Wendy, die Spezielle (15.3.1992 – 4.11.2005)
Was lag näher, als sich wieder in Tafers zu melden. Bei einer Tasse Kaffee unter der Gartenlaube mit Blick auf die wunderbare Zwingeranlage der Zuchtcollies erklärte uns der Züchter, dass im Moment keine Welpen oder Junghunde zum Verkauf stünden, dass aber in Kürze eine sable Hündin läufig würde und ein Wurf mit ihr geplant sei. Er rief die fragliche Hündin aus der spielenden Gruppe ausgewachsener Collies und entliess sie in den gepflegten Garten zu uns. Sie verhielt sich sehr aufgeschlossen, interessiert und zutraulich, obwohl wir fremd für sie waren. Wir konnten sie uns sehr wohl als künftige Mutter unseres kleinen Hundchens vorstellen und die Zeit spielte keine Rolle. Norli war noch jung und würde sich bestimmt mit dem Nachwuchs anfreunden. Wir versprachen in Kontakt zu bleiben und der Züchter versicherte uns sofort zu verständigen, sobald ein Wurf gefallen sei. Es vergingen einige Wochen, da erreichte uns leider eine Absage aus Tafers. Die Hündin war in der Zwischenzeit zwar gedeckt worden, der Ultraschall bestätigte aber die Vermutung, dass sie leer geblieben war. Ja, Tierchen sind keine Maschinen. Aus welchen Gründen auch immer, Tatsache war, dass wir in absehbarer Zeit keinen Welpen erhalten würden. Der Züchter hörte die Enttäuschung in meiner Stimme und lud uns erneut nach Tafers ein. Er hatte sich eine andere mögliche Variante ausgedacht.
Erwartungsvoll machten wir uns mit Norli erneut auf den Weg ins Fribourgerland. Was uns der Züchter vorstellte, war eine fünf Monate alte tricolor Hündin, lackschwarz mit seidigem Haar wie handgestrickt. Bei unserem letzten Besuch hatten wir sie nicht gesehen, oder nicht beachtet, denn sie war bereits als Zuchtanwärterin vorbestimmt. Was dem Züchter nun vorschwebte, war mir die Hündin, für ein halbes Jahr zur Aufzucht zu überlassen. Wilmas Aussehen war für den Colliekenner perfekt, bloss das Verhalten, die Charaktereigenschaften waren nicht optimal. Das tägliche Zusammensein mit meiner charakterlich starken Nora, diese Eigenschaft war dem Züchter sofort aufgefallen, sollte Wilma helfen etwas umgänglicher zu werden. Geplant war, dass Wilma uns in einem halben Jahr wieder verliesse. Nach erfolgter Zuchtankörung wäre sie dann Nachfolgerin ihrer wunderschönen Mutter und würde die Fortführung der Blutlinie gewährleisten. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre bestimmt ein passender Welpe für uns gefunden. Kurz und gut, uns gefiel diese Übergangslösung, zumal Wilma sich sehr anhänglich zeigte und mir im Rasen hockend sofort in die Arme kroch. Na wenn sie sich bei mir offensichtlich wohl fühlte, wollte ich es mindestens versuchen. Mir wurde das Impfbüchlein ohne Abstammungsurkunde ausgehändigt und wir machten uns zu viert auf den Heimweg.
Ich war mehr als gespannt auf Norlis Reaktion auf die neue, halbwüchsige Konkurrenz. Meine Befürchtungen waren unbegründet. Nicht einen Hauch dessen, was Norli als Welpe von Seiten Tanjas ertragen musste, gab sie jetzt der Kleinen zu spüren. Von Anfang an herrschte Harmonie zwischen den beiden. Mit Wilmas Namen konnte ich mich, Fred Feuerstein lässt grüssen, nie richtig anfreunden, verwendete ihn aber pflichtbewusst, weil sie mir ja gar nicht gehörte. Sehr schnell akzeptierte sie mich als Bezugsperson und folgte mir auch ohne Leine auf den Fersen. Charakterlich blieb sie mir ein Rätsel. Obwohl mit Norli ein Herz und eine Seele, konnte Wilma auf fremde Menschen aus dem Hinterhalt losschiessen oder auch fremde Hunde heftig attackieren. Diese Vorfälle alarmierten mich und ich merkte, Wilma brauchte eine liebe aber konsequente Hand. Auf diese Weise konnte ich unliebsame Zwischenfälle umgehen.
In den folgenden Wochen und Monaten gewann ich die Einsicht: Etwas Schöneres als doppelte Hundehaltung konnte es nicht geben! Der Mensch hat zwei Hände, für jeden Hund eine. Mit zwei gut erzogenen Hunden kann man überall hin und ist man zu zweit unterwegs, hat jeder einen Hund zu betreuen. Für mich war es ideal und noch heute vertrete ich die Meinung, dass zwei Hunde die glücklichste Kombination darstellen.
Zwischendurch fanden immer wieder Kontrollbesuche in Tafers statt. Da Wilma die ersten fünf Monate ihres Lebens da verbracht hatte, zeigte sie sich jedes Mal hoch erfreut, ihren früheren Chef wieder zu sehen. Langsam rückte der Tag des Entscheides näher. Mit der körperlichen Entwicklung war der Züchter mehr als zufrieden. Wilma hatte ein perfektes Exterieur, Kopfform, Ohrenansatz, Zähne, Körperbau mit den Winkelungen, Pfoten, Schwanzansatz und Haarkleid, alles entsprach dem Rassestandard. Aber nach reichlichen Überlegungen und einigen simplen Tests, entschied er sich Wilma zu verkaufen. Mit ihrem seltsamen Charakter hätte er sich vermutlich total unerwünschte Eigenschaften in seine Zuchtlinie eingebaut und dies schien ihm zu gewagt. Derartige Veranlagungen halten sich hartnäckig über Generationen und sind sehr schwer in der Vererbung wieder zu korrigieren. Die entscheidende Frage stand fast greifbar im Raum. Ich schaute auf mein schwarzes Mädchen zu meinen Füssen, ich kannte ihre Schwächen und trotzdem beschloss ich auf der Stelle: Wilma sollte bei uns bleiben. Wie hätte ich sie zurückstossen und wieder abgeben können, da sie mir doch vertraute. Das konnte ich ihr nicht antun. Der Züchter stellte den Kaufvertrag zu einem verminderten Preis aus, übergab mir die Dokumente der Abstammung, drückte seinen Hund ein letztes Mal, flüsterte ihm: „Mach’s gut!“ ins Ohr und verabschiedete uns schweren Herzens. Wir sahen uns immer wieder, ein ganzes, langes Hundeleben lang.
Nun war es Zeit für eine Namensänderung. Der Name sollte zur schnelleren Angewöhnung ebenfalls mit „W“ beginnen und zudem war sie ja ein Kind des „W“-Wurfs. Dieser Tag war gewiss ein Wendepunkt in Wilmas Leben und so sollte sie von nun an Wendy heissen.
Auf Ferien mit unseren beiden kerngesunden Hundemädels verzichteten wir keineswegs. Wir fanden eine hundefreundliche Pension direkt am Wörther See mit herzigem, privatem „Badhäuserl“ und Holzsteg durch den Schilfgürtel in den See hinaus. Jahrelang waren wir dort, auch mit den Hunden, im Sommer gern gesehene Feriengäste. Im Winter fuhren wir nach Leukerbad, nicht auf den Campingplatz, weil dieser sanfte Abhang bekanntlich als Skipiste für Kinder und Anfänger gebraucht wird, nein ich hatte herumtelefoniert und eine Pension gefunden, welche uns gern als Feriengäste notierte. Ich hatte bei der Anfrage beteuert, dass wir anstatt zwei Paar Skier, eben zwei Hunde mitführten. Für die Vermieter war so klar, dass wir uns nicht tagelang auf den Pisten herum tummelten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 28.06.2016
ISBN: 978-3-7396-6467-5
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