Die Morgensonne schien sanft durch die Vorhänge auf die Bettdecke. Das Bett war längst verlassen, schon lange vor Beginn des Morgens. Die Bettdecke war zerknüllt, das Kopfkissen durchgelegen. Noch war die Sonne sanft, doch schon in wenigen Stunden würde die Sonne unerbärmlich heiß über der Stadt stehen, in all ihrem spöttischem Glanz. Wir schrieben das Jahr 3010, um genau zu sein den 04.06.3010. Heute war der Jahrestag der Stadt und alle Menschen versammelten sich fröhlich auf dem großen Markt, tranken, lachten und tanzten miteinander. Der kleine Motor des kleinen Bootes knatterte ruhig vor sich hin. Nuri schüttete sich eine Tasse Kaffee ein und schlürfte das heiße Gebräu genüsslich. ,,Nichts geht über einen Kaffee am morgen, nicht war, kleine Nuri?“, rief ein bekannter Fischer dem Mädchen zu. Nuri lächelte und winkte dem Fischer friedlich. Dank dem großen Festival, war die Achieng, der Hauptfluss aus und in die Stadt, sehr leer und ruhig. Nur leichte kleine Wellen der Strömung platschten gegen das alte Böötchen. Nuri's ,,Nussschale“, wie sie es nannte, hatte sie für 20 Chipo von einem Junkie abgekauft, der das Geld brauchte um sich neue Drogen holen zu können. Der ehemals weiße Lack der Nussschale bröckelte ab, auf beiden Seiten waren Grafitti. Das braunhaarige Mädchen schaute von ihrem Frühstück, ein gestohlenes Brot mit Käse, auf. Ihr Boot begann mehr zu schaukeln, sie kam dem Meer immer näher. Das Mädchen hielt sich die Hand über die Augen, weil die Morgensonne sie blendete und betrachtete zufrieden das weite Meer. Nur ihr konnte sie sich frei fühlen, weit weg von allen Engen und Sorgen der Stadt. Ihre Lungen nahmen tief die Seeluft auf. Ihr Bott tuckerte tapfer weiter auf offene Meer, auch wenn man beim ersten Anblick der Nussschale denkt, sie schafft es nicht einmal den Kanal hinauf. Aus dem Augenwinkel vernahm Nuri eine Bewegung. Blitzschnell umfing ihre dünne Hand den Speer und warf ihn nach dem dicken Fisch aus, doch statt den Fisch zu treffen, durchbohrte sie eine Hand. ,,Aua!“, jaulte eine männliche Stimme. ,,Scheiß Mutanten!“, fluchte Nuri nur. ,,Ich hätte getroffen, aber nein, du musst mich ja wieder aufhalten. Machs doch mal lieber bei den Fischern, die auch Delphine und Wale fangen mit ihren Netzen, verdammt!“ Die Gestalt schwamm auf Nuri zu. Statt eines Unterkörpers besaß sie eine türkise Schwanzflosse. Das Gesicht war schmal und makant, die Haare weiß bis leicht bläulich und die Augen dunkelblau. ,,Aber meine liebste Nuri, ich kann doch nicht zulassen, dass mein Herzblatt sowas tut!“ Der Seemann lächelte und schaute Nuri verliebt in die Augen. ,,Junge... Kannst du nicht jemand anderen belästigen? Ich will nichts von dir, Baako!“, schnauzte Nuri das Wasserwesen an. In ihren grünen Augen funkelte eine genervte Aura, wobei die von Baako verletzt wirkt. ,,Aber-“, begann Baako an zu stottern. ,,Kein ,,Aber“, Wassermensch!“, unterbrach Nuri ihn hart. ,,Entweder du gibst mir meinen Speer zurück und lässt mich fischen oder ich jag dir den nächsten durch herz, mein Freund.“ Baako zog sich den Speer aus der Hand, die Wunde verschloss sich im selben Moment, wie der Speer vollends hinausgezogen war. Trotzig drückte der Mutant Nuri die Waffe in die Hand und machte einen Schmollmund. ,,Lässt du mich wenigstens mitfahren?“, fragte der unglücklich Liebende und schaute das braunhaarige Mädchen mit Welpenaugen an. ,,Jaja.“ Nuri verdrehte genervt die Augen. Sofort begann der Meeresprinz wieder zu lächeln und versuchte sich auf die Nussschale zu schwingen. Das kleine Boot schaukelte gefährlich, Nuri versuchte sich verzweifelt an den Seiten festzukrallen, bis Baako es endlich geschafft hatte. Vollkommen zufrieden saß der Meermann nun im kleinen Boot und füllt es beinahe zur Hälfte aus. ,,Da ist ein dicker Fisch.“, bemerkte er und deutete mit dem Finger auf eine Stelle im Wasser. Nuri drehte den Kopf und tätsächlich schwamm nicht weit ein richtig dicker Brocken im Wasser. Die Augen fixierten das ahnungslose Tier, schon hatte es einen Speer durchs Leib gebohrt. Das Mädchen löste den Fisch vom Speer und hielt weiter Ausschau. Baako lächelte breit. ,,Das hast du gut gemacht!“, lobte er lauthals, als Antwort bekam er nur einen leicht verzweifelten Seufzer. ,,Noch ein großer Fisch wird reichen. Heute sind die Leute zahlungswillig.“, meinte Nuri, nach ein paar schweigsamen Minuten schließlich. Im Prinzip hatte sie nur keine Lust, bald in der Mittagshitze noch im Boot zu sitzen und sich noch nicht mal im Schatten eines großen Bootes zu befinden. Baako nickte bedauernd. ,,Schade.“, sagte er und schaute weiter aufs Meer. Auf einmal hob sich sein Arm und mit einem Finger deutete auf eine Stelle ziemlich weit vom Boot entfernt. ,,Da ist ein großer, aber da kommst du nicht dran.“ Nuri starrte auf die Stelle, der Fisch war tatsächlich gigantisch. ,,Das Gute ist immer so weit weg von mir!“, maulte sie trotzig. Baako begann zu grinsen und beugte sich weiter zu Nuri vor. ,,Hier sitzt etwas Gutes genau vor dir.“, schnurrte er beinahe. Das Mädchen brachte nur ein kurzes Lachen zustande. ,,Du riechst wie ein Fisch, Prinzchen!“ Grinsend sah sie den Fischmensch an, dieser lehnte sie wieder zurück und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. ,,Du bist fies, Nurilein.“, meinte er schmollend. ,,Ich sollte wieder nach hause zurück, sonst bringt mein Vater mich um. Ich als Erstgeborener sollte schließlich vorbildlich sein.“ ,,Bis bald dann.“, verabschiedete sich Nuri. ,,Aber sollte ich erwähnen, dass du mir noch mehrere Speere und eine Kaffeetasse schuldig bist und dieses Mal bitte nicht das Boot umschmeißen solltest?“ ,,Nein solltest du nicht.“, antwortete Baako frech und war auch schon vom Boot gerutscht. Wieder schaukelte die Nussschale gefährlich. ,,Alter...“ Die 14-Jährige seufzte resigniert und schüttelte leicht den Kopf. Warum musste auch ausgrechnet ein Tiefseeprinz in sie verliebt sein? Sie schmiss den Motor der Nussschale an und schon ratterte das Böötchen zurück in die Stadt.
Tag der Veröffentlichung: 30.05.2012
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Widmung:
Ich widme dieses Buch meinen ganzen Ollen.