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Prolog

Prolog

Mit einem konzentrierten Gesicht verschob Narrem die Schaltflächen und Fenster auf seinem Hologramm, dass vor ihm schwebte. Als eine neue Nachricht kam, befeuchtete er kurz seine Lippen, zog seinen Leuchtstift und tippte auf einer aufgeploppten Sternenkarte einige Koordinaten ein.
"Meldungen von der Marina?", fragte ihn ein kräftiger Mann, der sich mit geducktem Kopf ins Cockpit gesellte.
"Negativ, Sir. Das Hauptquartier hat eben um ihre letzten Koordinaten gebeten.", erwiderte Narrem.

Der Mann war sein Vorgesetzter, und sein Partner zugleich. Er war Captain, also ein Rang über Narrem. Nach einer kurzen Pause wies er ihn an: "Nehmen sie den alten Kurs wieder auf. Ich will wissen, was mit der Marina passiert ist."
Mit einem Nicken breitete Narrem seine Handfläche aus, und schob mit einer Geste das große Holointerface beiseite. Wie von Zauberhand streckte sich ihm der Steuerhebel des Schiffes entgegen, und er setzte es in Bewegung.
Captain Miller verschwand wieder aus der Steuerkanzel, und das Schiff glitt durch den leeren Raum des Sternenhimmels. Auf dem kniehohen Display ploppte eine Route auf, der Narrem so gut wie möglich folgte. Schräg über ihnen flog ein weiteres, großes Raumschiff vorüber. Die Kennung wies auf einen Frachter mit Gefahrengut hin. Gelangweilt kaute Narrem auf der Innenseite seiner Wange herum, stand schließlich auf und ließ den Autopiloten fliegen. Wozu manuell fliegen, wenn er sowieso nur einer Route folgen musste?
Er duckte sich, schritt durch die Tür des Cockpits und seine Sockenfüße erzeugten ein gedämpftes, metallisches Klopfen, wie er es von dem Boden an Bord kannte. Anstatt dem Gang weiter zu folgen, ging er jedoch nur in die kleine, besenkammergroße Waffenkammer direkt hinter der Brücke. Er atmete etwas genervt durch, als er seinen Spind öffnete und seine Ausrüstung überprüfte. Beim durchwühlen des Spindinhalts kam sein gesamtes Equipment zum Vorschein – auf der oberen Fläche lag eine sauber zusammengelegte Ersatzuniform, seine selbstgebaute Pistole, sein Dienstabzeichen, eine alte Schirmmütze der Polizei von der Erde, und ein längliches, headsetmäßiges Funkgerät für ein Ohr plus Ladestation. Darunter, auf seiner Brusthöhe, hing ein dicker Raumanzug, mit dem selben Abzeichen, was man auch auf jeder Klamotte in dem Spind finden konnte, dahinter sein Unimun-Sturmgewehr, und auf Knöchelhöhe standen zwei paar Stiefel – ein normales Springerstiefelpaar, und ein magentisches, aus Metall gefertigtes Paar für den Raumanzug. Mit einem Nicken begutachtete er den Inhalt – ja, das war seine Ausrüstung. Er nahm sein Gewehr heraus, und schloss den Spind wieder. Den Spind von Miller wagte er nicht, zu öffnen. Das würde ihm einiges an Ärger einhandeln – auch, wenn sie nun schon mehr als eine Woche zusammen unterwegs waren. Es war sein Zeug, und er hatte kein Recht, es sich anzusehen. Das störte ihn jedoch nicht weiter. Über dem Spind lag ein etwas heruntergekommener, aber trotzdem noch zu gebrauchender Putzlappen, welchen Narrem mit einem kurzen Strecken seiner Füße schließlich auch von dem Spind herunternahm. Er nahm auf der Bank, die in der zur Umkleide umfunktionierten Waffenkammer stand, platz, und begann sein Sturmgewehr zu polieren.

Während seiner Arbeit versank er in Gedanken. Er dachte daran, was er in seinem Urlaub auf Station 2-2 Jupiter tun könnte. Das er seine Frau und seine kleine Tochter besuchte war sowieso klar, doch wenn er gerade die Ruhe hatte, konnte er auch gleich einiges an Aktivitäten für seine Familie und ihn planen. Station 2-2 war nicht seine Heimat. Deshalb kannte er sich dort nicht so gut aus. Er wusste nur, dass es bei den Docks und Landebuchten unglaublich gute Restaurants geben musste. Er und seine Kollegen witzelten immer "Die vom Jupiter, die können immer noch am besten kochen". Seine Checkliste wurde also schon einmal mit diesem Punkt angeführt – Essen gehen. Das vermisste er. Die Protein- und Energieriegel, die auf den Schiffen der Space Division im Vorrat lagen, waren auch nicht das Wahre. Woher das gute Essen auf der Raumstation kommen sollte, erschien ihm allerdings schleierhaft. Logisch, sie wurde beliefert, wie alle anderen Stationen in der Milchstraße, doch warum sollten sie das beste Essen geliefert bekommen?
Mit einem lauten Krachen wurde Narrem aus seinen Gedanken gerissen. Der Captain schrie aus dem Cockpit: "Kgro, sofort ins Cockpit!"
Das war Narrem's Nachname. Eigentlich war es unnötig, dass er ihn bei Namen nannte, auf dem kleinen Zwei-Mann-Schiff waren sowieso nur die beiden stationiert – doch da drang wohl noch der Rest Soldat aus Miller heraus. Eilig hastete Narrem auf seinen Platz in der Steuerkanzel, drehte den Stuhl um 180 Grad in Richtung der Scheibe und ließ ein kleines Hologramm per Knopfdruck aufploppen – das Kampfmodul. Das besondere an diesem war, dass es ihm nicht die Sicht versperrte und auf Gesichtshöhe schwebte, sondern vertikal über seinen Knien lag. Mit Fingerspitzengefühl machte er die Waffen scharf. Man sah an seiner Handhabung, dass er Erfahrung mit dem Bedienung von Schiffsinterfaces hatte – anstatt auf die Flächen zu drücken, strich er nur leicht darüber, weil er ein Gefühl für diese Konsole bekommen hatte.
"Feuerbereit für erste Salve, Sir", bemerkte Narrem unter weiteren Eingaben.
Vor ihnen schwebte die Marina – jedoch mehr als deutlich demoliert. Die sprühenden Funken am Schiffsrumpf ließen vermuten, dass sie wohl gleich entzwei brechen würde. Einige Klicks neben ihr schwebte ein Schiff unbekannten Typs – zumindest für Narrem. Miller begann laut zu denken: "Haben sie schonmal so einen Frachter gesehen?"
"Negativ, Sir. Ich wollte sie eben dasselbe fra..."
Genau in diesem Moment flog eine Rakete auf ihr Schiff zu. Narrem reagierte sofort, nahm den Steuerhebel in die Hand und riss ihr Schiff beseite. Ohne eine Erlaubnis betätigte er auch sofort den Abzug, und jagte ihrem Angreifer eine Salve Pierce-Raketen entgegen.
"Was tun sie denn, wieso feuern sie auf diesen Frachter? Das Kommando habe immernoch ich!", bemerkte Miller empört.
Der "Frachter" fuhr plötzlich am oberen Rumpf ein kleines Maschinengewehr aus, dass die ihm entgegen geschickten Raketen pulverisierte.
Mit einem Kopfschütteln lud Narrem die Kanonen erneut auf, und gab nur knapp zurück: "Ein Frachter hat keine Abwehrmechanismen solchen Kalibers. Ich gehe davon aus, dass wir es hier mit einer Eskorte oder vielleicht sogar einem eigenständigen, waffenfähigen Schiff zutun haben." Narrem schob das Waffeninterface mit einer Geste auf die Knie von Miller, während er sich selbst ein Headset ins Ohr klemmte. "Sie übernehmen die Waffen. Ich melde dem Hauptquartier, was hier läuft." Zuerst gekränkt, doch dann einsichtig begann Captain Miller auf der Waffenkonsole rumzutippen und erwiderte weiterhin das Feuer.
"HQ, hier ist Patroullie Fünf. Melde einen Luftkampf mit offenbar schwer bewaffnetem Schiff, stehen unter konstantem Raketenfeuer. Schicken sie Verstärkung, wenn möglich eine Abfangeinheit mit schildbrechender Munition, Ende."

Den bestätigenden Funkspruch hörte Narrem sich garnicht an, und legte das Headset wieder beseite. Nun übernahm der Captain wieder das Kommando.
"Kgro, schwingen sie sich in den Geschützturm. Sehen sie zu, dass sie diesen Abwehrturm zerschreddern." Mit einem salutieren setzte Narrem sich in Bewegung, lief in die Waffenkammer, schlug seinen Spind auf, klemmte sich das Funkgerät ins Ohr und dachte in der Hektik nichteinmal daran, den Spind wieder geordnet zu schließen. Er stieg eine Leiter durch eine Röhre hinunter, und nahm in einem bequemen, schon beinahe liegestuhlartigen Gestell Platz. Er nahm zwei große, querliegende Hebel in die Hand und legte seine Arme nach vorn. Als er mit beiden Händen die schon an Fahrradbremsen erinnernden Auslöser betätigte, krachte es am unteren Rumpf ihres eigenen Schiffes durch den lauten Lärm der kleinen Flys. Flys waren winzige, raketengetriebene Geschosse, die in einer maschinengewehrähnlichen Frequenz abgefeuert werden konnten, um – wie beispielweise jetzt – einen Punkt haargenau anvisieren und zerstören zu können. Als es in der Ferne donnerte, wollte Narrem schon zufrieden seinen Treffer verkünden, musste jedoch durch den kleinen Glaskasten, in dem er saß, mit ansehen wie die Marina in zwei Teile zersprang. Wütend sah er das Angreiferschiff an. Dafür sollten sie bezahlen. Auf dem Frachter war eine zivilie Crew, unschuldige Menschen. Mit zusammengebissenen Zähnen riss er seine Arme nocheinmal hoch, und schleuderte eine weitere Ladung von Flys auf den Abwehrturm. Der ging nach einigen Treffern schließlich in einem Feuerball auf, und mit wortlosem Timing eröffnete Miller im Cockpit mit ihren Pierce-Raketen das Feuer. Er traf die volle Breitseite ihrer Angreifer.

Er starrte das ominöse Schiff noch einige Minuten an, jedoch rührte sich nichts. Er stand – so gut es in der engen Kanzel ging – auf, kletterte nach oben und gesellte sich zu Captain Miller ins Cockpit. Doch die beiden waren nicht in Sicherheit verfallen, sie starrten unaufhörlich das beschädigte Schiff an.
"Wir scheinen wohl deren Anführer erwischt zu haben", meinte er Captain, "oder vielleicht sogar alle."
"Oder es ist Taktik.", fügte Narrem hinzu, was Miller mit einem Nicken bejahte.
Entschlossen nahm Narrem auf seinem Stuhl platz und ließ sich sein Hologramm aufleuchten. Er aktivierte sein Radar und die Sensoren. Mit ein paar Handgriffen hatte er eine Abtastung eingeleitet, und ein kleiner Fortschrittsbalken zeigte den Prozess an. Nach einem kurzen Moment war sie auch schon beendet, und er kommentierte beunruhigt: "Nichts. Kein Funkverkehr, keine Notsysteme, ..." Und mit diesem Wort krachte es auf dem eben noch gefürchteten Schiff fürchterlich. In einer gleißenden Explosion zerstückelte es den Rumpf, was die beiden beinahe vor Schreck aus ihren Sitzen gerissen hätte. Der Sensor, der eben noch den Schiffsrumpf des nun zerstörten Schiff zeigte, ließ nur noch ein großes, eingekreistes Ausrufezeichen melden. ´
"Das war ein Selbstzerstörungsmechanismus.", stoß Miller hervor.
"Wie meinen sie das?"
"Es ist nur möglich", fuhr er fort, "dass diese Zerstörung nach einer Niederlage so einprogrammiert war. Wenn sie nichteinmal Notsysteme aktiviert hatten, kann es nur ein schiffsexternes oder nachgerüstetes System gewesen sein, dass diese Explosion hervorgerufen hat. Vielleicht trugen sie irgendwelche geheimen Daten mit sich."
Still hörte Narrem sich die Theorie von Captain Miller an, und beobachtete die Trümmer, die nun an der Stelle vor ihnen umherflogen. Welcher zu ihrem Angreifer oder der Marina gehörte, konnte er nicht identifizieren. Es waren so viele Einzelteile. Um sich von dem Verlust der Besatzung des Frachters abzulenken, sprach er den Captain unbeirrt an: "Waren sie schonmal auf der 2-2 essen?"
"Ja, war ich.", gab dieser nur knapp zurück.
"Ist es dort wirklich so gut, wie man sagt?"
"Allerdings."
"Und... warum?", hackte Narrem neugierig nach.
"Hydrokulturen. Auf der Jupiterstation bauen sie Pflanzen an. Selbstangebaute Pflanzen gibt es sonst nur auf der Erde. Und allein schon, dass sie auf Raumstationen Pflanzen züchten können, ist ein Wunder. Dann schmeckt es auch noch so köstlich... sollten sie einmal erlebt haben."
Die beiden grinsten aus dem Cockpitfenster, schon beinahe vergessen, was eben noch geschehen war. Das lernte man nach einigen Jahren Dienst. Einfach vergessen. Dann wird alles gut.
Narrem schnallte sich an und gab dem Schiff Schub. Er drehte ab von dem Trümmerhaufen, an dem sich schon die ersten Schrottsammler und Aufräumkräfte tummelten. Mit einem kurzen Knopfdruck beschleunigte er ihr Schiff – und sie verließen den Schauplatz und flogen weiter auf Patroullie.

Kapitel 1 - Marina

"Kurs beibehalten. Passen sie die Flugrichtung an und übergeben sie dann dem Autopiloten.", befahl Candric. "Ja, Sir.", bekam er als knappe Antwort von seinem Piloten. Der legte den Frachter nun in eine leichte Schräglage, und drückte einige Knöpfe über seinem Kopf. Candric klopfte erleichtert auf die Lehnen seines Offizierstuhls, erhob sich und verließ die Brücke. Mit einem lauten Dröhnen gingen die Triebwerke der Marina auf vollen Schub - mit Kurs in Richtung Erde. An Bord war die Stimmung daher nun sehr gelassen, doch Candric war alles andere als erfreut. Er vermisste seinen Heimatplaneten nicht wirklich. Die politische Führung auf der Erde war katastrophal, allein in diesem Moment tobten drei Kriege – gegen die Rationalisten, gegen die Mondföderation und irgendwelche Rebellen. Worum es in diesen Konflikten ging wusste er nicht wirklich. Die Rationalisten waren irgendwelche dahergelaufenen Philosophen, die das System abschaffen wollen, die Mondföderation möchte Unabhängigkeit von der Erde, und die Rebellen kämpften sowieso gegen alles, was sie nicht mochten. Es gab nur eine gute Sache an interplanetaren Kriegen – die Notwenigkeit von neutralen Frachtoffizieren, wie Candric einer war. Er arbeitete schon seit jeher für alles und jeden. Es war ihm egal, mit welcher Motivation er seine logistischen Aufträge erteilt bekam – solange seine Besatzung nicht in Gefahr geriet und er ungestört fliegen konnte, war der Auftrag schon so gut wie angenommen. Viele Aussenstehende verurteilten ihn dafür, weil er so angeblich maßgebend diese Kriege vorantrieb. Seine Besatzung jedoch hatte hohes Ansehen vor ihrem Captain, er war konsequent, vorausberechnend und das, was an erster Stelle für ihn stand, war das Wohl der Crew.Nach einer kurzen Nachdenkpause beschloss Candric, einmal in den Frachtraum zu sehen. Der Auftrag, den er diesmal hatte, war mehr als ungewöhnlich. Und nach mehreren Jahren im Geschäft der Frachtflieger konnte es schon merkwürdig sein, mal aus der Routine abzukommen. Sie hatten einen großen Frachtcontainer geladen, der von einer unabhängigen, nicht-planetaren Raumstation verladen wurde. Nicht-planetare Raumstationen waren keine großen Anlagen, wie man sie vom Mars oder Jupiter kannte, sondern simple, kleine Stationen, die irgendwo im Weltraum eine x-beliebige Position bekleideten. Meist waren das irgendwelche Forschungsstationen, Militärstützpunkte und einige wohlhabende Leute besaßen sogar ihren Wohnsitz in Form einer eigenen, kleinen Raumstation. Diesen Container bekamen sie von einem Forschungsslabor, irgendwo im Raum zwischen Jupiter und Saturn. Mit dieser Angabe begann bereits die Kuriosität. Normalerweise wusste Candric genau, welche Fracht er von wo wohin transportieren sollte – jedoch wurde ihnen ausdrücklich befohlen, die Koordinaten der Station zu löschen. Was auch nicht normal war, ist, dass der Container mit einem Verschlüsselungsmechanismus versehen war, und es wurde ihnen auch nicht gesagt, was er beinhaltete. Einer der Forscher, die ihm den Auftrag angeboten hatten, redete davon, dass "der Krieg sich durch diese Ausrüstung enorm wenden wird". Welchen der Kriege er meinte, wusste er nicht – und es war ihm auch egal. Er unterschrieb den Vertrag für den Transport, ließ sich bezahlen und sollte die Ware auf die Erde kutschieren. Das war jedoch genauso kurios – er wurde bisher nie im Voraus bezahlt. Wer garantierte dem Empfänger, dass Candric die Ware nicht irgendwo im All rauswerfen würde, und sich mit dem Geld aus dem Staub machte? Doch das bedeutete im Gesamtbild, dass der Auftrag enorm wichtig zu sein schien.

Durch die Korridore gewandert und am Frachtraum angekommen, grüßte die unbewaffnete Wache auf dem Klappstuhl mit einem scherzhaften Salut. Candric hatte einen Wachposten aufgestellt – einfach, weil es ihm nicht ganz sicher erschien, heiße Ware ohne Schutz zu transportieren. Obwohl der Gedanke eigentlich sinnlos war, da seine Männer mehr als loyal ihm gegenüber waren. Doch es gehörte zu seiner guten Pflicht als Captain, auch auf's Äußerste vorbereitet zu sein.Innen klaffte die Leere des Raumes, der normalerweise während eines Flugs bis zum Rand gefüllt war. Nur ein einiziger Container stand in der Mitte des Lagers, den Candric sich genauer ansah, als die metallische Tür hinter ihm zuschlug. Er klopfte mit seiner Faust sachte an der Aussenhülle, und von innen bekam er nur ein sehr schwaches Echo, was darauf deutete, dass er wohl sehr gefüllt war. Am liebsten hätte er einen seiner Ingenieure damit beauftragt, die blöde Konsole an der Vorderseite zu knacken um den Inhalt in Augenschein nehmen zu dürfen. Doch er wollte den Vertrag nicht brechen, denn das Geld, was ihm für den Auftrag geboten wurde, war mehr als nur ein übliches Gehalt. Mit diesem Geldhaufen konnte er seiner Crew tatsächlich gestatten, mehr als einen Monat auf der Erde Urlaub zu machen. Das wussten die Männer noch nicht, er wollte es ihnen kurz vor dem geplanten Abflug sagen – um ihre frohen Gesichter zu sehen. An seinem Funkgerät meldete sich plötzlich eine weibliche Stimme: "Captain Qruotes, es kam soeben eine Nachricht für sie rein." "Danke, Synthia", erwiderte Candric, "ich bin gleich auf der Brücke."

 

Die in einen schwarzen Schleier verhüllte Frau glitzerte mit ihren Augen ihren Gesprächspartner in dem Videogespräch an. Der in eine Militäruniform gekleidete Zuhörer wanderte auf der leeren Brücke auf und ab. "Ich erwarte eine Entscheidung", raunte die mysteriöse Frau, "und zwar jetzt." Der General blieb stehen, und nahm einen Schluck des Getränks, dass er in einem Glas mit sich herumtrug. Nachdem er die Flüssigkeit heruntergeschluckt hatte, sah er direkt in die Augen seiner Gesprächspartnerin und betonte: "Gut. Hier ist sie – ich werde den Auftrag nicht ausführen. Ich greife keine Zivilisten an. Das ist unter meinem Niveau. Ich bin ein professionell ausgebildeter Soldat, ich mache sowas nicht." Stille prägte den Raum. Die in schwarz gekleidete Frau schien nicht gerade erfreut zu sein, dies zu hören. "Nun", bemerkte sie, "dann werden wir das selbst übernehmen. Doch das werden wir ihnen nicht vergessen, General Gebb. Ich erinnere sie nocheinmal daran – sie haben sich an uns gewandt. Wir halfen ihnen, ihre Pläne zu verwirklichen. Und nun stellen sie sich quer, obwohl sie in unserer Schuld stehen. Sie hören von uns." Mit einem Störbild endete die Übertragung, und das Hologramm fuhr herunter und verschwand. Gebb war beunruhigt. Er sah aus dem Fenster der Brücke. Die Sterne erstreckten sich, bewegten sich jedoch keinen Meter. Sein Schiff stand still, hatte einen unsichtbaren Anker in die Leere des Weltalls geworfen. Er nahm noch einen letzten Schluck von seinem Getränk, zog seine schicke Uniform aus, legte sie sorgfältig über seinen Sessel und rückte den Kragen seines schlichten Hemdes zurecht. Als er das Glas abgestellt hatte, näherten sich Schritte. Plötzlich drückte ihm jemand einen Pistolenlauf in den Rücken. Eine bekannte Stimme, die seines ersten Offiziers, verkündete: "Keine Bewegung. Mitkommen." "Abe? Warum tust du das?", platzte es aus Gebb heraus.

"Das hat seine Gründe, Trevor.", meinte dieser, bevor er einen heftigen Schlag in seinen Bauch bekam. Gebb drehte sich blitzschnell um, und schlug seinem Angreifer die Pistole aus der Hand. Der rannte auf ihn zu, und holte zu einem Schlag aus. Ohne weitere Mühen fing Gebb die Faust ab, drehte den Arm seines Widersachers um und versetzte ihn mit einem kräftigen Nackenschlag in Ohnmacht."Scheiße.", bemerkte Trevor nur, als er seinen niedergeschlagegen Kameraden dort liegen sah. Jetzt musste er seinen Plan in die Tat umsetzen. Doch vermutlich war keiner der Crew mehr auf seiner Seite. Das meinte die schwarze Lady also mit "Sie hören von uns". Auf Befehlsverweigerung folgte die Todesstrafe, so einfach schien sie es sich zu machen. Doch das Trevor ein voll ausgebildeter Soldat war, hatte sie wohl verdrängt. Es gab unter den vielen Fliegern im All nicht einmal annähernd so viele Soldaten wie auf der Erde, da diese alle für die Kriege gebraucht wurden, die die auf der Erde sitzende Regierung führte. Nur wenige Soldaten entschieden sich dafür, im Weltraum ihren Dienst zu verrichten. General Gebb jedoch gehörte dazu.

Kalt schnappte er sich die Pistole, die sein Assistent noch eben auf ihn gerichtet hatte, und machte sie per Knopfdruck mit einem elektrischen Surren scharf. Er nahm sie professionell in den Anschlag, und lief vorsichtig auf den Ausgang der Brücke zu. Eine kurze Lauschpause. Hinter der Tür jedoch schien sich nichts zu rühren. Mit der einen Hand richtete er die Waffe weiterhin auf den Ausgang, zückte mit der anderen seine Zugangskarte. Als er mit vorsichtigen Schritten endlich vor dem Eingabeschlitz für die Karten stand, zog er sie hindurch. Mit dem gewohnten Zischen öffnete sich die Tür, und der leere Korridor zeigte sich. Vorsichtig, mit der Pistole im Anschlag, lief er weiter den Gang entlang. Als er jedoch um eine Ecke ging, schritt ihm unerwartet einer seiner Männer entgegen, der jedoch ohne Zögern auf den General anlegte. Mit einem gezielten Schuss durchbohrte das Energiegeschoss aus Trevors Pistole den Helm, den sein gegenüber trug, der nun leblos zu Boden sank. Da den Schuss vermutlich alle im nahen Bereich gehört hatten, nahm Trevor die Pistole hoch, und machte sich nun im Laufschritt auf den Weg in den Hangar – zu seinem Schiff.

 

Synthia versuchte Candric klar zu machen, dem Mann nicht zu antworten. Sie traute den Militärs nicht. Candric öffnete jedoch das Komminterface, und eine in Wellen angezeigte Audiobotschaft spielte sich ab."Hier spricht General Trevor Gebb. Ich muss sie warnen – ihr Schiff könnte jeden Moment angegriffen werden. Ich kann ihnen nicht sagen, mit welcher Art von Angriff sie rechnen müssen, ihr Schiff jedoch wird zerstört werden, wenn sie nicht umgehend ihren Kurs verlassen. Hallo? General Gebb für die Besatzung der Marina, hört mich jemand? Hall.." Ein lautes Krachen unterbrach den Mann, der die Nachricht abgesetzt hatte, nach einigen Fluggeräuschen meldete er sich jedoch wieder.

"Ich muss weg. Die sind mir auf den Versen. Ich bin auf der Station 2-2 Jupiter. Ihr Captain soll mich dort treffen. Gebb Ende."

Die Audiowelle verschwand vom Display, und Synthia sah den Captain aus dem Augenwinkel besorgt an. Zu ihrem erleichtern jedoch ordnete er an: "Wir bleiben auf Kurs. Aber speichere die Nachricht für mich ab. Sie erweist sich vielleicht noch als nützlich.""Wir sollten die Space Division benachrichtigen.", warf Verk, Candrics Stellvertreter, ein. Zustimmend zeigte der Captain mit dem Zeigefinger auf ihn."Gute Idee. Tun sie das."

Ohne ein weiteres Wort setzte Verk sich an seinen Platz und begann, einen Notruf abzusetzen. Seine Idee war wirklich gut. Die Space Division war eine Art Weltraumpolizei, unabhängig von allen Regierungen. Sie wurde ins Leben gerufen, um die Weltraumkriminalität einzudämmen. Das Projekt lief erst seit einigen Jahren, somit konnte die Division noch keine wirklich großen Erfolge verzeichnen. Aber sie schienen ihre Arbeit gut zu machen, zumindest hörte man keine negativen Sachen.Candric nahm auf seinem Sessel auf der Brücke platz, und koordinierte seine Piloten neu."Ab jetzt gilt höchste Vorsicht", befahl er, "wer weiß, was auf uns zu kommt. Dieser General ist vielleicht nur irgendein Spinner, aber lieber passen wir einmal zu viel auf, als garnicht."Mit diesen Worten verlangsamte der Pilot den Frachter, und wartete, an die Routine gewöhnt, die weiteren Befehle vom Captain ab."Schilde aktivieren.", ordnete dieser kurz darauf an.Mit einem kräftigen Brummen begann der Schildgenerator seine Arbeit zu verrichten. "Kurs ist?", fuhr der Captain fort. "Ausrichtung exakt 100." "Geschwindigkeit ist?" "Antrieb zu 30% ausgelastet."

Mit einem zufriedenen Nicken lehnte Candric sich zurück, und Verk meldete sich zu Wort: "Notruf abgesetzt. Ein Schiff der Division ist in der Nähe, der Captain des Patroullienschiffs verlangt nach ihnen."

Candric wedelte wortlos mit der Hand, und vor ihm erschien ein großer Schirm, auf dem ein in Uniform gekleideter Mann zu sehen war. "Mit wem habe ich das Vergnügen?", begrüßte Candric den Mann. "Captain Ged Miller", antwortete sein Gegenüber, "und sie sind...?" "Candric Qruotes. Besser sie nennen mich Candric, bei meinem Nachnamen verhaspeln sich die meisten." Mit einem freundlichen Nicken sprach der Space Division Offizier weiter. "In Ordnung, Mr. Candric, ihr stellvertretender Offizier hat uns die Audiodatei vorgespielt, und wir haben den Ursprungsort zurückverfolgt. Es kam von einem kleinen Abfangjäger der Star-Klasse. Ein altes Modell, jedoch eigentlich nur für militärische Zwecke verwendet. Vermutlich ist der General ein abtrünniger der Armee von der Erde..." Bei Synthia, die alles mithörte, glühte eine Lampe über dem Kopf auf. Jäger der Star-Klasse wurden zwar früher von der Erde benutzt, doch heute... "Sir?", warf sie ein und trat hervor. Candric sagte nichts, denn er wusste, dass Synthia stets konstruktive Beiträge hervorbrachte, und ließ sie sprechen. "Es tut mir Leid, dass ich sie unterbreche, doch was sie sagen, ist nicht ganz korrekt. Die Star-Jäger werden auch heute noch eingesetzt – und zwar von der Mondföderation. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass er der föderalen Armee angehört, oder zumindest angehört hatte." Nach einem nachdenklichen Blick nickte der Captain am Ende der Leitung, und antwortete: "Was sie sagen, klingt durchaus plausibel. Aber trotzdem, gehen wir davon aus, er war von der Mondföderation – warum sollte er sie vor einem Angriff warnen? Stehen sie in irgendeiner Verbindung zu der Mo.." Einige Störgeräusche rauschten durch den Kanal, und das Bild wurde von Fäden durchzogen. Schließlich verschwand der Space Division Offizier vom Display. Ratlosigkeit machte sich breit. Das Gespräch war unerwartet abgebrochen. Plötzlich bekam die Marina einen starken Ruck. Der Frachter neigte sich kurz, stabiliserte sich dann jedoch wieder. "Raketenbeschuss!", schrie Synthia, und alle auf der Brücke warfen sich zu Boden. Mit einem weiteren lauten Knall begann Metall zu bersten, und die Brücke fiel in sich zusammen.

 

"Sie verstehen das nicht", versuchte General Gebb sich weiterhin zu äussern, "ich bin hier nicht ohne Erlaubnis gelandet. Ich wurde beschossen! Verfolgt! Kapieren sie das nicht?" Der Dockverwalter jedoch fauchte ihn unaufhörlich weiter an, und beschwerte sich darüber, dass sein Jäger den Landeplatz für die Frachter und andere Flüge blockierte. Genervt zückte Trevor einen Schein hervor, mit einer Aufschrift von 5000. Er drückte es dem Verwalter in die Hand, der plötzlich seelenruhig wurde. Als er sich kommentarlos entfernte, war Gebb klar, dass das Dock wohl nun auf magische Weise doch sein Landeplatz geworden war. Er streckte seine Arme aus, zog eine der großen Leitern auf Rollen heran, die er an seinen Jäger heranschob, und schnappte sich einen Werkzeugkasten, die in jedem Hangar herumstanden. Er kletterte die Leiter herauf, und analysierte die großen Beulen, die durch den unaufhörlichen Beschuss während der Verfolgungsjagd auf ihn gefeuert wurden.Er konnte sein Glück kaum fassen. Tatsächlich war er einer ganzen Gruppe von Jägern entkommen, ohne auch nur einen kritischen Treffer abzubekommen. Als er sich jedoch darüber freute, wie gut er davon gekommen war, glitten seine Gedanken zur Marina. Ob die Crew seine Warnung erhalten hatte? Ob sie ihm geglaubt hatten? Er hoffte es. Er hoffte es, dass sie sich retten konnten und auf dem schnellsten Weg hierher waren. Dann konnte er dem Captain des Frachters alles erklären. Wozu er ihn warnte, was genau er vor hatte, und vor allem – was die Marina transportierte, was zerstört werden sollte.

In Candrics Ohren krachte es immernoch unaufhörlich. Wie lange war er weggetreten? Eine Minute? Eine Stunde? War der Angriff vorüber? Mit höllischen Schmerzen schob er den Trümmerhaufen, unter dem er lag, beiseite und rief in den zerstörten Kommandostand: "Synthia? Verk?" Synthia saß in einer Ecke und winkte Candric zu. Sie war verletzt, offenbar am Fuß. Aber es ging ihr gut. Verk jedoch meldete sich nicht. Sein erster Wille war es, ihn zu suchen, doch Candrics Gedanken und das laute Krachen draußen rieten ihm, sich Synthia zu schnappen, in den Hangar zu rennen und mit einem der kleinen Eskortschiffe zu flüchten. Er schleppte sich unter Schmerzen zu ihr herüber, stütze sie mit einem Arm, und humpelte mit ihr über die Trümmer. Im Korridor brach Synthia oft unter den Schmerzen ihres Fußes zusammen. Immer wieder musste er ihr hochhelfen, und sie schlurften durch den Gang in Richtung des Hangars, der gleichzeitig auch Frachtraum war. An der Tür angekommen versuchte Candric mit einem Knopfdruck die Tür zu öffnen, doch natürlich erfolglos. Um ihn herum spien Funken, und er stemmte seinen Arm in die kleine Lücke der Tür. Mit einem starken, aber auch schmerzvollen Ruck hatte er die Tür geöffnet bekommen. Synthia stützte er nichtmehr, er nahm sie hoch, und trug sie um den Hals, wie er es bei Soldaten schon einmal beobachtet hatte. Er setzte sie auf den Kopiloten-Sitz des ersten Schiffs, dass er fand. Er stieg gleich mit ein, und wollte gerade die Glaskanzel schließen – als ihm ein wichtiger Gedanke kam. Offenbar wurden sie nur wegen ihrer Fracht angegriffen. Die Fracht war wohl wichtig. Er schnalzte leise mit der Zunge, und schwang sich aus dem Cockpit. "Was hast du vor?", murmelte Synthia völlig erschöpft. Das hörte Candric gar nicht mehr, er war bereits hinter das kleine Schiff getreten, und hatte ein starkes Trageseil an ihm befestigt. An der anderen Seite war ein riesiger Magnet, den er einfach an den ominösen Frachtcontainer haftete, wegen dem sie angegriffen wurden. Er lief wieder zu dem Raumjäger, stieg in die Steuerkanzel und ließ das kleine Begleitschiff aufsteigen. Mit dem Container im Schlepptau verließen sie schließlich den Hangar, und flogen durch ein riesiges Trümmerfeld. Die Kampfgeräusche waren abgeebbt. Als Candric sich unbewusst umdrehte, traute er seinen Augen kaum – die Marina war in zwei Teile gesplittert. Am Horizont entfernte sich ein Space Division Schiff, und einige Klicks von ihnen loderte das Wrack eines zerstörten Angriffsschiffes, dessen Typ er nicht kannte. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck navigierte er durch das Trümmerfeld, und gab dem Schiff vollen Schub. Mit dem Container im Schlepptau flogen sie in Richtung Station 2-2 – in Richtung Jupiter. Wo der General ihn treffen wollte. Es war ein Flug von circa vier Stunden – er hoffte, dass Synthia durchhielt. Er stellte den Autopiloten an, und lehnte sich zurück. Binnen weniger Minuten war Candric eingeschlafen.

Kapitel 2 - Jupiter

"Darf es noch was sein?", erkundigte sich die hübsche Kellnerin.Tiger nahm noch einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, und schüttelte mit dem Kopf. Ohne Worte nahm die Kellnerin die leeren Teller, und lief wieder in Richtung der Theke. Mit einem kurzen Handgriff aktivierte Tiger sein kleines Holopad, auf dem er einige Texte las. Zwischendrin blickte er immer wieder aus dem Fenster des kleinen, gemütlichen Diner neben den Hangars. Draußen schwebten im Minutentakt Raumschiffe vorbei, mal kleinere Frachter, mal größere Kreuzer und auch militärische Schiffe. Nach einigen Minuten des Lesens tippte er schließlich auf der holographischen Tastatur herum. In einem verschlüsselten Alphabet schrieb er einige Absätze.

Die Texte an sich erschienen Tiger jedoch recht wertlos. Wer wollte schon seine Erinnerungen und Gedanken hören? Er war kein wichtiger Mensch. Sein Leben war sehr ereignislos, und das würde wohl auch auf ewig so bleiben. Traurig, wenn er sowas schon in diesem jungen Alter wusste, dachte Tiger. Doch sein Leben war wirklich unspektakulär, und nichts, worauf er stolz sein könnte. Als Jugendlicher brach er die Schule ab, weil er der Überzeugung war, dass er zu klug für diese Sachen seie. Das war er auch, er hatte ausschließlich gut abgeschnitten. Trotzdem beendete er die Schule frühzeitig, und begann, in einem logistischen Unternehmen als Laufbursche anzufangen. Bei dem Personalmangel auf der Jupiterstation war es kein Wunder, dass sie auch unqualifizierten Leuten einen Job anboten. Er schlug sich auch richtig gut. Doch so beeindruckt alle von ihm waren – ohne Qualifikation wurde es ihm verwehrt, jemals auf ein Schiff zu steigen. Er dachte darüber nach, seine schulische Ausbildung nachzuholen, doch bei seinen Arbeitszeiten und dem geringen Einkommen erwies sich das als Hirngespinst. Nach jahrelangem Arbeiten im Verladebereich begann der Aufstand der Rebellen. Die Frachter seiner arbeitgebenden Firma wurden bis auf wenige komplett abgeschossen oder vom Militär der Erde als Logistikschiff beschlagnahmt, und somit ging das Unternehmen pleite, und Tiger wurde arbeitslos. Seitdem schlug er sich als Tagelöhner durch, nahm hier und da auch mal unseriöse Aufträge an, und bezog ein kleines Festeinkommen durch das Schreiben von Büchern. Er hatte sogar schon ein paar Drehbücher an ein paar Produzenten auf der Erde verkauft, die Filme warfen jedoch kaum etwas ab. Und dieses bescheidene Leben führte er bis zu diesem Tag. Das war seine Routine geworden. Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Kaffee, und widmete sich dem Text, den er so fließig schrieb.

 

Gebb ging in seinem ölverschmierten Overall, den er in der Landebucht gefunden hatte, durch die große Markthalle der Station. Er sah an sich herunter, und trauerte seiner Uniform nach, die irgendwo dort draußen auf seinem Schiff zurückgeblieben war. Um ihn herum war alles voller Verkaufsstände, mit den dazugehörigen aufdringlichen Händlern, die einem die neuste Technik aufschwatzen wollten. Innovative Dinge, wie zum Beispiel ein kabelloser Haarföhn, klangen zwar neu, waren jedoch mehr als sinnlos. So zumindest dachte Gebb, als er einen Händler passierte, der ihm eben diesen Mist angeboten hatte. Aber trotz seiner abgeneigten Einstellung sah er sich auf allen Tischen um – er benötigte gutes Werkzeug, um seine kleine Maschine flugfähig zu machen. Selbst wenn der Captain der Marina hierher kommen würde, müsste er danach weg von der Station. Es würde wohl nicht lange dauern, und ein weiteres Killerkommando seitens seiner ehemaligen Auftraggeber würde ihn hier gefunden haben. Nach Hause konnte er nicht, auf die Erde konnte er erst recht, aber hier auf der Jupiterstation konnte er auch nicht bleiben. Er musste weg. Und ohne flugfähiges Schiff war das schlecht machbar. Es war ihm egal, wohin, er würde sich einfach noch eine Sternenkarte besorgen und irgendeine Lösung würde sich dann schon anbieten. Nach langem Suchen tauchte vor ihm tatsächlich ein Tisch mit einer massiven Auswahl an Werkzeugen auf. Er zückte schon einmal seine Banknoten und zählte sie durch. Der Verkäufer starrte ihn gierig an, und wartete ungeduldig darauf, dass er sich etwas aussuchte. Gebb sah auf, und fragte den Verkäufer: "Sie haben nicht zufällig einen Kompaktschweißbrenner?"

"Zufälligerweise habe ich einen, doch.", entgegnete der Verkäufer nun gelassen. Er griff in eine große Kiste unter dem Stand, und zückte einen futuristischen, kleinen Schweißbrenner. "Sagen wir 900 UC", fuhr der Mann hinter der Theke fort, "mit Füllung und Reserveflasche."

Gebb lachte abfällig, faltete die Scheine wieder zusammen und wank ab. Der Verkäufer jedoch ging sofort darauf ein, und korrigierte sich: "850 UC."

"800 UC", meinte Gebb und deutete auf eine Schweißerbrille, "und die hier kriege ich dazu."

Mit einem Nicken packte der Mann den Schweißbrenner und die Brille in einen dazugehörigen Koffer, und reichte ihn über die Theke. Gebb drückte ihm ein abgezähltes Bündel an Banknoten in die Hand, und lief mit dem Koffer in der Hand weiter. Er hasste feilschen, denn ein Geschäftsmann war er noch nie. Ein Soldat war er, und kein verdammter Tourist, mit dem man seine Spielchen treiben konnte. Doch das kapierte niemand hier ohne seine Uniform – die Uniform, die er wirklich begann zu vermissen. Aber in diesem Outfit wäre er definitiv aufgefallen. Unauffällig lief er weiter, auf der Suche nach Werkzeug.

"Erbitte Landeerlaubnis für Hangar 0877. Ich habe eine verletzte Person an Bord und habe hoch priorisierte Fracht.", wiederholte Candric energisch. "0877 ist reserviert für den Frachter Marina.", antwortete der Mann am Ende des Funkgeräts, "Ich kann ihnen keine Landeerlaubnis geben, wenn sie sich nicht identifizieren."

"Zum letzten Mal", fuhr es aus Candric heraus, "die Marina wurde abgeschossen. Ich bin Captain Qruotes, ich melde mich von einem Eskortschiff der Marina. Der Hangar gehört mir, deshalb ist er reserviert."

Stille am Ende der Leitung. Synthia hatte ihre Augen geschlossen und quälte sich mit ihrem Fuß, der, wie sich herausstellte, von irgendeinem spitzen Trümmerteil durchbohrt wurde. Candric schaltete den Autopiloten ein, und wartete auf eine Antwort. Fürsorglich, aber in Hektik, nahm er einen Lappen, der wohl eigentlich für die Schiffshülle gedacht war, und wischte Synthia den Schweiß von der Stirn. Am Funkgerät meldete sich nun eine andere Stimme: "Erlaubnis für Landung in Bucht 0877 erteilt. Behalten sie den Kurs bei. Schilde werden geöffnet." "Danke, na endlich", murmelte Candric für sich selbst. Er knipste einen Schalter an den Armaturen aus, und nahm den Steuerhebel wieder in die Hand. Mit gekonnten Bewegungen manövrierte er das kleine Begleitschiff in den Hangar vor ihnen, und stoppte schließlich, als sie die Schildgrenze durchflogen hatten. Hinter ihnen leuchtete wieder die große Barriere auf, und er ließ das Schiff langsam und senkrecht absinken. Unten wartete bereits eine Sanitätermannschaft. Als das Schiff aufsetzte, öffnete sich prompt die Kanzel des Cockpits, und Candric nahm Synthia in seine Arme. Er trug sie die herbeigefahre Leiter herunter und übergab sie den Sanitätern. Als diese schon engagiert wegrennen wollten, rief er ihnen hinterher: "Wo kann ich sie finden?"

Eine Stimme hinter ihm ergänzte ruhig: "Das zeige ich ihnen gleich."

Candric zuckte zusammen. Er kannte diese Stimme. Kurz vor dem Beschuss hörte er diese Stimme zum letzten Mal. Langsam drehte er sich um, und blickte in das Gesicht des Space Division-Offiziers, mit dem er vorhin noch ein Gespräch hatte. "Ich schätze, sie sind ziemlich erschöpft.", meinte der Mann mit einem fragenden Unterton. Candric nickte nur Stumm. Der Captain machte eine Geste, ihm zu folgen, was er auch gleich tat.

Er führte ihn durch einen lang Gang, weg vom Hangar. Doch anstatt in den öffentlichen Bereich zu gehen, führte der Space Division Officer ihn in ein kleines Diner, dass offenbar gut besucht war. Nur noch wenige Tische waren unbesetzt. Der Officer nahm platz, und forderte ihn auf, sich ebenfalls zu setzen, was Candric gleich tat. Routiniert holte der Captain ein kompaktes Gerät hervor, was er auf dem Tisch aufstellte. Ein Hologramm erhob sich, und Candrics Gesicht wurde von dem Gerät fokussiert. In der oberen Ecke leuchtete der klassische rote Punkt, der symbolisierte, dass das Gerät nun aufzeichnete. Nervös starrte er in sein eigenes Gesicht, dass er nun spiegelverkehrt durch das Hologramm sah. Angestrengt versuchte er sich an den Namen des Captains zu erinnern. Doch es wollte ihm einfach nicht einfallen – bis ihm auffiel, dass er ein Namensschild an der Uniform trug. Miller, so hieß er. "Ich habe einige Fragen zu den Geschehnissen vor circa einer Stunde.", begann der Officer die Befragung. "Schildern sie mir bitte die Ereignisse von dem Angriff auf ihr Schiff, bis jetzt." "Nun", entgegnete Candric, "das war sehr kurios. Wie sie ja wissen, hat sich bei uns dieser General, Trevor Gebb, gemeldet. Er warnte uns vor einem möglichen Angriff. Gerade als ich meine Piloten anwies, vorsichtiger zu fliegen, und einen Notruf an sie abzusetzen, ging es schon los. Wir bekamen zuerst eine Breitseite, was unser Schiff in Schräglage brachte. Die nächste Rakete traf die Brücke direkt, und ich wurde für einige Minuten bewusstlos. Als ich aufwachte, war keiner meiner Besatzung mehr am Leben, bis auf meine Kommunikationsoffizierin."

"Ich nehme an, das ist die junge Frau, die eben weggebracht wurde?", warf Miller ein.

"Ja, das war sie. Nachdem ich sie geborgen hatte, und in den Hangar brachte um mit einem meiner Begleitschiffe zu fliehen, entschied ich mich dafür, den Frachtcontainer, den ich geladen hatte, in mein Schiff einzuspannen. Dann flogen wir durch das Trümmerfeld am Schauplatz des Angriffs. Ich kann mich nur erinnern, dass ich ein mir unbekanntes Schiff und eines ihrer Leute gesehen habe. Dann bin ich auf direktem Wege hierher geflogen, weil dies hier die nächste Station ist."

Captain Miller befeuchtete seine Lippen, rückte sich in eine angenehmere Sitzposition und erkundigte sich: "Was ist in dem Container?""Das weiß ich nicht", gab Candric zurück, "er war und ist verschlossen. Uns wurde auch kein Lieferschein oder ähnliches übergeben. Der Auftrag ist inoffiziell. Und bevor sie mich jetzt angreifen, nein, er war nicht illegal, er war nur nicht... normal."

"Verstehe.", entgegnete der Officer. Nach einem Moment der Stille steckte er sein kleines Aufnahmegerät wieder ein, und schüttelte ihm die Hand: "Vielen Dank für ihre Zeit, Captain Candric."

"Warten sie. Wo haben sie Synthia hingebracht?", fügte Candric noch an. Der Officer erklärte ihm ausführlich, wie er von diesem Diner hier zur Krankenstation kam, empfahl ihm aber, voerst hier zu warten. Er sollte sich ausruhen.

 

Neugierig und abgeneigt zugleich schielte Tiger zum Nachbartisch, an dem eben noch die sehr merkwürdige Befragung geführt wurde. Der Mann, den der Officer eben Candric nannte, saß aufgelöst da und hatte bei der Kellnerin eine Tasse Kaffee bestellt. In Tigers Kopf kreisten die Gedanken. Einerseits wollte er ihn nur zu gerne ansprechen – ein Frachtpilot, der konnte ihn vielleicht endlich von dieser Station wegbringen. Andererseits, jemand der mit der Space Division in solchen Angelegenheiten zutun hatte konnte nur Dreck am stecken haben... oder etwa nicht? Er beobachtete, wie er abwesend aus der Kaffeetasse trank und sich in seinem Gesicht kein Muskel rührte. Was er wohl gerade dachte? War er bedrückt? Oder einfach nur kalt? Gründlich dachte er darüber nach, ob er ihn einfach fragen sollte, was los war. Ein kurzes Schnaufen von Tiger. Nervös kratzte er sich am Hinterkopf, sah sich um. Dann sprang er auf, und lief zu dem Mann am Nachbartisch.

"Schwierigkeiten?", brach es aus ihm heraus.Der Mann mit dem Namen Candric sah stur weiter geradeaus und antwortete: "Mehr oder weniger."Unsicher, wie er sich verhalten sollte, blieb er an der Tischkante stehen. Nervös tippelte er seine Fußspitzen auf und ab. Candric nahm einen Schluck von seiner Kaffeetasse, und sah ihn nun direkt an. Die beiden hielten für einige Momente Augenkontakt – bis Candric plötzlich zu lächeln begann. Nicht fröhlich, sondern einfach nur aus Anstand. "Setz' dich, Kleiner.", forderte er Tiger auf, was dieser sofort tat. "Also", plapperte dieser sofort los, "Schwierigkeiten?" "Kann man so nennen. Ich fasse mich kurz – mein Schiff wurde abgeschossen, meine Kommunikationsoffizierin liegt blutend auf der Krankenstation und ich habe einen verfickten Frachtcontainer, der sich nicht öffnen lässt." Er nahm einen Schluck von seinem Kaffe, und sprach nachdem er die Flüssigkeit heruntergeschluckt hatte weiter. "Und was ist bei dir so los?" Mit heruntergefallener Kinnlade starrte er den offensichtlichen Captain an, und stammelte nervös etwas cooles zusammen: "Naja, sie wissen schon. Man, äh, überlebt in der Scheiße." Ironisch beeindruckt nickte Candric, und zückte ein kleines Gerät. Dieses zischte kurz und eine kleine, spitze Nadel schob sich aus dem Apparat.

"Was ist das denn für'n Teil?", raunte Tiger.Mit einem Stoß setzte Candric sich die Nadel in den Unterarm. Nach wenigen Sekunden zückte er sie bereits wieder, und steckte das Gerät mit dem selben Zischen weg, und beantwortete die Frage: "Ein Injektionsapparat, mit flüssigem Methyltheobromin versetzt und einer sofortwirkenden Flüssigkeitslösung. Oder, einfacher ausgedrückt: Koffein zum spritzen. Sehr beliebt bei uns Frachtpiloten, vorallem auf der Brücke." "Logisch", stellte er fest, "zum wachbleiben." "Nein. Um die Sinne zu schärfen. Koffein setzt dein Nervensystem in Gang, regt die Durchblutung an und pumpt dich ein bisschen. Wirklich wach macht dich das nicht, du kannst dich nur ein wenig besser konzentrieren." Eingeschnappt, aber einsichtig nickte Tiger. Das klang durchaus plausibel. Warum der Captain sich die Nadel jetzt, und nicht auf der Brücke gesetzt hatte, wollte er garnicht fragen. Oder, besser gesagt, er konnte es sich schon denken.

"Und, was haben sie jetzt vor?", fragte er unbedacht. "Ich muss hier jemanden finden. Und dann meine Fracht irgendwie abliefern."

Unauffällig biss Tiger sich auf die Zunge. Sein Schiff wurde abgeschossen. Er kannte sich hier am Jupiter nicht aus, er musste hier weg, er brauchte ein Schiff und seine Besatzung war in den Weiten des Alls explodiert. Er musste fragen. Er musste ihn einfach fragen."Darf ich ihnen meine Hilfe anbieten?"

"Meinetwegen", gab der Captain zurück, "aber zwei Grundbedingungen. Erstens, ich bin ab jetzt dein Captain, also für dich Sir. Zweitens..." Tiger sah ihn gespannt an, doch Candrics Gesichtszüge glätteten sich wieder. "... habe ich bei dieser Kellnerin gerade einen Kaffe bestellt. Aber ich bin blank, wegen meinem Schiff. Kannst du für mich zahlen?"

 

Narrem hantierte gelangweilt mit seinem Schlagstock, und sah sich in der Gegend um. Wo blieb der Captain? Zum Verhör von Captain Qruotes ging er alleine, und jetzt befragte er auch noch die Offizierin alleine. Wütend ließ er den Schlagstock an die Wand knallen. Kameradschaft und Vorgesetzter in allen Ehren, aber Captain Miller nervte ihn. Sein früherer Partner war viel besser. Er ließ ihn mitgehen, oder zum Großteil sogar alles alleine machen. Das Schiff flogen sie zusammen, und nicht er unter seinem Befehl. Miller aber war das genaue Gegenteil. Und das ging Narrem sehr Nahe. Er vermisste Evron. Sein alter Partner und Vorgesetzter. Er war mit ihm mehrere Jahre im Dienst, seit es die Space Division gab. Warum starben solche Leute wie er, und nicht solche Typen wie Captain Miller?

Doch als er gerade von ihm sprach, lief Miller durch den Türbogen auf ihn zu. Narrem holsterte seinen Knüppel, und wartete auf eine Zusammenfassung, die er prompt begann: "Also, sie erinnert sich an alles was auf dem Schiff passiert ist. Auf halber Strecke vom Schauplatz bis hieher ist sie allerdings weggekippt. Aber das ist ja nicht so relevant für unseren Bericht."

Narrem nickte stumm, und wartete darauf, dass Miller weitersprach. Doch der rührte sich nicht. "Und was noch?", hackte er nach.

Nach kurzem Überlegen gab Captain Miller ihm dann eine weitere Auskunft. "Sie hatten eine hoch priorisierte Fracht. Allerdings ist sie mit einem Verschlüsselungsmechanismus gesichtert, der sich nicht sehr leicht knacken lässt."

"Was schlagen sie vor?"

"Wir lassen sie ihren Job erledigen. Sie tun nichts illegales. Sobald die Offizierin auskuriert hat, werden sie aufbrechen, nehme ich an."

Beide nickten sich still zu, und liefen wieder in Richtung des Hangars, von dem sie gekommen waren. Doch schon nach einigen Metern blieb Narrem stehen. Ihm war eine Idee gekommen. Eine unkonventionelle, nicht richtige Idee. Doch er wollte sie durchziehen. Doch er müsste dafür auf ihr Schiff. Also nahm er sogleich wieder das Tempo vom Captain auf, und lief mit ihm zum Hangar.

 

Gebb werkelte engagiert an seinem kleinen Schiff herum. Das Logo der Flotte, die er noch bis vor einigen Stunden kommandierte, hatte er mit auf dem Markt erworbenem Lack überpinselt. Jetzt genoss er es irgendwie, sämtliche Modifikationen an seiner Maschine vornehmen zu können, ohne Ärger zu bekommen. Er modifizierte die Triebwerke, setzte einen vom Scharzmarkt erwobenen Raketenwerfer anstelle des standatisierten und vorgeschriebenen ein. Spaß hatte er dabei allemal. Doch wenn er auch nur für ein paar Minuten aufhörte zu schrauben, wurde ihm wieder ganz mulmig. Seine eigenen Männer, die ihm jahrlang loyal waren, wurden einfach so geschmiert und stellten sich gegen ihn. Das hätte er wirklich keinem seiner Untergebenen zugetraut. Aber wenn er so nachdachte wurde ihm schon klar – daran war er selbst Schuld. Er wurde zu gierig, sein Kommando über die Männer machte ihn unterbewusst arrogant. Letztenendes arbeitete er mit den falschen Leuten zusammen, und war so leichtfertig, sie zu enttäuschen. Mit einem Mal hatte er alles verloren. Doch dafür ging es ihm recht gut. Als hätte er gewusst, dass ihm das von Null anfangen wieder bevorstand. Vielleicht wollte er das ja sogar innerlich, neu anfangen, und vergessen, für was er verantwortlich war. Den Rebellen in sich wiederfinden.

Mittlerweile wurde er etwas ungeduldig. Er sah auf seine Armbanduhr, die er unter dem Overall trug. Auf eine bestimmte Zeit wartete er nicht, ihm war nur wichtig, dass der Captain der Marina sich endlich blicken ließ. Es war seine Pflicht, ihm mitzuteilen, was er für eine Fracht mit sich umherflog. Vielleicht hatte er sie ja gerettet. Dann könnte er sich gut vorstellen, was er mit dem Inhalt des Containers anstellen würde. Aber dazu bräuchte er einen guten Mechaniker, oder sogar mehrere. Und Geld. An sich war das zwar kein Problem, aber es war nicht ungefährlich, auf sein Konto zuzugreifen. Nicht, dass er am Ende durch so einen Fehler noch entdeckt wurde.

Doch seine Gedanken wurden allmälich wieder zuversichtlicher. Der Captain war vermutlich schon auf der Station. Er musste ihn nurnoch finden. Doch bis dahin konnte er sich dem kleinen Star-Jäger widmen, und so an ihm herumbasteln, wie es ihm gefiel. Schließlich hatte er fast sein gesamtes Bargeld für die Teile und Werkzeuge verbraten. Doch das war es ihm wert. Sonst würde er auf seiner Flucht noch abgeschossen werden. Da erfasste ihn erneut sein Gedanke im Bezug auf die Flucht – wo sollte er denn nun eigentlich hin? Ein logisches Ausschlussverfahren sagte ihm auf jeden Fall, wo er nicht hinkonnte. Da wäre zum einen die Erde, zum anderen die Mondkolonie. Diese Kernwelten musste er um jeden Preis meiden. Er dachte darüber nach, in welcher Lage der Jupiter lag. Welcher Planet war der nächste, der ihm vermutlich zuverlässigen Schutz bieten konnte? Auf der Station des Saturn wollte er sich lieber nicht blicken lassen. Dort würden sie ihn sofort erkennen. Auf der Uranusstation rechnete er sich jedoch gute Chancen aus. Denn dort hatte die Uranus Armored Corp ihren Sitz. Eine international bekannte Rüstungsfirma, die hauptsächlich Abfangjäger herstellte. Dadurch war die Station gefürchtet und unabhängig, und für einen abtrünnigen General hatten sie bestimmt Arbeit in einer militärisch orientierten Firma. Das war soweit sein Plan. Ja, das war sein Plan, nachdem er den Captain getroffen hatte.

 

Eifrig öffnete Narrem seinen Spind. Aus seinem kleinen Quartier hatte er sich eine Art Reisetasche geholt, und legte sie geöffnet vor den Spind. Bevor er mit seinem Vorhaben begann, spähte er kurz aus der provisorischen Umkleide, und versicherte sich, dass Miller nicht in der Nähe war. Er schloss die Tür und wandte sich wieder seinem Spind zu, aus dem er gleich sein Sturmgewehr herausnahm. Leise platzierte er es auf dem Boden, zerlegte es in die Einzelteile, und verstaute sie in der Tasche. Ebenso packte er seine alte Polizeimütze, seine Uniform und alle anderen persönlichen Gegenstände zusammen. Nur seinen Raumanzug ließ er zurück – den würde er nicht brauchen. Nachdem er die Tasche geschlossen und aufgenommen hatte, zückte er ein kleines Gerät, in das er hineinsprach: "Log 4-1-12, Narrem Kgro. Die ist das vorerst letzte Log an Bord des Schiffes Astra, Zugehörigkeit Space Division, Aussenpatroullieneinsatz. Die folgende Mitteilung richtet sich an den offziellen Hörer dieses Logs, sowie an meinen Vorgesetzten Captain Ged Miller. Wie ich bisher jedem verschwiegen habe, bin ich Teil der Sondereinheit für Bekämpfung von Frachtschmuggel. Da sich mir die Gelegenheit bietet, der Crew beizutreten, die eine illegale Fracht schmuggelt, werde ich diese aktiv nutzen und somit einen verdeckten Dienst leisten. Log 4-1-12 Ende."

Mit einem hämischen Grinsen legte Narrem den Recorder auf den Spind. Natürlich war das nicht die Wahrheit. Doch er hatte das recht gut durchdacht. Diese ominöse Sondereinheit existierte nicht – somit würde Miller ersteinmal ewig damit beschäftigt sein, sie zu suchen, und schließlich zu dem Schluss kommen, dass sie wegen der Geheimhaltungsstufe nicht aufgelistet ist. Und dadurch konnte er ungehindert von der Space Division abhauen, aber trotzdem weiterhin seine Dienstmarke, seine Pässe und alle anderen Privilegien eines Officers nutzen, und so der Crew helfen, der er beitreten würde – denn einen Mann wie ihn, mit seinem Nutzen, konnten sie nicht ablehnen. Leise schritt er mit der Tasche durch den Gang zu der noch geöffneten Rampe, sprintete leichtfüßig herunter und verließ den Hangar.

Kapitel 3 - Eine neue Crew

Gebb wischte sich den Schweiß von der Stirn. Schon seit 2 Stunden werkelte er an dem Waffensystem des Star-Jägers herum, aber einige Module waren wohl zu neu für dieses nostalgische Stück, was ihm Kopfschmerzen bereitete. Nicht, dass er noch sein Geld für unkompatible Erweiterungen und Modifikationen ausgegeben hatte. Doch schon eine Sekunde später hatte er eine ganz andere Sorge. Am Ende des Hangars surrte das Tor vom Gang, und jemand rief nach ihm: "Trevor Gebb?"

"Wer will das wissen?", gab er zurück, mit der Hand bereit an seiner Pistole, die er neben dem Werkzeugkasten bereitgelegt hatte. "Candric Qruotes, Captain der Marina." Gebbs Augen wurden groß. Er ließ die Waffe los, stieg die Leiter herunter und streckte dem Gast seine Hand entgegen. Neben dem Captain war noch ein junger Bursche, der ihm brav hinterherlief. "War nicht einfach, sie zu finden.", bemerkte Candric. "Tut mir Leid", gab Gebb zurück, "aber nun sind sie ja da. Wo soll ich anfangen? Ich würde ihnen ja einen Sitzplatz anbieten, aber hier in dem Hangar gibt es leider nicht so viele Sitzmöglichkeiten. Stellen sie mir am besten ihre Fragen, dann kann ich präzise sein." Mit einem zustimmenden Nicken begann Captain Qruotes mit einer ersteinmal vorsichtigen Frage: "Woher wussten sie, dass mein Schiff angegriffen wird?" Doch Gebb, der eben noch so selbstsicher wirkte, schluckte nun unauffällig. Aber schließlich riss er sich zu einer Antwort zusammen. "Weil es ursprünglich mein Auftrag war."

Candric ballte eine Faust. So ein Abschaum, und mit dem unterhielt er sich auch noch. Doch Tiger tippte ihm auf die Schulter, offenbar merkte er, das Gebb gute Absichten hatte. "Doch ich lehnte ihn ab", fuhr Trevor fort, "denn ich bin Soldat. Ich greife keine Zivilisten an. Das würde ich nie tun. Also habe ich den Befehl verweigert. Daraufhin wurde ich von meinen eigenen Männern zum Teufel gejagt – und sitze jetzt wie sie hier fest." Auch, nachdem der Mann eine verständliche Erklärung abgeliefert hatte, war Candric wütend. Sein Schiff war zerstört worden, sein ganzer Stolz. Und dieser Kerl hatte das mit zu verantworten. "Wieso wurden wir angegriffen?", platzte es unkontrolliert aus ihm heraus. "Wegen ihrer Fracht, wie sie sich vermutlich schon denken können.", antwortete Trevor, "Den Inhalt haben sie vermutlich noch nicht in Augenschein genommen?"

Candric lachte unterdrückt. "Sie sind mir ein Witzbold. Wie denn, wenn dieser verschissene Container doppelt und dreifach verschlossen ist? Wissen sie, der Inhalt ist mir letztenendes recht egal. Klar, ich bin neugierig, aber mir ging es wirklich nur darum, ihn zu seinem Ziel zu bringen."

Gebb nickte verständnisvoll. "Diese Sachlichkeit ist gut. Vorallem für den Kapitän eines Frachters. Aber in diesem Falle ist es gut, dass die Fracht nicht den Empfänger erreicht hat. Das hätte uns alle ins Verderben gestürzt.", entgegnete er sofort.

"Wieso", warf Tiger ein, "was ist denn in dem Container?"

 

Narrems Fuß wippte unaufhörlich auf und ab. Die Krankenschwester, die vor ihm am Schalter saß, sah ihn beeindruckt und freundlich an – vermutlich wegen seiner Uniform. Er wartete nun schon seit fast einer halben Stunde hier. Natürlich, er hätte keinen Grund, hier aufzutauchen, aber trotzdem – eine bessere Idee hatte er nicht, um den Typen von dem Frachter zu finden. Schließlich stand die Krankenschwester tatsächlich auf und deutete ihm, ihr zu folgen. Narrem schritt ihr sofort hinterher, und wurde in eines der Krankenzimmer geführt. Es war ein Zwei-Betten-Zimmer, wie er es aus jedem Krankenhaus kannte. Das eine Bett war leer, im anderen Bett lag eine hübsche, junge Frau. Sie hatte die Augen geschlossen, und lag bewegungslos auf der Matratze. Ihre Haare waren schwarz, jedoch vorne mit einigen grünen Strähnen gespickt. Ihr Bauch bewegte sich auf und ab mit jedem Atemzug, und sie tippte mit ihren Fingern in einem merkwürdigen Takt. "Entschuldigen sie?", sprach Narrem sie vorsichtig an.Doch die junge Frau reagierte nicht. Mit leichtfüßigen Schritten trat er weiter an das Krankenbett heran, und tippe sie an. Sie zuckte auf, und sah Narrem erschrocken an. Als sie seine Uniform sah, glätteten sich jedoch ihre Wogen. Schließlich griff sie sich ins Ohr, und zog einen Kopfhörer heraus – Narrem kam sich dumm vor. Sie hatte Musik gehört, deshalb hatte sie ihn nicht gehört. "Ich bin Officer Kgro. Sie sind die Kommunikationsoffizierin der Marina, richtig?", erkundigte er sich."Synthia Eryx.", gab sie freundlich zurück. Narrem lächelte sie an.

"Wo ist ihr Captain?"

"Ähm, der sucht diesen Typen namens Gebb. Der uns angefunkt hat, vor dem Angriff."

"Verstehe. Denken sie, ich erwische ihn noch, bevor er hier wegfliegt?"

Synthia lachte leise, und streckte ihren Kopf näher zu Narrem. "Ohne mich", sie deutete auf sich selbst, "fliegt der hier nicht weg. Warten sie doch einfach hier. Gesellschaft wäre echt toll." Eigentlich wollte er ablehnen, doch Narrem sah sich aus zwei Gründen gezwungen, hier zu warten. Erstens – diese Frau erschien ihm nett. Zweitens – diesen General und den Captain zu finden, auf einer Station, die er selbst nicht kannte, erschien ihm zwecklos. Er setzte sich, und begann mit einer Mischung aus Langeweile und Freundlichkeit ein Gespräch mit ihr.

 

Der kleine Trupp von Männern, bestehend aus General Gebb, Candric und seinem neuen Laufburschen Tiger, hatte sich vor dem Container in dem Hangar versammelt, in dem das kleine Begleitschiff der Marina stand. Gebb stand an dem Container, hatte einen Werkzeugkasten zu seinen Füßen, und tippe mit einem konzentrierten Gesicht auf der Konsole herum, während er sein Vorgehen erklärte: "Dieser Mechanismus ist lediglich digital gesichert. Sobald ich es geschafft habe, den Freigabecode irgendwie zu knacken, wird es mir ein leichtes sein, die Tür aufzubrechen. Jedoch sollten sie sich, falls sie vorhaben, den Container mitzunehmen, eine neue Art zum Verschlüsseln überlegen. Der Inhalt darf unter keinen Umständen in die falschen Hände geraten."

Ungeduldig sah Candric ihm zu und wippte mit dem Fuß. Warum musste Tiger auch nach dem Inhalt fragen? Sie hätten sich einfach die wichtigsten Fragen beantworten lassen und den Container zur Erde bringen können. Doch nun standen sie hier, sahen einem unbekannten, und nach Candrics Meinung nicht vertrauenswürdigem Mann dabei zu, wie er einen Teil seines vor wenigen Stunden unterschriebenen Lieferabkommens brach. Innerlich fluchte Candric. Sein Schiff war weg, und den Urlaub auf der Erde konnte er auch getrost streichen, da er nun keinen einzigen Geldschein für seine Mühen sehen würde. Wer auch immer ihn angegriffen hatte, er verfluchte sie.

Mit einem bestätigenden Piepton meldete die Konsole, dass sie nun eine Öffnung autorisierte. Mit einem leicht zufriedenen Lächeln zückte Trevor eine elektrisch betriebene Greifzange, die er schloss und zwischen die beiden Türen des Containers klemmte. Als sie anschlug, betätigte er den Knopf zum öffnen, und die Türen bersteten einige Zentimeter auseinander. "He, Kleiner", sprach er über seine Schulter Tiger an, "hilf' mir mal. Schnapp dir was, womit du die Türen aufstemmen kannst."

Gesagt, getan, und Tiger rückte mit einer etwas längeren Eisenstange an, die er auf dem Boden des Hangars gefunden hatte. Mit Mühe schob er den Stab an die Fläche einer der beiden Türen, worauf er begann, sie mit Gegendruck auf die andere Tür zu öffnen. Mit einem scharfen Quietschen, wie man es von Containern gewohnt war, schwangen die Türen auf und enthüllten den Inhalt. Candric stand mit verschränkten Armen davor, und setzte ein etwas verwirrtes, aber grimmiges Gesicht auf. Tiger ließ mit einem erleichternden Laut den Stab fallen, gesellte sich zu seinem Captain und starrte mit den Händen an der Hüfte Gebb an, der sich über den Inhalt sehr zufrieden zeigte und in den Container hineintrat. Er nahm aus einer der vielen Kisten einen großen Plan, der an eine Blaupause erinnerte, in die Hand, und blickte Candric an."Was ich hier in meiner Hand halte, ist die Bauanleitung für eine leistungsfähige, intelligente Lebensform.", sprach er mit einem beeindruckten, aber auch eingeschüchterten Gesichtsausdruck."Langsam", meinte Candric, "sie wollen sagen, dass es hier um die Züchtung von Menschen geht?" "Nicht ganz." "Roboter?", warf Tiger ein. "Der treffende Begriff wäre Androiden, aber ja. Sie wurden nur zu einem Zweck entworfen – Kanonenfutter für Kriege zu liefern, die von der Erde aus geführt werden. Später sollen sie sogar die gesamte Armee ablösen."

Candric jedoch war von dieser Aussage nur halb so begeistert wie Tiger, und warf sachlich sofort einige Sätze zurück. "Und wieso sind sie so versessen darauf, und das zu erzählen? Ausserdem – woher wissen sie da so genau Bescheid, hm?" "Ich war nie wirklich geneigt, ihnen das zu erzählen, Captain Qruotes. Ihr netter Adjutant hat mich gefragt, und ich war mir sicher, dass es doch ein wenig von Interesse für sie ist, was sie da durch die Gegend geschippert haben oder noch werden."

Die beiden sahen sich misstrauisch an. Tiger stand hilflos daneben, und ahnte schlimmes. Es erschien ihm einerseits sehr nett, dass Gebb ihnen half, aber andererseits konnte er seinen Captain nur zu gut verstehen. Sie wussten nichts über diesen Mann. Und das könnte den beiden zum Verhängnis werden, wenn sie nicht aufpassten.

"Sie haben meine zweite Frage nicht beantwortet, General. Woher wissen sie über diese Pläne so gut Bescheid?" Gebb schluckte. Er musste den beiden offensichtlich alles erzählen. Nicht nur, dass er so riskierte, aufzufliegen, sondern müsste er vermutlich für seine Taten gerade stehen, und das war bei denen, die er vollbracht hatte, nicht sehr einfach. Seine Gedanken kämpften innerlich. Seine militärische Ausbildung und sein eigenes Gewissen rissen ihn ihn Stücke, denn er wollte den beiden Männern, die nun ohne Schiff waren, helfen. Doch ebenso wollte er sich nicht offenbaren, um ihnen zu zeigen, was er für gravierende Fehler begangen hatte. Aber das Schicksal ließ ihm wohl keine Wahl – er musste den Captain und seinen Laufburschen einweihen.

 

Narrem lag quer auf den beiden Stühlen, die im Krankenzimmer standen. Seine Uniform hatte er mittlerweile ausgezogen und in seine Tasche gestopft – in dem beheizten Krankenzimmer reichte ihm sein Oberteil und seine Jeans, die er sowieso trug. Er starrte an die Decke und tippelte mit seinen Finger in einem rhytmischen Takt an die Wand, während er den Erzählungen der Offizierin lauschte, die wesentlich mehr erlebt hatte, als Narrem ihr zurtraute. "... und dann hat Candric tatsächlich das Schiff geflogen, ohne einen einzigen Kratzer. Das müssen sie sich mal vorstellen! Durch den Asteroidengrütel des Saturns, da würde ihnen jeder Militärflieger den Vogel zeigen. Er gibt sich immer als Kommandeur, doch wenn er am Steuerpult sitzt, sehe ich, dass er viel lieber selbst fliegt. Dafür ist er nunmal geboren." "Sagen sie", warf Narrem ohne nennenswerten Zusammenhang ein, "sie reden von ihrem Captain ja in den höchsten Tönen. Sie verehren ihn ja geradezu. Sind sie mit ihm liiert?" Leicht irritiert raffte die Offizierin sich für eine Antwort zusammen. "Nein. Nein, bin ich nicht. Er ist für mich jedoch wie ein Vater. Wir arbeiten schon ewig zusammen. Doch soetwas wie Liebe, ich meine intime Liebe, könnte ich für ihn nicht aufbringen. Ehrlich gesagt kann ich das für niemanden. Mir ist mein Beruf viel wichtiger."

Akzeptierend nickte Narrem. Klare Frage, klare Antwort. Aber da wollte er doch noch einmal nachhacken. "Nun, ihr Beruf ist gerade jedoch sehr in der Schwebe." "Wie meinen sie das?", gab Synthia zurück.

"Ihr Arbeitsplatz war die Marina, richtig? Die ist nun ein Trümmerhaufen."

"Candric wird sich schon was einfallen lassen. Er kann genausowenig ohne das Fliegen, wie ich. Doch einmal zu ihnen. Was wollen sie von meinem Captain?" "Ehrlich gesagt würde ich sie gerne auf ihrer weiteren Reise begleiten. Zu einem Teil aus Eigeninteresse, zum anderen Teil aus... beruflichen Pflichten, wenn man so will."

Erstaunt über den letzten Teil, neigte Synthia respektvoll ihren Kopf nach vorn. "So", bemerkte sie, "berufliche Pflichten? Wollen sie uns etwa ausspionieren?"

Narrem drehte seinen Kopf so, dass er ihr in die Augen sehen konnte, und lächelte auf. "Das trifft es nicht wirklich. Ich kann meine Arbeit quasi woanders hinverlegen. Ihre Crew als Operationsbasis benutzen."

Mittlerweile sehr interessiert an Narrem, drehte sie sich auf dem Krankenbett mit dem gesamten Körper in seine Richtung, und stützte ihren Kopf. "Das klingt mir nicht sehr einleuchtend. Erklären sie es mir." "Wenn ich unter den Leuten bin, die ich beruflich beschützen muss, kann ich sie natürlich besser beschützen, wenn ich bei ihnen bin."

"Verstehe.", entgegnete sie.

Narrem drehte seinen Kopf nach einem Moment des Schweigens wieder zur Decke, doch Synthia starrte ihn weiter an. Im Raum war es nun still, keiner erzählte mehr etwas, aber keiner der beiden schien sich daran zu stören.

 

Die Gruppe von Männern hatte dank Gebbs Handwerkskenntnissen den Container wieder verschließen können, und hatte sich nun, da Gebb etwas wichtiges zu bereden hatte, wieder in dem Diner des Hangarbereichs versammelt. Candric und der General saßen sich gegenüber, während Tiger im Hintergrund stand, und so tat, als würde er die beiden bewachen.

"Ich sage es gleich voraus", begann Gebb mit seiner Erklärung, "sie werden nicht beigeistert sein, über das, was ich ihnen erzählen werde." Candric neigte seinen Kopf zum Zeichen der Ironie. "Ach", stieß er hervor, "was sie nicht sagen." "Mein Name ist Trevor Gebb. Ich bin ein General und Flottenkommandeur der föderalen Armee der Mondkolonie. Oder, mittlerweile muss ich zu meinem Bedauern sagen, dass ich das war. Meine Auftraggeber verlangten, dass ich ihr Schiff mitsamt seiner Fracht zerstören würde. Das tat ich jedoch nicht, wie sie wissen, sondern gab allein zu ihren Gunsten meine Dienste als General auf. Ich verlor meinen Rang, meine Männer und meinen Beruf. Ich wünschte, die Geschichte wäre hier vorbei, jedoch... ist es wesentlich verstrickter, als sie denken." Candric hob seine Hand, und unterbrach den General. Er wank Tiger zu sich, der sich sofort wie ein professioneller Leibwächter zu ihm neigte, und sich von Candric eine Anweisung ins Ohr flüstern ließ. Mit einem Nicken verschwand Tiger aus dem Diner, und Candric gestattete dem General, weiterzusprechen.

"Wie sie wissen", fuhr er fort, "befindet sich die Mondföderation mit der Erde im Krieg. Es geht um die Unabhängigkeit voneinander. Die Föderation sieht nicht ein, ihre Ressourcen an die Erde abzutreten, doch die Erde will genau das weiterhin. Somit brach ein Konflikt aus. Meine Auftraggeber verfolgten – und tun es wahrscheinlich immer noch – diesen Konflikt mit großem Interesse. Sie förderten mich, gaben mir unendlich viele Männer zum ausbilden und eine Anzahl von Kampfschiffen, die sich garnicht zählen können. Als Gegenzug verlangten sie jedoch – nun, den Teil kennen sie. Die Zerstörung ihrer Fracht. Ich lehnte ab, und zahlte den Preis."

Ruhig dachte Candric über diese Geschichte nach. Zumindest war er dem Mann nun nicht mehr so abgeneigt, wie er es vorhin noch war. Er hatte gute Gründe für sein Handeln. Jedoch war ihm eins klar, der General musste noch mehr Dreck am stecken haben. Nachdenklich und schon fast zuvorkommend stellte er ihm eine Frage."Und was wollen sie nun nach all dem unternehmen?""Da meinen Feinden jede erdenkliche Möglichkeit freisteht, mich umbringen zu lassen, muss ich hier weg. Auf einen Planeten, der unabhängig und unwichtig genug ist, mir Sicherheit zu bieten.""Woran dachten sie?", hackte Captain Qruotes nach."Die Uranusstation."Mit einem unterdrückten Lachen verarbeitete Candric die Antwort, um gleich ein Widerwort einzulegen."Vergessen sie's. Dort hat sich einiges geändert. Die Station ist eine Piratenhochburg. Ich und sämtliche anderen Frachterkapitäne, die ich kenne, umfliegen sie immer so weit es geht. Wenn sie schon ohne vernünftigen Grund umgebracht werden wollen, werden sie's dort am ehesten."

Zweifelnd dachte Trevor über diese Worte nach. Aber warum sollte der Captain ihn anlügen – aus ihm sprach waschechte Pilotenerfahrung. Er kam mehr rum im Universum als jeder andere. Dahingehend war er mehr als vertrauenswürdig. Candric lehnte sich nach vorn. "Ich mache ihnen ein Angebot.", meinte er, mit einem gewissen Funkeln in den Augen.

 

Synthia war damit beschäftigt, nun Narrems Erzählungen zuzuhören. Über seine ganzen Einsätze in der Dienstzeit bei der Space Division, über seinen mittlerweile verstorbenen Partner, und viel mehr, dass in ihr eine Abenteuerlust weckte, wie noch nie zuvor. Nach einiger Zeit jedoch klopfte es an der Tür. Narrem unterbrach sein Schwelgen in Erinnerungen, und öffnete sie. Vor ihm stand ein junger Kerl, mit einer zerzausten Kurzhaarfrisur und einem beschämten Gesichtsausdruck, als er ihm gegenüberstand. "Bin ich am falschen Zimmer?", erkundigte er sich vorsichtig. Narrem verschränkte die Arme und lehnte sich in den Türrahmen. "Kommt ganz drauf an, wohin sie wollten."

"Die Kommunikationsoffizierin der Marina.", platzte es nervös aus Tiger heraus. "Ich bin hier, um sie abzuholen."

Narrem trat mit einem überlegenen Lächeln zur Seite, und der unsichere Besucher trat ein. Synthia starrte ihn fragend an, doch bevor sie eine Frage aussprechen konnte, begann dieser schon, sich zu erklären. "Captain Qruotes schickt mich. Sie sollen ihn in dem Diner im Hangarbereich treffen. Ich soll sie dort hin begleiten." Narrem schob den Jungen ignorant beiseite, und erkundigte sich zu Tigers Überraschung in einem sehr netten Tonfall bei ihr: "Können sie laufen?" "Natürlich", gab sie zurück, "ich fand das Bett nur so bequem." Was Tiger noch eben für einen schlechten Scherz hielt, stellte sich als Wahrheit heraus. Die Offizierin stand auf, und schritt ohne irgendwelche Beschwerden auf ihn zu. "Können wir?", fragte sie.

Mit einem untergebenen Nicken ging Tiger vorraus, Narrem und Synthia folgten ihm, aber liefen nebeneinander her. Nervös wurden sie von dem Laufburschen geleitet, der jedoch zielsicher in Richtung der Hangars lief. In seinem Inneren hoffte Narrem, endlich den Captain der Marina zu treffen. Sie passierten einige Piloten, die von ihren Flügen eine Auszeit nahmen, während sie auch hin und wieder einige überholten, die offenbar zu spät dran waren – oder es sonst irgendwie eilig hatten. Auch, wenn diese eintönigen Wege nichts besonderes hatten, dass man als sehenswert erachten könnte, genoss er den Anblick der Technik und der Menschen. In regelmäßigen Abständen waren Kommunikationsstationen, vergleichbar mit Münztelefonen, platziert worden. Ausserdem hatten einige wenige Händler ihren Stand in diesem Teil der Station platziert, nicht auf dem Markt. Einfach, um die Chance zu haben, Leute aus der eher kleineren Menge hier abgreifen zu können. Gelegentlich passierten sie auch einige Mechaniker, sowie Sicherheitskräfte der Station. Narrem wunderte sich zuerst, warum sie ihn alle ignorierten, doch dann fiel ihm ein, dass er seine Uniform nicht trug. Er war es schon beinahe gewohnt, dass jede Bodentruppe vor ihm salutierte. Die Space Division Officer genossen ein hohes Ansehen.Im Diner angekommen versammelte sich die kleine Gruppe um den Tisch, an dem Captain Qruotes und General Gebb saßen. Das Gespräch war noch in vollem Gange, also ermahnte Tiger sie professionell mit einem Handzeichen zur Ruhe. "Ich fasse zusammen", verhandelte Candric, "sie begleiten mich auf meiner weiteren Reise, da mir ihr militärisches Wissen durchaus von Nutzen sein könnte. Im Gegenzug erhalten sie von mir eine Bezahlung, eine Unterkunft auf meinem Schiff und vorallem Schutz vor den Killern der Typen, die sie suchen." Gebb strich sich mit zwei Fingern am Kinn, eine Geste des Nachdenkens. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich dem Captain anzuschließen. Jedoch fielen ihm sofort die positiven Seiten des Abkommens ein – Qruotes war für ihn definitiv eine Autorität, er wirkte auf ihn sehr erfahren und professionell. Zugleich jedoch wie ein Schurke, aber trotzdem ein ziemlich cooler Typ. Eigentlich das, was er sich selbst immer als Anführer wünschte. Entschlossen streckte er ihm die Hand entgegen, und als er begann zu sprechen, schüttelte Candric seine Hand bereits. "Abgemacht.", entgegnete er noch nachträglich.

Nachdem Candric sich aus dem Händedruck gelöst hatte, stand er ersteinmal auf und sah Synthia mit einem leichten, für seine Verhältnisse jedoch großem Lächeln an.

"Synthia", begrüßte er sie, "ein Glück, dass du wieder wohlauf bist." Mit einem freundlichen Nicken grüßte sie zurück, ließ Narrem jedoch sofort vortreten, der sogleich sein Anliegen vorbrachte. "Captain Qruotes?", erkundigte er sich zunächst. Mit einem respektvollen Nicken bestätigte er seine Identität, und Narrem sprach weiter. "Mein Name ist Narrem Kgro. Ich bin Space Division Officer, und bin auf eigenmächtigem Auftrag unterwegs. Falls sie nichts dagegen haben, würde ich mich gerne ihrer Crew anschließen und meine Dienste zu ihrer Verfügung stellen – eine Bezahlung oder ähnliches verlange ich nicht. Notfalls schlafe ich auch in dem Korridor ihres Schiffes, wenn es sein muss."

Candric musste über die letzte Bemerkung schmunzeln. Ein wenig erinnerte der Officer ihn an sich selbst. Allein schon aus Respekt gegenüber der Division bejahte er die Forderung sofort: "Natürlich, sie sind mir ein willkommener Gast. Dies hier um mich herum ist meine Crew. Meine Kommunikationsoffizierin, Synthia Eryx, haben sie ja schon kennegelernt. Mein jüngstes Crewmitglied, aber auch zugleich mein Adjutant, ist Tiger – der junge Bursche, der sie abgeholt hat. Und hier gegenüber sitzt mein... sagen wir, persönlicher Berater, General Trevor Gebb."Narrem sah beeindruckt zu dem Mann. Er salutierte kurz vor ihm."Ich habe von ihnen und ihren Schlachten gehört", bemerkte er, "meinen größten Respekt für sie und ihre Männer."Dankend nickte der General, während er die Hand kurz entgegennahm. Zeit, ihm das mit seinem inoffiziellen Rücktritt zu erklären, hatte er ja genug, wenn sie noch zusammen fliegen würden. Candric jedoch schaltete sich gleich wieder ein."Wir haben nur ein Problem. Es ist schön, dass unsere Gruppe nun vollständig ist, und wir sind genügend Leute, um einen kleinen Frachter zu bemannen, mit dem wir den Container hier wegbringen können. Problem ist nur – wir haben kein Schiff zum bemannen. Ich und Synthia sind mit einem kleinen Begleitschiff der Avenger-Klasse gekommen, General Gebb mit seinem alten Star-Jäger. Aber das reicht bei weitem nicht für uns Fünf. Ausserdem brauchen wir einen Frachtraum für den Container."

Narrem äusserte gleich eine Lösung zu dem Problem. Das die Marina zerstört war, hatte er bedacht, und schon eingeplant. "Ach, ich kann ihnen da aushelfen."

Entschlossen lief Narrem aus dem Diner, seine Gefährten folgten ihm. Bald würden sie die Jupiterstation verlassen – und würden sich überlegen, was sie nun zutun hatten.

Kapitel 4 - Aufbruch

Voller Stolz trat Narrem vor die Konsole einer Hangartür, und gab einen Zugangscode ein, der die Tür wie erwartet aufspringen ließ. Er trat hinein, seine Begleiter folgten. In dem Hangar selbst standen einige Kisten, Munition für Bordgeschütze sowie Raketen, und das wichtigste – ein kleiner Frachter der Andromedar-Klasse. "Darf ich vorstellen?", sprach Narrem mit einem unterschwelligen Ton der Prahlerei zu Candric, "Das ist die Raven. Eine pure Rarität unter den heutigen Frachtern, sie fasst bis zu 50 Container. Bewaffnet ist sie mit einem Raketenwerfer für standatisierte Pierce-Raketen, einem aktiven Abwehrmechanismus sowie einem leichten Energieschild. Sie fliegt bis zu 200 Meter pro Sekunde, mit voller Energieauslastung sogar bis zu 250. Ausserdem bietet sie Quartiere für bis zu sechs Crewmitglieder – aufgeteilt in zwei Zimmer mit jeweils drei Betten -, eine kleine Krankenstation, eine Werkstatt und einen Hangar, der für den Star-Jäger vollkommen ausreichen sollte. Sie ist flugbereit, und in einwandfreiem Zustand, Sir."

Beeindruckt und mit einem fachkundigem Blick schritt Captain Qruotes um das Schiff herum. Mit einem zufriedenen Nicken bestätigte er die Aussagen seines Vorredners. "Erklären sie mir nur eins, Officer Kgro. Wie kommen sie an sowas? Und vorallem – wieso vertrauen sie mir so ein Schiff bedingungslos an?", fragte er neugierig nach.

"Ganz einfach. Bei einem Einsatz haben wir es beschlagnahmt – der Besitzer ist verstorben. Seitdem steht es unbenutzt hier herum. Ich habe bevor ich sie aufgesucht habe dafür gesorgt, dass es auf mich zugelassen wird. Aber das Kommando übergebe ich ihnen.", gab Narrem zurück.

Tiger starrte das Schiff mit den Augen eines kleinen Jungen an – als wäre er in einem Traum gelandet. Synthia und Gebb standen einfach in der Gegend herum, und warteten darauf, was Candric tat. Der inspizierte sein neues Schiff immernoch genau, während Narrem ihm beruhigt über die Schulter sah. "Bevor wir an Bord gehen", kündigte Candric an, "müssen wir uns ersteinmal überlegen, was wir jetzt unternehmen wollen. Eigentlich sollte ich die Fracht zur Erde bringen – was ich ehrlich gesagt jetzt auch für die beste Lösung halte."

Gebb jedoch widersprach ihm: "Nein! Wenn das Militär diese Pläne bekommt, führen sie ihre Kriege noch zahlreicher, und vorallem erfolgreicher. Da muss ihre Gleichgültigkeit aufhören, Captain Qruotes. Das betrifft auch sie."

Candric zuckte mit den Schultern. "Genau deshalb frage ich sie ja alle. Also – hat jemand einen besseren Vorschlag?"Schweigen prägte die Runde. Niemand wusste so recht, was er sagen sollte. Tiger stimmte Candric einfach aus Prinzip zu, Synthia war am Grübeln, Gebb war eingeschüchtert, und Narrem wusste garnicht, worum es ging. Er bekam schließlich nicht mit, was sich in dem Container befand.

"Vielleicht sollten wir sie einem fachkundigen Auge übergeben.", meinte Synthia. "An wen dachten sie da?", hackte Gebb nach.

Synthia sah nachdenklich in den leeren Raum, und überdachte noch mehrmals ihre Antwort, doch gab dann selbstsicher zurück: "Eine der Forschungsanlagen der Irons. Sie sind neutral und, wer, wenn nicht die, können uns sagen, was wir mit dem Zeug jetzt anstellen sollten."

Die Irons waren eine Gruppierung von Wissenschaftlern. Über die ganze Galaxis verstreut besaßen sie Stationen, an denen man Forschung betreiben lassen oder auch selbst betreiben konnte. Laborausrüstung und ähnliches stellten sie mit Freude zur Verfügung, und auch waren sie erfreut, wenn man sie um Rat bat – eben die Art intelligenter Mensch, die man sich wünschte. Candric dachte über Synthias Einwand nach, und kam zu dem Schluss, dass das wirklich keine blöde Idee war. Den Vertrag hatte er mit dem Aufbrechen des Containers sowieso gebrochen, und wenn es nun seine Bestimmung war, bis zum Hals in die Scheiße zu fallen, dann würde er wenigstens Anlauf nehmen und es genießen. Er schlug seine Hände zusammen und gab den entscheidenden Befehl: "So machen wir's. Alle an Bord, wir fliegen zur nächsten Iron-Station. Tiger, kannst du fliegen?"Etwas verlegen stammelte er vor sich hin: "Nun.. Sir.. äh.. ich.. Sir..""Ob du fliegen kannst?", hackte Candric nach. "Ja, Sir. Aber nur.."

"Reicht mir schon. Du fliegst." Tiger schluckte. Vom Grundprinzip her konnte er fliegen, jedoch nur kleine Maschinen, und selbst die hatte er nur im Simulator geflogen – und das bei einer Absturzrate von 40%. Das mag für einen unerfahrenen Piloten wenig klingen, doch die Absturzrate eines erfahrenen Piloten lag bei circa 2%, und bei solchen Flugässen wie Candric bei Null Komma irgendwas. Er ließ sich jedoch nichts anmerken, und stieg mit einem imaginären Fliegerstolz die Rampe herauf. Synthia schritt wie durch eine Selbstverständlichkeit hinterher, ihre Aufgabe würde logischerweise die Ko-Pilotin sein. Gebb und Narrem schritten nun ebenfalls in das Schiff und passierten Candric, der noch einmal kurz auf der Rampe die Luft der Jupiterstation einsog und dann mit einem lässigen Griff den Hebel für die Rampe betätigte, als er oben angekommen war.

 

"Nein.. Nein, nochmal von vorn. Also.. ein Venuskrieger und eine Gräfin vom Neptun gehen in eine Bar..", prustete einer der Männer. "Oh", fuhr es aus Alex heraus, "halt doch endlich die Klappe. Du bist sowasvon unprofessionell, weißt du das?" Die Männer um ihn herum brachen ihr Gelächter ab, sahen sich an und schwiegen – einige Sekunden später lachten sie jedoch wieder los. Alex schüttelte den Kopf und las auf dem Hologramm weiter, was ein kleiner Projektor in seiner Hand ausstrahlte. Er hatte die Unterlagen für den nächsten Einsatz vor sich. Der Name der Operation lautete Feuerschlucker, das Einsatzziel war, die Rebellenflotte zu zerschlagen, die ihre Scanner einige Tage zuvor entdeckt hatten. Angeblich steuerte sie auf die Erde zu. Aber genau diese Behauptung ließ Alex die Augenbrauen heben – irgendwie war das immer die Begründung. Immer hieß es "Die Flotte steuert auf die Erde zu". Er studierte die Anweisungen für den Einsatz, was die Enterkommandos betraf, denn das war seine Zuständigkeit. Mit den Fliegern hatte er nichts zutun, er selbst war ein Marineinfanterist, darauf spezialisiert, feindliche Schiffe von innen heraus zu zerstören oder zu entern. Im Geschichtsunterricht wurde ihm damals beigebracht, dass Marineinfanteristen damals von Schiffen, die auf den Meeren der Erde fuhren operierten – das wirkte auf ihn schon fast lächerlich. Aber es war die Wahrheit. Der Begriff hatte sich in der Raumfahrt genauso eingebürgert. Schließlich entdeckte er einen Absatz, der seine Rolle erläuterte: "Das Marinekommando stationiert auf der EUS America übernimmt den Entereinsatz auf das Kommandoschiff der Rebellen. Die genaue Anweisung lautet: Alle Informationen kopieren, die Kopien sichern, die Ursprugsdateien zerstören."

Alex nickte für sich selbst. Das war pure Routine. Zuerst kapert man das Schiff, und sucht die Aufzeichnungen und Logbücher, um zu erfahren, was der Grund für den Einsatz ist und ob weitere geplant sind. Dieses Zeug kopiert man dann, und bringt es in Sicherheit, meist auf das eigene Schiff. Danach zerstört man die Quelle der Dateien, also die Bordcomputer des gekaperten Schiffes. Entweder manuell durch eine Sprengladung oder ähnliches, oder das ganze Schiff wird in der Schlacht zerstört. Dieser Ablauf war ein alter Hut für Alex.

"Achtung! Truppführer kommt!", rief jemand in den Raum hinein. Jeder wurde sofort still, legte alles beiseite und begab sich ohne jeglichen Kommentar in die Stillgestanden-Position. Ein paar Minuten war alles still, und auf dem Gang hörte man den Truppführer Hendricks umherstiefeln. Als er schließlich in die Quartiere kam, bemerkte er: "Rühren und hinsetzen. Und zuhören." Alle folgten brav den Anweisungen, und lauschten den Worten ihres Anführers. "Männer", begann er sie zu unterrichten, "heute zerschlagen wir den dritten Kampfverband der Rebellen. Sie werden niemals bis zur Erde kommen. Dazu müssen sie erst an uns vorbei! Wir machen sie fertig. In zwei Stunden geht's los. Macht euch kampfbereit."

"Jawohl, Sir", hallte durch den Raum, und der Kommandeur verließ die Quartiere so schnell, wie er sie betreten hatte. Alex atmete kurz erleichtert durch, und klopfte auf das Bett seiner beiden Teamkameraden, die sich ein Doppelbett teilten. Oftmals wurde von den Zivilisten gewitzelt, dass das "schwul" seie, was diese jedoch einfach nicht verstehen konnten – im Zuge der modernen Militärausbildung wurde einem einfach eingebrannt, dass ein Kamerad, und speziell die des eigenen Teams, Brüder und Schwestern waren. Das war effektiver als zuerst gedacht – die Sterberate aufgrund unterlassener Hilfeleistung im Gefecht sank schlagartig um mehrere Prozent, nachdem man diese Ausbildungspraktik anwendete. Eric und Ribbon wachten schlagartig auf, und hörten ihrem Gruppenführer zu. Der informierte sie nur knapp: "In zwei Stunden geht's los. Wenn ihr die Unterlagen zu Feuerschlucker noch nicht gelesen habt, solltet ihr es jetzt tun." Die beiden rieben sich die Augen, und nickten beinahe synchron. Alex las das Dokument auf seinem Holoprojektor weiter, und prägte sich weitere Infos gut ein – sie waren ihm schon oft nützlich geworden.

 

Tiger und Synthia saßen auf den Pilotensitzen, Candric saß auf dem Kommandosessel, der in der Mitte der Brücke platziert war. Die anderen hatten es sich irgendwo im Rest des Schiffs bequem gemacht. "Triebwerke starten.", befahl Candric.

Tiger legte den ihm bekannten Hebel um und betätigte den Hauptschalter. Der Boden unter seinen Füßen begann zu vibrieren, und das Surren des Raumschiffs erfüllte den Raum. Für Candric war es pure Gewohnheit, für Tiger jedoch die Erfüllung eines Lebenswunsches. "Okay. Tiger, dann bring uns mal raus."Tiger aktivierte die Stabilisatoren, den Schwerkraftgenerator, damit sie nicht umherschwebten, sobald sie abhoben, aktivierte Radar und Scanner, legte die Waffensysteme auf Stand-By, und gab schließlich kurzen Schub nach oben, um das Schiff in den Schwebeflug zu bringen. "Sehr schön.", kommentierte Candric. Mit einem kurzen Knopfdruck fuhr er die Landestützen ein, und gab Schub nach vorne – sie passierten den bläulichen Luftbarriereschild und waren schließlich weg von der Station, im Weltraum."Jetzt, wo wir in der Luft sind, Sir..", begann Tiger zu erklären. "Ich weiß, ich weiß", antwortete Candric, bevor er überhaupt ansetzte, "du bist noch nie geflogen. Nur in Simulatoren. Aber ich weiß, dass du es drauf hast. Das manuelle Fliegen ist ja auch nicht so wichtig, den Rest des Fluges kannst du ja den Autopiloten machen lassen, der ist ja zu unserer Zeit schon sehr intelligent. Das eingenständige Fliegen werde ich dir noch beibringen. Jetzt bring uns erstmal weg vom Planeten, dann lässt du den Autopiloten fliegen, die Koordinaten gebe ich selbst ein." Etwas überrascht drehte Tiger den Kopf zu Candric, der war jedoch schon damit beschäftigt, die Koordinaten für die Iron-Station einzugeben. Mit immernoch leicht verdutztem Gesicht widmete er sich dem Steuerinterface, das vor seinem Gesicht aufploppte. Synthia grinste still vor sich hin und wies Tiger nur darauf hin: "Gewöhn' dich dran."

Candric hatte die Eingaben beendet und stand von dem Sessel auf. Er schritt in in den Korridor, in den linken Teil des Schiffes, in dem die beiden Quartiersräume lagen. Dort waren Gebb und Narrem – oder, anders gesagt, so hatte er es erwartet. Offenbar waren die beiden sich aus dem Weg gegangen, und jeder hatte einen anderen Raum bezogen. Doch das störte Candric nicht, er mied Gebb zunächst so gut es ging, und steuerte auf den Raum zu, in dem er Narrem vermutete. Der lag auf einem der Betten, und ließ seine Finger rhytmisch an die Wand klopfen, während er die Decke anstarrte und offensichtlich nachdachte. Candric räusperte sich, und Narrem sah auf. "Captain Qruotes. Wie kann ich ihnen denn helfen?", erkundigte er sich sofort. "Mir ist nicht so ganz bewusst, wieso sie uns begleiten. Mobile Eskorte schön und gut, aber warum meine Crew?" Narrem grinste, und sah Candric zum ersten mal wirkliche Verwirrung an. Er war ein Rätsel für ihn. Zuerst kam ihm der Gedanke, ihn im Dunkeln tappen zu lassen – doch er erschien ihm als vertrauenswürdig."Ich bin so gesehen ein Deserteur. Ich habe das aber sehr gut eingefädelt. Mein Vorgesetzter denkt, ich wäre Teil einer imaginären Spezialeinheit, die sie aufgrund von Schmuggelverdacht verfolgt. Somit kann ich meine Lizenzen, Dienstmarken und ähnliches ungehindert nutzen, obwohl ich schon lange nichtmehr der Space Divsion diene."Candric dachte kurz darüber nach. Gegen Narrems Erwartung jedoch begann er nicht zu lachen, sondern hackte nach: "Aber wieso ich? Candric Qruotes, ein unbedeutender Frachtkapitän im Universum?" "Ganz ehrlich", erwiderte Narrem, "sie waren einfach gerade da. Und ich bewundere ihre Führungsqualitäten. Sie sind ein fähiger Kapitän. "Das Kompliment aus Prinzip überhört, und sich den Tatsachen bewusst geworden, bedankte sich Candric mit einem Nicken. Schließlich entfernte er sich wieder aus dem Raum, und Narrem verfiel wieder in die Leere seiner Gedanken.

 

Der Alarm dröhnte durch die Korridore der America, die Marines rannten in den üblichen Gruppen umher, und holten sich an der Waffenkammer ihre Waffen ab. Die Aufteilung bei den Marines war auf Effizienz getrimmt – immer ein Drei-Mann-Team übernahm ein Schiff. Das mag für einen Unerfahrenen wenig klingen, doch mit dem technischen Schnickschnack und der makellosen Ausbildung eines Marineinfanteristen könnten sie sogar alleine ein ganzes Schiff entern. Alex schnappte sich seinen Laserkarabiner, Eric und Ribbon nahmen ihre üblichen Unimun-Sturmgewehre mit – nun, üblich war wohl doch nicht die richtige Bezeichung. Natürlich, es waren normale Sturmgewehre, jedoch verbessert mit all jenem Kram, den nur die Space Marines hatten. Zielhilfen, weitere Waffenaufsätze wie Granatwerfer, Seilwerfer und ein Schrotgeschosslauf verliehen diesen Waffen den Eliteeindruck, den auch die protzigen Rüstungen machten. Ein Helm mit eingebauten Kampfvisor, der es dem Gruppenführer erlaubte, quasi in der Umgebung Pfade zu zeichnen, Ziele zu markieren und viel anderes, was den Kampf erleichterte. Unbesiegbar waren sie, wenn man so wollte.Nachdem sie ihre Ausrüstung zusammengestellt hatten, postierten sie sich wie die circa hundert anderen Marines in dem großen Hangar. Da sie das Kommandoschiff entern mussten, was eine Fläche wie die einer Großstadt bot, reichte natürlich nicht nur ein Team, sondern mehrere Teams mussten das Schiff infiltrieren. Da nur jeweils drei Soldaten in eine der Enterkapseln passten, mussten sie eine unkonventionelle Taktik anweden – sie passierten das gegenerische Schiff an der Breitseite, versiegelten ihre Anzüge und trieben an die Oberfläche des Ziels. Dann mussten sie durch Schächte oder ähnliche Öffnungen das Schiff betreten. Alex schauderte es bei dem Gefühl an die Schwerelosigkeit, doch ihm blieb keine Wahl, er hatte seine Befehle. Er klopfte Eric kurz auf die Schulter, und mit Ribbon tauschte er den üblichen Faust-gegen-Faust-Schlag aus. Alle drei drehten an ihren Ventilen für die Helme, um sie zu versiegeln, und warteten darauf, dass das Schiff auf dem sie standen, unter dem Kampfgemenge begann zu vibrieren, wenn die Geschütze zu feuern begannen. Nach einigen Momenten des Schweigens passierte dies auch – das Schiff begann ruckartig den Kurs zu ändern und die Raketenwerfer begannen zu heulen."Wir wünschen ihnen allen eine gute Jagd, Marines.", erklang die Stimme des Truppführers von der Brücke in den Funkgeräten.

Die meisten schlugen ihre Hände zusammen, ballten ihre Fäuste oder luden ihre Gewehre durch. Schließlich heulte der Alarm erneut auf, und die riesige Luke des Hangars öffnete sich. Zuerst starteten die Jäger, um die Begleitschiffe des Ziels unter Feuer zu nehmen. Nachdem alle Staffeln im Kampfgetümmel verschwunden waren, schlug Alex sich zur Besinnung kurz auf die Brust, nahm Anlauf, und rannte mit einem gedämpften Schrei durch den Hangar. Die Männer um ihn herum taten es ihm gleich, und mit einem Fußtritt sprang er in den offenen Weltraum. Er aktivierte den kleinen Raketenrucksack, den sein Anzug mit sich führte, und schwebte in Richtung des großen Kommandoschiffs. Einige hundert Meter entfernt tobte der Kampf zwischen den Raumjägern, und die America ließ einen Raketenschauer auf die Fregatten und anderen Begleitschiffe des Kommandoschiffs niedergehen. Die Schwerelosigkeit machte Alex zu schaffen, langsam merkte er, wie ihm übel wurde. Aus Nervosität und dem Drang, nicht zu versagen, gab er ein letztes Mal Schub und seine magnetischen Stiefel des Anzugs hafteten sich an das Schiff, dass er eben erfolgreich erreicht hatte. Ribbon setzte direkt neben ihm auf, und schleppte eine große Apperatur an, die er bis eben noch auf den Rücken geschnallt hatte – es war eine kleine Bohrvorrichtung, die sich nun in die Oberfläche fräßen wurde, und ihnen einen Eingang geben würde. Das Bild was sich nun ergab, faszinierte Alex immer wieder. Die Bohrer verrichten ihre Arbeit, und die Soldaten standen regungslos da und sahen dabei zu, während um sie herum ein Raumkampf gigantischen Ausmaßes tobte. Doch was sollten sie auch anderes tun, ihre kleinkalibrigen Waffen konnten nicht gegen Raumschiffe eingesetzt werden – also blieb ihnen nur das Warten. Mit einem finalen Ruck signalisierte der Bohrer den Durchbruch, und Ribbon zog ihn – dank der Schwerelosigkeit – mühelos aus dem entstandenen Schacht heraus. Eric, der inzwischen auch gelandet war, überprüfte nocheinmal die Einsatzfähigkeit seines Gewehrs, und stieg dann in die Öffnung. Zu ihrem Glück hatten sie einen Korridor angebohrt, denn manchmal landeten sie in einem Geflecht aus Kabeln und Schächten, oder schlimmerem, durch das sie sich zunächst durchzwingen mussten. Diesmal jedoch nicht, Eric sicherte mit zwei schnellen Blicken die Umgebung, und wank dann seine beiden anderen Teamkameraden zu sich. Die schwangen sich ebenfalls hinein, und Ribbon nahm die große magentische Metallplatte, die er mit sich führte, um die saubere Öffnung wieder zu schließen – was er erfolgreich tat. Schließlich suchten sie nach einer Anzeige, die ihnen verriet, ob der Raum nun wieder mit Sauerstoff gefüllt war.

Während dieser Suche stürmte jedoch plötzlich eine kleine, in Anzüge gehüllte Gruppe von Männern den Raum. Sie führten für Alex unbekannte Waffen mit sich, und eröffneten das Feuer auf die Marines. Deren dicke Panzerung steckte die Treffer jedoch gelassen weg, und mit einigen gezielten Salven des Gegenfeuers fegten Eric und Ribbon die Gruppe von den Beinen. Alex hatte währenddessen eine Anzeigetafel für Sauerstoff gefunden und symbolisierte mit einer Geste seinem Team, dass sie die Versiegelung beenden konnte. Mit einem Zischen antwortete der Helm auf die Drehbewegung des Ventils, und durch die Stimmverstärker platzte aus Eric sofort eine Frage heraus: "Was waren das denn für schräge Typen?"

"Mir doch egal", gab Ribbon zurück, "zwei davon habe ich jedenfalls erledigt, die kommen auf meine Abschussliste." Mit diesen Worten lief Ribbon auch gleich vorraus, und tastete die Leichen der Angreifer ab, um sicherzugehen, dass keiner mehr lebte. Alex sah Eric an, zuckte nur kurz mit den Schultern und schloss sich Ribbon an. Nachdem die drei den Raum soweit gesichert hatten liefen sie in die Richtung, von der die Männer gekommen waren – so gingen sie sicher, die Quelle der Angriffe zu finden und vernichten zu können. Mit den Gewehren im Anschlag eilten sie durch den Korridor.

 

"Gut, der Kurs ist berechnet. Es sind noch ein paar Stunden. Ich passe hier schon auf, geh' dich ausruhen oder sowas.", sprach Synthia mit einem netten Unterton.Tiger knipste noch ein paar letzte Schalter um, und beendete dann das Hologramm, was eben noch vor ihm schwebte. Gelassen erhob er sich von dem Pilotensitz, und lief quer über die Brücke zu dem Gang, der in den Rest des Schiffes führte. Auf dem halben Weg in die Quartiere begegnete er Candric, der sich an einen der Tische in dem zentralen Lagerraum gesetzt hatte und gegen sich selbst Schach spielte – zumindest sah es für Tiger so aus, die Figuren hatte er noch nie gesehen, vorallem nicht in der Anordnung. Aus Respekt vor seinem nachdenklichen Gesichtsausdruck zögerte Tiger jedoch, ihn anzusprechen. Nervös tippelte er auf der Stelle herum, bis Candric – wie üblich – seine Gedanken beantwortete: "Das ist Wroach. Eine hochkomplizierte Form des Schachspiels, sie stammt von meiner Heimatstation Uranus." "Verstehe. Können sie mir das vielleicht beibringen?", fragte Tiger.Captain Qruotes neigte seinen Kopf, immernoch mit dem Blick auf dem Spielfeld, und meinte nach kurzem Nachdenken: "Warum nicht? Setzen sie sich."

Ohne zu warten nahm Tiger gegenüber seines Captains platz, der sofort eine der Figuren hochnahm und ihm ihren Zweck erklärte. Mit möglichst kurzen Worten erklärte er die ersten Züge und das Ziel des Spiels. Entgegen Candrics erwarten hatte er das sofort verstanden, und begann die Partie zu eröffnen. Nachdem Candric ebenso einen Zug gemacht hatte, begann er nebenbei ein Gespräch."Erzählen sie etwas von sich." "Nun", gab Tiger zurück, "da gibt es nicht viel zu erzählen."

Candric dachte kurz über seinen Zug nach, und setzte eine weitere Figur nach vorn. Nachdem Tiger seinen Gegenzug gemacht hatte, hackte Candric nocheinmal nach. "Erzählen sie mir von ihrer Schulzeit." "Ich war ein sehr stiller Schüler. Und ich hatte vorwiegend schlechte Noten. Aber nicht etwa, weil ich den Stoff nicht verstanden habe, sondern weil ich es nicht für nötig hielt, gut zu sein. Ich hatte durchaus alles verstanden, war aber nie ein Fan von diesem Schulsystem, was wir in der Galaxis haben. Irgendwie zurückgeblieben, finden sie nicht? Schon seit mehr als einem Jahrhundert stufen wir die Menschen durch Wissen ein, dass keiner mehr wirklich im Kopf hat." Mit einem verständisvollen Nicken setzte Candric seine Königsfigur, und gab zurück: "Aber sehen sie sich zum Beispiel mich an. Ich hatte gute Noten und durfte zum Schluss die Uranus Space Academy besuchen, und wurde Frachtflieger. Auch mir hat die Schule nicht gefallen, aber ich habe was aus mir gemacht. Übrigens: Schach." Tiger wollte eben noch eine Antwort formen, starrte nun jedoch irritiert auf das Spielbrett. Er konnte es kaum fassen, wie berechnend Candric ihn schon fast geschlagen hatte. Der Mann war ein geborener Taktiker, soviel stand fest. Mit zwei geschickten Zügen seiner Figuren hatte er das Blatt jedoch wenden können, und antwortete gleich auf das Gesagte: "Ja, da haben sie zweifellos recht. Letztenendes habe ich so mein Leben ruiniert, da ich die Schule auch frühzeitig abgebrochen hatte. Mein Geld habe ich als Laufbursche bei einer Logistikfirma verdient. Die ging jedoch pleite, als der Krieg zwischen der Mondföderation und der Erde begonnen hat, da sie die Schiffe zerstört haben, um die Versorgung der Erde zu stören. So wurde ich arbeitlos und habe mich als Tagelöhner durchgeschlagen – Botengänge und solches Zeug."

"Zumindest konnten sie sich über Wasser halten. Das ist gut.", erwiderte Candric, setzte eine Figur, und ergänzte: "Schach und Matt."

Schon fast garnicht mehr überrascht nickte Tiger und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Noch eine Runde?", hackte Captain Qruotes hämisch nach.Tiger schnalzte mit seiner Zunge und lehnte sich wieder nach vorn."Gern."

Kapitel 5 - Iron-2

"Ent-fernung zum Ziel: Etwa Ein und Zwan-zig Kilo-meter.", sprach der Bordcomputer in gewohnt abgehackter Stimmlage. Synthia wurde durch die Stimme aus ihrem Schlaf gerissen, und sah etwas erschrocken auf. Der Bordcomputer spuckte zudem Töne von Musik aus, die sie sich zur Entspannung – nun, so gut man sich zu Rockmusik entspannen konnte – einspielen lassen hatte, jedoch war sie wohl im Pilotensitz eingeschlafen. Sie sah sich um und entdeckte hinter ihr Gebb, der still auf der Brücke stand und die näher kommende Station anstarrte. "Kann ich ihnen helfen, General?", erkundigte sie sich in einem leicht unsicheren Ton. "Nein, danke. Obwohl.. ich hätte eine Frage an sie.", gab dieser zurück. "Nur zu." "Bisher haben sie es stets gemieden, mit mir zu sprechen. Warum?" "Wenn ich ganz offen bin", erwiderte sie, "ich bin abgeneigt gegen das Militär. Ich bin gegen jegliche Art von Kriegsführung." Mit einem lächeln formte Gebb jedoch ein passendes Gegenargument: "Und doch arbeiten sie auf einem bewaffneten Schiff." Synthia schluckte und gab zurück: "Ja, aber das dient nur unserem Schutz." "Und", gab Gebb sofort zurück, "denken sie, den Krieg für mein Volk führte ich nicht zu unserem Schutz?"

Mit einem Kopfschütteln schaltete sie die Musik ab und sprach sich aus: "Ich möchte dieses Gespräch nicht führen." Nickend sah Trevor wieder aus dem Cockpit und sah die Station an. Er hatte schon viel von den Irons gehört. Sehr zuvorkommende und intelligente Leute, die ihr ganzes Leben der Forschung widmeten. Sie konnten ihnen bestimmt mehr zu den Androiden-Bauplänen sagen – und lieber sah er die Ausrüstung in ihren Händen als im Besitz der Erde. Mag ja sein, dass sie sich auf diesem Planeten gegenseitig die Köpfe einschlugen und mit der halben Galaxis einen Krieg führen wollten, aber auch noch Erfolg dabei haben? Nein, das wollte er ihnen nicht gönnen. In Kürze würde er jedoch das erste Mal einen von einem anderen Volk kontrollierten Boden betreten, ohne die Absicht, ihn zu erobern. Das war neu für ihn, und in dem Moment wurde ihm bewusst, wieviel Zeit er an Bord seiner Schiffe und auf dem Mond verbracht hatte. Es wurde Zeit, dass er neue Wege ging, und mit Captain Qruotes Crew sollte ihm das bestimmt gelingen.Synthia hatte sich unterdessen wieder zusammengerafft und steuerte das Schiff manuell auf die Andockschleuse der Station zu. Sie strich sich eine ihrer grünen Strähnen aus dem Gesicht, und sorgte mit einem Knopfdruck dafür, dass der Pieper an Tiger's Gürtelschnalle losging. Nach wenigen Minuten war er auch schon zur Stelle und übernahm das Steuer. Synthia schob das Holointerface mit einer Geste vor das Gesicht von ihm und wies freundlich darauf hin: "Wenn du Hilfe brauchst, kannst du mich fragen." Mit diesen Worten widmete sie sich den restlichen Systemen des Schiffes – der Pilot manövrierte das Schiff, und der Ko-Pilot achtete auf die Systeme, einfaches Prinzip mit großer Wirkung. Candric war auch unverbindlich auf der Brücke erschienen, und überwachte den Andockvorgang. Synthia nahm sich ihrer Aufgabe der Kommunikationsoffizierin an, und begann routinemäßig die Station anzufunken: "Hier spricht die Raven, erbitte Landeerlaubnis an Dockplatz Drei.""Ist genehmigt, Raven", bekam sie als Antwort, "bitte nennen sie den Zweck ihres Besuchs. Nur aus Umfragegründen, das verstehen sie bestimmt."

"Absprache und Ratsuche bei einem ihrer leitenden Wissenschaftler.", gab sie sachlich zurück.

"In Ordnung. Einen angenehmen Aufenthalt."

Beinahe im Zeitlupentempo näherte sich ihr Schiff der Andockschleuse, und Tiger fuchtelte konzentriert mit der Steuerung herum. Synthia gab ihm pausenlos Werte aus den Schiffssystemen durch, und sah ihm so gut es ging zu. Sie hatte zweifellos Vertrauen in ihn, aber ein beschädigtes Schiff zu reparieren kostete selbst in diesen Tagen einen Haufen Geld. Zu ihrer Überraschung waren sie jedoch schon mit einem weichen Klicken angedockt, und die seitliche Lucke, die nun mit der Station verbunden war, öffnete sich, was sie alle durch das Schiff gedämpft hören konnten. Mit einem zufriedenen Nicken symbolisierte Tiger seinen Triumph, während Candric aufstand und sich auf den Weg zum Ausstieg machte. Es gab für ihn keine Zeit zu verlieren. Gebb lief ihm hinterher, während Synthia sich entschuldigte und in Richtung der Quartiere lief.

 

Die Konsole piepte und klickte unter den Eingaben von Ribbon, der damit beschäftigt war, die Log-Dateien des Kommandoschiffs zu hacken. Alex und Eric gaben ihm Feuerschutz und fegten in unregelmäßigen Abständen Gegner weg, die versuchten, sie zu stoppen. Noch während er feuerte rief er über seine Schulter: "Ribbon, Scheiße, was dauert da so lange?" "Keine Ahnung, Boss", raunte er, "ich kenne das Dateiformat nicht! Ich habe sowas noch nie gesehen. Vielleicht müssen wir abbrechen!"Eric machte einen Schritt nach vorne, um einem der feindlichen Soldaten mit seiner – dank des Anzugs – metallenen Faust einen mächtigen Schlag zu geben, und meinte, als er wieder auf Position war: "Einen Dreck werden wir! Du machst weiter, wir schaffen das." In diesem Moment tauchte jedoch wieder einer dieser merkwürdigen Anzugträger auf. Alex nahm ihn unter Feuer, und nach einigen Schüssen ging er zu Boden, während er bemerkte: "Ich hasse diese Typen!"

Ribbon tippte ununterbrochen auf der Konsole herum. Ihm als Computerspezialist war es wirklich sehr selten passiert, dass er einmal nicht weiterkam. Diese Dateien jedoch kannte er wirklich nicht – er hatte schon seit sie diesen stark gepanzerten Typen begegneten das Gefühl, dass sie es hier nicht mit normalen Rebellen zutun hatten. Doch im Moment gab es wichtigeres, als sich mit diesem Gewirr von Theorien zu beschäftigen, schließlich standen sie unter Feuer. Jedoch kam ihm plötzlich eine Idee – er könnte die Dateien ja einfach so kopieren und später auf der America in Ruhe entschlüsseln. So machte er es auch, mit einem Klick hatte er alles in seinen mitgeführten Datenträger kopiert, und gab Entwarnung: "Okay, fertig. Wir können los!"Alle drei gingen in einer Linienformation weiter, kämpften sich weiter feuernd durch den Korridor und versuchten, zum Hangar zu kommen – das war der Teil eines Marinekommandos, den Alex hasste. Nach dem erfolgreichen Beschaffen der Daten mussten sie sich in den Hangar des jeweiligen Schiffes kämpfen, und ein kleines Schiff klauen, mit dem sie wieder zu ihrem zugewiesenen Schiff flüchten konnten, was in dem Falle die America war.Nach einigen Metern jedoch hatten sie auch den letzten feindlichen Soldaten erledigt, und konnten kurz durchatmen. Alex dachte kurz nach, und wies Eric, der das Langestreckenfunkgerät mit sich führte, an: "Frag' mal den Status vom zweiten und dritten Team ab."Mit einem Nicken drückte Eric den Sende-Knopf an der Seite seines Helmes, und erkundigte sich: "Team Zwei und Drei, Status melden.""Hier ist Rhino von Team Drei, ich bin der einzige Überlebende! Kein Kontakt mehr zu Team Zwei! Wir müssen uns treffen, geben sie mir ihre Posi.."Einiges an krachenden Geräuschen unterbrach den Kameraden, der die Sprache gleich wieder aufnahm, jedoch nicht an sie gerichtet: "Verzieh' dich! Friss' das!"Mit diesem Satz hörte Eric nur noch Waffenfeuer, und auch auf Nachfrage meldete sich sein Gesprächspartner nichtmehr. Mit einem Kopfschütteln meinte er zu Alex: "Wir haben ein Problem. Team Zwei und Drei sind eliminiert worden."

Alex fluchte kurz. Das Team marschierte weiter den Korridor entlang, in der Hoffnung, bald den Hangar aufzufinden. Sie hatten zwar alle den Plan des Schiffs studiert, doch die feindlichen Soldaten waren gerissener als gedacht. Manche Türen waren verbarrikadiert, manche Gänge mit Sprengfallen versehen und einige Passagen mit Bewegungsmeldern gespickt – definitiv nicht die Vorgehensweise normaler Rebellen. Entweder wusste das Oberkommando davon und hatte es ihnen verschwiegen, oder hatten selbst keine Ahnung, mit wem sie sich da anlegten. Mit Mühe liefen sie weiter durch die Gänge – nichtmehr lang, und sie wären endlich wieder weg von diesem Schiff.

 

Ein im Laborkittel gekleideter junger Mann empfing Candric, und reichte ihm die Hand. "Willkommen auf Iron-2. Ich bin Professor Jures, einer der leitenden Wissenschaftler. Mir wurde bereits mitgeteilt, dass sie einen der höher geordneten Professoren sprechen wollen. Mit wem habe ich die Ehre?" "Mein Name ist Candric Qruotes", gab er sachlich zurück, "das ist mein Schiff, die Raven. Das neben mir ist General Trevor Gebb. Ausserdem habe ich noch einige Crewmitglieder, was jetzt jedoch nicht von Bedeutung ist. Wir haben einen Bauplan für eine bahnbrechende Gerätschaft bekommen und würden gerne aus ihrem fachkundigen Mund hören, was wir damit tun sollten." Er drehte sich unaufällig zu Gebb. "Holen sie uns die Baupläne?" "Ein Du fände ich mittlerweile angebracht, Candric.", gab Gebb mit einem lächelnden Nicken zurück, und ging davon.

"Während er die Pläne holt, würde ich sie gerne etwas fragen", sprach Candric wieder zu Professor Jures, "verkaufen sie hier auch Erweiterungen für Schiffe?" Die beiden führten einige fachkundige Gespräche über Schiffe und ihre Technik. Offenbar versprach sich Candric von dem Besuch der Irons nicht nur eine Antwort auf die Frage der Baupläne, sondern kam ihm auch der Gedanke, die Raven nach seinem Bedarf umzurüsten, wenn sie schon ihm gehörte. Als die beiden jedoch noch tief im Gespräch waren, tauchte Gebb mit einer Rolle von Plänen auf, die er Professor Jures sofort in die Hand drückte. Der sah sie sich kurz mit einem scharfen Blick an, und kam zum Entschluss: "Das ist in der Tat revolutionär. Ich habe folglich eine gute und eine schlechte Nachricht für sie." Gebb wollte gerade etwas sagen, Candric jedoch war schneller: "Die schlechte?""Mit diesen Androiden könnte man einen Krieg biblischen Ausmaßes führen. Das hier ist wie ein Rezept für ersetzbare Soldaten, absolut tödlich in den Händen von Kriegstreibern." "Und die Gute?", fuhr Candric fort. "Wir hätten alle Bauteile hier. Wenn sie es wünschen, kann ich ihnen in wenigen Stunden einen solchen Androiden herstellen. Dank der Computertechniker, die ich in meinem Labor beschäftige, kann ich ihn individuell programmieren lassen." Gebb wirkte begeistert, Candric jedoch genauso sachlich wie immer, und hackte nach: "Aber bestimmt nicht kostenlos, oder?" "Natürlich nicht", bemerkte Professor Jures, "aber ich verlange kein Geld von ihnen. Mit den UCs können wir Forscher hier draußen sowieso nichts anfangen. Nein, ich verlange eine Kopie von diesen Bauplänen machen zu dürfen. Sie können aber versichert sein, dass ich ihn für mich behalten und lediglich für friedliche Zwecke nutzen werde. Wenn sie das wünschen können wir auch einen Notar einbestellen und einen Vertrag aufsetzen." Candric lächelte und reichte dem Professor als Zeichen eines guten Geschäfts die Hand: "Ich glaube ihnen, Professor Jures. Sie wirken sehr vertrauenswürdig. Stellen sie uns so einen mechanischen Helfer her, ich kann mir schon sehr gut vorstellen, wofür wir ihn brauchen könnten. Bitte lassen sie uns doch eine Anschrift hier, wir sind in spätestens einer Stunde in ihrem Labor." Zuvorkommend reichte Jures ihm seine Visitenkarte, rollte den Bauplan sorgfältig zusammen, und spazierte wieder davon. Gebb sah Candric fragend an, der jedoch schritt einfach wieder in das Schiff. Nachdem Gebb sich nocheinmal kurz in dem Gang umgesehen hatte, ging er auch er vorerst wieder in das Schiff zurück. Candric war in die Quartiere gegangen, um Narrem aufzusuchen und ihm mitzuteilen, wie das weitere Vorgehen aussah.

Synthia lag auf einem der Betten, stützte seitlich ihren Arm und sah Narrem an. Der saß an die Wand gelehnt auf dem Boden, die Beine zu sich herangezogen. Anstatt zu reden sahen sich beiden jedoch nur an – Synthia mit einem warmen, freundlichen Blick, Narrem einfach nur so eisig wie immer. Der Grund dafür, dass sie zusammen in dem Quartier, wenn auch still, saßen, war eben so simpel wie kompliziert. Sie hatten bei ihrem ersten Treffen auf der Krankenstation gemerkt, dass sie eine beruhigende Wirkung aufeinander hatten. Warum, ließ sich nicht erklären. Als Synthia gerade ein Gespräch beginnen wollte, stand Candric in der Tür. "Narrem? Kann ich dich kurz sprechen?"

Überrascht darüber, dass Candric ihn mit Du ansprach, gab er zurück: "Klar. Worum geht's?" "Hast du bei der Space Division ein Training für Computertechnik absolviert?", fragte er.

"Ähm, ja. Was ist denn los?"Doch anstelle einer Antwort wank Candric ihn zu sich. Narrem stand auf, hob kurz die Hand um sich von Synthia zu verabschieden, was sie mit einem kurzen Winken erwiderte. Die beiden liefen in Richtung des seitlichen Ausstiegs, der angedockt war. Ohne einen weiteren Zwischenstopp liefen die beiden den Korridor entlang, und betraten den Boden der Iron-2.

Am Ende des Ganges passierten sie eine Tür und betraten den großen Marktplatz der Forschungsstation. Es war jedoch kein unprofessioneller Basar wie auf der Jupiterstation, sondern eher ein öffentlicher Markt für Forschungsutensilien. In Laborkitteln gekleidete Männer priesen hier ihre Werkzeuge und Erfindungen an, und viele Interessenten tauschten mit den Verkäufern fachmännische Gedanken aus. Candric und Narrem wurden oft schief angesehen, da sie den anderen kultivierten Leuten mit ihrer Kleidung als Sonderlinge erschienen. Candric hatte das Labor von Professor Jures im Visier, denn da Narrem sich mit Computern auskannte, sollte er dem Konstrukteur sagen, wie er programmiert werden sollte. Er hatte sich auch schon einen Verwendungszweck für den mechanischen Kumpanen überlegt – erstens wäre er eine wahre Kampfmaschine, perfekt geeignet zur Abwehr gegen ungebetene Gäste oder anderweitigen Problemen in diese Richtung. Ausserdem stellte er einen unermüdlichen Ersatzpiloten dar, der auch im Gefecht stressfrei arbeiten konnte. Quasi ein ideales Crewmitglied. Doch bis der Android fertig konstruiert war, hatte er selbst noch etwas zutun – Schiffsmodule auftreiben. Die Raven mag ja ein Schmuckstück sein, doch bewaffnet war sie nichteinmal annähernd ausreichend. Da war sogar sein alter Frachter besser ausgerüstet, und selbst der war kämpferisch gesehen eine wandelnde Zielscheibe. Die beiden schritten weiter durch die große Markthalle, und ignorierten die aufdringlichen Blicke der Passanten.

 

Die metallischen Wände krachten unter dem leichten Feuer, das die America auf den Rumpf des feindlichen Kommandoschiffes feuerte. Es diente nur Einschüchterungszwecken, da dem Brückenkommando bekannt war, dass eigene Einheiten, in dem Falle ein Team der Marines, auf dem Schiff unterwegs war. Unter unaufhörlichen Schritten liefen die drei Elitesoldaten vorwärts, jedoch stets mit den Gewehren im Anschlag, darauf getrimmt, jeden Gegner zu durchlöchern, der ihren Weg kreuzen würde. Alex sah auf das Interface seines Helmvisors. Sein Puls war ziemlich hoch – doch das schrieb er dem ewig langen Weg zu, den sie zu Fuß zurückgelegt hatten. Seine beiden Teamkameraden joggten im selben Tempo hinterher, sahen sich mit der üblichen Aufmerksamkeit um. Ihr keuchen nahm Alex über den Funk wahr, konzentrierte sich aber weiter auf den Raum vor ihm. Genau in diesem Moment sprang ihm ein feindlicher Soldat vor den Lauf. Nachdem er den Abzug betätigte, leuchtete der helle Strahl aus seinem Lasergewehr auf. Er zielte nicht auf den Mann, sondern unter seine Füße, da der Laser sich kurz daraufhin entlud und eine kleine, granatenähnliche Explosion verursachte. Sein Gegner flug kurz durch die Luft, landete vor seinen Füßen, und er nahm sein Lauftempo wieder auf. In seinen Händen vibrierte das Gewehr nun unter dem Nachladevorgang, und mit einem finalen Klicken symbolisierte es wieder Schussbereitschaft.

Da die Feinde nun volle Kenntnis von ihrer Anwesenheit besaßen trafen sie auf das breite Maß an Widerstand, dass man von einem solch großen Schiff erwarten konnte. Während der Gefechtshandlungen hatte Alex die Abzeichen der Feinde studiert, und hatte mittlerweile mehrere Kompanien gezählt. Entweder bedeutete das, dass sie immer mehr Abteilungen durchquerten, oder dass sie auf sie angesetzt wurden. Was ihm jedoch noch mehr Sorgen machte, war das, was die beiden anderen Teams eliminiert hatte. Spätestens als der Kontakt zu einem der Männer mit Kampfgeräuschen unterbrochen wurde, schwante ihm, dass es nicht nur eine Banalität war, die ihn vom Funken abhielt. Um die Formalität festzuhalten kam ihm der Gedanke an einen alten Bericht in den Kopf: "Die Chance, dass ein Marine im Einsatz getötet wird, ist vergleichsweise hoch, da die Einsätze stets gefährlicher als die standardmäßigen sind. Das jedoch ein komplettes Marine-Team im Einsatz verloren geht, lässt sich mit der Wahrscheinlichkeit von außerirdischem Leben messen. So gesehen mit Eins zu X." Und genau das entsprach auch seiner Denkweise. Es war unmöglich, eine gesamte Gruppe auszulöschen, aber irgendjemand – oder irgendetwas – schien es geschafft zu haben. In der stillen Hoffnung, dass er diesem Gegner nicht begegnete, konzetrierte er sich weiter auf das vorsichtige, aber schnelle Vorarbeiten durch den Korridor.

Plötzlich kullerte ihm eine Granate vor die Füße. Überrascht, aber schnell reagierend, hechtete er sich zur Seite. Hart schlug sein Anzug in seinen Arm, auf dem er landete, nachdem der seitliche Sprung vollendet war. Mit einem dröhnenden Krachen explodierte die kleine Sprengstoffkugel, aber bevor sich die gegnerischen Soldaten näherten, hob Alex sein Gewehr und riss mit dem massiven Strahl in einer leichten Drehbewegung vom Boden aus drei Feinde in den Tod. Die Gewehre von Eric und Ribbon hämmerten ebenfalls in dem donnerden Klang des Kugelhagels, und löschten die restlichen Truppen aus. Ribbon streckte ihm die Hand entgegen, als es vorbei war, doch Alex lehnte mit einem kurzen Abwinken ab. Er rappelte sich auf, trat einem der merkwürdigen gepanzerten Soldaten in den Bauch, um seine Argression kurz auszulassen, und nahm dann wieder den Laufschritt auf, was seine Kameraden ihm gleichtaten. Diese Elitesoldaten waren zwar gefährlicher als die Standard-Schiffbesatzung, aber sie konnten unmöglich die anderen Marines getötet haben – dafür wurde man zu leicht mit ihnen fertig. Eine kleine Prise Angst fuhr Alex durch die Knochen. Er hoffte immernoch stark, diesen Widersachern nicht zu begegnen. Der Auftrag war schon beinahe abgeschlossen, sie mussten nur den verdammten Hangar endlich erreichen. Sie hatten sich schon durch etliche Kontrollräume den Weg freigeschossen, passierten eine der Geschützstationen und säuberten sie und fegten letzenendes sogar eine der Kantinen des großen Schiffes leer. Natürlich aß dort gerade keiner, doch die Reparaturen würden bestimmt einige Zeit dauern – auch in naher Zukunft führten Schusswechsel unweigerlich zur Zerstörung der Umgebung.

Am Ende des Ganges erschien nun endlich ein großes Panzertor, das ganz klar den Eingang zum Hangar markierte. Sie waren so gut wie weg. Sie hatten es geschafft. Mit einigen Gesten "malte" Alex nun im Interface des Helmes das Zeichen für eine Sprengladung auf die Tür – damit Eric schon einmal wusste, was er zutun hatte. Dieses Wege zeichnen und ähnliches in der Umgebung für die Helmvisoren zu platzieren, machte die Marines so effizient. Es erleichterte die Kommandoführung, und ließ taktische Tiefe mitten im Feld zu. Nach ein paar weiteren Minuten sprinten standen sie endlich vor dem großen Schott. Eric pappte die magnetische Sprengladung darauf, machte einige Eingaben die das Paket mit piependen Tönen bestätigte, und schließlich explodierte sie, nachdem sie ein paar Schritte zurückgetreten waren.

Kaum waren sie drinnen, lief alles wie gehabt. Eric schwärmte nach links aus, Ribbon nach rechts, und Alex sicherte voraus – und stand eingeschüchtert still. Ein länglicher, merkwürdiger Frachter den er noch nie gesehen hatte, stand vor ihm. An der Laderampe standen einige der vermeintlichen Elitesoldaten. Und ein mehr als geschätzte zwei Meter großer, dick gepanzerter Kämpfer oder General. Sein Gesicht war von einem ebenso dicken Helm verdeckt, ein bläulicher Streifen symbolisierte wohl seinen Sichtschlitz. Mit verschränkten Armen sah er zu, wie die – im Vergleich zu ihm – leicht gepanzerten Soldaten Munition in den Frachter luden. Doch schon nach wenigen Sekunden drehte er seinen Kopf, und entdeckte das Team von Marines, das ihn bei seiner Arbeit störte. Alex schluckte. Der Riese nahm eine Art Keule zur Hand – sie bestand komplett aus Metall und war am oberen Ende mit großen Nägeln mit nach aussen gerichteten Spitzen gespickt. Mit stampfenden Schritten lief er auf die drei Marinesoldaten zu, die sofort das Feuer eröffneten. Die Kugeln aus den Gewehren von Alex Kameraden trafen auf keinerlei Anzeichen von Wirkung, die Rüstung des großen Kämpfers steckte sie einfach weg. Alex Lasergewehr jedoch ließ ihn kurz taumeln, doch nachdem er wieder auf ihn feuerte, wich er dem Strahl jedes Mal geschickt aus. Während er Panik verspürte bemerkte Alex, wie die anderen gegnerischen Truppen einfach mit dem Verladen fortfuhren, vermutlich hatten sie keine Angst, wenn der Dicke sie beschützte. Das nutzte Eric aus, er zückte eine Granate und warf sie in die Menge von Elitesoldaten – der Große jedoch verwendete seine Keule als Schläger, und ließ die Granate mit einem gezielten Stoß zu ihnen zurückfliegen. Gekonnt hechteten die drei beseite, doch der keulenschwingende Koloss stand nun unmittelbar vor Eric, den er mit einem Schlag von enormer Kraft traf. Er schwang seine Waffe seitlich, und traf ihn ebenso, worauf Eric ersteinmal ein paar Meter flog. Als er auf dem Boden lag, holte der Riese nocheinmal aus, und schlug ihm eine der Nägel direkt durch den eigentlich schwer gepanzerten Helm. Er ließ nichts unversucht und hämmerte noch mehrmals auf seinen Schädel ein, sodass sich ein Bild der unendlichen Grausamkeit vor ihnen abspielte.

Alex Interface meldete keinen Puls bei Eric – der Dicke hatte ihn zweifellos erschlagen. Ribbon betrachtete dies als unglaubliche Demütigung, und feuerte auf den Helm des riesigen Kämpfers. Der sah ihn während des Beschusses nur angewidert an, und die beiden liefen aufeinander zu. Alex stand ratlos da, denn sobald er auf ihren Gegner feuerte, wich er wie von Geisterhand aus. Mittlerweile stand dieser vor Ribbon, holte aus und schwang seine Keule tief, sodass einer der Nägel in dem Bein des Marines landete. Mit einem markerschütternden Schrei quittierte Ribbon diesen Treffer – und genau in diesem Moment fuhren wie aus dem nichts Blitze durch die Keule. Der Marinesoldat ließ sein Gewehr fallen und zuckte unkontrolliert unter den Elektroschocks. Als der Riese seine Keule mit einem anwidernden Geräusch aus dem Bein zog, sackte Ribbons lebloser Körper zusammen – während seine Rüstung unter der Hitze knisterte und dampfte, die der Strom verursacht hatte.Der Große lief nun direkt auf Alex zu, der ihm einfach nur auf gut Glück entgegenfeuerte. Dem dicken Laserstrahl wich er wie gehabt aus, und stand schon bald direkt vor dem panischen Marine. Verzweifelt schrie er sein Gegenüber an, feuerte weiter. Doch der Dicke packte ihn mit seiner stählernen Hand am Hals und hob ihn über den Boden, mit der anderen zerknüllte er sein Lasergewehr wie ein Stück Papier. Mit einem kräftigen Griff nahm der große Elitekämpfer Alex hoch und schlug seinen Körper einmal längs gegen die Wand, als würde er einen Teppich ausklopfen, und ließ ihn fallen. Am Boden keuchte Alex unter dem unerträglichen Schmerz, versuchte sich kurz mit den Armen aufzustellen, sackte aber gleich wieder zu Boden. Als der Koloss seine Hand zu einer Faust formte und anhob, begann Alex sich in den Gedanken zu sagen: "Okay. Das war's." Der dicke Klumpen Metall in Form einer Hand fiel in Richtung des Gesichts von Alex, doch blieb einige Zentimeter vor diesem stehen – eine Stimme, eine weibliche Stimme, hatte den Riesen zurückgepfiffen. "Halt", raunte die Frau, "lasst ihn am Leben. Entwaffnet ihn und verladet ihn in mein Schiff. Wir könnten ihn noch brauchen."

Kapitel 6 - Unerwünschter Besuch

Mit kalter Miene saß Candric an dem Tisch des kleinen Cafés, was auf dem großen überdachten Marktplatz seinen Sitz hatte. Vor ihm stand ein Becher Kaffee, neben dem ein kleiner Projektor eine Liste in die Luft projezierte. Sie lief langsam durch, und während er von seinem Kaffee hin und wieder einen Schluck nahm, hakte er mit seinem Finger die Dinge ab, die er bereits erstanden hatte. Narrem war im Labor von Professor Jures und überwachte die Programmierung des bestellten Androiden. Während dieser langwierigen Zeit hatte er einiges an Erweiterungen für die Raven gekauft, logischerweise beorderte er das sofort an ihren Dockplatz – ein Einbau war normalerweise immer inbegriffen. Bei kleinen Gebrauchsgegenständen war das was anderes, aber tonnenschwere Schiffsteile konnte man natürlich nicht an einem Marktstand verkaufen, es sei denn man vertrieb sie von einem Lager aus, und so machte es mittlerweile jeder Händler. Die Lager für solche Schiffsmodule waren stets an der Aussenhülle der Raumstationen befestigt, damit kleine Frachter die Teile abholen, zu dem jeweiligen Andockplatz fliegen und schließlich einbauen konnten.

Die Teile, die ihm noch fehlten, hatte er hier nirgends auftreiben können. Doch er hatte nichts anderes erwartet, die Iron-2 war nichteinmal annähernd so groß wie die planetaren Stationen, also war es abzusehen, dass die Auswahl an Modulen hier nicht so zahlreich sein würde. Mittlerweile tippelte Candric nervös mit seinen Fingern auf seinem Oberschenkel herum, da er hier nun schon mehr als eine Stunde auf Narrem wartete. Es gefiel ihm nicht, so lange an diesem Ort zu verbleiben. Ausserdem musste er sich auch noch überlegen, was sie taten, wenn sie den Androiden hatten. Seine Karriere als Frachtkapitän war mit der Zerstörung seines Schiffes beendet, und jetzt musste er sich eine Alternative überlegen. Geldprobleme würden sie in naher Zukunft nicht haben, denn General Gebb schien über Unmengen an Geld zu verfügen. Aber trotzdem sah Candric keinen Sinn darin, einfach sinnlos im Weltall vor sich hin zu vegetieren. Er brauchte einen Job, oder zumindest eine Aufgabe. Seine erste Idee war ins Söldnergeschäft einzusteigen, doch die Raven war keinesfalls für brachiale Kämpfe ausgestattet. Vielleicht sollte er sich mal bei den Irons umhören, vielleicht boten sie Kurieraufträge oder ähnliches an, was sie erledigen konnten. Aber das war auch keine dauerhafte Lösung. Nachdem er einen weiteren Schluck von seinem Kaffee genommen hatte, kam ihm eine spontane Idee. Bestimmt suchte irgendeine Firma mobile Handelsschiffe. Doch ob die Raven dafür groß genug war? Wohl eher nicht. Vorallem bot der kleine Frachter keinen Raum zum empfangen von hochgeschätzten Geschäftspartnern, was als fliegender Händler durchaus einmal nötig sein würde. Somit konnte er diesen Plan auch streichen.

Noch während er den Gedanken verwarf, stand Narrem mit einem leichten Lächeln vor ihm. Die beiden grüßten sich nur mit einem Nicken, als wären sie schon jahrelang zusammen unterwegs. "Also", erkundigte Candric sich, "wie sieht's aus?" "Sie liefern ihn auf unser Schiff. In spätestens einer Stunde sollten wir startbereit sein." gab Narrem zurück.

Still nickte Candric in sich hinein. Das war akzeptabel. Mit einer Mischung aus Misstrauen und Befehlston forderte er Narrem auf: "Du solltest die Lieferung begleiten. Auch wenn Jures ein ehrlicher Mann ist, heißt das nicht, dass er uns gegenüber vertrauenswürdig ist."

Narrem lächelte."Du hast ihm nie wirklich vertraut, stimmt's?" "Ich vertraue niemandem.", erwiderte Candric. "Achja, übrigens, hier ist die Kopie der Baupläne für den Professor."

Mit diesen Worten stand Narrem auf, nahm den Datenträger den Candric auf den Tisch legte an sich, und lief wieder in die Richtung, aus der er gekommen war. Candric nahm noch einmal den Becher hoch, und trank seinen Kaffee mit einem letzten Schluck aus. Er atmete tief durch, schloss kurz seine Augen und streckte sich so gut es ging. Darauf knipste er mit einem Handgriff den Projektor auf dem Tisch aus, und klippte ihn an den Ausrüstungsgürtel, den er wie immer trug. An dem Gürtel hatte er die wichtigsten Gegenstände stets zur Hand – ein tragbares Funkgerät, ein Holo-Projektor, ein Datenträger mit den wichtigsten Codes seines Schiffes und eine Laserpistole, die er am Anfang seiner Pilotenkarriere auf seiner Heimatstation Uranus erstanden hatte. Auf diese Waffe er war er ziemlich stolz. Laserwaffen waren eine Rarität, da sie teuer herzustellen waren und selbst in diesen Tagen einen ziemlichen Luxus darstellten. Das diese Technologie noch kein Standard war, sah man dem Schießeisen ziemlich gut an – sie war klobig und unhandlich, und wog mehr als doppelt so viel wie die modernen Unimun-Pistolen, die so gut wie jeder besaß. Doch der offensichtliche Vorteil war die Feuerkraft, die dieser Laserstrahl bot. Normale Panzerungen konnte er einfach durchdringen, und wenn man ein guter Schütze war, konnte man mit einem einzigen Mal eine ganze Gruppe ausschalten. Ausserdem konnte der Laser auf jede Entfernung eingesetzt werden, da ein Laserstrahl quasi unendlich lang wurde, bis er auf ein Hindernis traf. Mit dieser Waffe fühlte Candric sich sicher, denn sie war die Spitzentechnologie dieser Tage, was Handfeuerwaffen anging. Vielleicht nicht perfekt, aber insgesamt überlegen.

Während Candric in seinen Gedanken versank, bemerkte er aufeinmal eine merkwürdige Gruppe von Männern. Sie liefen in einer Keilformation – vorne lief ein muskolöser Kerl in militärischer Körperpanzerung, die beiden die jeweils hinten neben ihm herliefen, trugen eine der leichten Schutzwesten und Unimun-Sturmgewehre mit sich. Zuerst hielt er sie für Sicherheitskräfte der Station, doch er erkannte bei keinem der Männer das Logo der Irons. Misstrauisch beäugte er den Anführer der kleinen Gruppe, der ihm ebenfalls einen finsteren Blick zuwarf.

Nachdem die kleine Gruppe ihn passiert hatte, wank er den Kellner des Cafés zu sich. Er zückte ein paar UCs, und überließ sie dem Mann mit einem netten "Stimmt so". Er tastete kurz seinen Gürtel ab, um zu überprüfen ob er alles bei sich hatte, und als er selbiges feststellte, machte er sich wieder auf den Weg zur Andockschleuse.

 

Mit quälenden Schmerzen hob Alex seine Augenlider. Jedoch änderte es im Allgemeinen nicht viel, da er schon bald merkte, dass der Raum um ihn herum kaum ausgeleuchtet war. Nur eine kleine Neonröhre war an der Decke angebracht, und die leuchtete offensichtlich nur gedimmt. Er selbst war in einem merkwürdigen Gestell fixiert – um ihn herum prangte ein metallischer Kreis, seine Hände waren über ihm überkreuzt gefesselt, seine Füße waren am unteren Abschnitt ebenso überkreuz fixiert. Aus vernünftigen Gedanken versuchte er erst garnicht, sich zu befreien. Das entnahm er seiner Ausbildung. Kooperation war für den Anfang der beste Weg. Er war "nur" in Kriegsgefangenschaft, wenn er sich ruhig verhielt, würde er früher oder später wieder freigelassen werden. Zumindest war das sein Gedanke. Wenn das hier keine Rebellen waren, und das waren sie laut den bisherigen Beobachtungen keinesfalls, dann mussten sie sich nicht an die interplanetaren Konventionen halten. Und dann hatte er ein wirkliches Problem, denn dann konnten sie so gesagt mit ihm tun, was sie wollten.

Als hätte jemand sein Erwachen bemerkt, öffnete sich vor ihm auch schon die Tür des Raumes. Jener Koloss der ihn niedergeschlagen hatte trat in den Raum. Jedoch lief er nicht auf ihn zu, sondern stellte sich neben den Türrahmen, und nahm die Funktion einer Wache ein. Nach einigen Momenten betrat schließlich eine weitere Person den Raum. Aus dem hell beleuchteten Korridor trat eine Frau in den Raum. Sie trug ein adliges Gewand, ein Kleid, dass offenbar sehr aufwendig gestaltet worden war. Im Brustbereich war es mit einigen kleinen Diamanten besetzt, und der beinbedeckende Teil ging nach unten hin immer weiter in die Breite. Auch wenn Alex es nicht sehen konnte, so hörte er doch deutlich, dass sie hochhackige Schuhe tragen musste. Auf ihrem Kopf trug sie eine schwer zu erkennende Kopfbedeckung, unter anderem verdeckte auch ein dicker Schleier ihr Gesicht, sodass sie unidentifizierbar war. Sie schritt recht nah an Alex heran – das Gestell, an dem er fixiert war, schwebte in der Luft. So sah er auf die mysteriöse Frau herab. Mit einer Geste symbolisierte sie dem großen Wachmann, dass er einen Knopf betätigen solle – und im nächsten Moment fuhr das Gestell herunter, damit er mit der Frau auf Augenhöhe war. In einem zwar beruhigtem, aber unheilvollen Ton begann sie mit ihrer Befragung: "Name, Rang und Einheit?"

"Alex Corvin. Sargeant. Zweite Marinedivision. Stationiert auf der EUS America.", gab er sachlich zurück.

"Sargeant Corvin, ich denke, es ist ihnen bewusst, in welcher Lage sie sich befinden. Und das sie ein erfahrener Soldat sind, gehe ich davon aus, dass sie schon längst verstanden haben, dass wir keine Rebellenflotte sind." Anstatt eine Antwort zu geben, nickte Alex nur vorsichtig. Die Frau fuhr fort."Mein Name ist Dreyla de Morron. Sie haben vermutlich noch nie von mir gehört, doch das überrascht mich nicht. Offiziell existiere ich schließlich garnicht. Ich habe sie übrigens lediglich am Leben gelassen, damit ich sie vor eine Wahl stellen kann. Entweder – und das liegt mir ehrlich gesagt am nächsten – lasse ich sie exekutieren, oder sie erfüllen einen Auftrag für mich." "Ich schätze", gab er berechnend zurück, "mir bleibt wohl nichts anderes übrig. Was verlangen sie?"

"Bevor sie sich nun in Sicherheit wägen, sage ich es ihnen gleich vorab. Ihnen wurden Nanomaschinen in den Körper implaniert. Sie sind mit einem von uns entwickelten Nervengift bestückt, für dass nur wir das Gegenmittel besitzen. Die Nanomaschinen sind unter Garantie versiegelt und können nicht zerstört werden, es sei denn, wir lösen diesen Vorgang aus. Sollten sie also versuchen, uns zu hintergehen, werde ich sie per Knopfdruck eliminieren. Haben wir uns verstanden, Soldat?" Kalt und mit unterdrückter Wut nickte Alex.

"Gut. Ihr Auftrag lautet folgendermaßen: Sie werden auf ihr zugeteiltes Schiff zurückkehren und sich von dort aus mit uns in Verbindung setzen. Von dort aus werden sie uns alle Unterlagen schicken, die wir verlangen. Genaueres erfahren sie vor Ort."Mit diesen Worten drehte sie sich um, und lief aus dem Raum. Bevor sie ihn jedoch verlassen hatte, rief Alex ihr nach: "Warten sie!"Sie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. Da sie auch nach mehreren Minuten nicht weiterging, sah er sich indirekt aufgefordert, zu sprechen, was er auch tat: "Wieso tun sie das? Was sind ihre Motive?"

Schon nach der ersten Frage drehte Dreyla sich wieder zu ihm um, schritt zu ihm heran, und begann eine ausführliche Erklärung.

"Ich unternehme etwas. Ich verändere diese Welt durch mein Handeln. Es läuft einfach viel zu viel schief. Auch nach den vielen Jahrhunderten, die der Mensch nun existiert, hat er nicht dazugelernt. Er bevölkert mittlerweile die ganze Galaxie, und treibt die gesamte Menschheit mit seinem Zerstörungs- und Selbstzerstörungswahn weiter dem Verderben entgegen, obwohl er so vieles verändern könnte. Ich möchte für Gerechtigkeit sorgen. Ich möchte denen helfen, die Hilfe benötigen. Und ich möchte diejenigen vernichten, die sie anderen trotz der Möglichkeiten verweigern. Machen sie nicht den Fehler und halten sie mich für einen schlechten Menschen. Dieses Unternehmen, dass was sie hier sehen, aus dem wird sich eine Zukunft entwickeln. Wenn sie sich jetzt mit uns zusammentun, werden sie es nicht bereuen. Sollten sie sich jedoch gegen uns stellen, so werden sie nie Zeuge, wie wir all das verändern, was verändert werden muss. Zweifeln sie wirklich nicht an dem, was sie tun, Sargeant? Sie kämpfen für ihren Heimatplaneten, die Erde. Sie sind militärisch top ausgebildet. Ihre Aufopferung ermöglicht ihren Mitmenschen eine sicherere Welt. Und doch wurden sie noch vor wenigen Stunden im Stich gelassen, von ihren eigenen Kameraden. Sie wissen nicht, wovon ich rede? Nachdem R'gred, dass ist der große Androide – oh, vergaß ich zu erwähnen, ja, er ist natürlich kein Mensch. Kein Mensch hätte so eine Kraft und solche Reflexe. Ja, wie gesagt, der große Androide dort hinten, als er sie niedergeschlagen hatte, und ihr Kommandostab das auf ihrem Schiff mitbekommen hat, fingen sie bereits nach ein paar Minuten an, ihren Sprungantrieb aufzuladen. Sie dachten nie daran, sie zu retten. Als sie ausser Gefecht waren, verließen sie umgehend unseren Feuerradius. Sie versuchten ja noch nichteinmal, uns anzugreifen, sie flohen sofort, als wir ihre Marines, ihre vermeintlichen "Supersoldaten", getötet hatten. Und das sie da nicht zweifeln, sondern weiter bedingungslos ihrer Armee dienen, das enttäuscht mich.Bevor sie übrigens denken, wir wären nicht informiert – ich wusste bereits, bevor ich diesen Raum betrat, wer sie sind, Sargeant Corvin. Ich habe ihre Akte gelesen. Sie führten zahllose Einsätze, sie und ihr Marine-Team haben schon ganze Flotten im Alleingang ausgelöscht. Und trotzdem wurden sie nie befördert – seit Jahren schon sind sie nur Sargeant, während andere Kameraden schon längst zum Lieutanant, Captain oder gar zum Major befördert wurden. Und soll ich ihnen verraten, warum sie nie eine solche Beförderung erhielten? Weil ihr Oberkommando entdeckt hat, was für ein gutes Tötungswerkzeug sie sind. Sie sind viel zu wertvoll für diese Kriegstreiber, als das sie sie an einer dieser Kommandokonsolen in den großen Schiffen wie der America setzen würden. Überdenken sie während ihrer Gefangenschaft hier nocheinmal ihr Leben, Soldat. Es erscheint vernünftig." Nun drehte sie sich endgültig um, und trat aus dem Raum. Niedergeschlagen blickte Alex zu Boden, während das Gestell wieder nach oben fuhr. Dreyla und R'gred hatten den Raum verlassen, und nachdem die Tür sich mit einem Schlag verschloss, wurde es wieder dunkel im Raum.

 

Candric lief mit einem etwas schnellerem Tempo in Richtung der Schleuse. Vermutlich war Narrem schon mit dem Androiden eingetroffen. Denn er hatte sich auf dem Weg zurück zur Raven mit einem Händler verquatscht, denn dieser bot als einziger einen Sprungantrieb an, obwohl Candric schon die Hoffnung aufgegeben hatte, auf der Iron-2 einen zu finden. Nachdem er den Preis heruntergehandelt hatte, machte er sich sofort auf den Weg. Er wollte nicht zu spät kommen. Nach einigen Minuten kam er an die Abzweigungen für die verschiedenen Andockschleusen. Als er in den Korridor sah, der zur Raven führte, sah er die drei Männer, die ihn vorhin in dem Café passiert hatten. Und wenn sie diesen Gang nahmen, konnte das nur heißen, dass sie auf sein Schiff wollten.

"Hey", rief er ihnen zu, "was wollt ihr auf meinen Schiff?" Abprubt blieben die Drei stehen. Die beiden Mitläufer sahen ihn einfach nur an, während der Anführer nun auf Candric zuging. Er lief nun ebenfalls auf ihn zu, und wiederholte seine Frage, als sie sich gegenüber standen. "Was wollen sie auf meinem Schiff?"

"Also sind sie der Captain dieses Schiffes?", konterte der kräftige Mann mit einer Gegenfrage. "Ja, der bin ich. Und ich frage jetzt zum letzten Mal, sonst hole ich den Wachschutz – was wollen sie auf meinem Schiff?" "Wir sind hier, weil wir nach einem Mann fahnden. Sein Name ist Trevor Gebb, er ist General bei der föderalen Armee der Mondkolonie. Kennen sie ihn?" Ohne sich auch nur irgendetwas anmerken zu lassen, antwortete Candric: "Nein. Nie gehört. Und jetzt verschwinden sie. Ohne irgendeinen offiziellen Befehl erlaube ich es ihnen als der Captain des Schiffes nicht, es zu betreten. Also, einen schönen Tag noch."

So wie er ihn auch vorhin auf dem Markt ansah, warf der Anführer der Truppe ihm eine finstere Miene zu. Doch er konnte nicht abstreiten, das Candric im Recht war. So pfiff er seine Lakaien mit einer Handbewegung zu sich, und entfernte sich mit raschen Schritten aus dem Korridor. Nachdem Candric beobachtet hatte, wie er den Gang endgültig verlassen hatte, lief er sofort in Richtung der Raven. Er war nicht nur entschlossen, sondern auch sauer. Gebb musste ihnen etwas vorenthalten. Er war mehr als nur ein unschuldiger Auftragnehmer, es musste mehr hinter seinen Taten stecken. Womöglich war er sogar ein Verräter, und als ihm der Gedanke kam, sprintete er noch schneller. Während des Laufens schlugen seine Stiefel mit dem üblichen Klang auf den metallischen Boden auf, und die Ausrüstungsgegenstände an seinem Gürtel klimperten wie eine Büchse voll Kleingeld. Er würde Trevor zur Rede stellen. Als sie angekommen waren, war er kurz davor, Sympathien für den General zu entwickeln – und nun das. Der könnte sich jetzt was anhören.

Nach ein paar Minuten Dauerlauf war er auch schon im Schiff. Entschlossen spazierte er durch den ersten kurzen Gang, lief durch die Werkstatt, durch den nächsten Gang und kam schließlich im Haupt- oder auch Mannschaftsraum an, in dem sich Tiger und Gebb gerade unterhielten. Nachdem er darin war, lief er direkt auf Gebb zu und packte ihn am Kragen. Er stellte ihn von seinem Stuhl auf die Beine, presste ihn gegen die nächste Wand und drückte ihm mit seinem Unterarm die Luft ab, damit er ihm unter Garantie zuhörte."Gerade eben haben drei bewaffnete Kerle Auskunft nach dir verlangt. Sie fahnden nach dir. Also, ich will jetzt alles von dir hören. Alles! Wenn du nicht auspackst, werde ich dich und dein beschissenes Militärwissen zum Teufel jagen und du kannst zusehen, dass dich jemand anders mitnimmt. Ich schwöre bei Gott, wenn du nicht redest, lasse ich dich hier bei den Irons verrotten!"

Kaum hatte er seine Ansprache beendet, nahm er seinen Unterarm von Trevors Kehle, drückte ihn aber weiter gegen die Wand, während dieser sich rechtfertigte. "Okay", entgegnete er, "es ist so. Diese Typen, die mir diesen Auftrag erteilt haben... erst wegen denen bin ich zum General geworden. Sie haben mir die ganzen Schiffe beschafft, die Mannschaft zusammengestellt, und alles andere. Ohne sie hätte ich all das nie geschafft." Tiger saß geschockt auf seinem Stuhl und sah das Szenario eingfroren mit an. Einerseits hegte er Sympathien für Gebb, doch dem Urteil von Captain Qruotes traute er eher. Entsetzt hörte er den beiden zu."Und", fuhr Gebb fort, "als ich dann den Auftrag, die Marina zu zerstören, abgelehnt hatte, versuchte meine eigene Mannschaft mich umzubringen. Diese Frau, ich nannte sie immer die schwarze Frau, muss mich wohl zum Abschuss freigegeben haben." Candric ließ Gebb wieder herunter, und erkundigte sich verächtlich: "Und wann wolltest du uns das erzählen? Dafür sollte ich dich eigentlich von meinem Schiff werfen! Wenn du noch etwas zu erzählen hast, solltest du es jetzt tun." Trevor schluckte. Er hatte in der Tat noch etwas zu erzählen. Als er gerade noch etwas erklären wollte, polterte es draußen im Gang der Andockschleuse. Candric zückte sofort seine Laserpistole, gewarnt vor einem möglichen Killerkommando. Doch war es nur Narrem, der mit einem Begleiter an Bord kam. Hinter ihm stand ein zwei Meter großes Helferlein – der Androide. Lächelnd wollte er den mechanischen Kameraden vorstellen, doch Candrics gezückte Waffe ließ Narrem seine Miene sofort wieder glätten. "Was ist los?", erkundigte sich. "Auf unseren General hier wurde offensichtlich ein Kopfgeld ausgesetzt. Ich konnte eine kleine Gruppe von Söldnern noch aufhalten, bevor sie das Schiff hier durchsucht hätten. Wie sich herausstellt, hat Trevor mehr Scheiße gebaut, als er es uns sowieso schon erzählt hatte. Gerade eben wollte er noch etwas sagen."

Beschämt, wie ein kleiner Junge der beim Klauen erwischt wurde, sah Gebb zu Boden. Narrem schüttelte seinen Kopf, sah Trevor aber interessiert an, dieser begann auch sofort zu reden. "Eben dadurch, dass ich so eine Ausrüstung hatte..."

"Ja?", hackte Candric nach.

"... fing ich einen Krieg an. Ich war schon immer der Meinung, dass die Mondkolonie nicht auf die Erde angewiesen ist."Candric machte einen Ausfallschritt und wedelte kurz mit seinen Armen, als könne er nicht glauben, was er da gehört hatte. Tigers Augen wurden groß, und Narrem lief pflichtbewusst auf den General zu. Gebb sah ihn beschämt an, in Erwartung, er würde gleich eine Bemerkung zu hören kriegen – doch stattdessen schlug Narrem ihm mit seiner geballten Faust ins Gesicht. Sofort reagierend setzte Gebb zu einem Gegenschlag an, den er aus seiner Ausbildung kannte, Candric jedoch richtete seine Pistole auf ihn, worauf er sich wieder beruhigte.

"Sie sind verantwortlich für einen Krieg, der bereits unzählige Leben von Erdenbewohnern und Mondkolonisten forderte, darunter sogar zivile Schiffe! Wie alt sind sie, zwölf? Haben sie überhaupt ein Verantwortungsbewusstsein? Wenn ich nicht der Space Division angehören würde, hätte ich sie schon längst erschossen.", fuhr es aus Narrem heraus.

"Ich gehöre nicht zur Division.", bemerkte Candric mit einem wütenden Unterton und machte mit einem Klicken seine Pistole scharf. Tiger sprang auf, rannte auf Candric zu und riss die Pistole in Richtung Boden. "Hört auf!", schrie er panisch. "Ja, Gebb hat Scheiße gebaut. Große Scheiße, Megascheiße, verdammt. Aber wir können das mit seinem Tod auch nicht ungeschehen machen! Er gehört zu unserer Crew! Er kennt sich mit dem Militär aus, und wenn wir irgendwann mal Hilfe von der Mondföderation brauchen, ist er unser Mann! Wir sollten ihm helfen." Stille prägte den Raum. Narrem dachte kurz nach, begann aber schließlich zu nicken. Candric befeuchtete seine Lippen, entschärfte seine Pistole mit einem Knopfdruck, und ließ sie in seinem Holster versinken. "Nein", bemerkte Candric, "er wird nicht bei uns bleiben. Ich werde meine Crew keiner Gefahr aussetzen. Ich werde dir in gewisser Weise helfen, Trevor. Wir suchen dir einen Ort, an dem du untertauchen kannst. Aber du wirst nicht auf diesem Schiff bleiben. Sobald wir einen Ort gefunden haben, wirst du uns verlassen." Mit diesen Worten verschwand Candric wieder durch einen der Gänge, der vom Hauptraum abzweigte. Trevor ließ sich an der Wand entlang zum Boden gleiten, und setzte sich verzweifelt hin, während er seine Arme vor seinen Kopf hielt. Tiger setzte sich wieder auf den Stuhl, sah Gebb kurz aus, aber drehte sich dann weg. Captain Qruotes hatte recht, dachte er sich. Narrem drehte sich herum, und lief aus dem Raum an dem Androiden vorbei, der sich mit seiner maschinellen Stimme erkundigte: "Erzeuge ich irgendwelche Probleme, Sir?"

Narrem lachte kurz durch die Nase, und klopfte dem Androiden auf den Arm: "Nein, alles super. Wir sind nur im falschen Moment hier eingetroffen, das ist alles."

Impressum

Bildmaterialien: Bild: Dave Young, 2011/Bildbearbeitung: Mascha Bolotnikova
Tag der Veröffentlichung: 30.10.2013

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