Kala war beunruhigt. Sie schaute sich um, von der Klippe über dem Gewässer schweifte ihr Blick weit über die umliegenden Felder, aber es war absolut nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die Mädchen unter ihr spielten unbeschwert im Wasser, ihr fröhliches Lachen war bis hier oben zu hören. Eine dünne Rauchsäule verriet den Standort des Klosters, das durch die Büsche und die Felsen verdeckt war. Neben den Büschen lag dieser eigentümlich geformter Stein. Er sah fast aus wie eine menschliche Gestalt, die im Gras lag und auf den See schaute. Heute nahm sie ihn das erste Mal bewusst war, obwohl er schon undenkliche Zeit dort liegen musste, denn er war dick mit Moos bewachsen.
Die beiden Wachen standen etwas abseits und plauderten. Wahrscheinlich langweilten sie sich furchtbar, aber seit der Geschichte damals bestand der hohe Rat darauf, dass die Mädchen das Kloster nicht ohne bewaffnete Begleitung verließen. Dann sah sie wieder den Mädchen zu, die ihre Körperpflege beendet hatten und nur noch im Wasser herumtollten.
Eigentlich waren es gar keine Mädchen mehr, die Jüngste von ihnen war sechzehn Jahre alt. Die meisten würden im nächsten Jahr ihren Dienst als Priesterinnen im Tempel antreten. Ein außerordentlich hochangesehener Dienst, zu dem nur die hübschesten Töchter der vornehmsten Familien zugelassen wurden, denn ER war ein ebenso anspruchsvoller wie grausamer Gott. Wenn ihm nicht die besten Jungfrauen dienten, bestrafte er die Stadt gnadenlos. Sie war die Ausbilderin der Mädchen und trug damit die Verantwortung für Tugend und Keuschheit dieser angehenden Priesterinnen.
Mit Schaudern dachte sie an die Geschichte vor ein paar Jahren. Damals war sie eine der Schülerinnen gewesen und hatte dort unten im Wasser getobt, als ein paar Jünglinge aus der Stadt plötzlich über sie hergefallen waren und Einige von ihnen geschwängert hatten. Einerseits ein Dummer-Jungen Streich, andererseits ein unfassliches Sakrileg, denn die Mädchen waren heilig und das Gebiet rings um das Kloster für Außenstehende streng tabu. Und da kamen diese Bengel, allesamt angeheiterte Söhnlein reicher Familien und stadtbekannte Schwerenöter, einfach aus dem Gebüsch gesprungen und hatten wild mit den jungen Mädchen herumgevögelt, die sich auf ihren verantwortungsvollen Dienst an IHM vorbereiteten und sich aller Fleischeslust zu versagen hatten.
Auch sie war dabei gewesen und der Kelch war nicht an ihr vorübergegangen! Er hatte sie nach kurzer Flucht am Ufer eingeholt und war über sie hergefallen. Bevor sie sich versah, hatten sich seine Hände ihres Allerheiligsten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 22.01.2015
ISBN: 978-3-7368-8287-4
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