Ich konnte es nicht glauben, Christians Operation, die er nicht bezahlen konnte, eine Operation die sein Leben verrändert hatte, wir wussten jetzt wer der anonyme Spender war.
Alles was ich ihr als Beleidigungen entgegengeschleudert habe, den Schmerz den ich ihr Tag für Tag entgegenbrachte, die Ignoranz. In keiner einzigen Silbe hat sie es erwähnt, sie hatte die OP bezahlt, sie war es die uns jede Weihnachten Truthan und Schockolade vor die Tür stellte... Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. Ein unsäglicher Schmerz breitete sich in meinem Körper aus
... Meine Stimme zitterte, eiskalte Luft strömte durch meine Lungen, vor Angst bebte mein Körper. Doch das war ich ihr jetzt schuldig. Ich saß hier ununterbrochen, schon 2 Tage.
Gut machen konnte ich leider nicht, was ich, was wir alle ihr angetan haben. Und nun lag sie hier, ich bangte um ihr Leben.
Ein Stich fuhr mitten in mein Herz, ich hatte es verdient.
Valisa sah man stets mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht, eine undurchdringbare positive Stimmung herrschte um sie. Und jeder bekam etwas davon ab. Es war ihr egal ob alt oder jung, hübsch oder hässlich, arm oder reich, sauber oder dreckig. Jedem schenkte sie ein Lächeln, jeden umarmte sie.
Ein Eissturm wehte draußen, doch Valisa flüchtete sich nicht ins warme Haus, nein. Sie hatte mit den Senioren den ganzen Sommer Decken gestrickt, die sie allen Bettler, allen Obdachlosen, allen Flüchtlingen schenkte.
Tränen flossen nur so über mein Gesicht. Die Erinnerung war so frisch, verurteilt hab ich sie. Jedes mal wenn sie mit denen gespielt, gekocht oder sonst was gemacht hat.
Eine Welle aus Traurigkeit und Schmerz brach über mich herein, ich krümte mich zusammen.
Valisas Hand fühlte sich erschreckend kalt an, in meinen verschwitzten Fingern. Ich durfte sie nicht verlieren! All die Jahre brachte ich ihr nichts als Verachtung entgegen.
Ihre Augen flackerten voll Schmerz, aber sie sagte sie verzeiht uns, wenn wir irgendwann verstehen warum sie diesen Weg geht. Warum ihr es wichtiger ist, bei den Hilfsbedürftigen zu sein, als ihren Job zu behalten.
Übelkeit kam in mir hoch, ich musste mich erbrechen...
Vor all unseren Freunden hab ich herum erzählt, wir sollten sie meiden.
Valisa war allein, verstoßen von ihrer eigenen Familie, ihren eigenen Freunden...
"Verlass mich nicht. Wach auf, bitte! Ich brauch dich doch!"
Ich flüsterte ihr schon zum hundertsten mal diese Worte ins Ohr, nicht wissend ob sie sie verstand.
Christian hielt mich, während sich mein Körper hemmungslos schüttelte, ich schluchzte, der Schmerz ging nicht weg.
Ein schriller Schrei befreite sich aus meiner Kehle. Gleichzeitig strömten lauter Ärzte in das Behandlungszimmer. Panik vergiftete meinen Verstand, Kräfte mobilisierten sich, ich wollte nicht raus, wollte bei ihr bleiben, wollte ihr Herz wieder schlagen lassen. Plötzlich war es still. Zu still. Mein Schrei erstickte, ich kämpfte um mein Bewusstsein.
Bemitleidende Augen schauten auf mich herab. "Wie könnt ihr aufgeben!?" ich packte den Chefarzt und wiederholte mein Mantra immer und immerwieder. Umrisse verschwammen, Wut und Schmerz beherrschten meinen Geist. Ich wollte rennen, wollte Valisa lachen hören, doch mein Körper reagierte nicht. Meine Sicht verdunkelte sich, eine Kälte legte sich auf meine Seele. Ich würde dass, was Valisa angefangen hatte, weiterführen, ich musste!
Starke Arme umfingen mich, bevor ich mein Bewusstsein verlor.
Tag der Veröffentlichung: 21.09.2020
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