Ich musste weg. Einfach weg. Seit einer Viertelstunde lief ich in Höchstgeschwindigkeit nur noch: Weg.
Es hätte schon längst passieren müssen und ich hatte Glück, dass ich die letzten Tage so genießen konnte wie sie waren. Doch ich spürte, wie dieses Glück mich langsam, aber sicher, verließ. Ich spürte, wie das Übel langsam aus mir raus kroch.
Meine Lungen brannten höllisch vom Rennen, doch ich durfte nicht stehen bleiben. Ich musste immer weiter laufen.
Meine Schritte hörten sich auf dem feuchten Waldboden dumpf an. Ich stolperte über die Wurzeln, die sich ihren Weg aus der Erde gebahnt hatten, mehrmals verlor ich dabei das Gleichgewicht und fiel hin; stand aber schnell wieder auf und rannte weiter. Rannte weiter, immer weiter, wie eine, die von einem Monster verfolgt wurde. Nur das ich nicht vor diesem Monster davonlaufen konnte, egal wie weit ich rennen würde. Niemals konnte ich ihm entkommen.
So lange war ich noch verschont gewesen; es war klar gewesen, dass es bald passieren würde. Bald würde er aus mir ausbrechen und mein ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellen. Bald würde er mich und alle um mich herum in einen tiefen Abgrund ziehen. Und das war auch der Grund, wieso ich verschwinden musste; ich wollte niemanden verletzen.
Mir tat alles weh, ich hatte keine Kraft mehr zum Weiterrennen. Aber ich durfte einfach nicht stehenbleiben, ich musste weiter. Meine Beine taten nicht mehr und ich zog mich mit meinen Armen an den Bäumen vor. Schweißperlen tropften mir in die Augen und ich musste mehrmals blinzeln, um das Brennen zu vertreiben.
Vor mir öffnete sich der Wald in einer Lichtung. Ich wusste nicht, woher ich die Kraft nahm, aber mit dieser neu gewonnenen Kraft rannte ich einfach darauf zu und fiel vor dem kleinen See in die Knie.
Es regte sich kein Lüftchen, wodurch der See so glatt war wie ein Spiegel. Ich sah in ihn hinein.
Ich sah schrecklich aus. Das schweißnasse Haar klebte mir in meinem hochroten Gesicht, dass vom Erdboden verschmutzt war und durch den erschöpften Ausdruck wirkte ich mehr tot als lebendig.
Ein seltsames Aufblitzen in meinem Spiegelbild lies mich erst zurückzucken. Langsam lehnte ich mich zum Wasser wieder vor vor und beobachtete mein Gesicht im See genauer.
Ich zuckte erschrocken wieder zurück, stand schnell auf und rannte wieder los, obwohl meine Muskel dagegen rebellierten. Ich musste weiter rennen, sonst war es zu spät. Denn meine Augen leuchteten schon in dem gefährlichen Rot, die den baldigen Ausbruch des Monsters ankündigten.
Es würde gleich passieren. Ich spürte es, spürte wie eine grollende Macht in meinem Körper langsam Besitz von mir nahm.
Plötzlich packten mich Krämpfe und machten mich bewegungsunfähig. Ich fiel mit dem Gesicht voraus zu Boden.
Ein Schrei wich aus meinem Mund. Nun fing ich an, mich vor Krämpfen zu schütteln.
Der nächste Schrei, der mir entwich, klang nicht mehr nach mir – er klang nicht mal mehr menschlich.
Und dann spürte ich wie er ausbrach.
Es war der Dämon in mir, der nun seinen Weg aus mir gefunden hatte.
Nun kontrollierte nicht mehr ich meinen Körper, sondern der Dämon tat es für mich. Meine Geist wurde zurückgedrängt und stattdessen von dem Dämon ersetzt. Und er sagte: Lauf!
Ich begriff nicht, was er wollte, ehe ich merkte wie von diesem Befehl meine Beine anfingen, sich zu bewegen. Und sie transportierten meinen Körper wieder zurück nach Hause.
Nein!, schrie ich in meinem Kopf. Nein!
Er durfte mich nicht wieder nach Hause bringen, denn ich spürte, was der Dämon vorhatte. Er wollte mit meinem Körper die gesamte Stadt auslöschen, wie es ihm von seinem Herren befohlen wurde.
Ich schrie lauter und lauter, wurde aber von dem Dämon gewalttätig in die hinterste Ecke meines Kopfes zurückgedrängt, während meine Beine in einem schnellen Tempo durch den Wald liefen. Und ich konnte nichts dagegen unternehmen; konnte nur zugucken, wie er meine Familie und meine Freunde alle umbringen würde.
Niemals hätte ich mich auf diesen Fluch einlassen dürfen, niemals. Einen Toten wieder zum Leben zu erwecken brachte Konsequenzen mit sich und nun musste ich dafür bezahlen. Und zwar mit dem Tod einer gesamten Stadt.
Mein Wille, dem ein Ende zu setzten, wurde immer größer und ich fing wieder an, in meinem Kopf zu schreien. Ich konzentrierte mich auf jede Faser meines Körpers und versuchte sie wieder unter meine Gewalt zu bringen. Der Dämon brüllte bestialisch, während er genau das Gegenteil versuchte – und zwar mich wieder zurückzudrängen.
Wir fielen zu Boden, als ich kurz die Kontrolle über ein Bein bekam. Das Monster brüllte immer noch, aber genauso schrie ich zurück. Langsam spürte ich wie der Dämon zurückgedrängt wurde und ich wieder die volle Beherrschung über meinen Körper bekam. Ein letzter Schrei und der Dämon verschwand.
Ich atmete auf. Für eine kurze Zeit hatte ich gewonnen, aber er würde wieder zurückkommen. Er war immer noch tief in mir drin und wartete auf den Moment, in dem er wieder ausbrechen konnte.
Es durfte nicht noch ein Mal passieren. Ich bezweifelte, dass ich ihn ein weiteres Mal besiegen konnte.
Damit blieb mir nur eine einzige Lösung.
Unruhig atmete ich ein. Ich musste es einfach tun.
Entschlossen kletterte ich auf einen Baum, was sich durch die fehlende Kraft als schwer erwies. Aber es musste sein. Beinahe in der Baumkrone, als die Äste immer dünner und schwächer wurden, sprang ich runter.
Es erklang ein dumpfer Schlag, als ich mit dem Rücken auf dem Boden aufkam. Alle Luft wich mir mit einem Mal aus den Lungen und ich atmete nicht mehr ein. Das Leben schwand mit jeder schmerzlichen Sekunde aus mir.
Ich hatte es geschafft. Das Leben meines Zuhauses war gerettet. Nun konnte der Dämon ohne mein Leben nicht mehr töten. Glücklich schloss ich die Augen.
Doch da spürte ich es. Während ich davon schied, kicherte in einer finsteren Ecke wieder der Dämon und er nahm langsam wieder Besitz von meinem Körper, Zentimeter für Zentimeter.
Entsetzten packte mich. Es war die falsche Entscheidung gewesen, mich umzubringen. Jetzt hatte der Dämon meinen Körper ohne meinen rebellierenden Geist und konnte somit problemlos töten wen er wollte. Und ich hatte es ihm ermöglicht.
Ich wollte mich ihm widersetzen, aber es war zu spät. Das Leben wich nun komplett aus mir und ich starb in dem Gewissen, dass eine ganze Stadt wegen mir sterben sollte.
Da die Geschichte durch diese Gruppe und ihren Wettbewerb entstanden ist, hier der Link zu Gruppe:
Texte: © elyn, 2015. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.
Bildmaterialien: Die Bildrechte liegen bei Nekochan, die das Cover für den Wettbewerb der Gruppe "Bücher nach Cover" erstellt hat.
Tag der Veröffentlichung: 05.08.2015
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