Prolog
Während draußen leise der Schnee rieselte, lagst du auf dem Bett. In Grau waren die Sommerfelder gemalt. Die Vögel sangen nicht, die Bäche standen still, weder nah noch fern brannte ein Licht.
In deinem Himmel war kein Platz mehr für das Spiel der Drachen, kein Feuer für die kleine Kerze, keine Zeit mehr für unser Lachen. Schlaf, mein Vater, schlaf, ich liebe dich.
Der Beginn
Diese Geschichte – meine Geschichte, um genau zu sein – begann vor vielen, vielen Jahren. In einer Vergangenheit, die mir noch als damals in Erinnerung ist.
Damals, ach damals, als die Zeit noch jung war, die Blumen und das Lächeln eins, die Sonne und der Mond Bruder und Schwester waren. Damals, als wir träumten, dass das Leben wie ein Tautropfen im Morgentau eines großen Spinnennetzes war; gespiegelt in vielen tausend anderen Tautropfen oder eine von vielen Farben in einem Regenbogen ohne Anfang und ohne Ende ...
Kapitel 1: Mit staunenden Augen vor Daleds Tor
Ein kleiner Engel namens Thot stand am Rande des Himmels, weit oben über der Welt, ihren pulsierenden Städten und den unzähligen Menschen, die sie bewohnten. Menschen aller Gestalt und Wesensart, manche fleißig, manche faul, manche dumm, manche gescheit, und manche freundlich oder vergrämt. In dieser Welt ließen Kinder ihre Drachen steigen, lachten und weinten, und manchmal neckten sie sich in ihrem Ausgelassenheit.
Jener kleine Engel, dessen Kleid aus einem Hauch von Traumseide bestand, schwebte eines Tages – nicht richtig fliegend, aber auch nicht gehend – zu einem mächtigen Tor hinüber. Es war umrankt von weißen, schwarzen und dunkelroten Rosen; doch nicht sie waren es, die ihn anlockten. Schon aus der Ferne hatte er Lichtgestalten gesehen, die, mal zu zweit, mal zu mehreren, dorthin strömten. Im Dunkel der Nacht weithin sichtbar, blitzten Sterne um sie herum und der Boden warf sanft das kraftvolle Licht zurück, welches jede der Gestalten ausstrahlte. Thot war, als zöge es ihn unwiderstehlich dorthin. Beim Eingang angelangt, erblickte er einen stattlichen Engel in all seiner Pracht stehen. Sein Gewand, welches schwärzer als die tiefste Nacht war, zierte eine Spange, die in allen Prismenfarben funkelte. Das Auffallendste aber war sein Gesicht: Faltendurchwirkt schien es die Zeit selbst widerzuspiegeln und die dunklen Augen bargen das Wissen der ganzen Welt in sich. Tief beeindruckt blieb Thot stehen und schaute zu ihm hinauf.
„Wer seid Ihr?“, fragte er ihn. „Ich bin Daled, der Torwächter, und wer bist du?“, erwiderte der Engel mit ruhiger, tiefer Stimme. „Ich heiße Thot”, gab dieser Auskunft und
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2014
ISBN: 978-3-7368-6189-3
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