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Kapitel 1 einer Kurzgeschichte

Veilchen


Endlich ist der Sommer zu Ende, meinte meine beste Freundin zu mir, als wir unter den Farben des Herbstes spazieren gingen. » Ich liebe den Geruch des nassen Laubes und den kühlen Wind, der leicht mein Gesicht streichelt. «
Ich konnte mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. » Seit wann, bist du denn unter die Poeten gegangen? «
Wie ein Reh das gerade geblendet wurde schaute mich Steffi mit ihren grau-blauen Augen an. » Öhm. Ach, du weißt doch, wie ich das meine. «
Ich nickte. » Ja schon, aber es ist doch ein wenig ungewohnt für mich. Seit du ein Kind bekommen hast, entdeckst du wohl die Sprache der Poesie? « Lachend sah ich meine Beste an und merkte sofort, das es ihr unangenehm war. Doch sah ich auch was Anderes in ihren Augen. Traurigkeit. » Steffi, was ist mit dir los? Du hast mich doch nicht nur angerufen, weil du deine Poesie kundtun wolltest. Ich habe am Telefon schon gemerkt, dass dich irgendwas bedrückt. «
  »Du... « Begann sie leise mit weinerlicher Stimme. » ...mein Bruder ist gestern auf der Intensivstation für immer eingeschlafen. «
Mir entglitten meine Gesichtszüge. » W-Was ist denn passiert? « Fragte ich, als ich mich wieder etwas gefasst hatte.
  » Er wurde vor circa 2 Wochen von einer Wespe direkt in den Hals gestochen und... « Sie machte eine kurze Pause und wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen weg. » ...er hatte doch eine Allergie gegen sämtliche Stechinsekten. « Sie bemühte sich sehr, nicht komplett ihre Fassung zu verlieren, aber dies geling ihr nicht mehr. Steffi brach neben mir zusammen und ich fühlte mich zum ersten Mal hilflos. Wie angewurzelt stand ich neben ihr und beobachtete meine Beste, wie sie die braun-roten Blätter, die Schönheit des Herbstes, zerriss und versuchte wegzuwerfen. » Warum?! Warum musste das passieren?! « Sie sah mich an. » Kannst du mir eine Antwort darauf geben? Warum gerade er? Bitte gib mir eine Antwort, die mir hilft, das ich das verarbeiten kann. BITTE! «
Ich setzte mich zu ihr auf den Boden und legte meinen Arm um sie. » Weißt du... « Begann ich  meinen Satz, ohne genau zu wissen, was ich eigentlich sagen sollte. » Weißt du, ich kann dir darauf keine logische Antwort beziehungsweise Erklärung geben. Denn das kann keiner. « Ich machte eine kurze Pause zum Durchatmen. Meine Freundin sah mich wütend an. Ich wusste was sie machen wollte. » Ich weiß, das du mir am liebsten eine Knallen würdest. Vielleicht war dieser Satz von mir unsensibel, aber ich kann mit Trauer und Traurigkeit nicht umgehen. «
» Würdest du mir eine Erklärung geben, wenn du sie hättest? «
Erschrocken zog ich meinen Arm zurück und starrte auf den Boden. Was sollte ich jetzt sagen. » Ähm... «
  » Francine, würdest du oder würdest du nicht? «
  » Nein. «
  » Wieso nicht? « Schrie sie mich an. » Wenn es mir helfen würde! «
  » Ganz einfach, weil es dir nicht helfen würde. Es würde die Sache das dein Bruder tot ist nicht vereinfachen. Kein Mensch kann einen Anderen den Schmerz des Verlustes nehmen. Das einzigste was man machen kann, ist zusammen weinen, aber man findet keine logische Antwort darauf, warum es gerade ihn erwischt hat. Du weißt, das ich immer für dich da bin, wenn du mich brauchst. Aber fordere von mir keine Antwort auf was, was ich nicht wissen kann. «
  » Du bist so.... « Sie knallte mir eine. » ...es tut mir Leid. « Sie stand auf und ging zu einer Eiche. » Es tut mir leid, Francine. Du hast recht. Ich muss es akzeptieren, als nach einer Antwort zu suchen. «
Ich rappelte mich auf und ging zu ihr. » Kein Thema. Du hast verstanden, was ich dir vermitteln wollte. « Ich nahm sie in meine Arme. » Er wird immer in deinem Herzen leben. Immer. «
Sie lächelte mich an. » Lass uns weiter gehen. Es regnet. «
  » Es regnet? << Steffi hatte recht. Es fing wirklich an zu regnen. » Steffi, ich habe eine Idee, die dir vielleicht helfen könnte. Siehst du da vorne die Lichtung. «
  » Ja. «
  » Komm mit. « Ich nahm sie an der Hand und ging mit ihr zu dieser Lichtung. Dort angekommen, ließ ich ihre Hand los. » Jetzt ruf den Namen deines Bruders. «
Verwirrt sah sie mich an.
  » Vertrau mir. Ruf deinen Bruder. Er wird dir antworten. «
Steffi zog eine Augenbraue hoch. » Ich weiß nicht ob das was bringt, aber ich werde es versuchen. « Sie atmete tief durch und schrie den Namen hinaus in den Wald. » SEBASTIAN! « 
Ein starke Windböe huschte über die Lichtung und legte vor Steffi ein Veilchen. » Siehst du, er hat dir geantwortet. «
  » Das ist nicht wahr. Das ist nicht passiert? «
  » Doch. «
Meine Freundin wischte sich die Traurigkeit aus dem Gesicht und lächelte mich an. » Francine, du bist die Beste. Jetzt weiß ich, wenn ich ihn mal brauchen sollte oder ich ihn vermisse, kann ich einfach seinen Namen rufen und er antwortet mir. « Sie reckte das Veilchen in die Luft. » Sebastian, ich vermisse dich, aber wir sehen uns wieder. «

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 20.09.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine beste Freundin Steffi!

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