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1.


Die Fenster von Roberston Ville leuchteten in den Beginn der Nacht hinein und Franklin meinte sehen zu können, wie der runde, bleiche Mond ihn von oben herab angrinste. Franklin hatte viel für den Mond übrig. Vor allem dann, wenn er im Begriff war, die Leere in seinem Inneren zu füllen. Denn er hatte das Gefühl, dass der leuchtende Himmelskörper ihn dabei begleitete und nur dann zufrieden war, wenn der junge Mann das, was er tun musste, in aller Perfektion vollführte. So auch heute. Heute war Franklin aufgeregt. Er würde endlich wieder einen Hausbesuch machen. Das letzte Mal lag zwar erst wenige Tage zurück, aber es kam ihm so vor, als ob Jahre vergangen wären. Das Verlangen und der Mond wurden immer stärker. Franklin kam sich allmählich beinahe wie ein Süchtiger vor. Vielleicht war er das auch, aber es fühlte sich gut an, obwohl Franklin im „Fühlen“ nicht wirklich gut war. Eigentlich fühlte er so gut wie nichts. Natürlich spürte er das hölzerne Klemmbrett kalt in seiner rechten Hand, den Wind, der an seinem Mantel zog und die herbstlichen Temperaturen um sich herum, die gerade noch so im Plus-Bereich waren. Der Rest, von dem er glaubt, dass andere Menschen ihn mit sich herumschleppten, kam sehr kurz. Aber genug davon.
Franklin war auf dem Weg und er war nicht allein. Louis - der schüchterne, kleine Louis - folgte ihm wie ein Schatten und fuhr sich soeben mit einer Hand durch das kurze, braune Haar. Franklin ignorierte seinen Begleiter geflissentlich. Er war sich noch nicht im Klaren darüber, ob es ein Fehler gewesen war, Louis mitzunehmen, doch irgendwann wäre es sowieso dazu gekommen.
Sie gingen ausnahmsweise zu Fuß, da Franklins Wagen in der Werkstatt war und angeblich von mehr oder eher weniger seriösem Personal repariert wurde. Es war gar nicht so leicht gewesen zu erklären, wie die Beulen und Kratzer an der Innenseite des Kofferraums zustande gekommen waren...
Sie erreichten ihr Ziel. Das Haus war weder besonders groß, noch besonders klein, sondern ein merkwürdiges, weißes Mittelding mit zu schief geratenen Fenstern und wildem Gras statt Rasen, der den Vorgarten bedeckte. Auch hier brannte Licht hinter den Fenstern. Genauso, wie Franklin es erwartet hatte.
Das Klemmbrett demonstrativ und gut sichtbar festhaltend (denn niemand hinterfragt die Absichten von Jemandem, der ein Klemmbrett dabei hat) schlenderte Franklin still gefolgt von Louis zur Haustür, platzierte sich mit seinem besten „Ich bin ein freundlicher Mitbürger“-Lächeln auf der grünen Fußmatte, die stolz „My Home Is My Castle“ verkündete und klingelte. Eine Weile passierte nichts, dann hörte er wie jemand förmlich die Treppe hinunter trampelte und verzog seine lächelnde Grimasse so, dass seine sich Mundwinkel ein paar Millimeter weiter nach oben reckten. Bald würden die Muskeln sicherlich reißen. Louis verlagerte sein Gewicht nervös von einem Fuß auf den Anderen, als die Tür aufschwang.
Allan Way, der Bewohner des Hauses, hatte sorglos auf einen Blick durch den Türspion verzichtet, ließ den Schlüssel eine schabende Drehung im Schloss vollführen und öffnete ohne Argwohn und voll von kindlicher Naivität den Eingang zu seinem Zuhause. Dies bereute er spätestens dann, als Franklin ihn zurück in den Flur schubste und ihm - nur zur Sicherheit – ein Messer in den Oberschenkel rammte. Allans überraschter Aufschrei wurde von Franklins Hand an seinem Mund erstickt. „Schhhh~ Wir tun dir nichts weiter. Wir sind nur Einbrecher die den direkteren Weg durch die Haustür wählen.“ Allan nickte panisch, noch immer Franklins Hand im Gesicht und blickte mit geweiteten Augen zu dem blonden Mann auf, der ihn in grotesker Freundlichkeit angrinste, während seine kalten, grünen Augen im Licht des Mondes glänzten.
Louis schloss leise die Tür hinter ihnen.
Franklin führte (oder eher schubste) Allan in Richtung Küche. Wo die Küche war wusste er, weil er seine „Hausaufgaben“ gemacht hatte. Anders als früher in der High School war es wichtig dies zu tun, wenn man nicht sofort geschnappt werden wollte.
Er drückte Allan auf einen der mit gelb-weiß-karierten Plastiksitzpolstern versehenen, hölzernen Küchenstuhl und raunte: „Schön sitzen bleiben, dann passiert dir nichts.“
Allan, der junge Kunststudent, nickte und betete stumm dafür, dass der blonde Einbrecher die Wahrheit sagte.
Franklin seufzte. Heute würde er sich nicht so viel Zeit lassen. Louis war zwar ganz nützlich, aber besonders beim ersten Mal ein Risiko. Spaß würde er trotzdem haben. Wie auf Kommando trat Louis näher an ihn heran und reiche ihm zwei Gegenstände aus der schwarzen Sporttasche, die er mit sich trug. Der eine Gegenstand entpuppte sich als Haarspray, der andere als Feuerzeug.
Franklins Grimasse wurde breiter. Er nickte seinem Komplizen kurz zu und richtete dann das Spray auf Allans Kopf.
„W-was haben Sie vor? Mich frisieren?“
Franklin kicherte; das Haarspray weiterhin auf Allans Kopf gerichtet. Er hielt das Feuerzeug davor und drückte ab. Louis beobachtete gleichermaßen entsetzt wie fasziniert, wie eine gewaltige Stichflamme Allans Schädel zu braten begann. Franklin lachte und Allan schrie.

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Tag der Veröffentlichung: 22.11.2012

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