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1. A new Beginning

 

"Verdammt nochmal!", brüllte ich aus vollem Halse. "Wieso musst du nur so ein Arschloch sein?"

Damit krachte ich die Tür hinter mir zu und stampfte aus meinem Haus. Wutentbrand trappte ich einfach in die eisige Kälte mit nichts als einem alten Jogginganzug und dünnen Hausschlappen. Nach nur wenigen Schritten war ich bis in die Zehen durchgefroren.

Trotzig marschierte ich weiter. Nichts würde mich jetzt dazu bringen, wieder ins Haus zurückzukehren, um diesem unausstehlichen Kotzbrocken, der sich mein Freund nannte, ins hässliche Gesicht zu sehen. Selbst die kalte Winterluft, die mich dazu brachte, mit den Zähnen zu Klappern, hatte keine solche Macht über mich.

Ich zitterte. Meine Stoffschlappen waren schon lange vom matschigen Schnee durchnässt worden und das dünne Jäckchen brachte mir gar nichts. Aber da es nicht mehr weit bis zum Haus meiner Freundin Mona war - sie wohnte nur wenige Blöcke von uns entfernt - , musste ich solange wohl oder übel durchhalten.

An ihrem Häuschen angekommen, drückte ich auf die vereiste Klingel. Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen, während ich darauf wartete, dass mir jemand öffnete. Von drinnen hörte Schreien von lachenden Kindern und wenig später öffnete mir schon David, Monas Ehemann, die Türe.

"Oh, Diana." Überrascht trat er zur Seite, um mich ins Haus zu lassen. "Guten Morgen, ich habe dich gar nicht erwartet."

"Morgen", brummte ich und trat über die Türschwelle. Warme Luft umfing mich uns beinahe hätte ich vor Freude aufgestöhnt.

Im selben Moment als David die Haustüre zuschloss, kam Mona in den Flur. Verkrampft biss sie sich in die Lippe, um ein Auflachen zu vermeiden.

"Ach, Diana!" Mit offenen Armen kam sie auf mich zu und umarmte mich. Erleichtert über ihre Körperwärme schmiegte ich mich leicht am sie. "Was ist denn nun schon wieder passiert?" Mona hielt mich eine Armlänge von sich, um mir in dir Augen schauen zu können.

Der Groll, den ich bis eben noch unterdrückt hatte, trat an die Oberfläche. "Ach, wie immer! Markus ist so ein ..."

Ich wollte mit meiner Schimpftirade beginnen, aber dann bemerkte ich den kleinen Knirps vor mir, der sich in die Hose seiner Mutter gekrallt hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen schluckte ich vorerst alle Kraftausdrücke hinunter.

Mona seufzte. "David, kannst du uns Tee aufkochen lassen?" Sie schickte den kleinen zweijährigen Jungen an ihrem Bein zu seinem großen Bruder spielen und zog mich in ihr Schlafzimmer. "Zieh die nassen Schuhe aus."

Als sie die Tür zum Zimmer schloss, ich mich auf das gemütliche, große Bett gesetzt hatte und sie mir sagte: "Na dann, erzählt mal!", brachen aus mir bereits alle Worte. Ich erzählte ihr von seiner Trägheit, seiner Faulheit und seinem Desinteresse, wenn es um mich ging. Und zwischendrin natürlich den Grund unseres neusten Streits.

"Es kann doch nicht so schwer sein den Müll hinauszutragen! Ich arbeite schon so den ganzen Tag im Haushalt und erledige dabei auch noch meinen Job und er ist einfach zu faul, um aufzustehen, nur um ein Mal den Müll rauszubringen!"

Mona nickte die ganze Zeit und strich mir beruhigend über den Rücken. "Ja. Natürlich. Ich verstehe dich voll und ganz."

Irgendwann kam David herein und stellte den fertigen Tee ab.

Ich war erst fertig, als der Tee schon kalt genug geworden war, um ihn trinken zu können.

Meine beste Freundin und ich atmeten beide angespannt aus, nachdem ich mindestens eine Minute lang nicht mehr Markus' Faulheit zum zehnten Mal wiederholt hatte.

"Wann hattet ihr das letzte Mal Sex?", fragte sie schließlich.

Ich prustete los. "Wann denn? Wenn er nach Hause kommt, ist er doch immer so müde. Er schafft es höchstens, den Fernseher anzuschalten und sieht mich nicht mal an, selbst wenn ich mich für ihn herrichte! Und wenn er es will, dann habe ich auch keine Lust mehr darauf!"

"Betrachten wir es mal von seiner Perspektive", sagte sie dann nach einer Weile des Stillschweigens. "Er arbeitet doch eine Menge, Markus kommt doch immer erst nach zehn Stunden jeden Tag nach Hause. Da muss er doch ziemlich müde sein, wie soll er dann noch Lust haben, den Müll hinaus zu tragen? Vielleicht hatte er auch einfach nur einen schlechten Tag."

Ich murmelte irgendwas davon, dass sie das schon die letzten Monate mehrmals gesagt hatte und dass er gar nicht so sehr ermüdete und einfach immer so drauf war.

"Er ist einfach nur ein fauler Idiot. Fertig. Aus", beendete ich ihre Versuche, Markus noch unschuldig erscheinen zu lassen.

Sie seufzte.

Mona konnte ja leicht reden. Sie kannte David nur ein bisschen länger als ich, aber sie waren bereits verheiratet und hatten zwei Kinder. Markus war noch gar nicht auf du Idee gekommen, einen Antrag zu machen, das Haus hatten wir auch nur gekauft, weil es "supergünstig" gewesen war und wir beide von unseren Eltern ausziehen wollten.

"Aber er war doch nicht immer ein fauler Idiot gewesen", widersprach sie erneut. "Sonst wärst du doch nie mit ihm zusammengekommen, oder etwa nicht?"

"Tss. Er war sportlich und hatte Interessen. Jetzt sitzt er Zuhause und wird immer fetter." Ich stockte kurz. "Und sag mir nicht wieder, wir sollten gemeinsam irgendeinen Kurs besuchen. Er ist ja immer so müde nach der Arbeit, darauf hat er keine Lust! Außerdem interessiert er sich gar nicht mehr für mich, habe ich das Gefühl."

"Du würdest ihn dir also wieder so zurückwünschen, wie du ihn kennengelernt hast?", fragte mich Mona.

Ich nickte. "Natürlich!"

"Und ihr habt sichtlich genug voneinander."

Bestürzt biss ich mir selbst in die Wange. "Ja ... So sieht's aus."

Das Lächeln, das auf ihren Lippen auftauchte, gefiel mir gar nicht.

"Dann habe ich eine Idee", murmelte sie leise, aber schelmisch.

Sauer verdrehte ich die Augen. "Deine Ideen haben mir noch kein einziges Mal etwas gebracht! Ich hätte mich schon längst von ihm getrennt, hätte ich genug Geld, um nicht wieder zu meiner Mutter ziehen zu müssen!"

"Aber ihr habt doch genug voneinander, oder? Dann verbringt einige Wochen getrennt!"

"Und das ist deine super Idee?" Müde rieb ich meine Augen. "Er wird in dieser Zeit garantiert fremdgehen."

"Das hat er sicher schon getan, wenn er es gewollt hatte."

Diese Feststellung schockierte mich. Vielleicht war er auch deswegen immer müde und wollte keinen Sex, weil er ihn mit einer anderen hatte?

"Keine Sorge. Du weißt doch, Markus ist ein guter Kerl, der würde so etwas nicht machen. Aber das ist gar nicht meine grandiose Idee. Was hältst du davon, ein zweites erstes Date mit ihm zu haben?"

Irritiert zog ich meine Stirn in Falten. "Wie bitte?"

"Das wäre doch die Lösung! Ihr verbringt etwas Zeit für euch alleine und dann trefft ihr euch und tut so, als würdet ihr euch gerade erst kennenlernen."

Fragend sah ich meine Freundin weiterhin an.

"Ach komm schon! Wenn ihr danach merkt, dass die Zeit alleine besser war, dann wisst ihr wenigstens, dass ihr euch trennen sollt und ihr lebt viel glücklicher! Aber tut euch diese Qualen nicht mehr an."

Diese Idee überzeugte mich nicht. Markus würde fremdgehen. Würde er ganz sicher. Andererseits wusste ich dann, dass er mir am Arsch vorbeigehen konnte und zwar endgültig.

"Und wie stellst du dir das vor? Wo soll ich dann wohnen?"

"Bei mir! Ach komm, vertrau mir!"

Schnell drückte sie mir ihr Handy in die Hand. "Hier nimm! Erzähl ihm von der Idee und probiert es aus. Lasse ihm da keine Wahl. Er muss dann nämlich mehrere Wochen sein Essen selbst machen und auf den Haushalt achten - dann wird er schon merken, wie sehr er dich braucht uns wie anstrengend das ist." Lächelnd zwinkerte sie. "Danach wird er dir garantiert im Haushalt helfen. Frag doch meinen David. Während meiner Mutter-Kind-Kur hat er endlich verstanden, was es bedeutet, Hausfrau zu sein! Und nun hilft er mir!"

Ich betrachtete das Smartphone, auf dessen Display bereits Markus Nummer aufleuchtete.

"Ruf einfach an!"

Mona drückte für mich das Anrufzeichen und verschwand schnell aus dem Raum.

Das Handy piepte. Aufgeregt machte ich mich bereit, mit Markus über die Idee zu sprechen. Und irgendwie gefiel mir Monas Idee auch immer mehr.

Der Anrufbeantworter ging an.

"Verdammt!", stieß ich aus. Dann realisierte ich, wie gut es doch eigentlich war, nicht mit ihm reden zu müssen, sondern ihm einfach die Fakten zu erklären und ihn so stehenzulassen.

Ich erklärte ihm schnell mein Problem mit ihm und Monas Idee, ehe ich kurz zögerte. "Drei Wochen müssten genügen. Ich komme dann wieder heim und hoffe, du hast unser zweites erstes Date geplant. Wir werden sehen, was danach geschehen wird. Viel Spaß übrigens beim Haushalt."

Nach längerer Stille legte ich auf.

Das würden witzige drei Wochen werden.

2. A new Way of Life

 

Die erste Woche war tatsächlich sehr entspannend. Ich machte mir wegen Markus keinen Stress, musste das Essen und den Haushalt nicht allein machen und war nicht allzu überanstrengt mit den beiden kleinen Kindern im Haus, die mich manchmal sogar in der Nacht wachhielten.

David war nicht ganz erfreut darüber gewesen, dass ich drei Wochen lang bleiben sollte, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. So einen Mann wünschte ich mir auch. Jede Frau wünschte sich so einen unterstützenden Ehemann.

Glücklicherweise war Mona lieb genug gewesen, aus meinem Haus meine Sachen zu holen, damit ich Markus nicht begegnen musste. Er hatte auch nur ein Mal angerufen, hatte aber nur auf den Anrufbeantworter gesprochen, als ich den Anruf nicht entgegen nahm. Irgendwie sollten wir diese drei Wochen ja konsequent durchziehen.

Abends saßen wir immer auf dem Sofa vor dem Fernseher und ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen. Deswegen verkroch ich mich immer ins Gästezimmer und starrte auf meinen Laptop-Monitor, in der Hoffnung, mir würde jemand schreiben.

Eines Nachts blinkte tatsächlich mein Handy auf. Eine Nachricht von Markus. Ich konnte nicht widerstehen und schaute drauf.

"Bist du noch wach?"

Ich lachte. Ja, war ich, das lag aber daran, dass ein kleines Kind im Haus mitten in der Nacht nach Eis verlangte.

Lange überlegte ich, ob zurückschreiben sollte. Schließlich schrieb ich mit einem Grinsen im Gesicht: "Wer bist du? Kenne ich dich? Woher hast du meine Nummer?"

Die Antwort kam beinahe sofort: "Lass das Diana du weist genau wer ich bin."

Ich lachte in mich hinein. "Wer bist du?", tippte ich erneut und schickte die Nachricht ab.

Lange erschien das Zeichen "schreibt..." Schließlich kam die Antwort.

"Na gut, ich spiele mit."

Wenig später die nächste Nachricht: "Hey, ich bin der Typ aus dem Café, dem du deine Nummer zugesteckt hast. Erinnerst du dich?"

Ich lächelte. Natürlich erinnerte ich mich. Das war über fünf Jahre her gewesen.

"Wieso schreibst du mitten in der Nacht?", schrieb ich zurück.

Ich legte das Handy zu Seite, aber kurz danach leuchtete es schon wieder auf.

"Ich musste an dich denken."

Gerade wollte ich ihm etwas zurückschreiben, als er eine weitere Nachricht sendete.

"Das Bett neben mir ist so leer... Ich glaube da fehlt ein kleiner weiblicher Körper der deinem überaus ähnlich ist."

Stöhnend schüttelte ich den Kopf.

"Wir kennen uns doch gar nicht. Hör auf, mir solche Nachrichten zu schreiben!"

Dann schaltete ich das Telefon aus und legte mich schlafen. Aber ein kleines, dummes Lächeln konnte ich mir nicht aus dem Gesicht streichen.

 

 

Ich erzählte Mona nichts von den Nachrichten und als mir Markus die Nacht drauf wieder schrieb, machte es dies nur noch spannender.

"Was hältst du von einem Date mit mir?"

"Wieso sollte ich dem zustimmen?" Grinsend sendete ich die Nachricht und wenig später kam eine sehr ausführliche Antwort.

"Als erstes hast du mir erst deine Nummer gegeben also glaube ich das du Interesse an mir hast. Korrigiere mich wenn ich mich irre. Außerdem bin ich sehr talentiert also bin ich nicht nur ein hübsches Gesicht. Ich kann alle möglichen ballsportarten ausüben wenn du willst konnte ich dich mal auf eines meiner Fußball Spiele mitnehmen. Ich Spiele Gitarre und kann singen auch wenn ich nicht behaupte das ich gut singen kann. Und ich kann noch so vieles mehr worauf du sich freuen kannst... ;) aber vllt treffen wir uns einfach und dann erzähle ich dir von mir und ich kann endlichetwas von dir erfahren. Ich weis das du hammer aussiehst und diesen verführerischen blick draufhast aber ich würde dich gerne genauer kennenlernen... ;) "

Fast hätte ich laut aufgelacht, aber ich beherrschte mich.

"Na gut", schrieb ich. "der Termin steht ja sowieso fest... :) wohin willst du mich denn mitnehmen?"

Lange kam keine antwort und ich wäre beinahe eingeschlafen wenn ich nicht so aufgeregt wäre.

"das wird eine überraschung."

"Idiot", flüsterte ich. "Du weißt selbst nicht, wohin es gehen wird."

Ich schrieb nichts mehr und legte mich wieder schlafen.

 

 

Nur noch eine Woche. Dann wäre unser erstes Date.

Ich machte mir so viele Sorgen wie noch nie. Aber nicht wegen des Treffens, sondern aufgrund der leisen, aber immer existenten Stimme, die mir sagte, dass Markus mich betrog. Ihr keine Aufmerksamkeit zu schenken war schwerer als man es erwarten würde. Vor allem fiel es mir schwerer nicht daran zu glauben, da Markus manche Nächte gar nicht mehr schrieb. Sollte er auch nicht, aber es regte mich trotzdem auf. Ich würde garantiert nicht als erste schreiben.

"Kauf dir doch ein neues Kleid!", hatte Mona mich aufgefordert. "Das wurde Markus bei eurem Date sicher umhauen."

Nach langem hin und her überredete sie mich dich dazu und wir gingen in die Stadt. Und ich konnte es nicht verleugnen: Es machte mir Spaß, denn ich fühlte mich wieder wie ein Teenager. Es war lange her, dass ich mit Mona so rumalbern konnte.

Wir entschieden uns für ein schlichtes schwarzes, aber Figur betonendes Kleid.

 

 

Diese Nacht schrieb ich ihm doch.

"Ich habe mir ein neues Kleid für unser Date gekauft."

Dann schickte ich ihm ein Bild des Kleides am Bügelhaken.

Wenig später antwortete er mir bereits und euphorisch schaute ich mir die Nachricht an.

"Ich würde es viel lieber an dir sehen."

Fast hätte ich mit einer Antwort gerechnet wie "Schon wieder Geld rausgeworfen für ein neues Kleid, das sich fetter macht?", aber dann musste ich lächeln, als ich las, was er geschrieben hatte.

Ich schickte: "Da musst du dich leider gedulden, du wirst mich darin in fünf Tagen sehen."

Die nächste Nachricht kam bald. "Ich kann dir auch ein Bild von mir schicken. Ich bin zwar nicht mehr so gut in Form aber trotzdem noch mit einem sixpack."

Ich wollte ihm schreiben, es sollte es nicht wagen, aber da kam schon das Bild. Darauf war er mit nacktem Oberkörper, mit blassen rundem Bauch, aber mit einem Sixpack Bier in seiner rechten Hand. Laut lachte ich los.

"Tut mir leid, dir kann ich aber kein solches Bild mit Sixpack schicken. Ich habe kein Sixpack."

"Dann schick mir eins ohne Sixpack. Ich will nur dich."

Ich überlegte lange. Dann lies ich mich von einer weiteren Nachricht seinerseits überreden.

Lange stand ich vor dem Spiegel und überlegte, wie ich mich fotografieren lassen sollte. Schließlich schoss ich aufgeregt ein Foto von mir im Unterwäsche, schickte es Markus und schaltete dann mein Smartphone aus. Ich wollte gar nicht wissen, wie er darauf antworten würde. Er bekam viel zu oft das, was er haben sollte. Diese Eigenschaft regte mich sonst immer auf, aber dieses Mal musste ich nur darüber schmunzeln.

 

3. A new First Date

 

Meine Hände waren schweißnass und ich musste sie an meinen Schenkeln trocken reiben.

Jetzt war es soweit. Markus sollte mich heute von Mona abholen und dann würden wir unser zweites erstes Date haben.

Als es an der Tür klingelte, wünschte mir Mona und ihr Mann viel Glück. Ich öffnete die Tür und da stand Markus im dicken Mantel, da draußenimmer noch der Schnee lag, aber eindeutig im Smoking - ganz anders, als ich ihn im Erinnerung gehabt hatte. Ich schaute ihn von oben nach unten an und konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen.

Auch er beobachtete mich und ich fühlte mich so schön wie lange nicht mehr.

"Meine Dame", sagte er mit tiefer, verehrender Stimme und verbeugte sich.

Ich kicherte.

"Es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr mich zu meinem Wagen begleiten würdet."

Vor lauter Gekicher brachte ich kein Wort heraus. Schnell schnappte ich meine Jacke und stöckelte in hohen Stiefeln heraus.

Markus öffnete mir die Beifahrertür und lies mich mit einem Wink hinein. Als er sich daneben vors Steuer gesetzt hatte, fragte ich ihn: "Und? Darf die Dame jetzt erfahren, wohin es geht?"

Mein Freund - Verzeihung: Mein Date - grinste verschmitzt. "Nein, noch nicht. Du wirst es schon noch sehen."

Aufgeregt legte ich mir den Gurt an und schon fuhren wir los. Mit zittrigen Händen schaltete ich das Radio des herausgeputzten Opels an. Leise, ruhigspielende Musik umfing uns. Markus hatte wohl vorhin seine Jazz-CD aufgelegt. Während sich die Anspannung langsam löste, wiegte ich mich stumm zum Klang der Musik.

Wir sprachen kaum während der Fahrt, die Luft war viel zu elektrisiert vor Aufregung über unser Date.

Als Markus seinen Opel vor einem teuren Restaurant parkte, konnte ich erst nicht glauben, dass er tatsächlich dort einen Tisch reserviert hatte. Doch dann geleitete er mich genau zum Eingang dieses Restaurants.

Die nobel gekleideten Kellner nahmen unsere Jacken ab und führten uns zu unserem Tisch. In meinem eigentlich stilvollen Kleid fühlte ich mich beinahe wie eine Nutte.

"Du siehst perfekt aus", flüsterte mir Markus ins Ohr. Kurz fragte ich mich, ob er meine Gedanken gelsen hatte.

Er half mir, mcih auf den Stuhel zu setzen. Dann studierten wir beide schweigend das Menü, das auf dem hübsch dekorierten Tisch gelegen hatte. Eine Anspannung lag in der Luft, die es bei jedem normalen ersten Date gab.

Doch als wir unser Essen bestellt hatten, brach Markus das Eis.

"Erzähle mir etwas von dir, Diana." Sein verschmitztes Lächeln lies mein Herz schneller schlagen. Es war dasselbe wie vor fünf Jahren. Er hatte es also doch nicht verloren.

Ebenso lächelnd lehnte ich mich zu ihm vor. "Was willst du den wissen?"

"Alles." Seine Ernsthaftigkeit lies mich erregt erzittern.

"Wie wäre es", sprach ich mit gedämpfter Stimme, "wenn du mir eine Frage stellst und ich darauf antworte. Dann darf ich dir eine Frage stellen."

Er nickte.

"Was machst du beruflich?" Sein Lächeln war wieder zurückgekehrt.

Diese Frage war eigentlich total unnötig. Er wusste es genau.

"Noch bin ich Anwalts-Helferin, aber ich möchte mich hocharbeiten." Markus nickte grinsend. "Vielleicht werde ich irgendwann einmal Richterin", fügte ich noch hinzu. Ich hatte ihm nie erzählt, dass ich eigentlich nicht wirklich Anwältin werden wollte, denn das war für mich zu wenig.

Überrascht schaute er mich an, doch dann lachte er. "Richterin ... Ein sehr interessanter Beruf. Und du hast die Jahre zuvor studiert?"

Ich nickte. "Ja, aber jetzt bin ich mit fragen dran."

"Natürlich, verzeih mir!"

Ich musste über seinen übertriebenen Ernst lachen. Wie hatte ich es vermisst, ihn so schrzend zu sehen.

"Ich weiß, welchen Beruf du hast, also überspringe ich mal die Frage ..."

Markus unterbrach mich. "Woher weißt du das? Ich habe es dir nie erzählt. Hast du mich gestalkt?"

"Verdammt, Markus!" Ich zwang mich dazu, nicht zu laut zu werden, aber als ich lachte, konnte ich mich schlecht zurückhalten. "Also, hast du irgendwelche Hobbys?"

 "Natürlich. Neben meinem Job als Informatiker spiele ich in einem Verein Fußball. Naja, ich habe gespielt, jetzt bin ich Trainer geworden. Außerdem bin ich auch sehr musikalisch begabt, ich spiele nämlich Gitarre und ..."

"Moment." Diesmal unterbrach ich ihn. "Hast du mir vor ein paar Wochen nicht geschrieben, dass du mich mal auf ein Fußballspiel mitnehmen willst? Eigentlich hatte ich da erwartet, du würdest selbst spielen. Hast du mich diesbezüglich also angelogen?" Grinsend beobachtete ich ihn.

Belustigt biss sich mein Date in die Lippe. "Nicht direkt angelogen. Nur etwas geflunkert. Genau genommen ist es ja auch mein Spiel beziehungsweise das Spiel meiner Kinder."

"Aha."

"Ja, aber jetzt bin sowieso ich an der Reihe mit den Fragen."

"Ja, nur zu."

Er stellte mir erneut Fragen über Sachen, dessen Antwort er eigentlich schon lange wusste, aber er spielte seine Rolle trotzdem ziemlich überzeugend und brachte mich mehrmals zum Lachen. Aber ich konnte mich nicht komplett entspannen. Eine Frage wurmte mich einfach und das, seit Mona mich darauf hingewiesen hatte, dass Markus schon lange Möglichkeiten gehabt hätte, mir fremdzugehen.

Als ich wieder dran war, versuchte ich die Frage so gut wie möglich zu tuschieren, aber die Kernaussage war dennoch klar.

"Hattest du in den letzten Jahren irgendwelche besonderen Beziehungen oder läuft bei dir etwas mit einer Person? Ich meine, bevor das mit uns etwas ernstes wird, sollte ich wissen, ob ich überhaupt eine Chance habe."

Ich sah, wie er den Atem anhielt. Ich befürchtete das Schlimmste.

"Ja", gab er mir schließlich recht. "Da gab es eine."

Mein Herz setzte einen Schlag aus, um mit dem nächsten mir schmerzhaft in die Rippen zu hauen. Er war tatsächlich fremdgegangen.

"Wir haben uns vor fünf Jahren kennengelernt. Und wir waren lange zusammen. Doch dann ist sie gegangen. Es ist erst drei Wochen her. Ich hätte sie niemals gehen lassen sollen. Erst hatte ich gedacht, es würde eine Erleichterung sein, da wir uns am Ende unserer Beziehung nur noch gestritten haben. Dann aber sah ich, wie schwer es ohne sie ist. Nicht nur weil ich den Haushalt selbst machen musste." Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, Markus jedoch blieb vollkommen ernst. "Sie fehlte mir schrecklich. Das tut sie immer noch. Mittlerweile fühl ich mich richtig dumm. Ich hatte diese Frau unterschätzt, als ich dachte, sie wäre zu faul, um selbst den Müll rauszubringen. Ich hatte gedacht, ich wäre der Einzige, der total müde von der Arbeit nach Hause kam und nicht noch die ganze Hausarbeit machen wollte. Ich überließ einfach alles ihr.

Ich merkte, dass ich nicht nur körperlich abhängig von ihr war. Ich merkte, dass sie ein Stück von mir war, den ich nicht verlieren durfte, da sie mich ergänzte. Denn sie war immer an meiner Seite gewesen.

Also ja, es hat jemanden gegeben. Und ich hoffe, dass diese Frau uns noch nicht aufgegeben hat. Denn ich habe festgestellt, dass ich um sie kämpfen muss, da mein Leben ohne sie keinen Sinn ergeben würde."

Ich war überglücklich, als der Kellner das Essen brachte, da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. Ich war überwältigt. Aber unglaublich glücklich.

Sobald man uns das Essen abgestellt hatte, fand ich langsam meine Worte wieder. "Ich bin der Überzeugung, dass diese Frau dich sehr zu schätzen weiß. Und sie wird dich nicht aufgeben. Garantiert nicht. Niemals."

Als Markus lächelte, zeigte er vor Freude all seine Zähne.

Wir hatten lange nicht mehr so gelacht und so viel Spaß gehabt. Auch wenn alle in diesem Restaurant ziemlich ruhig waren, so fiel es uns schwer, ebenso kultiviert zu bleiben.

Auf andere mochten wir wie ein frisch verliebtes Paar wirken - und so fühlte ich mich mit Markus auch. Wir waren wieder so jung wie vor fünf Jahren. Er erzählte mir Geschichten, die ich schon lange kannte und doch lachte ich über sie, als hörte ich sie zum ersten Mal.

"Komm", sagte er, nachdem er die Rechnung bezahlt hatte - und das war ein beträchtliches Sümmchen gewesen. Nie wieder würden wir so viel Geld ausgeben, um uns beim Essen zu benehmen.

 Wieso hatte ich solche Momente nicht schon immer geschätzt?
"Wohin gehen wir denn?"

Erneut grinste Markus wieder so verschmitzt. "Das wird mal wieder eine Überraschung."

Aufregung übermannte mich und sobald wir wieder ins Auto stiegen, zappelte ich die ganze Zeit herum.

"Kannst du nicht still sitzen?" Markus fiel es schwer nicht laut loszulachen.

"Doch." Aber leider irrte ich mich da, denn ich konnte einfach nicht ruhig sein.

Zur Beruhigung folgten meine Augen dem Straßenverlauf.

"Moment. Mir kommt dieser Weg irgendwie bekannt vor."

"Na dann erinnere dich mal." Sein wildes Grinsen lies ihn viel jünger erscheinen.

Als er wenig später auf einen Waldparkplatz einbog, erinnerte ich mich schlagartig.

"Unser erstes Date", flüsterte ich. "Hier hatten wir uns vor fünf Jahren dafür getroffen."

"Also ich weiß nicht, wovon du redest." Ganz in seiner Rolle fragte er: "Du warst hier schon ein Mal?"

Ich schnaubte. "Idiot", murmelte ich nur noch und öffnete so schnell wie möglich die Autotür, bevor er es fur mich machen konnte.

Das freie Feld, dass scheinbar in die Skyline der Stadt überging, sah mit seiner schneeweißen Decke ganz anders aus wie in dem Sommer, als Markus und ich uns hier zum ersten Mal geküsst hatten. Es war nicht heiß und keine Blümchen ließen die Wiese in den schönsten Farben erstrahlen. Dafür glitzerte der Schnee und er wirkte so weiß und rein, dass die Fußspuren, die wir darauf hinterließen, eine Vollendung der Perfektion darstellten.

"Es ist wunderschön hier", flüsterte ich ehrfurchtsvoll.

Die Dämmerung war angebrochen und veranlasste hunderte Häuser ihr Licht anzuschalten, sodass sich die Stadt unter uns in einem Lichtermeer vor uns erstreckte.

"Es ist sogar noch schöner, als ich es in Erinnerung gehabt hatte."

Markus half mir in den hohen Stiefeln etwas näher an den Abhang zu treten, wo sich unten die ersten Häuser der Ansiedlungen befanden.

Während ich völlig fasziniert und entspannt in die Lichter schaute, verlagerte Markus sein gewicht die ganze Zeit vom rechten auf linke Bein.

"Was ist los?" Ein Lächeln huschte mir übers Gesicht, als ich ihm ins Gesicht schaute. "War nicht ich diejenige, die aufgeregt war?"

Als er mir tief in die Augen schaute, wusste ich, dass er der Richtige war. Alle die Streite, die wir gehabt hatten, erschienen so sinnlos, dass mir kaum noch einfiel, wieso wir uns überhaupt immer gestritten hatten. Wir waren zwei Stücke eines Ganzen. Auch wenn wir ständig ineinander kamen, so funktionierten wir dich nur zu zweit.

"Was ist los?", stellte ich ihm erneut die Frage.

"Nichts", erwiderte er nach einer Weile des Stillschweigens. "Du bist einfach nur so perfekt. Ich liebe dich."

Seine Hand fuhr sanft über meine Wange und die Berührung brannte auf meiner verfrorenen Haut.

Ich war so lange mit ihm zusammen gewesen, ich hatte ihn zu schätzen verlernt. Doch nun sah ich ihn an. Sah sein kantiges Kinn, das diesmal perfekt rasiert war, realisierte, wie männlich und attraktiv er doch aussah mit seinen scharfen Wangenknochen, die er behalten hatte, obwohl er seit unserer Bekanntschaft mindestens zehn Kilogramm zugelegt hatte. Ich sah sein kleines Muttermal, das direkt unser seinen warmen, braunen Augen lag. Vorsichtig fuhren meine Finger über seine etwas unförmige Nase, die bereits mehrmals gebrochen worden war.

"Ist es nicht etwas zu früh, auf dem ersten Date bereits seine Liebe zu gestehen?", fragt ich ihn lächelnd.

Plötzlich wich er etwas von mir und ehe ich mich versah, war er auf die Knie gefallen.

"Diana", begann er, doch dann musste er kurz innehalten, als ich überrascht die Hände vor den Mund schlug. "Ich liebe dich. Diese drei Wochen ohne dich waren die Hölle. Und ich ..."

Ich unterbrach ihn. "Nein, du sagst jetzt nichts mehr!"

Erschrocken schaute er zu mir hoch. "Aber ..."

"Nein! Du brauchst nichts zu sagen. Denn ich sage: Ja!"

Irritiert schüttelte er den Kopf. "Aber du weißt gar nicht, was ich sagen will."

"Natürlich weiß ich das, du Idiot! Insofern du mir einen Antrag machst. Und natürlich sage ich ja!"

Überglücklich lies ich mich zu ihm in die Knie fallen und der kalte Schnee war mir dabei egal. "Ja!", wiederholte ich.

Ich umarmte und küsste ihn. Und als er den Kuss erwiderte, verschmolzen wir in Eins. Doch wenig später löste er sich vor mir.

"Aber ich habe dir nicht mal den Ring gezeigt!"

Seine Hand fuhr meine Taille runter und er holte sich eine kleine Schatulle aus der Jackentasche.

Ich lachte. "Du bist mir wichtiger als der Ring." Grinsend lies ich seine Hand wieder zurück in seiner Jacke gleiten und küsste ihn erneut.

"Ich habe mich extra vorbereitet!" Nun musste Markus auch lachen. "Ich habe so lange nach den richtigen Worten gesucht und dann sagst du einfach schon vorher ja."

Ich lachte laut und überglücklich. Meine Hand fuhr ihm übers Gesicht und mit dem Daumen strich ich verträumt über das braune Muttermal.

 Dann sah ich ihm tief in die Augen.

"Ich liebe dich", flüsterte ich an seinen Lippen.

Grinsend verzogen sich unsere Münder und wir küssten uns erneut.

"Und ich liebe dich auch. Jetzt. Und für alle Zeiten."

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 15.01.2017

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch einem ganz besonderem Mann, der selbst weiß, dass er damit gemeint ist. Selbst nach so vielen Jahren bringt er mich immer noch jeden Tag zum Lachen. Ohne dich wäre ich nichts

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