Cover

DIE FEINDLICHEN BRÜDER

Drama in vier Akten


Personen

Konrad, der jüngere Königssohn
Heinrich, der ältere Königssohn
Werner, der König von Sterrenberg
Angela, Tochter des verstorbenen Königs von Rüdesheim
Helena, die Schöne
Haushofmeister
der Hofstadel
Elfriede, die Küchenmagd
Grauhaariger aus Köln
die älteren Herren im „Fahrenden Ritter“
das Gesinde
die Gruppe Copelius
ein Harlekin und andere Darsteller
die Kreuzritter


Ein lauwarmer Frühlingstag im Jahre 1381. Die Burgen Sterrenberg und Liebenstein sind in Nebel gehüllt. Im Hof der Burg Liebenstein sitzt einsam und nachdenklich ein Mann Anfang Dreißig auf einem Felsen. Er trägt eine tief ins Gesicht gezogene Mütze und einen grauen Trenchcoat, unter dem die Tracht der Ritter seiner Zeit hervorschaut. Plötzlich steht er auf und trägt im Raprhyhtmus vor.


Konrads Prolog


Es ist kein Zufall, wenn ich euch sage:
Dieser Morgen ist nicht wie alle Tage.
Von Geburt an bis zum Tod
Ist man hier die höfischen Sitten gewohnt.
Gegenüber hab‘ ich gelebt,
Gemeinsam mit meinem Bruder,
Der nach Höherem strebt.
Wir waren wie Kain und Abel,
Der Gute und das schwarze Schaf.
Ich war nicht mehr am Nabel,
Als meine Mutter starb.
Angela, nie wird‘ ich dich vergessen,
Ich war von dir besessen.
Doch du wandtest dich ab, als ich kam,
Weil ich mir im Krieg eine Geliebte nahm,
Eine Griechin, die mich betörte,
Mit ihren Reizen aufs Laken zerrte.
Liebestrunken verfiel ich der Lust,
Als sie mich küssen ließ ihre Brust.
Ich bin ein Mörder, der dir deine Seele stahl,
Ich, der albern und schwach
Dir den Glauben und die Hoffnung nahm
Und dich tief verletzte.
Das Leben kennt keine Gnade
Und ich verzichtete auf das Beste.
Meinen Vater hab‘ ich verlassen,
Den Trunkenbold und Schwerenöter,
Nun kann ich ihn nur hassen,
Denn er ist ein Seelentöter.
Ich fühle mich unbedeutend und klein.
Angelas Leben hängt am seidenen Faden,
Und mir bleibt nur noch dieser Stein,
Auf dem ich nun sitze, mit Schuld beladen.
Die, die ich einst liebte, ist nun fort.
Liebe, Leben, Tod, welche Frage,
Kein Mensch kann mir sagen,
welche Bedeutung diese Worte haben.

Die Lust, der Spaß und die Freude
Waren mein Ziel.
Das Glück
Fand ich nicht selten im Spiel.
Schabernack und Schlamassel sind meine Vertrauten,
Ironie des Schicksals, dass sie mich versauten,
Als ich als Halbstarker auf Abenteuer aus
Nur noch selten war zu Haus‘.
In Kneipen hab‘ ich mich rumgetrieben
Und Lieder gegrölt mit den Dieben,
Den Hehlern, Stehlern und Schürzenjägern,
Dem Mob der Stadt und den heißen Fegern,
Den Nutten und den Nekrophilen,
Den alten Säufern und den jungen Debilen.
Nahm Drogen und trank zu viel Wodka und Wein.
Ich kehrte in jede Spelunke ein
Und erwachte morgens mit starken Schmerzen.
Den Weibern stahl ich ihre Herzen.
Ich ließ mich gehen und versank bald im Sumpf.
Meinen Bruder und mich trennt nun eine Mauer,
Die so hoch ist wie der Eiffel Tower.
Er versank in tiefe Melancholie.
Und unsere Blicke treffen sich nie.
Das Schicksal bestimmt,
Was es uns gibt und was es uns nimmt.
Es bleibt nur das Nichts und am Ende der Tod.
In Feindschaft erstickt auch das Fünfte Gebot.


Akt I, 1. Szene



Etwa 20 Jahre früher spielen die Brüder Heinrich und Konrad im Hofe der Burg Sterrenberg. Am Rand eines Sandkastens sitzt der ältere, Heinrich, vor seiner Sandburg und betrachtet sie. Sein Bruder Konrad, der etwa fünf Jahre jünger ist als Heinrich, tollt im Hof herum, singt und schneidet Grimassen. Dabei versucht er immer wieder, seinen älteren Bruder zu foppen, indem er ihn schubst oder vor ihm herum tänzelt.


Heinrich: Lass das, du störst meine Konzentration.

Konrad: Haha. Was soll das sein, eine Burg, die im Rhein versinkt?

Heinrich: Ich mache ein Szenario meiner Zukunft. Also, bitte Ruhe!

Konrad: There is no future, man. Du bist ein Träumer. Auf Burg Sterrenberg gibt es so was nicht, kapiert?

Heinrich: Du bist ein Dummkopf. Unser Vater hat längst beschlossen, dass ich ihm auf den Thron folgen werde. Wenn er tot ist, gehört das alles hier mir.

Heinrich steht auf und macht eine weit reichende Geste.



Konrad: Dann gehören dir also ein altes Gemäuer und ein paar abgetakelte Bedienstete, die nach und nach sterben. Was für eine wunderbare Zukunft.

Heinrich: Papperlapapp! Ich werde herrschen, und du wirst meine rechte Hand sein.

Konrad: Pah! Ich denke nicht daran, dir zu helfen, denn meine Zukunft sieht ganz anders aus.

Er holt eine Papierrolle aus seiner Hosentasche, rollt sie auf und hält sie seinem Bruder vor‘s Gesicht. Es ist eine Zeichnung des Rheinlaufs, der mit einem dicken roten Punkt markiert ist.


Konrad: Sieh her! Das ist der Rhein, und hier oben, das ist Colonia, wie die Römer sagten. Und das heißt zu Deutsch: Köln. Dorthin werde ich gehen, wenn ich groß bin.

Heinrich: Wo hast du den Zettel her? Gib ihn mir sofort, damit ich ihn unserem Vater zeigen kann.

Konrad rollt hastig das Papier wieder zusammen und steckt es in seine Hosentasche.


Konrad: Nöö, das ist kein Zettel, das ist eine Papyrusrolle. Ich habe sie in der Bibliothek gefunden, bei den alten Büchern, die der Hauslehrer benutzt. Und der Hauslehrer hat gesagt, die bauen in Köln einen Dom, der riesengroß sein wird. Soo groß!

Er macht eine Geste, die die Größe des Doms andeuten soll.



Heinrich: Du gibst mir auf der Stelle den Zettel oder es gibt was auf die Ohren! Pause

Außerdem kannst du nicht von hier fortgehen.

Konrad: Wieso nicht?

Heinrich: Weil du hierher gehörst. Du bist ein Mitglied eines alten Adelsgeschlechts. Du gibst mir jetzt den Zettel oder .....

Heinrich steht auf und geht auf Konrad zu. Dieser rennt weg und brüllt im Davonlaufen.


Konrad: Fuck you, fuck you, all of you. Ich will kein Adliger sein, ich will kein edler Herr sein. Ich will Zimmermann werden.

Heinrich: Das gehört sich nicht für unser Geschlecht.

Konrad: bleibt stehen, dann laut Wenn ich Zimmermann bin, werde ich Häuser bauen. Dann werde ich helfen, den Dom zu bauen.

Heinrich: Das wirst du nicht tun. Es ist nicht standesgemäß.

Konrad: Und ob, du wirst sehen. Herrschen ist mir zu langweilig.

Heinrich: Warte nur, du frecher Lausbub. Wenn das unser guter Vater erfährt, wird er dich foltern lassen.

Konrad: Unser guter Vater, dass ich nicht lache... Der ist doch nur besoffen und hängt mit den fetten Mägden ab.

Heinrich: Halt endlich den Mund! Wie kannst du nur so reden!? Hör’ auf damit, sonst ......

Konrad: Immer diese langweiligen Feste mit dem Occulistechen und dem Armbrustschießen! Und dann diese Folterungen, ständig dieses Geschrei! Ich kriege nachts kein Auge zu. Vielleicht kann ich endlich mal wieder schlafen, wenn ich weg bin.

Heinrich: Jetzt ist es genug. Na warte, ich geh’ jetzt zu unserem Vater und werde ihm berichten, was du vorhast.

Konrad: Geh’ nur. Er wird sicher froh sein, wenn er mich los ist. Er konnte mich noch nie leiden, dich aber umso mehr.

Heinrich: Das ist nicht wahr. Wie kommst du nur auf so eine absurde Idee! Meinst du, weil ich der ältere von uns beiden bin, zieht er mich vor?
Es ist immer so, dass der Älteste den Thron erbt. Das weißt du doch. Pause Findest du unsere Mägde wirklich so hässlich?

Konrad: Und ob! In Köln gibt es hübsche Frauen, die schicke Kleider und Hüte tragen. Ich werde abends mit ihnen ausgehen und Met trinken, den Köl‘schen Met.

Heinrich: Wenn das mal keine Beleidigung ist! Du wirst gefälligst unseren guten Wein trinken.

Konrad: Nein, das werde ich nicht. Ich ziehe den Köl‘schen Met vor.

Heinrich: Na warte, wenn ich das unserem guten Vater erzähle.....

Konrad: Dass ich nicht lache! Du wirst sehen, dass es ihm egal ist. Er wird nicht einmal bemerken, wenn ich nicht mehr da bin.

Im Hof ertönt eine Glocke. Der Tag geht zur Neige, und es ist Zeit für das Dinner. Die beiden Streithähne begeben sich ins Burginnere.




Akt I, 2. Szene



Im Burginneren spielt ein Song einer bekannten Gothicgruppe auf. Es herrscht geschäftiges Treiben. Das Gesinde läuft herum und man deckt den langen schweren Eichentisch ein. An den Wänden des großen Essenssaales hängen Gemälde, die die adligen Vorfahren zeigen. Sie wirken wie Karikaturen, grotesk. Auch Ritter in Rüstungen und Hofdamen mit Sonnenschirmchen sind abgebildet. Auch sie wirken grotesk. Weiterhin hängen zwischen den Gemälden Ritterrüstungen, Helme, Speere, Morgensterne, auch Folterinstrumente und andere Utensilien, die das Leben am Hofe symbolisieren sollen. Die Bediensteten ziehen sich nach und nach zurück und die Abendgäste treffen ein. Sie kommen paarweise, in Gruppen oder auch allein. Sie tragen prunkvolle Gewänder und nehmen am Tisch Platz. Zum Schluss betritt Werner, der König, den Saal. Er hat eine gewaltige Körperfülle und trägt eine schief auf seinem Kopf sitzende Krone. Langsam trottet er auf die Tafel zu und versucht, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Es stellt sich jedoch heraus, dass er zu dick ist. Rasch taucht ein Diener auf und tauscht den Stuhl diskret durch einen Sessel aus. Der König erhebt sich.



Werner: Ich grüße euch, meine edlen Freunde. Bitte behaltet doch Platz. Ich hoffe, dass das heutige Dinner allen vorzüglich munden wird und das nachfolgende Abendprogramm, das ich mit viel Mühe zusammengestellt habe, Gefallen findet. Guten Appetit!

Werner sinkt laut schnaubend in einen Sessel. Die Rede scheint ihn ziemlich angestrengt zu haben. Die Bediensteten eilen herbei und teilen die Vorsuppe aus. Die Gäste warten geduldig ab, bis alle ihre Suppe bekommen haben, bis auf Konrad, der rücksichtslos anfängt, laut zu schlürfen. Der König hebt missmutig die Augenbrauen und schaut ihn grimmig an.


Werner: Was fällt dir ein, hier laut los zu schlürfen, noch bevor alle ihr Essen bekommen haben? Warte gefälligst und nimm einen Löffel. Muss ich dir noch Tischmanieren beibringen?

Konrad: errötet und lächelt ein wenig verlegen

Was?

Werner: Wie heißt das Zauberwort?

Konrad scheint sich nicht an das Zauberwort zu erinnern. Er fasst sich an den Kopf und denkt angestrengt nach.



Konrad: murmelt

Guten Appetit!

Werner: Wie bitte?

Konrad: lauter Guten Appetit ..... allerseits!

Werner: Du willst mich wohl foppen. Denk’ nach, du kennst das Zauberwort ganz genau.

Konrad: singt Wir haben Hunger, Hunger, Hunger, haben Hunger, Hunger, haben Hunger, Hunger, haben Durst.

Werner lehnt sich in seinem Sessel zurück und schnappt nach Luft.



Werner: Elfriede, mein Riechsalz, bitte. Und einen Schnaps.

Elfriede, eine dicke Magd, eilt herbei, eine Flasche Riechsalz in der Hand. Sie wischt Werner die nasse Stirn ab und hält ihm die Flasche unter die Nase. In der anderen Hand hält sie eine Flasche Schnaps, die ihr Werner entreißt. Er nimmt einen großen Schluck aus der Flasche und wischt sich den Mund mit der Hand ab.



Werner: laut

Soo, Elfriede, komm her. Er zieht die Magd an sich, setzt sie auf seinen Schoß und beginnt, sie abzuknutschen. Dann schiebt er sie beiseite, steht mühevoll und langsam auf und spricht laut in die Runde.


Werner: Soo, Elfriede, du wirst jetzt unserem enfant terrible zeigen, wo der Hase lang läuft.

Elfriede geht in die Küche und kommt wieder heraus. Sie hält einen Kochlöffel in der Hand und geht auf Konrad zu. Konrad ahnt, was sie vorhat, steht auf und läuft um den Tisch herum.


Konrad: Krieg mich doch, krieg mich doch. Das schaffst du nicht. Ätschi bätschi. Ich bin zu schnell und du zu plump, Elfriede.

Elfriede versucht, ihn zu erhaschen, aber Konrad ist aufgrund seiner schmalen Figur flinker als sie. Sie laufen eine ganze Weile um den Tisch herum, wobei Konrad ab und zu die Richtung wechselt. Schließlich gibt Elfriede völlig außer Atem auf und sinkt erschöpft auf die Knie. Die Gäste beginnen allmählich, unruhig zu werden. Man hört Räuspern, Scharren von Füßen und Stimmengewirr.



Werner: Gut, setzt euch alle wieder hin. Ich will ausnahmsweise ein Auge zudrücken. Wir beginnen noch einmal mit der Zeremonie. Guten Appetit allerseits und lasst die Suppe nicht kalt werden.

Konrad kehrt an seinen Platz zurück. Der König nimmt umständlich auf seinem Sessel Platz und rückt seine Krone zurecht, die inzwischen nach hinten gerutscht ist. Elfriede geht in die Küche und die Gäste essen ruhig ihre Suppe, die natürlich inzwischen kalt geworden ist. Aber keiner sagt ein Wort. Nur ab und zu verzieht ein Gast angewidert das Gesicht. Es folgt der zweite Gang. Die Bediensteten bringen große Platten mit Fleischbergen und verteilen sie auf dem langen Eichentisch. Danach verteilen sie das Fleisch auf die Teller. Als Konrad an der Reihe ist, entreißt er dem Diener das Fleisch. Einer vorbei eilenden Magd gibt er einen Klaps auf den Hintern und kaut schmatzend vor sich hin. Er rülpst ein paarmal. Heinrich, der ihm gegenüber sitzt, beobachtet missbilligend das Geschehen. Dann gibt er seinem Vater ein Zeichen.


Werner: Jetzt reicht es. Haushofmeister, bringt den Bengel auf sein Zimmer. Heute gibt es für ihn kein Essen mehr.

Der Haushofmeister stürzt mit zwei Wachmännern herbei. Diese ergreifen Konrad und schleifen ihn in die hinteren Gemächer. Konrad wehrt sich lautstark und stößt Flüche aus. Aber gegen die körperliche Überlegenheit der Wachmänner hat er keine Chance.




Akt I, 3. Szene



Im Essenssaal einige Stunden später. Es ist bald Mitternacht und das Geschirr ist weggeräumt. Der Tisch ist leer, bis auf die Weingläser, die in regelmäßigen Abständen nachgefüllt werden. Ein Harlekin spielt vor dem Esstisch auf der Flöte. Die Gäste blicken gelangweilt drein und unterhalten sich. Der König lässt erschöpft den Kopf auf den Tisch fallen und schnarcht laut. Doch der Harlekin lässt sich nicht beirren und fährt fort mit seiner Vorstellung. Er trägt ein Liedchen und ein paar Anekdoten vor. Die Gäste lachen gekünstelt und klatschen Beifall. Von dem Lärm erwacht der König kurz, trinkt einen Schluck und sinkt wieder in sich zusammen. Danach tritt die Gruppe Copelius auf. Sie wird von dem Haushofmeister angekündigt und spielt eines ihrer bekannten Lieder auf den Instrumenten Bass, Klarinette und Geige. Anschließend betreten drei Akrobaten die Bühne und führen einen Street Dance vor. Schließlich treten zwei Ritter mit Morgensternen auf Steckenpferden gegeneinander an. Sie wirken ziemlich lächerlich und werden ausgepfiffen.
Der Haushofmeister betritt den Saal.


Haushofmeister: Sehr verehrtes Publikum, liebe Gäste! Der Tag geht zur Neige und wir haben Mitternacht, Zeit zum Schlafen. Wir hatten alle einen tollen Abend und jetzt wünsche ich euch allen eine schöne Nacht. Bis Morgen und schlaft recht schön!

Der Haushofmeister verneigt sich. Dann trägt er gemeinsam mit weiteren Bediensteten den betrunkenen König aus dem Saal. Die Gäste stehen auf und verlassen nacheinander den Saal. Die Turmuhr schlägt eins oder zwei oder drei. Das Licht erlischt. Der Saal ist in Dunkelheit gehüllt.




Akt II, 1. Szene




Zehn Jahre später. Auf Burg Sterrenberg ist Wochenmarkt. Im Burghof herrscht geschäftiges Treiben. Die stolzen Mitglieder des Hofstadels promenieren und unterhalten sich preziös miteinander. Die Hofdamen fächeln sich Luft zu. Es ist ein warmer Sommertag. Eine Marketänderin verkauft Trödel, den sie laut anpreist. Werner erscheint zusammen mit seinem Sohn Heinrich.


Werner: Bald ist es so weit. Ich werde nach Rüdesheim fahren, um meinen guten und langjährigen Freund zu beerdigen. Man munkelt, er habe eine wunderschöne Tochter namens Angela, die nun eine Waise ist. Ich werde sie mit auf Schloss Sterrenberg bringen und mich um sie kümmern. Denn das ist sein letzter Wille gewesen.

Heinrich: Ach, Vater, der Tod ist so schrecklich. Er ist unentrinnbar und unbarmherzig. Erst hat er uns unsere Mutter genommen, und nun rafft er eure Freunde dahin. Zurück bleibt nur noch Trauer.

Werner: Du hast Recht, mein Sohn. Es tut mir leid, dass du und dein Bruder schon früh mit Gevatter Tod in Berührung kommt, obwohl ihr doch noch gar nichts vom Leben wisst. Ist das der Grund, warum du immer schwarze Kleidung trägst?

Heinrich: Es ist die Trauer, die mich gefangen hält. Mit ihr erwache ich am Morgen und sie verfolgt mich in der Nacht. Ich bin ein ewig Trauernder.

Die Marktschreier versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie lautstark die Vorzüge ihrer Waren anpreisen. Im Angebot sind Teppiche, Kleider, Möbelstücke, aber auch in Leinen gebundene Bücher.


Werner: Wo ist nur deine Jugend hin? Du bist so schön und klug, mein Sohn. Ich habe Großes mit dir vor.

Heinrich: Das weiß ich zu schätzen, Vater. Ihr seid so gut zu mir und auch zu meinem missratenen Bruder, Konrad, der euch so viel Verdruss bereitet.

Werner: Es ist die Eifersucht, die ihn dazu treibt. Dessen bin ich mir wohl bewusst. Ich bin aber der Tradition verpflichtet. Er ist noch zu jung, um das zu verstehen.

Heinrich: Da habt ihr wohl Recht, mein Vater. Aber sagt, wann werdet ihr nach Rüdesheim fahren?

Werner: Bei Anbruch des morgigen Tages werde ich fort sein. Ihr werdet noch in tiefem Schlummer liegen. Nach der Beerdigung fahre ich sofort wieder nach Hause und bringe Angela mit. Sie ist voller Liebreiz und wird dir sicher gefallen.

Heinrich: Ich werde mich um sie kümmern. Sie wird mir wie eine Schwester sein. Das verspreche ich euch. Doch seid ohne Sorge, ich werde sie niemals berühren.

Werner: Das denke ich mir, Heinrich, denn du bist wohl erzogen und klug. Doch ich habe arge Zweifel, was deinen Bruder Konrad angeht. Bitte behalt‘ ihn im Auge und pass‘ auf, dass er Angela nicht zu nahe tritt.

Heinrich: Ich gelobe euch hoch und heilig, dass ihr euch auf mich verlassen könnt. Beim Tode meiner Mutter – Gott hab’ sie selig.

Werner: Ich werde nun packen. Wir sehen uns gegen Abend beim Festmahl, wie immer.

Gehen ab.




Akt II, 2. Szene



Heinrich sitzt allein in der Bibliothek der Burg Sterrenberg und blättert in einem Buch. Hohe Bücherregale, die vollgestopft sind mit in Leinen gebundenen Werken säumen die Wände. Zwischen den Büchern befinden sich zusammen gerollte Poster und Plakate. Auf der linken Seite stehen Ordner, fein säuberlich nebeneinander. Auf den Rücken befinden sich seltsame Zeichen oder Symbole. Es herrscht eine bedrückende Stille. Heinrich schaut kurz auf. Er sieht sehr nachdenklich aus.


Heinrich: Seit meiner Geburt verfolgt mich der Tod.
Schwarz sind die Wände im Kerker meiner Seele.
Um mich herum nur Trauer und Not,
Das erlösende Wort erstickt in meiner Kehle.
In schwarzem Samt und schwarzer Nacht
Umhüllt mich ein eisiger Wind.
Wenn mein Bruder Konrad erwacht,
Eilt mein Vater mit Angela geschwind.
Er schaut in sein Buch und zitiert.


Gesät wird in Schwachheit,
Auferweckt in Kraft.
Dank sei Jesus Christus,
Der den Tod besiegt.
Gesät wird Vergänglichkeit,
Auferweckt in Herrlichkeit.
Dank sei Jesus Christus,
Der den Tod besiegt.
Er zieht seine Handschuhe aus.


Wir wissen nicht, wohin wir gehen.
Die Zukunft ist nicht vorhersehbar,
Und niemand erhört unser Flehen.
Bestimmt sind die Wege, die wir gehen
Und der Pfad dorthin ist schmal.
Und wenn wir fallen,
Fallen wir in ein tiefes Tal.
Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels
Noch wollte ich fliegen.
Die Finsternis hält mich gefangen,
Sie werden mich kriegen,
Die Dämonen der Nacht.
Langsam werde ich sterben.
Das ist das Los der reichen Erben.

Konrad tritt ein. Als er Heinrich erblickt, erschrickt er über seinen traurigen Gesichtsausdruck.



Konrad: Was ist los mit dir? Warum siehst du so traurig aus?

Heinrich: Nichts, nichts ist geschehen. Ich habe nur in der Bibel gelesen und gebetet. Ich bin auch nicht traurig, nur nachdenklich.

Konrad: So soll’s wohl sein. Sei schön brav und lies in der Bibel. Dann bist du für deine künftige Stellung bestens vorbereitet.

Heinrich: ungehalten

Hör’ endlich auf, mich aufzuziehen. Meinst du, die Ironie in dem, was du sagst, entgeht mir?

Konrad: Na schön, wenn du meinst, ich sei ironisch...Eigentlich wollte ich dir nur ein Kompliment machen.

Heinrich: Ach!! vertieft sich wieder in seine Lektüre. Nach einer Weile

Konrad: Sag’ mal, wann, glaubst du, wird unser Herr Vater auf die Burg zurückkehren?

Heinrich: Er sagte, er wolle morgen in der Frühe da sein.

Konrad: pfeift durch die Zähne Und er bringt Angela mit, nicht wahr?

Heinrich nickt kurz, ohne von seiner Lektüre aufzusehen.



Kornad: Man munkelt, sie sei sehr schön, jung und schön. Schwärmerisch, den Blick nach oben gewandt

Langes, blondes Haar, Angela, ich sehe dich vor mir. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, weil ich ständig daran denke, wie glücklich ich sein werde, wenn ich dich endlich sehen darf.

Heinrich: Konrad, wach’ auf. Angela ist nichts für dich. Sie ist eine Waise und sie wird nur hier leben, weil unser gütiger Vater Mitleid mit ihr hat.

Konrad beachtet ihn nicht.



Konrad: Wenn du wüsstest, wie groß meine Sehnsucht ist! Angela ist ein Phantom, das mich nachts durch meine Träume jagt. Mit unsichtbaren Bändern hält sie mich gefangen. Gefesselt liege ich da und kann mich nur ergeben.

Heinrich: Musst du immer so schrecklich übertreiben? Du wirst dich gefälligst beherrschen und deine Träume für dich behalten! Ich werde auf dich aufpassen müssen.

Konrad: Ich habe wenigstens Träume, im Gegensatz zu dir. Du bist immer schlecht gelaunt und griesgrämig, machst ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter. Du hängst deinen düsteren Gedanken nach. Der reinste Alptraum!

Heinrich: Aber du mit deiner rosaroten Brille! Du bist wirklich der Meinung, es sei besser, im Wolkenkuckucksheim zu leben anstatt sich der Wirklichkeit zu stellen. Werd’ endlich erwachsen, Mann.

Konrad: Ich bin erwachsener als du. Du läufst deinem dunklen Schatten hinterher und holst ihn niemals ein. Den blinden Fleck verdecken solltest du, dann würdest du dich besser fühlen in deiner Haut.

Heinrich: Finde dich damit ab, dass nichts zu ändern ist. Das wahre Leben ist bestimmt. Doch du läufst deinen Träumen hinterher, Lichtjahre entfernt.

Konrad: Das ist nicht wahr. Sie sind in meinem Kopf, und was im Kopf ist, kann Wirklichkeit werden, ist vielleicht schon Wirklichkeit, nicht heute, nein, morgen oder übermorgen.....

Heinrich: Was nützt es, an eine Utopie zu glauben!
Was zählt, ist das Heute. Ich bin kein Fantast.

Konrad: Du denkst an das Heute, das Hier und das Jetzt, obwohl heute morgen schon gestern ist.

Heinrich: Zumindest weiß ich, was ich heute zu tun habe. Du aber weißt es nicht.

Konrad: Ach ja, das sieht man’s mal wieder. Mein neunmalkluger Bruder hat keine Ahnung, was ich für Pläne habe. Manche Dinge ändern sich nie.

Plötzlich spielen die Fanfaren auf. Ein Bote geht auf Heinrich zu und übergibt ihm einen Brief. Heinrich öffnet ihn, überfliegt kurz den Inhalt, steht auf und verlässt wortlos die Bibliothek. Ein wenig verblüfft über den plötzlichen Aufbruch, verlässt auch Konrad die Bibliothek.




Akt II, 3. Szene



Im Burghof sind die edlen Damen und Herren versammelt. Sie stehen im Kreis und warten geduldig auf die Ankunft des Königs. Es blasen zum zweiten Mal die Fanfaren und der Haushofmeister betritt die Bühne.



Haushofmeister: Meine edlen Damen und Herren! Wie ich erfuhr, ist der König bald zurück, und zwar in Begleitung einer jungen Dame namens Angela, die von nun an bei Hofe leben wird. Ihr Vater ist tot – Gott hab’ ihn selig – und sie ist in tiefer Trauer. Der König bittet euch, sie mit dem nötigen Respekt zu behandeln.

Werner betritt die Bühne, in Begleitung von Angela. Sie trägt einen schwarzen Schleier, so dass ihr Gesicht verhüllt ist und ihre Schönheit sich nur erahnen lässt. Heinrich und Konrad gehen auf ihren Vater zu. Werner begrüßt die beiden distanziert und stellt ihnen Angela vor. Diese lüftet kurz den Schleier, und Konrad pfeift durch die Zähne. Heinrich blickt sie mit unverhohlener Bewunderung an.


Werner: Dies sind meine beiden Söhne, Heinrich und Konrad, Angela. Dies hier ist Angela, Angela, Heinrich, Angela, Konrad, Konrad, Angela, Heinrich, Angela. Ähem, ja, was wollte ich noch sagen? Pause

Angela, Heinrich ist ein guter Sohn. Er wird den Thron erben. Konrad – wie soll ich sagen – ist der jüngere von beiden, jung und frech, ein Rotzlöffel! Ich weiß nicht, was aus ihm wird. Aber Heinrich ist gut und edel.

Heinrich macht eine Verbeugung. Angela reicht ihm die Hand. Ein wenig verlegen, gibt er ihr einen Handkuss. Konrad steht eine Weile wie angewurzelt da. Ununterbrochen starrt er Angela an.


Werner: Konrad, sag’ auch du guten Tag! Konrad!!

Konrad: Ja, Vater!

Konrad verneigt sich ein wenig ungeschickt und fällt beinahe hin. Dann betrachtet er Angela unentwegt und mit offenem Mund. Ab und zu reibt er sich die Augen. Wie zufällig, lässt sie ihren Schleier kurz fallen. Konrad hebt ihn auf und reicht ihn ihr. Sie stülpt ihn umständlich wieder über ihren Kopf.


Konrad: Wie schön ihr seid! Schöner noch als der Ruf, der euch voran geeilt ist.

Er lächelt ein wenig verlegen und küsst rasch ihre Hand. Werner räuspert sich und begibt sich in die Mitte des Kreises, den die edlen Damen und Herren gebildet haben.



Werner: Meine lieben Freunde! Heute habe ich euch etwas, nein, jemanden mitgebracht, einen Import aus Rüdesheim! Es ist Angela, die Tochter meines jüngst verstorbenen Freundes – Gott hab’ ihn selig. Wir werden uns um sie kümmern müssen. Ach Quatsch, nein, wir wollen uns gern um sie kümmern, damit sie sich hier auf der Burg Sterrenberg wohl fühlt. Noch sind wir in tiefer Trauer. Wir vergießen Bächer, Flüsse, Seen von Tränen über den Tod unseres Freundes. Ich bitte euch um einen herzlichen Willkommensgruß. Herzlich willkommen, Angela! Wir werden dich trösten, lieben und in Ehren halten. Du wirst mir wie eine Tochter sein und Heinrich wie eine Schwester. Sie lebe hoch, hoch, hoch, und so weiter und so fort.

Alle: Sie lebe hoch, hoch, dreimal hoch!

Die Versammelten klatschen laut Beifall und erheben ihre Gläser, um einen Toast auszubringen. Der Haushofmeister eilt herbei und schüttet Wein in die erhobenen Gläser.


Alle: Ein Toast auf Angela!

Angela tritt nach vorn, um sich zu bedanken. Sie hat den Schleier tief in das Gesicht gezogen, trippelt auf der Stelle, sagt aber kein Wort. Dann hebt sie kurz den Schleier und blinzelt in die Runde. Es geht ein lautes Aah! des Erstaunens durch die Runde. Angela errötet und zieht den Schleier wieder vor‘s Gesicht. Pause. Stille.


Werner: Nun gut, die Begrüßungszeremonie ist beendet. Wir kommen jetzt zum offiziellen Teil des Tages. Ich bitte euch, mir in den Speisesaal zu folgen. Ihr wisst ja, wie immer, schön zu zweit.

Der König schaut Angela an und reicht ihr seine Hand.



Werner: Darf ich bitten!?

Wieder spielt ein Song einer bekannten Gothicgruppe auf. Konrad reibt sich immer noch die Augen und trottet hinter Werner und Angela her.


Heinrich: Hey du, hast du nicht was vergessen?

Konrad blickt sich kurz um, geht dann zurück und reicht seinem Bruder Heinrich die Hand.



Kornad: Darf ich bitten!?

Heinrich: Oh, mein Gott!

Heinrich sieht jetzt sehr verärgert aus und Konrad grinst unverschämt.


Heinrich: Was grinst du denn so! Du sollst hier nichts nachmachen, sondern tun, was sich ziemt.

Konrad: ironisch

Oh, was sich ziemt...Und was ziemt sich denn, das, was euch passt, nicht wahr?

Ruckartig ergreift er die Hand seine Bruders und schleift ihn hinter sich her. Heinrich stolpert mehrmals, während er ihm widerwillig folgt. Die edlen Damen und Herren lachen.


Heinrich: Du hast mich lächerlich gemacht. Das wirst du mir büßen.

Konrad: Ich euch lächerlich gemacht! Ihr habt euch selbst lächerlich gemacht, weil ihr mich wie einen Hund behandelt. Schaut euch doch um! Dann werdet ihr sehen, dass man euch und nicht mich auslacht.

Heinrich: Das ist deine Schuld! Du machst uns alle lächerlich.

Konrad: Ihr macht euch selbst lächerlich durch das, was ihr tut und wie ihr mich behandelt. Und wieso duzt ihr mich? Ihr habt mir das Du doch gar nicht angeboten. Wie den letzten Dreck behandelt ihr mich. Was bleibt mir anderes übrig, als mich zu wehren!

Konrad wirft einen Blick ins Publikum, offensichtlich, weil er auf Beifall wartet. Die meisten der edlen Damen und Herren nicken zustimmend, einige andere schütteln den Kopf oder zucken die Schultern.


Heinrich: Okay, du hast gewonnen. Der wahre Grund ist doch, dass du nicht an uns glaubst, an unsere Tradition, meine ich. Ich kann verstehen, dass du dir nicht viel daraus machst, weil sie dir nichts einbringt. Deshalb will ich dir verzeihen, aber nur dieses eine Mal.

Konrad: Ich glaube an Veränderung, an neue Ideen, das Licht am Horizont und am Ende des Tunnels. Ich glaube an den göttlichen Funken, die Eingebung und natürlich an die Liebe.

Konrad schleicht sich von hinten an Angela heran, stellt sich vor sie hin und versperrt ihr den Weg. Sie bleibt stehen und Konrad kniet vor ihr nieder.


Konrad: Ihr seid ein Stern am Himmel, der leuchtet wie ein Diamant.
Ihr seid einzigartig, extra, extraklug, extrastark, extraschön, extraordinär.
Ihr seid so schön wie eine Blume, die blüht das ganze Jahr.
Euer Haar ist wie Gold, der Glanz in euren Augen wunderbar.
Ihr seid das Haar in der Suppe, das Gelbe vom Ei,
Ihr seid wie eine Barbiepuppe, frech, fromm, fröhlich, frei.
Ihr seid die Eine unter den Frauen, die nicht wie die anderen ist.
Ihr seid der Morgen, der Abend und die Nacht.
Ihr seid.....Ihr seid.....

Konrad weiß nicht mehr, wie er fortfahren soll. Also steht er wieder auf, nimmt Angelas Hand und zieht sie hinter sich her ins Innere der Burg. Angela ist ziemlich verdutzt. Ein Raunen geht durch das Publikum und Heinrich beißt sich auf die Lippen. Der König ruft die Wachen.




Akt II, 4. Szene



Es ist Frühling. Allenthalben ist Vogelgezwitscher zu vernehmen. Die Spaziergänger im Burghof unterhalten sich leise. Die Atmosphäre spiegelt den Lebensstil der edlen Damen und Herren, der von einer “unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ geprägt zu sein scheint. Mal ist ein Kichern, mal lautes Lachen oder leises Flüstern zu hören. Angela erscheint.


Angela: Was für ein herrlicher Tag! Die Sonne lässt meine Lebenssäfte schneller fließen. In meinem Körper ein fröhlich-frisches Durcheinander. Ich fühle mich beschwingt, möchte laufen, springen, tanzen.....

Sie dreht sich im Kreis herum und tanzt dabei. Konrad erblickt sie und geht auf sie zu.



Konrad: Einen wunderschönen Morgen, meine Frühlingsblüte.

Angela: lächelt

Oh, Konrad. Fühlst du dich auch so leicht und beschwingt? Schau, die Sonne, sie scheint strahlend hell vom Himmel und blendet mich mit ihrer überwältigenden Schönheit.

Konrad: Die Sonne ist lange nicht so schön wie ihr, mein Fräulein. Eure Schönheit strahlt über den Hof hinaus in die Welt. Sie reflektiert den Sternenhimmel und wandert durch alle Kontinente. überlegt

Zumindest bis nach Afrika.

Angela: Eure Komplimente lassen mich erröten.

Konrad: Ich sage nur die Wahrheit, meine Teure, denn eure Schönheit inspiriert mich zu diesen Worten.

Angela: Ich hätte euch solche Worte niemals zugetraut. Ihr wirkt so rau und unerfahren.

Konrad: mit Nachdruck

Jung und unerfahren, ja, das bin ich wohl. Unter meiner rauen Schale jedoch findet sich ein sanfter Kern. Schaut euch diesen Baum an.

Konrad geht auf einen Kirschbaum zu, der in voller Blüte steht und pflückt eine der wenigen bereits vorhandenen Kirschen. Diese hält er Angela hin. Dann beißt er hinein und verzieht das Gesicht.


Konrad: Seht, die Kirsche, das bin ich. In der fleischigen Hülle und dem leckeren Saft, igitt, steckt ein harter Kern. Er ist hart und stark wie ein Diamant. Genau wie ich. Das erbte ich von meinem Vater, wie mein Bruder Heinrich. Nur hat der ein anderes Gemüt. Er ist ruhig und oft so traurig. Ich bin heiß wie ein Italiener. Mein Temperament ist aufbrausend. Mein Element ist das Feuer.

Angela: Und mein Element ist das Wasser, denke ich. Ich schwimme gern. Das mag der Beweis sein. Nun bin ich allerdings vom Sternzeichen her weder Wassermann noch Fisch, sondern Skorpion. Und was für ein Sternzeichen bist du?

Konrad: Mmh, ich glaube ich bin Schütze, aber sicher bin ich mir nicht. Warum?

Angela: Ich überlege gerade, ob Schütze und Skorpion zusammenpassen.

Konrad: Keine Ahnung. Aber das ist doch nicht so wichtig. Ich glaube an die Liebe auf den ersten Blick. Als ich euch das erste Mal sah, traf Amor mich mitten ins Herz. Es war wie ein Blitzschlag.

Angela: Das ist mir nicht entgangen. Ihr seid vor mir auf die Knie gefallen. Und dann habt ihr..... ein Liebesgedicht vorgetragen.

Konrad: Weil ihr meine Muse seid. I feel good, sagte der Hund und schlug Purzelbäume.

Angela: And I knew that I would. Ja, das kenne ich. Ich erinnere mich aber nicht mehr genau, wo ich das schon mal gehört habe. Ich muss sagen, du hast mich ganz schön beeindruckt. Seit diesem Tag habe ich ständig so ein Kribbeln in meinem Unterleib, wenn ich dir begegne.

Konrad: Das ist Sex.

Angela: mit Empörung in der Stimme

Also, hör’ mal, das ist nicht Sex, wenn überhaupt, dann.....

Konrad: Ja, was denn?

Angela: Ist das etwa Liebe?

Konrad: Sorry, wenn ich dir zu nahe getreten bin. Aber ich habe nun mal nachts feuchte Träume und denke daran, wie es sein wird, wenn ich endlich eine Kanonenkugel abschicken kann.

Angela: errötet

Eine ... Kanonenkugel...abschicken?

Konrad: Sei doch nicht so schrecklich prüde. Du bist doch nicht wie eine von den Tussis, mit denen mein Vater herumhängt und die sich zu Tode langweilen!

Angela: Ihr seid mir wirklich ein wenig zu direkt.

Konrad: Na und, lieber direkt und eindeutig als heuchlerisch und doppeldeutig. Ich spreche nicht mit gespaltener Zunge, sondern sage, wie vorhin bereits erwähnt, die Wahrheit.

Angela: den Tränen nahe Oh, oh, oh, welch grobe Worte für mein zartes Ohr!

Konrad: Wie ihr meint, dann werde ich eben ein wenig rücksichtsvoller und behutsamer mit euch umgehen. Ich fange noch einmal von vorn an und küsse euch auf die Wange.

Konrad gibt Angela einen Kuss auf die Wange, woraufhin Angela ihn ohrfeigt. Konrad hält sich mit Schmerz verzehrtem Gesicht die Wange und schaut Angela verblüfft an. Dann lacht er und rennt lachend davon.



Konrad: Diese Weiber! Es soll mir mal jemand erklären, was die eigentlich wollen!

Heinrich

erscheint

. Er geht langsam auf die etwas verstört wirkende Angela zu. Er hält, wie stets, seinen Blick gesenkt.



Heinrich: Tag, Angela. Wie ich sehe, geht es euch gut.

Angela: Ja, geht so. Ich freue mich darüber, dass die Sonne scheint. Ich liebe die Vögel, die Bäume und natürlich auch euch.

Heinrich: Jetzt wo ihr es sagt, es ist tatsächlich Frühling geworden. War mir noch nicht so bewusst.

Angela: Euer Bruder war eben noch hier. Jetzt ist er wieder weg.

Heinrich: Typisch Konrad, kaum ist er da, schon ist er weg.

Angela: Mir scheint, ihr haltet nicht viel von eurem Bruder.

Heinrich: seufzt

Ach, wenn ihr wüsstet, was mein armer Vater schon mit ihm durchgemacht hat. Dann würdet ihr meine Haltung ihm gegenüber verstehen.

Angela: Wie steht ihr denn zu Konrad?

Heinrich: Konrad ist ein Hitzkopf. Er hat immer Tausende von Ideen im Kopf, und täglich plant er eine neue Missetat. Konrad ist auch ein Trotzkopf. Er trotzt den höfischen Sitten und unserer Tradition. Und schließlich ist er ein Eigenbrötler. Er macht, was er will und wie ihm gerade zumute ist.

Angela: Ich verstehe. Allerdings muss ich zugeben, dass er mich ganz schön verwirrt hat. Und ich fühle mich vor den Kopf gestoßen.

Heinrich: Er brüskiert alle und jeden, auch die, die es gut mit ihm meinen. Ich erinnere mich nicht, dass er jemals in seinem Leben vernünftig war.

Angela: Jaja, die Stimme der Vernunft! Nicht jeder kann sie hören. Da, wo die Vernunft versagt, regiert das Chaos.

Heinrich: So ist es! Ein Chaot ist er. Und darum ist er auch zum Herrschen nicht geeignet. Ein Königreich braucht Ordnung und klare Regeln, an die sich alle halten, Herrscher wie Untertan. Sonst geht die Macht der Mächtigen verloren, und die Untertanen weigern sich, uns zu gehorchen. Doch was ist ein Herrscher ohne sein Volk?

Angela: Und was ist ein Volk ohne seinen Herrscher? Das Volk braucht den König, denn sonst wissen sie nicht, was sie tun.

Heinrich: Ihr seid ein schlaues Mädchen. Ihr habt verstanden, dass der König bestimmen muss, welche Aufgaben seine Untertanen haben.

Angela: Hoch lebe der König!

Heinrich: Ein Hoch auf meinen Vater! Sein Motto sind Brot und Spiele. Seine Großherzigkeit ist weit und breit bekannt. Seine Untertanen sind zufrieden. Last und Lust, Lust und Last sind die Pfeiler der Macht. Nach der Arbeit das Vergnügen, und ein guter Wein am Abend ist erquickend und labend. In Maßen genießen ist gesund und hilft das Leben zu meistern. Das Maß aller Dinge aber ist unser König.
Mein Bruder Konrad jedoch lebt nicht recht. Er liebt die Extreme. Immer geht er zu weit und kennt keine Grenzen. Gott sei dank kriegt er auch nicht den Thron. Den kriege ich.

Heinrich reckt sich und hebt seine Arme gen Himmel.



Heinrich: Gott, gib’ mir die Kraft, mein Amt nach gutem Wissen und Gewissen auszuüben und hilf’ Konrad dabei, den rechten Weg zu finden.

Angela: beeindruckt

Oh, ihr seht wirklich wie ein echter Königssohn aus. Pause. Und wie steht es mit der Liebe? Dieser ..... Himmelsmacht?

Heinrich sinkt in sich zusammen und blickt verschämt zu Boden. Dann richtet er sich wieder zu voller Größe auf.



Heinrich: Für die Liebe ist immer noch Zeit, später. Aber zuerst muss ich lernen, ein guter Herrscher zu sein. Ich muss mein Volk überzeugen, dass ich es kann, und dann.....

Ein wenig sorgenvoll schaut er Angela an.


Heinrich: Ihr gefallt mir gut. Aber was ist das, die Liebe? Ich kannte keine Mutterliebe. Meine Mutter ist schon lange tot. Mein Vater liebt mich auf seine Weise. Ehrlich gesagt, ich kann nicht lieben, auch euch nicht, Angela. Es tut mir leid.

Angela wirkt betroffen. Dann zuckt sie die Achseln.



Angela: Lassen wir das Thema. Ich glaube, dass ich euch auch nicht liebe. Ihr beeindruckt mich sehr mit euren klugen Reden. Ich habe Respekt vor euch, manchmal auch Furcht. Seht, wie die Sonne schön scheint und hört, wie die Vögel schön zwitschern. Ihr habt Recht, es gibt Wichtigeres, als über die Liebe nachzudenken. Sie ist vergänglich wie eine Blume, sie kommt und geht, und im Augenblick des höchsten Glücks steht schon das Ende bevor.

Heinrich: Das würde ich nicht so sehen. Die Liebe kann eine starke Macht haben, aber sie darf niemals stärker sein als die Macht des Königs. Du bist eine Dienerin dieser Macht, vergiss das nicht. Und sei auf der Hut, wenn dir einer den Kopf verdreht.

Angela errötet. Sie will noch etwas sagen, entschließt sich aber, es nicht zu tun und geht wortlos ab.




Akt II, 5. Szene



Auf Burg Sterrenberg herrscht wieder einmal geschäftiges Treiben. Die Fanfaren erklingen, um die Ankunft der Kreuzritter einzuleiten, allen voran Graf Rotz von Katz und Graf Trotz von Maus. Es werden Sitzgelegenheiten bereit gestellt, und das Gesinde eilt umher und bringt Geschirr, Töpfe, Pfannen und Besteck herbei. Der Hofstadel nimmt Platz und der Haushofmeister erscheint.



Haushofmeister: Verehrtes Publikum! Ich habe heute die Ehre, den Besuch der Herren Rotz und Trotz von Katz und Maus anzukündigen. Diese werden die Herren auswählen und benennen, die an den Kreuzzügen teilnehmen werden.

Die Fanfaren ertönen ein zweites Mal und die Herren Rotz und Trotz erscheinen zu Pferd. Hinter ihnen die bereits ernannten Kreuzritter zu Fuß und zu Pferd. Der König tritt auf, in Begleitung seiner beiden Söhne. Sie nehmen die Ehrenplätze ein und die Kreuzritter stellen sich vor ihnen auf. Die Herren Rotz und Trotz halten ein Kreuz hoch.


Rotz: Wir begrüßen eure Hoheit im Namen des Herrn Jesus Christus, für den wir diese Reise unternommen haben. Er hat uns hierher geführt, damit wir diejenigen unter euch auswählen und benennen können, die sich unserem Ziel und Zweck anschließen wollen.

Trotz: Wer reinen Herzens ist und dem Herrn Jesus Christus dienen möchte, durch Rat und Tat, der trete nun vor und reihe sich bei uns ein.

Konrad erhebt sich und stellt sich zu den anderen Kreuzrittern. Ihm folgen weitere Freiwillige.


Rotz: Wie ich sehe, mein König, habt ihr unter euch eine große Zahl edler Gemüter, die dem Herrn durch Rat und Tat dienen wollen. Und es gereicht euch zu besonderer Ehre, dass euer Sohn Konrad unter ihnen ist. Wir werden im Namen des Herrn, der für uns gestorben ist, bald in ganz Deutschland herumreisen, um alle zu bekehren, die noch nicht getauft sind, damit sie reingewaschen werden von der Erbsünde und in christlichem Gauben, der der einzig wahre Glaube ist, leben. So wollen wir nun aufbrechen, um die frohe Botschaft des Herrn Jesus Christus überall zu verkünden und zu verbreiten und auch notfalls mit dem Schwert zu verteidigen. Wir schwören, dass wir weder Tod noch Teufel fürchten werden; denn der Herr macht uns stark und mutig. Wohlan, ihr Krieger im Namen des Herren! Sagt eurer Hoheit Lebewohl und zieht in den Heiligen Krieg mit Kreuz und Schwert! Hoch lebe der König, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Abteilung .....Marsch!

Die Kreuzritter setzen sich in Bewegung und marschieren davon. Der König erhebt sich, und gemeinsam mit den Söhnen und dem Hofstadel verlässt er den Hof.




Akt III, 1. Szene



Ein karg eingerichtetes Zimmer mit einem winzigen Bett und einem Guckloch als Fenster. Das Bett ist nicht gemacht und sieht ziemlich zerwühlt aus. Die Tapeten an der Wand sind hässlich und vergilbt und zum Teil abgerissen. Ein winziger Kleiderschrank, dessen Türen offen stehen, steht rechts an der Wand. Im Kleiderschrank hängen eine Hose und ein Hemd. An der linken Wand stehen ein Hocker und ein kleiner runder Tisch mit einer Kerze, die herunter gebrannt ist. Neben der Kerze ein Topf mit Wasser und ein Becher. Über dem Tisch hängt ein Poster mit einer Abbildung des Kölner Doms.
Konrad betritt das Zimmer. Er hat jetzt langes Haar, das zu einem Zopf gebunden ist. Er ist unrasiert und trägt eine abgetakelte Hose und ein schlichtes Hemd. Trotz seiner offensichtlichen Armut wirkt er froh und gut gelaunt.



Konrad: Uff, was für eine Hitze! Der Sommer kam mir noch nie so heiß vor. Das liegt an der Stadt. Da staut sich die Hitze. Überall riecht es nach Schweiß und gebratenem Huhn. Antonios Eissalon hat Hochkonjunktur. Dort wird das original italienische Eis verkauft, es sind so kleine Kügelchen in bunten Farben. Lecker! Bei dem Gedanken daran läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich spüre den süßsauren Geschmack von Erdbeeren und Zitrone auf der Zunge. Diese Stadt ist ein Gaumenschmauß, ein Spectaculum besonderer Art. Um den Dom herum tummeln sich die Gaukler und Marktschreier mit ihren Waren aus aller Herren Länder. Heute gehe ich zum „Fahrenden Ritter“, eine tolle Kneipe neben dem Dom. Konrad zeigt auf das Poster an der Wand.



Konrad: Wüsste gern, wer das gemalt hat. Der Maler hat die Farben richtig getroffen und zeigt den Dom in voller Größe. Natürlich nicht wirklich! Ist ja nur ein Bild! Aber ich muss sagen, er ist imposant und stolz und unerschütterlich, der Dom, ein stolzes Bauwerk. Inzwischen bin ich schon eine ganze Weile hier, habe den Kreuzzug weiter ziehen lassen. Ohne mich kommen die sowieso besser klar. Ich werde, denke ich, noch ein Weilchen hier bleiben und mir eine Arbeit suchen, als Zimmermann.....

Konrad setzt sich aufs Bett und zieht seine Schuhe aus. Dann steht er auf und geht auf den Tisch zu. Dort schüttet er Wasser aus dem Topf in die Tasse. Er trinkt einen Schluck und verzieht angeekelt das Gesicht.



Konrad: Pfui, Teufel! Das Wasser schmeckt wie Urin. Wird Zeit, dass ich den Geschmack im Mund mit einem guten Glas Kölsch loswerde. Das schmeckt wenigstens. Dies hier kann niemand trinken, einfach unzumutbar.....

Konrad bückt sich und schaut unter das Bett. Dann zieht er eine Brotstange heraus, die schon angeknabbert ist. Er beißt hinein und verzieht wieder angeekelt das Gesicht.


Konrad: Ein karges Mahl ist besser als gar keins.

Konrad kaut ein wenig auf der Brotstange herum und spukt die Bissen aus.


Konrad: Nee, das kann kein Mensch mehr essen. Wie alt mag das Brot sein? Eine Woche bestimmt schon. Es ist sicher schon Schimmel daran.

Konrad inspiziert das Brot von allen Seiten. Dann wirft er es mit einem Ausdruck der Verachtung in die Ecke.



Konrad: In diesem Haushalt gibt es nichts zu essen und nichts zu trinken. Was ist das für ein Haushalt? Ein typischer Junggesellenhaushalt, vermute ich mal. Werde mir gleich erst mal eins von den gebratenen Hühnern beim Hühner-Hugo draußen holen. Konrad zieht seine Börse aus der Hosentasche und wirft einen Blick hinein. Na gut, dann eben ein halbes Hähnchen! Geld, Geld, immer nur Geld! Diese Stadt frisst mich auf. Help!



Pause



Konrad: Kein Wunder, dass überall Bettler herumstehen! Die pöbeln einen an, mich, der selbst ein Habenichts ist. Dabei bin ich doch ein Königssohn! Das ist wohl vorbei. zu sich selbst gewandt Ein schöner Königssohn bist du, Konrad! Jetzt bist du einer aus dem Volk, ein Massenmensch. Aber das hast du ja so gewollt. Du wolltest keine Extrawurst haben, kein Ausgewählter sein, sondern so wie alle anderen auch.
D‘rum verzichte ich auf meine Vorteile und stürze mich stattdessen ins volle Leben. Mit aller Konsequenz! Werde mich wohl als Zimmermann verdingen, denn Zimmerleute werden immer gebraucht. Dann kann ich endlich das tun, was ich immer schon wollte, nämlich helfen, den Dom zu bauen.

Konrad wirft noch einen Blick auf das Poster an der Wand.



Konrad: Die Unvollendete! Unvollendet und dennoch vollkommen, Zeugin der Ewigkeit!

Konrad hat einen schwärmerischen Ausdruck im Gesicht.



Konrad: Ich werde arbeiten, um das zu vollenden, was ein Zeichen für die Reisenden sein wird. Aber jetzt habe ich Bärenhunger und Riesendurst.

Konrad zieht sich die Schuhe an, fährt sich rasch durch‘s Haar und geht ab. Von draußen ist Straßenlärm zu hören, Getratsche, Geplapper, Geklapper, Geschrei und Pferdegeräusche. Ein Gewitter kündigt sich an durch Donnergrollen und kleine Blitze.




Akt III, 2. Szene



Im Lokal „Zum Fahrenden Ritter“ sitzen drei ältere Herren an der Theke. Sie prosten sich gegenseitig zu und trinken ihre Gläser in einem Zug leer. Konrad betritt das Lokal, und im gleichen Augenblick fangen die Gäste an zu singen.



Alle: Mir losse den Dom in Kölle, denn da gehört er hin. Wat soll der denn woanders, dat hat doch keenen Sinn.

Konrad wirkt überrascht. Ein wenig unbeholfen, stellt er sich neben die alten Herren an die Theke und lächelt verlegen.


Alle: Drink doch eenen mit, stell‘ dich nit so an, du stehst hier die ganze Zick herum. Haste auch keen Jeld, dat is janz ejal, trink doch mit und kümmer‘ dich nit drum.

Einer der älteren Herren, ein Grauhaariger mit Pferdeschwanz, tritt auf Konrad zu und legt den Arm um seine Schultern.


Grauhaariger: Naa, Jong, wat drinken wir denn? Zum Wirt Hee, Köbes, en Kölsch und en Schabau für unsere jonge Krött hier! Wo kümmst du denn her? Du bist doch keen Köl‘sche Krött, oder?

Konrad schüttelt den Kopf und lächelt verlegen.



Konrad: Ich komme von der Burg Sterrenberg.

Grauhaariger: Ach wat! Biste Koch oder so wat?

Konrad: Nein, ich bin der Sohn des Königs und war zuletzt bei den Kreuzrittern. Aber ich bin abgehauen, weil ich andere Ziele habe.

Grauhaariger: sichtlich erstaunt

Oi, ne echte Königssohn. Laut Hey, Männer, ratet mal, wer hä es!

Die alten Herren sehen von ihren Gläsern auf und blicken Konrad an.



Grauhaariger: Hä es ne echte Königssohn.

Die Männer blicken erstaunt drein. Dann laut

.

Alle: Oooooh! Aaaaah!

Grauhaariger: Dat hätt ich für mein Levve nich jejlöbt, dat ich mal nen echten Königssohn treffen würde. Aber ich bitte eure Hoheit um Verzeihung, dat ich mich noch nicht vorgestellt hab‘, ming Name is Gabriel und für meine Freunde bin ich Gandalf der Graue,..... wegen de Haare.

Der Grauhaarige verbeugt sich kurz, erhebt sich wieder und schüttelt dabei seine Mähne.



Grauhaariger: Und nu‘ erzähl mal, warum du nicht mehr bei den Kreuzrittern bist.

Konrad: Das ist eigentlich schnell berichtet. Denn ich bin in Wahrheit nur bei den Kreuzrittern, weil ich von der Burg Sterrenberg fort und eure Stadt kennen lernen wollte, von der ich schon viel gelesen und gehört hatte.

Grauhaariger: Soo, du bist also ne richtije Fan von unsere Stadt Kölle.

Konrad: Das kann man wohl sagen. Ich bin erst seit kurzem hier und es gefällt mir. Vor allem aber gefällt mir der Kölner Dom. Und ich habe vor, Zimmermann zu werden und an seinem Aufbau mitzuwirken.

Grauhaariger: An seinem Aufbau willst du mitwirken! Dat is nicht dein Ähnz, dat kann ja ewich dauern. Nicht wahr, Männer?

Alle: Ja, dat dauert ewich.

Konrad blickt fragend in die Runde.


Grauhaariger: Die Saach es , die Stadt hat irgendwann angefangen, die Bauaufträge zu vergeben, dann war wohl Streit oder so wat. Dat ging hin und her und nix tat sich mehr, am Dom meine ich, und dann haben sie eijentlich nicht mehr aufgehört. Die bauen und bauen und bauen. Wer weiß, wie lange dat noch jeht.

Alle: Wer weiß?

Konrad: Da komme ich ja genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich möchte nämlich dabei helfen, das Werk zu vollenden.

Der Grauhaarige grinst und bestellt sich ein weiteres Glas Kölsch. Das trinkt er in einem Zug aus.



Grauhaariger: Hee, Köbes, noch en Kölsch und en Schabau.

Pause

.

Grauhaariger: Fetz, janz ehrlich, dat funktioniert nit. Dat kriegste nit hin, watte da wellst.

Konrad: Wieso nicht?

Der Grauhaarige mustert Konrad von oben bis unten und trinkt hastig einen Schluck aus seinem Glas.



Grauhaariger: Du bist zu jong, und ich als alter Hase sag‘ dir, wo’s im Levve lang jeht. Glaub’s mir. Dat mit dem Dom es gut gemeint, aber.....Aber dat jeht nit so, wie du wellst.

Konrad: schaut betreten in sein Glas und denkt nach.

Pause

. Naja, ich gebe zu, dass ich wenig Erfahrung besitze. Aber das soll sich ändern. Ich will endlich etwas Sinnvolles tun. Der Kreuzzug, wissen Sie, ist nicht sinnvoll. Zu viel Leid, zu viele Tote! Und bekehren lässt sich heutzutage auch keiner mehr. Die Leute lachen uns aus, wenn wir mit unseren schweren Rüstungen daher kommen. Die denken, guckt euch die an, die schwitzen und beten und tun gar nichts. Am Hofe lungern sie den ganzen Tag herum und zählen Schäfchen. Und jetzt kommen sie angeritten und machen die Gegend unsicher. Wenn sie auf ihren Burgen geblieben wären, hätten wir unsere Ruhe. Warum sollen wir an Gott glauben, wenn er uns im Stich lässt?

Grauhaariger: Es dat wahr, die Leute denken, dat ihr solche Knallköppe seid? Nee, Jong, die han bloß Schiss, sonst nix.

Konrad: Das mag sein. Aber für mich hat das alles keinen Sinn. Deshalb bin ich abgehauen und stehe nun hier am Tresen.

Grauhaariger: Und am Beginn deines Lebens, will mir scheinen. Du hast sicher die richtige Wahl getroffen, weil es deine eijene Entscheidung war, hier zu bleiben. Dat Wichtigste im Leben es, dat man seinem eijenen Wellen folgt. Des Menschen Welle ist sein Himmelreich heißtet. Wa, Männer?

Der Grauhaarige prostet den alten Herren zu. Diese prosten zurück.




Akt III, 3. Szene



Eine junge Dame betritt das Lokal. Sie ist groß, hat langes schwarzes Haar und ein braun gebranntes Gesicht. Sie trägt ein schwarzes langes Samtkleid, das in der Taille eng geschnürt ist, um eine Wespentaille vorzutäuschen. Auf dem Kopf trägt sie einen breitkrempigen Hut mit einer schmucken Feder. Ihre Gesichtszüge sind zart, aber sie hat einen herben Zug um den Mund. Dabei wirkt sie sehr ernst. Vermutlich ist sie Ausländerin, obwohl sie den Köl‘schen Dialekt spricht. Wahrscheinlich stammt sie aus einem südlichen Land Europas, Italien, Spanien, vielleicht auch Griechenland. An den Füßen finden sich spitze hochhackige Schuhe, mit denen sie langsam zur Theke schreitet. Die Männer schauen sie mit offener Bewunderung an. Es ist mucksmäuschenstill. Die Dame lächelt.



Schöne: Guten Abend, meine Herren. Alles klar, ihr Kääls?

Die alten Herren nicken erfreut. Der Grauhaarige tritt vor und verbeugt sich. Dann nimmt er die Hand der Schönen und küsst sie.


Grauhaariger: Bella Donna, darf ich’s wagen, Arm und Geleit euch anzutragen? Hey, Köbes, ein Kölsch und nen Schabau für dat lieve Mädche. Komm her zu mir und lass‘ mich dir ming jongen Fründ vorstellen.

Konrad dreht sich um und erblickt die Schöne.



Konrad: begeistert

Oh ja, kommt her zu mir. Oh, ihr riecht so gut. Ist es Lagerfeld, Boss oder Gucci oder seid ihr es gar selbst? Euer natürlicher Duft, und dieses schöne Kleid, wie hübsch, es betont eure Figur. Wo habt ihr es erstanden?

Schöne: Ach, Dummerchen, wat globste wohl, wo ich dat Kleid jekauft han? Secher nich bei C & A. Nöö, ich kof mir jar nix, dat kriej ich alles jeschenkt, von so riche Dropjänger, die jibbet hier überall.

Grauhaariger: Verzeiht meines jungen Freundes Naivität. Er ist nicht aus der Großstadt, war früher bei den Kreuzrittern und will jetzt ein Handwerk erlernen. Stimmt doch, Jong?

Konrad: Ja, das stimmt. Ich möchte bei der Fertigstellung des Doms helfen.

Konrad lächelt freudig. Die Schöne lacht affektiert und reicht Konrad ihre Hand zum Kuss. Etwas unbeholfen küsst er sie.



Schöne: Wat für ne Schande, da will sonne Jong sing Buckel für ne olle Kerch krumm arbeide. Lass dat mal, sach ich dir. An dem haben schon janz andere Mannslück jebrasselt. Hä sing alle auf keenen jrünen Zweig gekommen.

Konrad: ein wenig enttäuscht

Ich dachte immer, der Dom sei das Wahrzeichen von Köln.

Schöne: Ha, dat einzige Wahrzeichen von Kölle is dat hier. Sie zeigt auf das Glas Kölsch des Grauhaarigen. Hey, Köbes, gib mir auch so‘n Wahrzeichen, Und nen Schabau, haha. zu Konrad Na Kleener, wenn du nich von hier bis, wo kümmste dann her?

Grauhaariger: Wat globste wohl, wer dat is? Dat is ne rischtije Königssohn von der Burg Sterrenberg am Rhing.

Schöne: Oh, dat kann ich nit jloben! Ne Königssohn, und noch so‘n scharmanter dazu!

Die Schöne stellt sich vor Konrad und mustert ihn von oben bis unten. Dann lächelt sie, wirft ihren Kopf in den Nacken und streckt ihm ihre vollen Brüste entgegen.



Schöne: Ja, da staunste, wat? Bes wohl noch ne richtije Jungfrau! Och nöö, jetzt wird dä Jong knätsch rot.
Die Schöne streichelt ihm zärtlich über die Wange und hakt sich bei ihm ein.



Schöne: Komm, lass us danze.

Im Hintergrund ertönt die Titelmusik von „Zorba the Greek“. Die Schöne tanzt den Tsirtaki und zieht Konrad mit sich. Dieser versucht ein paar unsichere Tanzschritte, gibt dann aber auf und schickt sich an, zur Theke zurück zu gehen. Aber die Schöne lässt ihn nicht los und zeigt ihm ein paar Schritte. Das Ganze wiederholt sich mehrere Male, bis die Musik aufgehört hat zu spielen. Die alten Herren klatschen Beifall.



Alle: Bravo, Zugabe, super!

Grauhaariger: Jetzt weßte, wie man Tsirtaki tanzt. Dat is ja doll. Wat danzt man denn so bei üch?

Konrad: ein wenig außer Atem

Bei Hofe tanzen wir den traditionellen Hofstadeltanz nach der Musik der königlich-hoheitlichen Garde. Das heißt, das Gesinde tanzt, aber der König und wir beiden Söhne eigentlich selten.

Grauhaariger: Huhstapler! Dafür kannste jetzt pusseeren. Helena macht dat jot. Sie hat us allen das Danzen beigebracht. Und auch noch ein paar andere nette Saach.

Der Grauhaarige zwinkert Konrad zu, umarmt die Schöne und drückt ihr einen dicken Kuss auf die Wange.



Grauhaariger: Na, wie wär‘s mit uns beiden Hübschen? Voulez-vous coucher avec moi ce soir?

Die Schöne lacht laut auf. Dann geht sie auf Konrad zu und umarmt ihn.


Schöne: Ich bin mööd. gähnt laut Draußen ist es dunkel, bald is es Naach. Biste so leev, mich nach Hause zu begleiten? Ich han Schiss für de Donkelheit.

Pause

.

Konrad reicht ihr seine Hand. Hand in Hand verlassen die beiden das Lokal.


Schöne: beim Hinausgehen

Gute Nacht, meine Herren, schlafen Sie gut. Ich liebe euch ahle Säcke, aber heute möchte ich mal was Jonges, Frisches ausprobieren.

Laut lachend gehen die beiden ab. Es erklingt noch einmal das Lied von „Zorba the Greek“. Die alten Herren lachen schallend.




Akt III, 4. Szene



Konrads karg eingerichtetes Zimmer. Konrad und die Schöne liegen eng umschlungen auf dem winzigen Bett. Es ist Mittag. Durch das winzige Fenster an der Decke scheint die Sonne. Das Lied „Under my Roof“ von Bob Marley erklingt. Die beiden werden allmählich wach, recken und strecken sich und versuchen dabei, nicht aus dem Bett zu fallen. Dann richten sie sich gleichzeitig im Bett auf.


Konrad: Was für eine geile Nacht! Komm her und lass dich küssen.
Ach, ich habe einen dicken Schädel. Zu viel getrunken, glaub ich, ich fürchte, ich bin total kaputt.

Schöne: Ich hab‘ auch Kopping, Hätzblättche, un jet ärme Dierche. Dat Fisternöllje maach mich rammdösisch. Ich han en Mömmes in de Nas. Wo is dat Kackhüsje?

Konrad: Nein, warte. Zögert

Das habe ich nicht. Was jetzt?

Schöne: erstaunt

Dat is schad! Du machst mich raderdoll, du Undauch. Ich seh‘ aus wie ne ahl Möhn. Igitt! Man kann mich nit anluure. Ne Lampettekump haste och nit, oder? Ich könnt‘ knaatsche. Wat für’n Knieskopp biste denn?

Konrad: So ist es. Aber du siehst wunderschön aus, auch ohne diesen Firlefanz. Warte einen Augenblick.

Konrad steht auf und holt einen kleinen Kamm aus dem Kleiderschrank, dessen Türen immer offen stehen.



Konrad: Hier, bitte.

Schöne: Wat soll ich damit? En Jekros es dat hier, in ding Kaschemme. Du müsstest mal oprüme. Schamme solltest du dich.

Konrad: Ich gebe dir meinen Kamm. Hier, bitte!

Schöne: Du bist mir vielleicht en Schnokefänger! Meenste, ich wüsste nit, wat en Kamm es? Hilfe, dä Unseneinskamm es ja knüselich. Da stecken Haare drin. Du wellst mich verkackeiern. Haste ne Böösch? Nee? Dat darf doch nit wohr sin! Wat maachste für Fiesematentche?

Konrad : errötet

Ehrlich gesagt, ich wasche mich nur ab und zu. stottert Naja, ich bin halt nicht gerade reich. Aber dafür habe ich alles, was ich brauche.

Schöne: Wat, keene Moneten? Hast wohl alles versuffe oder verpäutzt, wa? Oder ticktste nit richtich im Ovverstüvje? Soll ich etwa bei ding Nohber nohfroge?

Konrad: Entschuldige bitte tausendmal. Ich denke, es wird das Beste sein, dich mit an den Hof zu nehmen. Da kannst du baden, so oft du willst.

Schöne: An den Hof, welchen Hof? Wat biste für ne finge Kääl?

Konrad: Du hast das gestern richtig verstanden. Ich bin tatsächlich ein Königssohn.

Schöne: Un ich könnt quaatsche, Schnökefänger. Ich han schon viel jelore in ming Levve, han viele Mannslück gekannt. Hä Dummköppe redden und redden. Aber du bes der schlimmste Schwaadlappe, den ich bis jetzt jeloore han. Quängeleere willste mich…

Konrad: Apropos Krone! Die gehört übrigens meinem Vater, und später kriegt sie mein Bruder, weil er der Ältere ist. Aber ich gehöre zu ihnen und bekomme alles, was ich will. Das kannst du mir glauben!

Pause

.

Schöne: Na gut, wo wohnt denn ding Bap und hä Sippschaf? Es dat fän von hier?

Konrad: Nein, eigentlich nicht. Ich bin mit den Kreuzrittern hergekommen und morgen werde ich mit ihnen zurückkehren. Denn ihre Mission ist beendet, so einfach ist das.

Schöne: Wat für’n Gebrabbel is dat denn?

Konrad: Kennst du die Kreuzritter denn nicht?

Schöne: Klar kenn‘ ich die. Ich hatte mal en Fistermöllje mit so einem. Wat war noch sing Nom? Ach, es ja ejal. Erst wollt‘ er mich bekehren und dann an ming Hingerquarteer, hä Föttjesföhler.

Konrad: Das kann ich mir denken. Also, kommst du nun mit mir oder nicht?

Schöne: Na, gut. Aber erst mach‘ ich ne Promenad in de Sunn. Un dann ess ich en Levverwooschbrötje oder en Mettbrötje, als Millesing gegen ming Malätzichkeit. Ich han Pädshunger. En paar Quallmänner wär’n och nit schlecht.

Konrad: Heinrich heißt mein Bruder. Er ist gut und edel, und du lässt deine Finger von ihm, hast du verstanden?

Schöne: Dat Jedöns von ding Jewatt maach mich janz iggelich.

Konrad: Es stimmt aber. Ich bin ein Königssohn. Und ein Königssohn redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Also, was wollte ich fragen, ach ja, willst du jetzt noch ne Nummer schieben?

Schöne :entrüstet

Ne Nummer schieben, nee, dat haste vermasselt. Pusseeren is am Meddach zu afjeschmack. Despektierlich es dat.
Konrad schwingt sich rasch aus dem Bett, zieht sich an und verlässt wortlos das Zimmer. Die Schöne bleibt mit offenem Mund und unbeweglich im Bett sitzen.


Akt IV, 1. Szene



Auf dem Hof der Burg Sterrenberg herrscht wieder einmal geschäftiges Treiben. Die Rückkehr der Kreuzritter steht bevor, und die Vorbereitungen für die Empfangsfeierlichkeiten sind in vollem Gange.
Angela betritt den Hof.


Angela: Endlich werde ich ihn wiedersehen, meinen Geliebten. Oh, wie habe ich ihn vermisst. Meine Sehnsucht wuchs mit jedem Tag, an dem er fort war, und ich hatte ununterbrochen schlaflose Nächte. Schweiß gebadet wachte ich nachts auf, von bangen Träumen verfolgt. Nicht selten tröstete mich sein Bruder. Er kümmerte sich liebevoll um mich. Auch er hat ihn vermisst, Konrad, my love. Nun kommt er zurück und ich bin schrecklich aufgeregt. Ich laufe durch das Schloss, ich laufe durch den Park. Ich bin total nervös. Alle hier am Hof sind nervös, aber vor allem ich. Warum hat er mir nie geschrieben? Warum kam nie eine Nachricht von ihm, kein einziges Wort?

Pause. Zu sich selbst.



Angela: Kann es sein, dass er mich vergessen hat? Oder vielleicht ist er gefallen. Nein, oh nein! Sie beginnt zu weinen. Nein, bitte sei nicht tot, bitte lebe, so froh und frei wie damals, als wir uns zum letzten Mal sahen. Ich werde ihn in meine Arme schließen und ihn mit Küssen überhäufen. Wir werden heiraten und für immer auf Burg Sterrenberg vereint sein.

Heinrich tritt auf.



Heinrich: Angela, da seid ihr ja. Ich habe euch schon überall gesucht. Wir müssen uns noch auf die Ankunft der Kreuzritter vorbereiten.

Angela: ein wenig irritiert

Vorbereiten? Wie, wo, was, warum?

Heinrich: Habt ihr das vergessen? Dummerchen, wo seid ihr mit euren Gedanken. Natürlich müssen wir uns vorbereiten. Mein Vater möchte, dass du ein Liedchen vorträgst. Ihr habt so eine schöne Stimme.

Angela: Oh nein, bitte nicht, ich bringe garantiert keinen Ton heraus.

Heinrich: Stellt euch doch nicht so an. Reißt euch ein wenig zusammen. Jeder soll auf seine Weise die Ankunft der Kreuzritter gebührend begrüßen. Oder habt ihr etwa Angst, euch vor meinem Bruder zu blamieren.

Angela: Nein, ich habe keine Angst vor Konrad. Aber ich bin zu aufgeregt. Ich werde den Text bestimmt vergessen, und das wäre furchtbar peinlich.

Heinrich: Auch ich bin nervös, zweifellos. Ich bin gespannt, ob mein Bruder sich inzwischen verändert hat. Sicher wird er vernünftiger geworden sein, nachdem er durch die harte Schule der Kreuzritter gegangen ist. Dann können wir endlich miteinander kommunizieren und er gibt nicht dauernd kontra.

Angela: Hoffentlich ist er nicht zu brav geworden. Dann wäre er zu ernst, und das Leben wird in Zukunft keinen Spaß mehr machen.

Heinrich: Also, meiner Meinung nach kann er nicht ernst genug sein. Zwar werde ich zukünftig die volle Verantwortung für Burg Sterrenberg übernehmen, aber ich könnte meinen Bruder als Assistenten gut gebrauchen. Ich bin sicher, dass seine Mitgliedschaft bei den Kreuzrittern als erzieherische Maßnahme gewirkt hat.

Angela: sichtlich erbost Ihr sprecht über euren Bruder, als ob es euch überhaupt nicht interessiert, was er will. In euren Augen ist er nur ein Handlanger eurer Macht. Ihr wollt ihn nur als Assistenten einsetzen, damit er euch zu Diensten ist. Das finde ich – ehrlich gesagt – ziemlich traurig.

Heinrich: So ist es nun einmal vorgesehen. Der Ältere muss herrschen und der Jüngere wird seine rechte Hand.

Angela: Das passt aber gar nicht zu Konrad. Er hat einen eigenen Willen und wird sich bestimmt nicht von den Kreuzrittern beeinflussen lassen. Ich liebe ihn, so wie er ist. Ich liebe seine Offenheit, seinen Witz und seinen Charme. Dass er euch dienen wird, glaube ich nicht.

Heinrich: seufzt, von oben herab Ach, Dummerchen, ihr habt wirklich keine Ahnung, was am Hofe los ist.

Angela: sichtlich verärgert

Nennt mich nicht immer „Dummerchen“. Ich bin schon lange genug am Hofe, um zu wissen, wie das hier so läuft. Und außerdem gehe ich jetzt lieber, denn ich bin schon ganz wütend durch euer Gerede.

Heinrich: Geht doch, Dummerchen, und kümmert euch um eure Angelegenheiten. Halt! Heinrich durchwühlt seine Taschen und zieht schließlich einen Zettel heraus. Hier ist das Liedchen, das ihr vortragen sollt. Bis heute Abend ist noch genug Zeit, es einzustudieren. Das werdet ihr doch sicher noch schaffen, nicht wahr?

Angela entreißt Heinrich das Papier und eilt wutschnaubend davon. Pause.



Heinrich: Diese Weiber! Sie sind alle gleich. Kaum hat jemand ihnen den Kopf verdreht, schon glauben sie ihm alles, auch wenn er nichts taugt. Anstatt auf die guten Ratschläge eines wohl meinenden Freundes zu hören, hören sie auf ihr Herz und laufen in ihr Verderben. Ich habe alles versucht, ihr diesen Nichtsnutz auszureden, aber es ist nichts zu machen. Vermutlich denkt sie tagein, tagaus an ihn. Und dann soll ich ihr noch die Wahrheit vorenthalten. Sie ist dumm, das Dummerchen, und sie wird dümmer mit jedem Tag. Und jetzt kommt noch der Höhepunkt, Konrads Ankunft, und mit etwas Pech ist es mit Ruhe und Ordnung erst einmal vorbei.


Akt IV, 2. Szene



Die Kreuzritter nähern sich zu Ross und zu Fuß der Burg Sterrenberg. Sie wirken abgespannt und müde. Viele haben wegen der Hitze ihre Rüstungen abgelegt und wischen sich den Schweiß von der Stirn. Sie sind zerschlagen und zerschunden, bis auf eine Ausnahme. Konrad wirkt fröhlich, und an seiner Seite befindet sich die schöne Griechin, die er in Köln kennengelernt hat. Sie tanzen eng umschlungen inmitten der Kreuzritter und liebkosen sich. An der Burgzinne stehen Werner und Heinrich und winken ihnen zu. Nach einer Weile trifft auch Angela ein und gesellt sich zu ihnen. Doch sie wirkt ganz blass und steht dort unbewegt.



Werner: Seid gegrüßt, ihr fahrenden Ritter. Willkommen zu Hause. Ich nehme an, eure Mission war erfolgreich. Ihr seid gesund und vollzählig wieder zurück.

Die fahrenden Ritter verziehen das Gesicht und brummen etwas Unverständliches

.

Werner: Kommt her, um euch an herrlich leckeren Speisen zu laben, die wir für euch vorbereitet haben. Kommt her und lasst euch in die Arme nehmen, von Frau und Kind. Lange haben wir gewartet und gebetet, dass ihr heil zurückkehrt. Gott hat euch geholfen, weil wir gebetet haben, dass er euch die Kraft gibt, durchzuhalten und die Geduld, das Ziel zu erreichen. Ihr wart lange unterwegs unter dem Banner des Glaubens, mit dem edlen Ziel, die Ungläubigen zu bekehren, dass sie umkehren mögen zu Gott. Lasset uns beten. Gott, du Allmächtiger, wir danken dir für deine Langmut. Wir danken dir dafür, dass du uns diese wunderbaren Männer zurückgebracht hast.

Tja, nun habe ich gesprochen wie ein Pfarrer. Obwohl ich gar kein Pfarrer, sondern euer König bin. Aber ihr wart ja in meinem Auftrag unterwegs gewesen. Ihr habt sehr gut gearbeitet, weshalb ich einige Ehrenorden zu verleihen habe. Leider kann nicht jeder einen solchen Orden kriegen, sondern nur einige Auserwählte sollen diesen Orden stellvertretend für alle haben.

Pause

. Der Hofstadel, der inzwischen auch eingetroffen ist, klatscht Beifall. Allenthalben sind Hallo- und Willkommensgrüße zu vernehmen.


Heinrich: Ich schließe mich den Worten meines Herrn Vaters an und heiße euch Willkommen.

Angela schaut ein wenig verstört in die Menge der nahenden Kreuzritter, die sich nach und nach im Hofe aufstellen. Plötzlich fällt sie in Ohnmacht.


Heinrich: Oh Gott, da haben wir’s. Hätte ich doch nur dafür gesorgt, dass sie in ihrem Zimmer bleibt. Mir bleibt wirklich gar nichts erspart. Dieser verfluchte Konrad!

Heinrich kocht vor Wut. Es gelingt ihm nur mühsam, sich zu beherrschen. Einige Sanitäter eilen mit einer Bahre herbei und legen Angela darauf ab. Der König steht starr vor Schreck da und beobachtet das Geschehen, ohne eine Emotion zu zeigen. Er winkt einen Pagen herbei, der ihm einen Sessel bringt. Eine Dienstmagd kommt ebenfalls herbei und reicht ihm das Riechsalz. Schließlich wischt er sich mit einem riesengroßen Taschentuch die Stirn ab.


Werner: Oh, Gott, oh, Gott, womit habe ich das verdient? Was habe ich nur falsch gemacht? Dieser gottverdammte Bengel, diese Boshaftigkeit. Nichts als Flausen hat er im Kopf. Mit ist sooo schlecht, mir ist sooo schlecht. Ausgerechnet eine Schwarzhaarige aus dem Vorderen Orient bringt er mit nach Hause, eine Geisha. Mir bleibt auch nichts erspart.

Heinrich: Und unserer armen Angela auch nicht. Ganz krank ist sie vor Liebeskummer. Sie ist aber auch ein naives kleines Dummerchen. Woher soll sie wissen, dass Konrad keine Scham kennt, eine solche Nutte an den Hof zu bringen. Womöglich hat die Schlampe ihn nach allen Regeln der Kunst verführt.

Werner: Halt den Mund! Ich kann es nicht hören, kann es nicht ertragen. Oh, wie schäme ich mich für meinen missratenen Sohn. Hätte ich ihn doch beizeiten eliminieren lassen. Stattdessen wollte ich ihm noch eine Chance geben, sich bei den Kreuzrittern zu bewähren. Welche Ironie des Schicksals hat ihn dazu getrieben, sich mit so Einer einzulassen?

Die Kreuzritter haben sich schließlich auf dem Hof aufgestellt. Konrad fährt fort, seine Geliebte zu küssen. Er grinst, während sein Vater kocht vor Wut, sich aber dennoch zu beherrschen versucht.



Werner: Seid willkommen, meine Herren. Und du, Konrad, nimm gefälligst eine Haltung ein, die deiner Stellung gebührt. Aber zunächst einmal, antworte mir. Wer ist diese Frau?

Konrad: Diese Frau ist meine Geliebte. Ich liebe sie und wir werden heiraten.

Werner: schnappt nach Luft.

Nach einer Weile des Nachdenkens Nun gut, gegen Gottes Willen kann ich nichts tun, da bin ich machtlos. Aber ihr werdet meinen Segen nicht bekommen, sondern den Hof der Burg Sterrenberg verlassen.

Konrad: Aber, Vater, wo sollen wir denn hin?

Werner: denkt angestrengt nach

Ich denke, ich werde eine weitere Burg bauen lassen und sie Burg Liebenstein nennen. Darin könnt ihr wohnen, allerdings mit nichts als eurer Liebe. In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken, nicht wahr? Und nun verschwindet. Ihr will euch nicht mehr sehen.

Konrad und seine Geliebte verlassen Hand in Hand den Burghof.



Heinrich: Aber Vater, was ist in euch gefahren. Statt Konrad zu bestrafen, überreicht ihr ihm noch ein Geschenk.

Werner: Nun ja, ich weiß. Er ist immerhin noch mein Sohn. Ich sehe ein, dass ich gegen die Liebe machtlos bin. Er muss tun, was ein Mann tun muss. Es ist sein eigener Wille, diese Ausländerin zu heiraten. Und diesen Willen muss ich respektieren. Auch wenn es mir anders lieber gewesen wäre.....

Heinrich: Wie ihr meint, Vater. Ich respektiere selbstverständlich eure Entscheidung, obwohl ich es falsch finde, ihm auch noch eine Burg zu schenken.

Werner: Das ist die einzige Möglichkeit, ihm aus dem Weg zu gehen. Denn eure Wege gehen in unterschiedliche Richtungen. Du bleibst hier und wirst meine Geschäfte fortsetzen, und Konrad….. irgendwo muss er ja hin.

Heinrich: Vielleicht habt ihr Recht, aber da ist noch ein Problem. Ihr wisst, wovon ich spreche.

Werner: Ja, ich weiß, wir müssen uns um Angela kümmern. Du wirst sie trösten und ihr Beistand leisten. Das erwarte ich von dir.

Heinrich: Ich werde mir die größte Mühe geben. Doch liebt sie mich nicht.

Werner: schmunzelt

Nun, was nicht ist, kann noch werden. Warten wir es ab!


Epilog



Angela steht allein an der Burgzinne und blickt mit leeren Augen in die Ferne. Sie hat einen melancholischen Ausdruck im Gesicht. Sie wirkt traurig und gebrochen. Dann beginnt sie, im Raprhythmus zu singen.



Angelas Abgesang


Allein steh‘ ich hier,
Der Verzweiflung nah,
Oh weh, oh weh,
Am Abgrund gar .
In meinem kurzen Leben
Trieb mich Hoffnung voran,
Nie hörte ich auf zu beten,
Bis mein Geliebter
Mir die Hoffnung nahm.
Wie kannst du mich so quälen,
Die ich dir stets ergeben?
Du versprachst, mit mir zu leben
Und dich mit mir zu vermählen.
Gebrochen bin ich nun und leer,
Um mich herum schwarze Nacht,
Tränen vergoss ich hinterher,
Als ich aus meinem Traum erwacht.

Wohin soll ich nur gehen?
Bleiben kann ich nicht.
Muss ich für immer am Abgrund stehen?
Oder gibt es noch eine Lösung für mich?
Kein Weg führt zurück,
Die Tür ist verschlossen.
Ich hatte kein Glück.
Und fühle mich verstoßen.
Verzweiflung und Finsternis,
In meinem Herzen ein Riss.
Einsamkeit beherrscht mein Leben.
Mit ihr teile ich meine Gedanken.
Was wird es für mich geben?
Unsichtbare Schranken.
Der Weg nach vorn ist versperrt.
Weil das Schicksal alles verkehrt.
Allein werde ich wandeln
In tiefer Nacht,
Vergebens mein Handeln;
Denn Konrad hat mich umgebracht.

Im Hintergrund spielt das Lied „Lonely Train“ von Sanny Danny. Vorhang.




Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin.
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /