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KEINE Weihnachtsgeschichte!

Weihnachten? Hört mir bloß mit Weihnachten auf! Ich kann dieses blöde Gesülze von Jesulein und Esulein und Krippe und Friede und Freude und Eierkuchen nicht mehr hören! Jesus ist tot und die Weihnachtsbotschaft wurde abgesetzt – zu schlechte Einschaltquoten. Die Welt brennt an allen Ecken und Enden, wie an jedem anderen Tag. Der Friede ist uns so fern wie der Mond: grundsätzlich erreichbar, aber wer sollte das wollen? Friede ist schließlich geschäftsschädigend. Jeden Tag. Auch Weihnachten. Was soll das also?

 

Wenn im Radio direkt nach der Verkehrsmeldung, dass gerade 15 Menschen bei einer Unfallserie auf Glatteis ums Leben gekommen sind, „Winterwonderland“ gespielt wird, dann weihnachtet es sehr! Wenn auch die hartgesottenste Heavy-Metal Kapelle, die sich das ganze Jahr in der Öffentlichkeit nur in schwarzem Leder und mit Teufelsmasken zeigt, irgendein weichgespültes Gesäusel veröffentlicht, damit die Kasse auch ordentlich klingelt, ist das Christkind schon ganz nah! Nur an den Schokoladen-Weihnachtsmännern in den Regalen der Supermärkte merkt man es nicht – die liegen schon seit kurz nach Ostern da. Wenn es mit Hexenverbrennungen mehr zu verdienen gäbe, wären es Schokoladen-Scheiterhaufen. Halleluja!

 

Und was soll das dämliche Getue um Familien, die sich angeblich jedes Jahr unterm Weihnachtsbaum glücklich in die Arme fallen? Nie klingen die Glocken schöner als zu der Weihnachtszeit – und zu keiner Zeit gibt es mehr Selbstmorde und häusliche Gewalt. Wer soll denn da diese ganzen rührseligen Geschichten um Glück und Harmonie und glänzende Kinderaugen im Kerzenschein noch glauben? „IST der Baum nicht schön? Sach doch mal selber! NEEE – watt schöön!“ - als wenn eine abgehackte Tanne im Wohnzimmer was daran ändern könnte, dass Familien längst wegrationalisiert wurden und Kinderaugen höchstens vor Spielkonsolen glänzen! Zur „Familie“ gehört eh nur, wer Geld und Arbeitskraft beisteuern kann. Wer krank und pleite ist, wird unter keinen Weihnachtsbaum gebeten. Versager und Loser sollen sich gefälligst verp*ssen. Die will doch keiner sehen. Auch nicht an Weihnachten. Schon gar nicht an Weihnachten! Das fehlte noch! Ist doch schon genug Stress. Die Kinder wollen das auch nicht. „ODER Kinder???“ - Na, also!

 

Hört mir also bloß mit Weihnachten auf! Das ist kein Fest, das ist eine Zumutung! Wie der Kölner Karneval: 3 Tage Ausnahmezustand, in denen NICHTS funktioniert. Danach kriegt man mit etwas Glück wieder Leute ans Telefon und kann Termine machen. Daran nimmt man nicht teil, daran nimmt man höchstens Schaden. Das ist wie der Herbststurm, der einem jedes Jahr ein paar Ziegel vom Dach fegt: unerfreulich, aber nun mal nicht zu ändern. Da ist mir die Mittwinternacht bedeutend sympathischer: eine Kerze auf dem Tisch und dazu ein Bier. Das Julfeuer im Garten fällt aus, weil sich im vorbereiteten Holzhaufen ein Igel einquartiert hat und dem Frühling entgegen träumt. Skål, mein kleiner Freund – gød Jul! Jetzt kehrt das Licht langsam zurück und die Tage der Eisriesen sind gezählt.

 

Eine schöne Sitte sind allerdings die Geschenke zu Weihnachten! Also ich schenke mir - Weihnachten!

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Tag der Veröffentlichung: 14.12.2014

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