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Giovanni – oder 550 Fr. für die Freiheit



Wir hatten einen Kleinwage reserviert, einen VW Golf, Fiat Punto, was weiss ich, irgendetwas in diese Richtung hätte es sein sollen, wir staunten nicht schlecht als wir einen Audi A3, den neuen mit den schnittigen Augen, ich meine natürlich Frontlichter, bekamen. Eine Woche würde er uns gehören, eine Woche lang konnten wir die Freiheit geniessen, bezahlte Freiheit, versteht sich, denn was gibt’s heute schon gratis?
Die Idee, nachts rings um den Lago Maggiore zu fahren war bereits ein paar Wochen alt, damals verboten uns die zeitlichen Gegebenheiten das Unterfangen. Jetzt waren wir zurück in der Region, jetzt hatten wir jede Zeit der Welt. Aber keine Landkarte. Doch dazu später mehr.
Es war eine warme Nacht, als wir die Idee hatten, es zum ersten Mal versuchten. Das Konzert von den Orishas und Tracy Chapman am Moon and Stars war leider viel zu früh fertig, wir hatten auch da ein Auto, wenn auch nicht gerade einen Audi A3… ein Subaru tut’s auch…wenn er denn fährt und das tat dieser doch einwandfrei! Wir setzten uns also ins Auto und fuhren los, wir wussten nicht wohin, wollten einfach nur durch diese warme Dunkelheit cruisen, die Freiheit, die in der Luft lag aufnehmen, in uns saugen, um später davon zehren zu können. Nun, viele Möglichkeiten gibt es in Locarno nicht, wir wählten die Route gen Süden und schwupps waren wir auch schon in Italien. Den Zoll hatte wir ohne an zu halten, dafür mit einem schelmischen Lächeln passiert und nun konnte uns nichts mehr halten. Die Strasse dem See entlang war nur spärlich beleuchtet und der Zustand nicht gerade vertrauenserweckend, aber das beeindruckte uns nicht weiter. In Oggebio wagten wir schliesslich den Blick auf die Landkarte, die hatten wir da nämlich noch dabei. Wie sich herausstellte war das Umrunden des Sees wohl doch etwas zeitaufwändiger, als wir zuerst gedacht hatten und so beschlossen wir, in dieser Sommernacht im Juli um zu kehren. Doch das Projekt stand.
Ende August war es dann soweit. Wir hatten also den Audi, Giovanni, wie er bald heissen sollte und obwohl wir zwei Frauen sind und sich solche Interessen für das schwache Geschlecht ja eigentlich nicht gehören, fanden wir den Wagen rattenscharf. Einen Vorwand, das Auto zu benutzen brauchten wir nicht, da reichte z.B. die Idee, dass wir für einmal unseren Morgenkaffee in Ascona nehmen könnten, um los zu fahren. Auch hatten wir das Projekt noch nicht vergessen und jetzt war der Moment gekommen. Kleiner Hacken, wir hatten die Landkarte zu Hause gelassen, was soll‘s, frei sein wollen wir, da brauchen wir keine Richtungsangaben, der Nase nach soll‘s gehen, der Weg wird ja wohl angeschrieben sein. Denkste!
Ziemlich genau um Mitternacht ging’s los, das Wetter war noch immer warm, in den 10 Tagen, die wir hier im Süden von unserem nicht sonderlich geliebten Heimatland verbracht hatten, hatten wir noch kaum einen Tropfen Regen gesehen. Bis Verbania war die Strecke sowieso klar, das hatten wir noch im Kopf, Verbania bis Sesto Calende sollte auch keine grösseren Schwierigkeiten darstellen, Sesto und zurück… nun wir schrieben uns die wichtigeren Ortsnamen auf der Südseite des Sees von einer Turi-Wandkarte heraus, die sollten wohl angeschrieben sein. Wir fuhren als los, die Baseballs, das wohl Beste was je von Deutschland importiert worden war, unterhielten uns und machten unsere Fahrt zum Roadtrip. In Verbania legten wir eine erste Pause ein, es muss etwa ein Uhr nachts gewesen sein. Um uns wach zu halten hatten wir jede Menge Cola dabei, das nun bereits wieder aus uns heraus wollte, was relativ ungelegen kam, waren doch alle Restaurants in diesem Kaff um diese Zeit bereits geschlossen. Nun, frau ist erfinderisch, mit der Zigarette in der Hand hockt sie sich hinter eine Telefonzelle – ja sowas gibt’s wirklich noch! – während Komplizin schmier steht. Dann noch umgekehrt und beiden ging es wieder glänzend. Wir schauten uns danach ein wenig den Hafen an, und machten uns wieder auf den Weg, schliesslich hatten wir noch ein gutes Stück Weg vor uns. Die nächste Pause gab’s in Stresa, diesmal ohne Alternativ-pinkeln, dafür mit Chips im Auto parkiert vor irgendeinem Nobelhotel, bei dem urplötzlich jemand daher gefahren kam und die Beleuchtung ausmachte… um halb 2 Nachts. Egal.
Nach einem Fahrerwechsel ging’s weiter, auf direktem Weg nach Sesto Calende, dem südlichsten Zipfel des Lago Maggiore. Nun, soweit so gut. Dann begann das Neuland. Was waren wir erfreut als wir sofort ein Schild fanden auf dem Laveno geschrieben stand, das war aber schön, dass das ganze so reibungslos klappen würde, damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet. Wir fuhren also weiter. Irgendwann bog die Strasse vom See weg. Ja so was kann’s schliesslich geben, kein Grund zur Panik. Irgendwie kam die Strasse aber nicht mehr zum See zurück. Hm, die hatten vielleicht keine Seestrasse, die Italiener, kann’s geben. Im nächsten Kaff war dann aber wunderschön Luino angeschrieben, so schlimm konnte es also nicht sein, möglicherweise einfach keine Seestrasse. Es war wohl in Laveno, wo wir nochmals eine verzweifelten Versuch starteten an den See zu kommen, alles was wir fanden, waren irgendwelche komischen Villen-einfahrten, vor denen wir dann schnell wieder flüchteten. Kein See also, ok.
Während Fussgängerstreifen mit Discolichtern gekennzeichnet waren mussten wir nach den Richtungsangaben suchen, fanden aber doch immer wieder Anhaltspunkte, die uns in diesem nächtlichen Wirrwarr weiterbrachten. Schliesslich kamen wir an eine Kreuzung, bei der man nach links oder nach rechts fahren konnte, ein Strassenschild war keines zu sehen, eine Ahnung wo wir waren hatten wir ebenfalls keine, wir entschieden uns also für rechts, glaube ich. Ob es einen Unterschied gemacht hätte können wir noch immer nicht sagen, es blieb uns auf jeden Fall nichts anderes übrig als weiter zu fahren und auf baldige Richtungsangaben zu hoffen. Irgendwann, den See hatten wir übrigens noch immer nicht wieder zu Gesicht bekommen, legten wir eine weitere Rauchpause ein, rundherum waren wieder irgendwelche Villen zu sehen, hier wohnte wohl die Oberschicht. Kaum aus dem Auto ausgestiegen, begann der Hund des am nächsten gelegenen Hauses zu kläffen, sein Nachbar gab ihm freudig Antwort und nach nur wenigen Sekunden war das Konzert perfekt. Wir standen etwas verwirrt neben unserem netten Schlitten, die Zigarette in der Hand und die Ratlosigkeit im Gesicht. Ein „schhhhh“ reichte dann aber um den ersten Hund zu beruhigen und wenn wir auch nicht die komplette Ruhe erreichen konnten, so war dies doch eine merkliche Besserung. Sehr gute Wachhunde! Wir verweilten aber nicht länger als unbedingt notwendig an diesem fremdenfreundlichen Ort und setzten unsere Odyssee fort, wie ihr seht, ich neige zu Übertreibungen.
Inzwischen war wohl etwa halb 4, den See hatten wir nach wie vor nicht gesehen, nun war es merklich kühler geworden und Regen zog auf. Die nächste Pause legten wir irgendwo im Nirgendwo ein, so glaubten wir. Ein weiteres Mal wollte die Cola wieder aus uns heraus und da wir uns im Nirgendwo glaubten schifften wir synchron an den Wegrand, was wollten wir auch schmier stehen, da war ohnehin weit und breit keine Seele. Ein Zigarettchen musste auch noch sein, dann konnte es weitergehen. Wer weiss wie lange wir noch unterwegs sein würden, wir hatten noch immer nicht den geringsten Deut wo wir uns befanden.
Ein paar Kurven später waren wir in Luino und damit zurück an unserem geliebten See. Wo auch immer wir langgefahren waren, es war wohl nicht der schnellste Weg gewesen, das war jetzt auch egal, ein kleine Pause musste noch sein, mit Zigarette, dann setzt der Regen ein und wir fuhren der nicht gerade vertrauenserweckenden, aber wenigsten eindeutig nach Hause führenden Seestrasse entlang zurück nach Locarno. Gegen 5 Uhr morgens konnten wir völlig übermüdet für ei Paar Stunden ins Bett kippen. (Das Parkticket wäre bis am übernächsten Morgen um 8 Uhr gültig gewesen, aber nein, frau war zu blöd das Datum zu betrachten, sondern sah nur die Uhrzeit und machte sich dann gegen 10 Uhr auf, den Wagen um zu parkieren.)

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Tag der Veröffentlichung: 15.11.2009

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