Voll Fett, doch letztendlich ein Störfall
Fata M. schreibt an einem Roman. Ihrem ersten. Ha! Und kommt sich plötzlich richtig wichtig vor. Schriftstellerin. Das zergeht einem ja auf der Zunge. Und darum auch – keinen Schmachtfetzen. Nein! Was Richtiges. Was richtig Wichtiges. Will sie zu Papier bringen. Und anrühren will sie. So, dass die Tränen das Papier durchfeuchten. Sollen. Werden. Aber keinen Schnulz. Sondern echt! Was fürs Gefühl. Und dann. Nichts, wovon man sofort weiß, wie’s ausgeht. Etwas, aus dem sich die Morganas herauslösen, wie der Geist aus Sindbads Flasche. Aber Wunschbilder. Denn zunächst … sind da noch diverse Hürden. Zu bewältigen. Das ist so, das muss so sein – wegen dem Plot. Wegen des Plots! Ja. Denn so leicht – so leicht sind Paradiese nicht – zu ernten.
Es lebte einst eine junge Frau, deren sehnlichster Wunsch es war, das Wasser des Lebens zu finden.
Seit geraumer Zeit schon verspürte sie ein Verlangen in sich, welches von Tag zu Tag größer wurde. Wenn nicht bald etwas geschah, würde sie jämmerlich verdursten, das wusste sie. Also nahm sie eines Tages all ihren Mut zusammen und machte sich auf die Suche.
Sie ahnte wohl, dass es ein schwieriger und gefahrvoller Weg sein würde.
Fata gibt sich Mühe. Sie schreibt schön. Richtig schön!
Aber einen Plot, die Plots, das Schreiben eines Plots, das Erfinden eines Plots … Hat sie nur gelesen. Bisher. Geschrieben hat sie ihn noch nicht. So richtig. Noch nicht. Ist ihr bisher noch nicht so richtig gelungen. Das. Aber das wird schon. Noch. Heraus aus dem Alltagsstakkato ins …? Ja was? Ja was denn??? Wenn das nur so einfach wäre. Ist es nicht. Das Irgendwo. Vielleicht Nirgendwo? Zu finden. Doch. Ist es. Da ist sie sich ganz sicher. Sie spürt das. Genau.
Klack, klack macht es auf dem Gehsteig, als Andreas in Richtung Sportplatz das Haus verlässt. Heftig schwingt er die Krücke wie einen Taktstock, bevor er sie zornig zu Boden stößt. Mit jedem Schritt will er sie besiegen, muss er es sich selbst und jedem, der ihm zu leichtfüßig über den Weg läuft, beweisen: Ich schaffe es klack ganz sicher klack klack. Sein Gesicht glänzt, während er sich Schritt für Schritt über die Straße kämpft. Unter den Achseln bilden sich dunkle Ringe, die in dem Maße wachsen, wie er selbst mit seinem Klacken schrumpft. Seine Arme fangen an zu zittern. Sie werden schwer und das Klacken beginnt zu keuchen: ich – klack – schaffe – klack – es. Doch er quält sich, denn er will es zwingen, kann dieses klack klack nicht länger mehr ertragen. Zuletzt bleibt er völlig erschöpft auf dem Rasen des großen Stadions liegen.
Was könnte sie alles schreiben. Ja. Was zieht ihr da alles durch den Kopf. Geschichten. Anfänge. Einer schöner als der andere. Sie springt. Hierhin. Dorthin. Ihr schwirrt der Kopf. So viele Gedanken. Ideen. Eine nach der anderen. Kommen. Gehen. Wieder futsch. Sind sie. Wenn man sie nicht schnell genug packt. Futsch. Wieder mal futsch. Also noch mal. Anfangen. Wird schon. Werden. Wieder werden. Keine Sorge. Nur Mut. Spricht sie sich selber zu. Aaahh. Erst mal. Einen Kaffee. Und dann …
Ein kleines Wölkchen Kaffeeduft findet den Weg in meine Nase und lässt den Traum von Sommer hinter den müden Lidern langsam verblassen. Ich versuche, die Schultern zu straffen.
Mein Blick wandert über die Brüstung der Veranda in den Garten hinunter. Er verfängt sich in den Herbstzeitlosen…
So nicht! Etwas mehr Würze. Mehr Pep. Ein Schuss Dramatik mit hinein. Sonst könnt es sein … die Leser schla….
Spätabends. Das leise Klicken der Briefkastenklappe weckte sie. Sofort sprang sie auf und stürzte zur Tür, um hinauszuspähen. Nichts. Einzig der Baum wiegte seine dunklen Äste im trüben Licht der Straßenlaterne. Er warf gespenstische Schatten über den Gehweg, und für einen winzigen Moment meinte Ruth eine menschliche Gestalt wahrzunehmen. Doch da hatte sie sich wohl getäuscht. So nahm sie den Brief zur Hand. Keine Anschrift, kein Absender. Hastig riss sie den Umschlag auf und überflog die wenigen Zeilen, die fast verloren wirkten auf dem großen Papierbogen. Sie versuchte, die Hände ruhig zu halten, aber je mehr sie sich beherrschen wollte, desto stärker wurde die Unruhe. Schließlich befiel ein Zittern ihren gesamten Körper. Sie verlor zunehmend die Kontrolle. Langsam sackte sie in die Knie, und ein heiseres Stöhnen quälte sich aus ihrer Kehle hervor. Mühsam rang sie nach Luft. Etwas schnürte ihr mit Gewalt den Hals zu. Ihr war heiß. Alles drehte sich. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
Paahh. Na was? Kein Stil, nicht gut? Hat keinen, oder – einen schlechten doch, zumindest? … Na ja, mag sein. Es heißt ja auch: Sie übet noch.
Die letzten Worte des Professors, der das Semester beendete, gingen im Gescharre der Füße und dem anschwellenden Gemurmel der Studenten unter, die sich nun wie ein Strom wilden Wassers über Treppen und Gänge des altehrwürdigen Hauses nach draußen ergossen, hinaus in einen ereignisschwangeren Sommertag.
Doch dann ist Fata plötzlich. Ja urplötzlich. Selber mittendrin…
Der Mann sitzt zwei Plätze vor mir in der S-Bahn. Fips mag ihn sofort; anerkennend hebt er im Vorbeilaufen sein Bein. Das weiß der kahl geschorene junge Typ jedoch keineswegs zu würdigen.
„So eine Schweinerei! Du hast wohl keine Erziehung gehabt, was?“ Fluchend springt er von seinem Sitz, ein Kerl wie eine deutsche Eiche.
Instinktiv ducke ich mich und tue so, als gehöre der kleine Stromer nicht zu mir. Dabei jubele ich ihm insgeheim zu. Mein Hundchen scheint mir in jeder Hinsicht das rechte Gespür zu haben. Ist eben ein Naturtalent, auch ohne Drill. Zufrieden räkele ich mich auf meinem Platz, nachdem sich die kleine Aufregung da vorne gelegt hat.
Und immer wieder. Störungen! Diese Unsäglichen. Raus! Bringen sie einen. Immer wieder. Raus! Grad wenn es endlich einmal fließt. Hallodrienocheinmal!
Und immer dieses Essen müssen. Und was damit zusammenhängt. Bedauerlicherweise.
Nach dem Essen … . Würde sie all diese Geschichten.
Zuende schreiben.
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2011
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