Warten
Schnee in Gallarate. klirrende Kälte und der stahlblaue Himmel. Ich kann mich nirgends hinsetzen, die Steinbank ist mit Eis überzogen, der Wartesaal sagt mir nicht zu. Aus dem hellblauen Dunst braust du heran. Verspätet. Wie so oft in dieser Zeit. Du warst schon immer ein enfant terrible, doch in diesen Wochen häuften sich die Ereignisse auf drastische Weise. Damals dachte ich noch nicht, dass sie dich bestrafen würden. Damals konntest du noch frei durch die eisige Kälte, das wunderschöne Licht des Winters dampfen. Viel zu kalt für Italien.
Ich warte wieder in Gallarate. Jetzt ist es bedeckt, Schnee liegt keiner mehr, die Kälte sitzt mir trotzdem in den Knochen. Januar. Der Wartsaal ist noch immer unsympathisch, trotzdem habe ich mich dorthin gesetzt, geheizt ist er nicht, doch immerhin windgeschützt. Auf der Anzeige steht du würdest 25 min. später kommen. Ich friere vor mich hin. Versuche etwas zu lesen. Es ist der 7. Januar, wenn ich mich richtig erinnere und es ist noch immer saukalt in Italien. 25 min. später begebe ich mich auf‘s Perron. Aus dem Augenwinkel sehe ich die Leute gestikulieren. Ich höre Musik und somit nichts anderes, irgendwann werde ich doch neugierig, gehe zurück in die Wartehalle, auf der Anzeige steht nun 55 min. Verspätung. Jetzt spüre ich die Kälte bis ins Innerste, ich beginne die Unterführung auf und ab zu gehen, um irgendwie warm zu werden. Zu weit von der Station will ich mich nicht entfernen, ich darf dich auf keinen Fall verpassen. Auch die Bewegung nützt nichts. Nun friere ich erbärmlich. Ich warte.
Wir erreichen Basel mit einer Verspätung von 2 Stunden. Danach nahmen sie dich für einige Zeit aus dem Verkehr. Es hiess bis Ende Januar, dann sagten sie bis nach Ostern, sie liessen dich teilweise im Mai wieder frei, der Rest ist noch immer verbannt.
Es ist Sommer in Mailand, ich will gar nicht wissen wie viel Grad, aber mindestens 20 zu viel um mal nett zu übertreiben. Als ich ankam war es noch ganz angenehm in der Bahnhofshalle, ich holte mir ein hässliches Panino und setzte mich auf den Bahnhofsplatzt, verliess diesen aber kurze Zeit später fluchtartig, die Temperatur begann nämlich merklich zu steigen. Auch in der Halle war’s jetzt nicht mehr so angenehm und die Anzeige von 45 min. Ankunfts- und 35 min. Abgangsverspätung für meinen Zug war nicht gerade verlockend. Wie sie den Zug in 10 min. wieder abfahr-bereit machen wollten war mir ein Rätsel, aber das nur nebenbei bemerkt.
Ich warte.
Langsam wird die Hitze unerträglich, die Anzeige bewegt sich nicht, irgendwann kommt der Zug, wir verlassen Mailand mit etwa einer Stunde Verspätung.
Ich warte auf meinen Zug. Seit bald einem Jahr warte ich dass sie ihn mir zurückgeben. Dann kommt die Schocknachricht, diejenige mit der ich aus irgendeinem unerklärlichen Grund nicht gerechnet habe, und die doch so gut verständlich ist. Cisalpino gibt auf.
Sie sagen sie lassen die Züge trotzdem laufen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich wäre froh ich könnte sie zum Schweigen bringen.
Sie sagen sie wollen ihn wieder einsetzen, ab November. Ich glaube es nicht bis ich es nicht selbst gesehen habe. Ich traue nicht zu hoffen.
Ich habe bald ein Jahr gewartet, ich warte noch immer, wie lange noch?
"I’m so tired and I’m sick of waiting baby I’ll die alone…" (3 doors down - these days)
(19.10.09)
Texte: U.Roma
Tag der Veröffentlichung: 06.03.2010
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