Tiamo, der Sportliche (26.11.2009)
Damals bastelte ich kleine Plüschcollies in den drei Farbschlägen, sable, tricolor und blue merle, als Schlüsselanhänger,
sowie als Hundespielzeug mit eingearbeitetem Quietscher.
Von jedem meiner verstorbenen Collies hängt eine Portraitaufnahme im Arbeitszimmer.
Hier Tanja und Chandy. Die erste Hündin und der letze Rüde.
Diesmal drehe ich das Zeitrad zurück in den Herbst 2009.
Noch vor wenigen Wochen bin ich in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen durch die Gegend marschiert, heute aber stecke ich in einer dicken Winterjacke mit Schal, Regenhose und gefütterten Gummistiefeln, um mit meiner Truppe eine ausgiebige Runde zu drehen. Ich liebe alle Jahreszeiten, denn es gibt bekanntlich kein Schlechtwetter, nur schlechte Ausrüstung. Bei uns liegen nun die bunten Blätter am Boden, der Nebel hängt tief, die Bise, der Ostwind, bläst mir ins Gesicht und es nieselt ganz leicht. Heute stört mich dies keineswegs, aber vor drei Jahren war ich viel zu schwach um gegen Wind und Wetter anzukämpfen. Chandy zeigte sich damals sehr genügsam, als spürte er, dass es mir nicht gut ging und ich keine grossen Rundgänge mit ihm unternehmen konnte. Ab und zu sass ich am PC und surfte bei Collie Züchtern im In- und Ausland.
Es war kurz nach meinem Geburtstag Ende November, als ich von einem Wurf Collies unweit von Bayreuth las. Immer wieder fanden meine Finger den Weg auf die besagte Homepage, bis ich den Mut fand und um Auskunft bat. Bereitwillig erhielt ich Antwort auf all‘ meine Fragen und Alexandra, die Tochter des Hauses, sandte mir unzählige Bilder. Bereits auf den Fotos der Winzlinge mit noch geschlossenen Augen und Ohren gefiel mit Andiamo am besten und zudem war dieser Wurf doch ausgerechnet am selben Tag wie ich zur Welt gekommen. Ja, ja, ich ein paar Jahrzehnte früher. Die Züchterleute luden uns ein, um die Welpen zu sehen und zu erleben wie sie mit jedem Tag unternehmungslustiger wurden. Am zweiten Weihnachtstag, als die kleine Schar genau einen Monat alt war, machten wir uns auf den Weg nach Bayreuth. Die lange Fahrt verlief zügig trotz der schlechten Jahreszeit mit viel Wolken, Nebel und eventuell sogar Glatteis.
Hier ist Tiamo mit seinen Wurfgeschwistern im Kindergarten.
Prägungsphase: Was der Welpe jetzt lernt, vergisst er zeitlebens nie.
In Bayreuth wurden wir herzlich empfangen und wir waren begeistert von der Aufzucht der kleinen Hundchen. Die Wurfkiste stand doch tatsächlich mitten in der weihnächtlich geschmückten Stube. Eine lustige Lichterkette hing sogar über und in das warme Nest der jungen Collies. Im ersten Moment ängstigte sich Saskia, die Hundemutter sehr, gewöhnte sich aber schnell an uns fremde Menschen, welche ihre Babys bestaunen wollten. Einige der Wurfgeschwister waren bereits vergeben. Andiamo, ungefähr ein Kilogramm leicht, lag auf meiner offenen Hand und schlummerte. Schnell war klar, dass unser künftiger Vierbeiner ein bluemerle Collie, kein trikolor sein sollte. Einen Vertreter dieser seltenen Farbvariante hatten wir noch nie besessen. Andiamo, immer wieder kamen wir zu Andiamo zurück. Müde von der Fahrt suchten wir eine nahe Pension auf. Wir wollten uns ausruhen, die Sache einmal überschlafen und am nächsten Tag wiederkommen.
In dieser Nacht konnte ich kaum ein Auge schliessen. Einerseits herrschte eisige Kälte in unserem Zimmer, weil die Heizung arg gedrosselt war, da in dieser Jahreszeit keine Gäste zu erwarten waren. Mitten in der Nacht suchte ich im Dunkeln nach meiner Winterjacke und breitete sie zusätzlich über mich. Andererseits erwog ich Argumente für und wider den Kauf des herzigen Colliewelpen. War ich stark genug um die Verantwortung für Andiamo zu übernehmen? Was wenn die schreckliche Krankheit in meinem Körper erneut ausbrach? Steif und wirr im Kopf stand ich am Morgen auf, aber mit den nächtlichen Schatten verflogen auch meine trüben Gedanken. Wenn nicht jetzt, wann dann, war mein mutiger Entscheid und ich sollte es nie bereuen!
Die Züchter freuten sich sehr über unseren Entschluss, wir vereinbarten den Abholtermin auf den 12. Februar, den Geburtstag der Tochter, knipsten viele Bilder unseres kleinen Andiamos und starteten anschliessend zur Heimfahrt.
Gut anderthalb Monate warten fiel mir schwer. Täglich verweilte ich in Gedanken bei meinem künftigen Hundchen und verfolgte eifrig die Mails von Alexandra, die mir regelmässig Informationen und Fotos schickte. Andiamo, Andiamo……. Tiamo! So wollte ich ihn rufen.
Endlich war der ersehnte Tag da und wir fuhren zum zweiten Mal los Richtung Bayreuth. Diesmal war das Wetter garstig, kalt und bald nach der Grenze bei Basel begann es zu schneien. Nur langsam kamen wir vorwärts Richtung Karlsruhe. Ein erster Stau wegen eines umgekippten Lasters, der nun quer auf der Seite im Strassengraben lag, brachte uns zum Stehen. Im Schritttempo wechselten wir die Autobahn Richtung Nürnberg und steckten kurz darauf erneut im Stau. Die ausgestellten Laster auf der rechten Spur verhiessen nichts Gutes. Die Fernfahrer kauten gelangweilt an ihren Sandwiches oder verschwanden zu einem Nickerchen in ihren Schlafkojen. Ich übernahm das Steuer für gut zweieinhalb Stunden und kam in dieser Zeit ganze hundertfünfzig Meter weit. Schnee und Glatteis weit und breit und eine dreispurige, total verstopfte Autobahn. An dieser Stelle muss ich den Deutschen ein Kränzchen winden. Im Gegensatz zu uns Schweizern nehmen sie Verkehrsprobleme viel gelassener in Kauf. Via Handy meldete ich mich in Bayreuth und vertröstete die Wartenden mit unserer Ankunft auf unbestimmte Zeit. Im Auto wurde es langsam kalt und ungemütlich. Von Zeit zu Zeit liess ich den Motor an, um wieder etwas Warmluft im Innern des Wagens zirkulieren zu lassen und die beschlagenen Scheiben zu trocknen. Endlich war die Bahn frei und der Verkehr rollte langsam an.
Es war schon dunkel als wir Bayreuth erreichten, aber die freudige Begrüssung der ganzen Schar Welpen liess uns die mühsame Fahrt schnell vergessen. Tiamo, unser Tiamo war der Schönste!
Tags darauf überhäuften uns die Züchter mit Hundefutter, Spielsachen, Leinen und anderen Werbegeschenken, wir bezahlten den Kaufpreis und erhielten dafür die Papiere unseres Welpen. Beim Abschied wurden Alexandras Augen feucht, aber obwohl erst vierzehnjährig begriff sie, dass sie nicht alle Welpen behalten konnte. Ashanty, mit
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2016
ISBN: 978-3-7396-6962-5
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