Cover

Ich krieg dich! Dich krieg ich auch!

 

Lennart war auf dem Heimweg, als sie zustieg.

Der Bus rumpelte gleich wieder los, so dass die junge Frau, Halt suchend, nach einer der Deckenschlaufen griff. Dabei schob sich ihr Shirt um eine Wenigkeit hinauf, so dass auf der frei gewordenen Haut ein kleines Bauchnabel-Piercing aufblitzte. Sein Blick wanderte über den weichen Stoff ihres Pullis, der die Rundungen eines wohlgeformten Busens zu verbergen schien, bis hoch zu ihrem Gesicht. Ihre Augen waren von seltenem Grün. Als sie ihn anblickten, so ganz ohne Scheu, wandte er sich verlegen ab. Erst als die Fremde sich, zwei Bänke weiter vorne, mitsamt ihrem back pack auf einen der ihm zugewandten Sitzplätze warf, konnte er geruhsam auf ihrem Gesicht verweilen – und dies tatsächlich, ohne sich zu langweilen! Es hatte nicht diese ebenmäßige Schönheit und doch, oder gerade deshalb, war ihr Ausdruck so lebhaft, so lebendig, dass er sich unwillkürlich davon angezogen fühlte.

Schon fürchtete Len, sie könne an einer der nächsten Stationen aussteigen und ihm für immer entschwinden, bevor er mehr von ihr erfahren hatte. Wieder hielt der Bus, und er atmete erleichtert auf, als die junge Frau gelassen auf ihrem Sitz verharrte. Längst hatte sich in ihm etwas wie ein Drang, ein Verlangen herausgebildet, diese Frau näher kennenzulernen.

Lennart beschloss, sie anzusprechen. Sich von seinem Sitz erhebend, hangelte er sich bis zu ihrem Platz vor. „Hier noch frei?“, fragte er und deutete mit seinem Kopf zur gegenüberliegenden Seite, „ich darf doch?!“ Er schob ihren, dort inzwischen abgelegten Rucksack zur Seite und setzte sich.

„Was, wenn nicht?“, blickte sie ihn spöttisch an und fuhr sich mit der Hand durchs kastanienbraune, lockige Haar.

Der Bus hielt erneut und es stieg ein junger Mann ein, der direkt auf sie zuhielt. „Hi, Jana!“, Küsschen rechts, Küsschen links, und zu Lennart: „rutschst du mal was auf?“ Schon wollte er sich zu Len in die Bank drängen. Doch der wehrte ab.

„Moment mal, ich steig eh gleich aus! Hat mich gefreut, Jana!“, damit erhob er sich und stellte sich an den Ausstieg, um beim nächsten Halt hinauszuspringen.

„Wer war der Typ?“

Jana zuckte die Schultern. „Weiß nicht, Alex, ich hab ihn eben zum ersten Mal gesehn.“ Sie lächelte nachsinnend und strich sich eine widerspenstige Locke aus der Stirn. „Aber irgendwie hatte er was“.

„Na ja, er gefällt dir, wie es scheint“, Alexander starrte missmutig aus dem Fenster.

„Ach Alex, mach dir nichts draus. Du wirst immer mein Bruder, mein Freund bleiben, das weißt du doch!“ Sie knuffte ihn liebevoll, doch er zog seinen Arm zurück, und murmelte einige unverständliche Worte.

„Was hast du denn?“

„Ach, ist schon gut“, meinte er, „wir müssen hier raus!“

Zehn Minuten später standen sie vor Janas Haustür.

 

***

 

Nachdem Lennart bereits früher als geplant aus dem Bus gestiegen war, überlegte er kurz, was er nun tun wollte. Ärgerlich stieß er die Luft aus, um sich dann jedoch entschlossen in Bewegung zu setzen. Bald verfiel er in einen schneller werdenden Sprint, mit dem er dem Bus zu folgen suchte. Unterwegs knickte er eine Rose, die ihm durch ihre Farbe ins Auge stach, vom Strauch und schaffte es tatsächlich, den Bus noch zu erreichen, bevor ein Pulk an Aussteigenden sich auf den Gehsteig ergoss. Doch vermied er es tunlichst, sich vor Jana und ihrem Begleiter blicken zu lassen. Die beiden, als sie den Bus verließen, waren in ein intensives Gespräch vertieft und achteten nicht weiter auf ihre Umgebung. Dies machte es Lennart leicht, ihnen unbemerkt zu folgen. Er konnte zwar nicht genau verstehen, wovon sie sprachen, doch vermeinte er, einen gewissen Unmut bei Janas Begleiter wahrzunehmen. Plötzlich blieben sie stehen, und er hörte Jana vorwurfsvoll sagen: „Alex!“, dann wuschelte sie ihm durchs blonde, kurzgeschnittene Haar, „wie kommst du denn auf sowas? Ich hab ihn doch erst ein einziges Mal gesehen!“.

Lennart grinste zufrieden in sich hinein. Es schien sich alles in seinem Sinne zu entwickeln, wenn er die Anzeichen richtig deutete.

Als die beiden darauf im nächsten Haus verschwanden, sah Len sich noch schnell das Klingelschild an, auf dem er neben einigen anderen Namen auch J. Grünfeld fand, das musste sie sein! Es war der einzige Vorname mit einem J. Aber was, wenn es die Wohnung dieses Alex war, durchfuhr es ihn heiß. Noch einmal überflog er die Namensschilder – kein A wie Alex dabei. Aufatmend wandte er sich ab und trat einige Schritte zurück, um an der Fassade des Mehrfamilienhauses hochzuschauen. Dem Klingelschild nach musste sie im 1. Obergeschoss wohnen, und richtig, just in diesem Moment flammte dort ein Licht auf. Bingo! Zufrieden notierte er sich ihre Adresse in seinem Notizbuch, legte die Rose auf die Treppenstufen, klingelte zweimal lang, und zog sich dann rasch zurück.

 

***

 

„Und, wer war´s?“ Jana, die nicht gerade eine gute Köchin war, beschäftigte sich damit, eine Pizza in den Ofen zu schieben. Dann schaute sie ihren Freund fragend an. Der war nach dem Läuten für sie die Stufen hinunter zur Türe geeilt und drückte sich jetzt oben im Türrahmen herum, eine Hand hinter seinem Rücken verborgen.

„Was versteckst du denn da, nun sag schon!“ Sie nahm ihre Brille vom Tisch, setzte sie auf und streckte ihm fordernd eine Hand entgegen: „Gib schon her!“ Als er den Kopf schüttelte, ging sie hin, ihm zu entwinden, was er verbarg, und „Autsch – nun stell dich doch nicht so an!“ Sie trat einen Schritt zurück. „Was ist das denn, eine Rose? Aber wer . . ?“

„Na, ich war´s nicht! Die lag unten auf der Treppe. Ich hab noch geschaut, ob ich jemanden seh, aber nichts, der war schon weg.“

„Der?“

„Na, sicher wieder dieser komische Kerl aus dem Bus!“

„Aber Alex, der ist doch schon viel früher ausgestiegen, woher sollte er denn da meine Adresse haben?“ Sie schüttelte den Kopf über so viel Fantasie. „Was hast du denn gegen ihn?“

„Er gefällt mir nicht, irgendwas ist mit dem!“ Alex wiegte bedenklich seinen Kopf. „Ich habe ein ungutes Gefühl.“ Auch wenn er sich die Eifersucht eingestehen musste, so konnte er sich doch meist auf sein Gefühl verlassen und merkte, wenn etwas „im Busch“ war.

Jana deckte den Tisch mit Tellern und Gabeln, als auch schon die Küchenuhr klingelte. „Pizza ist fertig, kommst du?!“ Dann zerteilte sie sie schnell in mundgerechte Stücke.

Sie hatten sich zum Lernen verabredet, und konzentrierten sich nach der kurzen Mahlzeit für zwei bis drei Stunden voll auf ihre Studien. Eifrig tauschten sie sich noch über die letzte Vorlesung

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: @ alle Rechte vorbehalten
Cover: @ alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 18.11.2020
ISBN: 978-3-7487-6494-6

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /