, scheinbar  denkt er gar nicht daran, dass ich auch genauso gut nackt hier stehen könnte. Demonstrativ ziehe ich mir den Bademantel enger um den Körper, was ihn aber nicht zu stören scheint. Wie die Ruhe selbst, beginnt er, sich die Zähen zu putzten. Nachdem er ausgespuckt hat und ich meinen Blick von seinem Tattoo losreißen konnte, wendet Jus sich mir zu. "Ich bin dann schon mal drüben. Kommst du nach? Ich würde das Licht noch anlassen" Abwesend nicke ich ihm zu und mache mich an den nächsten Punkt auf meine Liste: Zähne putzen. In Justins Zimmer mache ich, wie immer erst meine Bett, also schüttel mein Kissen auf. Aus Platzmangel muss ich mich aber darauf beschränken, nur dies zu tun, sonst hätte ich die Krümel vom Tag noch runtergemacht.
    Warum ist zwischen diesen zwei Betten eigentlich eine Lücke von ca. 15 cm; gerade so viel Platz, dass man durchgehen kann und die Konstellation, die am Kopf zusammengebaut ist, nicht als Doppelbett zählt?
    Jus beobachtet mich amüsiert, scheinbar kommt das sehr komisch rüber. But not my problem, er muss sich daran gewöhnen. Demonstrativ sehtze ich mich mit dem Rücken zu ihm im Schneidersitz aufs Bett und hole mein iPhone raus. Hier ein paar Snaps, da etwas unbeschwertes rumalbern mit Olec, einem guten Freund von mir. Nach einem Blick auf die Uhr, schalte ich meine Handy dann doch aus, es ist 00:35 Uhr. Eigendlich recht früh für meine Verhältnisse aber heute war auch recht viel los. "Ich höre abends immer noch Musik, also gibt's noch was?" "Ne eigentlich nicht. Ich auch. Bis morgen" Wir lächeln uns noch mal scheu an, dann macht Jus das Licht aus. Sofort tönt "Youth" auf direktem Weg in meine Herz.. Trotzdem kann ich mich nicht wirklich auf die Musik konzentrieren, sodass ich sie irgendwann ausmache. Still liege ich auf dem Rücken und lausche Jus' ruhigem Atem. Ich höre immer raus, wann ein neuer Song kommt, seine Atmung verändert sich. Irgendwann scheint die Playlist durchgelaufen zu sein, denn er nimmt die Kopfhörer raus. Schnell stelle ich mich schlafend. Er durchschaut mich: "Samira, denkst du, ich weiss nicht, dass du schon die ganze Zeit über keine Musik mehr hörst?" Dumm stammel ich: "Äh, nein. Also jetzt ja" Auf seine Art, schnaubt er durch die Nase. Irgendwie passt das zu ihm... stopp,  nicht weiterdenken. Wieder fängt mein Herz zu flattern an. Merkt er, wie nervös ich bin? Ich hoffe nicht. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er sich auf die Seite, zu mir hin, dreht. Ich halte die Luft an.

8. Justin Wrestler

Soll ich es wagen? Vorsichtig strecke ich meine Hand nach ihrer aus. Ich kann sie nur ertasten, aber sie hat sich, seit ich sie kurz im Schimmer meines Displays gesehen habe, nicht mehr bewegt. Samira hält die Luft an. Warum ist sie so nervös? Sie müsste jetzt das Gewicht meines Arms auf ihrer Bettdecke spüren. Da, endlich habe ich sie gefunden. Samiras Hand ist kühl und feucht. Habe ich so eine Wirkung auf sie? Ihre Atmung setzt auf einmal wieder ein, schnell und unregelmäßig. Weint sie? Ich kann es nicht raushören. Ich frage sie nicht, sie braucht die Ruhe glaube ich. Mir fällt auf, dass wir uns heute schon echt nahe gekommen sind, dafür, dass wir uns heute erst kennengelernt haben. Mit der Zeit beruhigt sich Samiras Atem und sie schläft ein. Auch ich werde müde, und dämmer weg.

Ich werde von einem Schrei geweckt. Schnell öffne ich die Augen und blicke in Samiras beunruhigtes Gesicht: "Alles gut? Du hattest einen Albtraum. Du bist ganz nass geschwitzt." Sie schaut mich besorgt an. Unter ihren Augen haben sich Augenringe gebildet, und dort wo sie an meinem Bett sitzt hat sich eine Kuhle gebildet. Sitzt sie schon lange da? Scheinbar. Und habe wirklich ich geschrien? Scheinbar. Samira reicht mir ein Taschentuch, total überflüssig. Wenn ich jetzt nicht duschen gehe, stinke ich bis morgen… heute früh das ganze Zimmer voll. Seufzend schäle ich Milch aus meinem warmen Nest und gehe in Richtung Bad. Aus dem Kleiderschrank hole ich mir neue Kleidung- es ist 04:46, noch mal schlafen lohnt sich nicht. Im Bad lasse ich das angenehm kühle Wasser über meinen Körper fließen.
Jetzt tauchen auch wieder die Bilder auf. Eine Badewanne… blutrot gefärbtes Wasser. Ein fast-noch-Kind… ich in klein mit 10 Jahren. Der Ansatz von Moms sorgfältig gescheiteltem Haar. Ich dachte damals, sie spielt tauchen, und habe meinen Dad geholt. Wir haben dieses Spiel immer zusammen gespielt, mit 10 war ich noch voll das Kind. Dann fing es auf einmal ganz schnell, mein Vater hat mich in mein Zimmer geschickt und viele Leute angerufen. Dann waren so komische Männer im Haus, tiefe Stimmen hatten sie. Noch  tiefer als Dads. Sie klangen auch nicht freundlich oder so. Dann habe ich nicht mehr so viel mitbekommen, ich lag auf meinem Bett und hab den Kopf ins Kissen gedrückt. Schon da habe ich gespürt, das was anders ist.  Später war mine Mom abends nicht mehr da. Ich habe Dad manchmal gefragt, was ist, aber er hat nur traurig den Kopf geschüttelt und das Thema gewechselt. Mit 14 wusste ich, dass mine Mom sich umgebracht hat.

Keine Ahnung wie lange ich jetzt schon geduscht habe, aber ich finde es reicht. Mein Puls ist soweit wieder runtergekommen, ich kann wieder rüber gehen. Während ich mir die Haare trocken reibe, schaue ich ins "Schlafzimmer". Samira hat mein Bett aufgeschüttelt und das Fenster aufgemacht. Sie selbst sitzt auf ihrem Bett, hört Musik und spielt ein Spiel. Weil sie mich nicht hört, verlasse ich unbemerkt den Raum. Drüben reiße ich das Fenster mit dem Gewissen, dass es eh dauert, bis es bei Samira kalt wird,auf. Die kalte Nachtluft strömt hinein, es dürften ungefähr 22 grad haben.

9. Samira Milow

Bin ich eine gute Freundin, weil ich Olec nichts gesagt habe? Obwohl das ja eingentlich selbstverständlich ist. Schließlich kennt er Jus nicht so gut und ihm dann persönliche Momente zu erzählen wäre empatielos. Also chatten wir über belangloses Zeug, das er heute noch macht, was eigentlich überflüssig ist, weil wir uns später eh sehen werden. Zum einen in der Schule, zum anderen danach bei ihm. Habe ich schon erwähnt, dass wir immer zusammen lernen?
Laut Uhr ist es jetzt aber 05:34, höchste Zeit, aufzustehen. Im großen Zimmer sitzt Jus an seinem Schreibtisch. Er muss schon ewig das Fenster  aufhaben,jedenfalls ist es eisig kalt. "Justin, mach das Fenster zu", sehe ich zu ihm, aber er reagiert nicht. Im Gegenteil, er hat mich gehört aber werde ignoriert. Schulterzuckend mache ich mich auf den Weg ins Bad. Dort springe ich erst mal unter die Dusche. Will Justin jetzt echt die Nummer mit dem unverletzlichen coolen Typen, der sich doch bitte nie von einem Mädchen trösten lässt bringen? Oder muss er selbst erst mal alles verarbeiten? Ich versuche meine Fragen zu verdrängen und konzentriere mich aufs Schminken; tatsächlich bin ich jetzt schon zwanzig Minuten im Bad. Das heißt, bald dürfte auch Justin reinkommen. Kaum habe ich fertig gedacht, klopft es. Automatisch sage ich "Herein?", ich bin es noch so gewohnt, nur mit meiner Mutter zu wohnen, dass ich mich fast erschrecke, als auf einmal mein bald-Stiefbruder in der Tür steht: "Wenn du noch essen wills, mach's jetzt, ich fahre in 20 Minuten" Stimmt, zwei Sachen, die ich vergessen habe:

1.Mein Bruder fährt mich, bis ich irgendwann mal meinen Führerschein mache, zur Schule.

Und 2. Wir gehen ja in eine Schule, aber ich habe ihn nie soo bemerkt, weil er mit den "anderen coolen" befreundet ist. (Also die anderen coolen sind die, die oft krank sind, aber trotzdem von allen gefeiert werden.) Justin ist mir da so nie aufgefallen, deshalb lerne ich ihn dadurch erst jetzt richtig kennen. Wie konnte ich ihn eigentlich übersehen? War er nicht der, der immer eine Chick auf dem Schoß sitzen hat?

Mir fällt auf dass ich abschweife, also tue ich so, als hätte ich mich noch mal kurz besonders konzentrieren müssen und drehe mich betont langsam um: "Ja, gib mir 5 und ich bin unten" Wortlos dreht er sich um, nicht ohne zu schmunzeln. Tatsächlich schaffe ich es, vor ihm an seinem Ford Mustang zu stehen. Ein stattliches Auto, muss ich zugeben. Mit Stil geschwellter Brust kommt auch der Erwartete aus dem Haus. Aufgestylt natürlich: "Und, fertigbegafft? Dann kannst du ja jetzt das Innenleben kennenlernen" Wir steigen ein und er lässt den Motor langsam kommen.

Ich muss schmunzeln, denn ich durfte einmal den Wagen meines Onkels mütterlicherseits fahren, und hab ihn geschlagenen 10 Mal nacheinander abgewürgt. Danach hat der gute Merci (mein Onkel gibt allem einen Namen, so auch seinem Mercedes) 3 Tage nicht mehr mitgespielt. 
"Was ist?" Immernoch amüsiert erzähle ich Jus die Story, was zur Folge hat, dass wir beide lachen müssen. 
An der Schule angekommen entriegelt Justin die Tür nicht sofor. Verwundert schaue ich ihn an: "Was ist?" "Wir wollten doch anfangen, uns anzunähern. Tschüß, schönen Tag, bis später", fügt er noch etwas gehemmt hinzu. Ich kann nicht anders, als ihn in die Arme zu schließen .

10. Olec Brandt

 Wann kommen die denn? Samira ist doch sonst viel pünktlicher. Ich checke WhatsApp, nichts. Es ist 09:37, wir haben noch drei Minuten. Dann endlich biegt sie um die Ecke, mit… Justin Wrestler im Schlepptau? Dass der auch mal wieder da ist, die letzten Tage hat er ja gefehlt. Wie eigentlich so oft im Jahr. Ich glaube Jus hat dieses Jagr seinen Rekord der fehltage geknackt. Ganze… 6Wochen insgesamt war er nicht da. Also glaube ich. Jetzt tippe ich ungeduldig auf meine imaginäre Armbandur, und mache mich auf den Weg ins Schulgebäude. Drinnen sind die Flure schon leer, wir sind zu spät.
In unserem Klassenzimmer wartet Ms. Miller schon ungeduldig auf uns drei: "Sind die Herrschaften wieder zu spät?" Sie schaut uns über ihren Nasenhöcker bemüht bedrohlich an. Leider hat das keine Wirkung auf Leute wie uns, langsam gehen wir auf unsere Plätze; Jus nicht ohne jeden seine Bros persönlich begrüßen zu müssen. Mittlerweile echt angepisst, beginnt die Miller ihren Unterricht. Wie immer ist er sterbenslangweilig und keiner passt wirklich auf.

Ok, keiner bis auf Samira. In dem Fall ist sie schon etwas schräg, bei den Lehrern, die keiner mag passt sie auf, beim Rest aber nicht. Außerdem kommt sie regelmäßig zu spät, und Hausaufgaben macht sie auch nie. Trotzdem ist sie Klassenbeste. Ihr Konzept erschließt sich mir nicht, obwohl wir seit Jahren beste Freunde sind. Aber damit bin ich nicht alleine, auch Noël, dem dritten im Bunde, ist ihre schulische Leistung ein Rätsel.

Vorne labert unsere Bioleherin irgendwas von menschlicher Fortpflanzung; sonst hätten alle darüber Scherze gemacht, aber sie bringt es so trocken rüber, das man da nicht mal einen Flachwirz drüber machen kann. Sie labert von den Gründen, weshalb sie nie heiratenn wird (soll sie doch besser Nonne werden), weil "sie dann den ehelichen Pflichten nachgehen muss, aber keine  Kinder haben will". Juckt es jemanden? Nein. Aber das juckt sie nicht. Dementsprechend erleichtert verlassen wider den Biosaal,, als sie fertig ist.

Auf zu Mr. Barker, unserem Reli Lehrer. Auf dem Weg zu seinem Raum, fällt mir auf, wie vertraut Samira und Jus mittlerweile umgehen. Sind die zwei zusammengekommen? Ich frage Noël aber er hebt nur fragend die Schulter: "Keine Ahnung, aber sie scheinen ja heute zusammen in die Schule gekommen zu sein. Und davor noch irgendwas im Auto gemacht zu haben. Was, weiß ich nicht." Ich werfe ihm einen vielsagenden Blick zu. "Oh nein, dass würde ich nicht aushalten. Bitte nicht", Noël stöhnt theatralisch. Ich grinse ihm zu, aber entgegnen nichts. Nicht weil ich ihn enttäuschen will, sondern weil sich die zwei jetzt  umgedreht haben. "Was ist?", in Samiras Augen liegt ein Glanz, der ihr wahrscheinlich nicht mal selbst aufgefallen ist. "Nichts, nichts", lächelt Noël unschuldig. Jus hebt nur eine Augenbraue hoch und zieht mich am Ärmel zur Seite. Wenn er jetzt meine Vermutung bestätigt schlage ich ihn. Zu seinem Glück macht er nichts dergleichen, sondern flüstert mir etwas nicht weniger verstörendes zu: " Bro, ist Samira eigentlich single?" "Ahm, da fragst du sie am besten selbst" "Sie spielt mit mir, Bro!" Ich reiße mich los, laufe weiter und hebe meine Hand an die Stirn "Ich red mit ihr Käpten" Kinder!

11. Justin Werestler

 Ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Olec hat mir schon oft die Haut gerettet, ich kann nur hoffen, dass er mich nicht an Samira verrät. Jetzt aber muss ich zusehen, dass ich pünktlich komme. Ich will gerade meine Hand nach der Türklinke ausstrecken, als mir die Tür mit aller Gewalt ins Gesicht gerammt wird. Es tut höllisch weh, warum öffnet diese Tür auch nach außen? Alle gehen nach innen auf, nur die nicht. Kurz wird mir schwarz vor Augen, meine Nase pocht. Vorsichtig fasst mir eine kühle Hand an die Schläfen: "Jus, sorry. Es tut mir so leid" Ich erkenne einen knallpink geschminkten Mund, der Farbe nach zu urteilen ist es Sara. Krass, dass so ein kleiner Mensch, so viel Kraft hat. Ok, doch nicht. Noël steht hinter ihr. Scheinbar haben sie die Tür zusammen aufgerissen. Etwas zerknirscht murmelt er: "Oh, sorry, Bro. War keine Absicht, nur Sara und ich müssten mal..." Ich winke ab, ganz sicher nicht will ich was über Saras und Noëls Liebesleben wissen. Barbie hat mittlerweile auch ihre eiskalte Hand von meinem Kopf genommen, die Kälte wundert mich nicht: Sie ist dabei an Bulimie (Magersucht) zu erkranken. Irgendwie tut sie mir leid, denn es gibt überhaupt keinen Grund für ihr gestörtes Essverhalten, andererseits ist es auch nicht mein Fachgebiet, weshalb ich nicht sonderlich viel für sie tun kann. Die beiden jedenfalls verschwinden lachend und gekünstelt kichernd im Flur.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und betrete das Klassenzimmer. Von einem vorwurfsvollen Blick von der Lehrerin begleitet, begebe ich mich auf meinen Platz. Olecs Blick spricht Bände, als er mir einen Zettel zuschiebt. Unter dem Tisch versuche ich, seine krakelige Schrift zu entziffern. 

 an sich ist sie Single

aber zwischen Noël

und gabs mal Vibes

Mein Blick geht  zu Olec, doch der zeichnet wieder gedankenverloren in sein Heft. Irgendwie ist der Typ echt cool, aber irgendwie auch suspekt. Aber egal, immerhin weiß ich jetzt alles, was ich wissen wollte und kann dann mal mit Noël reden.

Geplant getan. In der Pause passe ich ihn ab und stelle ihn zur Rede: "Sag mal, wie ist das zwischen dir und Samira?" "Was soll sein?", gibt er gedehnt zurück. "Läuft da was?" "Warum juckt's dich? Seid ihr nicht bald eh Geschwister?" "Kann ich nur zurückgeben. Was hat dich das zu interessieren? Ich will sie kennenlernen, ok?" Er winkt mich in eine abgelegene Ecke. "Wir waren für eine Woche zusammen, aber das war ein geschäftliches Ding. Wir haben eine Wette gegen Olec verloren" War klar, dass der seine Finger da im Spiel hat. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und verabschiede mich von ihm: "Ok, danke Bro". Beim Handschlag hält Noël mich fest: "Was?" "Sag mir nicht, dass du versuchts, Samira rumzukriegen!" Ich blicke kurz zu Boden, befeuchte kurz meine Lippen: "Wir werden sehen" Er lässt mich ziehen.

 Wieder im Unterricht passe ich zur Abwechslung gar nicht auf. Sonst bin ich wenigstens mit einem Ohr bei der Sache, heute gelingt es mir gar nicht. Das  Handy unter der Bank schreibe ich mit Olec, zwischendurch gleitet mein Blick zu Samira. Die beiden? Naja, zusammenpassen tun sie. Ein gewisses Gefühl der Eifersucht steigt in mir auf. Weiß er mehr über sie als ich?

12. Samira Milow

Ich spüre Olecs, Noëls und Justins Blick immer wieder im Nacken. Was haben die drei vor? Und nicht nur das, auf einmal scheint sich die ganze Schule nach mir umzudrehen. Was hat Justin getan? Ich werde später mit ihm reden. Oder ich schreibe ihm, er ist eh nicht am Unterricht interessiert .


was ist los mit euch?

nichts warum

weil ihr mich die ganze Zeit anschaut

ja und?

störts dich?

nein, aber nervt

das dein problem

fick dich

 machen andere für mich

du bist wiederlich

oder halt beliebt

begehrt

eingebildet

stärkt das

selbstbewusstsein

du bist einfach nur ein

dauergeiler Egoist 

Ok

du weißt ja,

wie du heim kommst

du weißt,wo Tür ist

süß kitty 

Ich ignoriere ihn.

Nach der letzten Stunde steht er kaugummikauend in der Tür und wartet auf mich. Ich versuche unbeeindruckt an ihm vorbei zu gehen, aber seine Freunde versperren mir den Weg. Efe mit seiner breiten Brust, Abdul durch seine Art, mich anzusehen. Ich hab zwar keine Angst vor ihm, aber wer nicht spurt, den lässt er es am eigenen Körper spüren, aber heute hab ich echt keine Lust auf Stress.Ich ziehe die Augenbrauen hoch: "Was willst du?" "Hast du schiss, Kitty? Hey! Kein Grund zu lachen, Abdul", seine Stimme verändert sich. Er ist eindeutig Anführer. "Vor dir? Sicher nicht. Vor euch? Auch nicht. Und Jus, ich kann mich selbst verteidigen. Aus dem  Weg!", die Jungs sind so verwundert über meinen Konter, dass sie mich einfach durchlassen, als ich Abdul zur seit schiebe. "Bruder, was war das?" In seiner Fantasie liegen ihm die Mädchen zu Füßen. Aber ich bin so nicht. 

Nicht, weil ich ihn nicht mag, sondern weil ich nicht wie seine Ex auf einmal mit Kind dastehen will. Mein großer Traum ist es, Karriere zu machen. Es ist nicht leicht, Anwältin zu werden, doch ich will es schaffen. Deshalb ist mir eine Beziehung etwas lästig. Ich will meiner Mutter zeigen, dass ich es auch so weit bringen kann, wie sie. Denn ich weiß, wie sehr sie schuften musste um mir ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen.

Deshalb machen ich mich jetzt auf den Weg in Richtung Mensa, ohne die Jungs, die hinter mir herrennen, zu beachten. Leider habe ich nicht daran gedacht, dass Olce auch eine Nachricht an Ahmad schickt. So laufe ich ihm direkt in die Arme und er hält mich fest bis die anderen da sind. "So, was jetzt, Kitty?", spöttisch verschränkt Jus die Arme vor der Brust und lehnt sich zurück. Ich presse trotzig die Lippen zusammen und Schule ihn einfach nur an. Als er merkt, dass da keine Antwort mehr kommt, macht Jus einen Schritt auf mich zu. Instinktiv weiche ich einen zurück. Also ich versuche es, Ahmad steht aber wie ein Baum hinter mir. Geschickt stoße ich ihm meine Ellenbogen in die Seiten. Weil diese echt spitz sind, lockert er den Griff und ich husche durch die Tür in die Mensa.

Drinnen werde ich schon von meinen Freunden erwartet. Ich erzähle ihnen, was passiert ist. Am Ende der Geschichte sieht mich Noël mit gehobener Augenbraue an. Hochmütig schaue ich zurück und spitze die Lippen.Dann zuckt sein Blick hinter mich. Kurz darauf legen sich auch schon zwei Hände auf meine nackten Schultern. Schon am Geruch erkenne ich Justin.. Ich löse seine Finger und schaue nach, ob ich da jetzt Abdrücke habe. Habe ich nicht, also widme ich mich wieder meinem Essen.

13. Justin Wrestler

 Stark, wie dreist sie ist. Sie isst einfach weiter! Olec wirft mir einen Blick nach dem Motto "hab ich dir doch gesagt", zu. Ich verdrehe genervt die Augen und ziehe mir schwungvoll den Stuhl neben Samira weg. Auch jetzt schaut sie nicht vom Handy auf. Kurzerhand nehme ich es ihr weg:" Äh, hallo? Was ist jetzt dein Problem?" "Ich würde mich gerne mit dir unterhalten" "Ok, hast du ja jetzt." Sie schaut mich erwartungsvoll an. Ich verstehe nicht gleich:" Was?" "Hm, lass mich überlegen… Du hast mir mein Handy abgezogen, während ich mit meiner Mutter geschrieben habe. Also nicht geschrieben sondern…" Sie unterbricht sich und fängt an zu grinsen. Dieses Mädchen ist ein Buch mit sieben Siegeln für mich, wieder kann ich in ihrer Miene ablesen, was sie denkt. Allerdings scheint es Lara zu wissen, sie kichert. "Was ist, Lara?", spiele ich meinen Charme aus. Aber sie hält dicht.  Also wenden ich mich wieder Samira zu:" Also, wie läufts in der Schule, jetzt wo wir zusammen sind?" Sie schluckt:" Bitte was? Wir sind ganz sicher nicht zusammen" Ich verkneife mir ein Lächeln und richte mein Wort an den Rest der Klasse:" Siemwill es noch nicht so groß herausposaunen" Ich fxire Serafina, die "Presse" der Schule. Es wird also nicht lange dauern, bis diese Aussage in aller munde ist und jeder an der Schule darüber nachdenkt. 
Es klingelt. Auf dem Weg zum Kalssenzimmer fängt mich Kittty ab:"  Das wird ein Nachspiel haben", dann wirft sie das Haar über die Schulter und stolziert auf ihren, für sie ziemlich niedrigen Absätzen, davon.

Wieder ziehen sich die Stunden ewig lange. Wie jeden Nachmittag bin ich um drei Uhr an dem Punkt angelangt, dass ich nur noch in mein Bett will. Einzig die Blicke der anderen halten mich auf Trab. Dieses ständige Geflüster: „Was er und sie?... Wirklich, aber ist er nicht mit..." tut irgendwie gut. Zu wissen, dass Sera ihren Job gemacht hat. Und dieses Gerücht nun in der gesamten Schule umgeht. Immer wenn ich sie sehe, werde ich Samira hämische Blicke zu, die sie ignoriert. 

Seit der Mittagspause ist das flirtende Girl verschwunden, sie läuft wieder mit ihrer Mauer umher. Irgendwie ist das aus dem Ruder gelaufen. Ich wollte eigentlich nur etwas lustig sein, aber diese Menschen hier zerreißen sich das Maul um jeden. Mittlerweile geht es sogar um ihren Dad. Dass er angeblich Milchholen gegangen ist. Ich glaube ich habe in ihren Augen Schmerz entdeckt. Habe ich etwa einen großen Fehler gemacht? 

Später zuhause verschwinde ich sofort  in mein Zimmer. Unser Zimmer. Ich bin angepisst, Weil ich umsonst auf Samira gewartet habe- sie hat sich vor Sport abholen lassen. Jetzt liegt sie auf ihrem Bett, von mir weggedreht. Ich legen mich auf meine Seite, von ihr weggedreht.

14. Samira Milow

Seit ungefähr drei Stunden schweigen wir uns an. Wir haben schweigend Hausaufgaben gemacht. Wir haben schweigend gelernt. Wir haben uns schweigend eine Tüte Chips geteilt. Kurz um; uns einfach ignoriert.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.12.2023

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meiner besten Freundin, denn es ist durch ihre Ideen entstanden.

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