Kälte umgab ihn, während er lautlos durch die Gassen und Straßen schlich.
Ein Schatten.
Ein Dämon der Nacht.
Unbemerkt passierte er die Straßen und ging durch die Menschenmassen die sich am Straßenrand tummelten.
Alle Eilig dabei ihre Sachen zu erledigen und in den Schutz ihrer Häuser zu kriechen bevor die Nacht endgültig
hereinbrach und ihre Kreaturen auf die Menschheit los ließ.
Ihre schrecklichen Dämonen und widerwärtigen Geister- meist als normale Menschen verkleidet fielen sie über
die reinen Seelen her und versuchten sie zu infizieren.
Vermutlich würden viele, die diesen Satz irgendwo lasen, sofort an eine Apokalypse oder eine Fantasiewelt
denken.
Doch eigentlich war es Realität- es passierte jede Nacht und hatte nichts mit Magie oder Fantasie zu tun.
Denn wenn dem so wäre- warum war er dann real? Magie gab es nicht und Fantasie existierte nur auf
Leinwänden, auf Papier oder in den Köpfen der Menschen.
Obwohl, viele würden ihn wohl als Teufel sehen- als Dämonen der Hölle und als einer jener Seelen die bereits
zu weit in der Finsternis versunken waren um noch gerettet zu werden.
Aber diese Vermutungen kamen nur von Gläubigen oder von Fantasieerfüllten Menschen- oder nein warte,
das war nicht richtig.
Diese Vermutungen kamen von jedem der die Wahrheit nicht wahr haben wollte, von allen dessen Verstand zu
klein war um es zu verstehen.
Und natürlich von allen die so fest daran glaubten das die Welt nur voller Guter und Schöner Dinge war, das sie
nicht merkten wie sie sich in ihrer eignen naiven Seifenblase einigelten.
Er soll ein Teufel sein? Dann sind wir es alle ebenfalls.
In Wahrheit war er einmal ein normaler Mann.
Er war der Nachbar von jemanden, der Sohn, der Schulkamerade, der Arbeitskollege, der Geliebte und immer
so weiter.
Einer von vielen, nichts weiter als ein einzelnes Individuum in einem Meer aus Seelen.
Doch obwohl er nur einer von vielen war, war er jetzt eine Kreatur der Nacht und einer ihrer persönlichsten
Dämonen.
Wer ihn nur grob betrachtete sah in ihm nichts Ungewöhnliches.
Dunkelbraune kurze Haare, kantige Gesichtszüge, dreitage-Bart, eine dunkelblaue Jeans die an den Knien
bereits ein paar kleine Löcher hatte und eine schwarze etwas zu weite Jacke in dessen Taschen er seine Hände
verbarg und unter dessen Kapuze er sein Gesicht vor der Welt zu verstecken versuchte.
Viele würden ihn auf Mitte bis Ende zwanzig schätzen und würden ihn für etwas ungepflegt halten aber das war
es auch schon.
Zu Oberflächlich um die Merkmale zu erkennen.
Der kalte und leblose Ausdruck in seinen Augen, seine zu einem spöttischen Lächeln verzogenen Lippen,
sein Kiefer das sich unaufhörlich bewegte und sein bis zum zerbersten angespannter Körper.
Das war nicht alles was ihn verriet, doch es war alles was jene sehen konnten, die ihn genauer beobachteten.
Aber das tat niemand- niemand beachtete ihn oder sah ihn an.
Er bewegte sich wie ein dunkler Schatten durch die Menschenmenge, rastlos und auf ein bestimmtes Ziel fixiert
setzte er seinen Weg fort.
Als er an der Menschenmenge vorbei war, steuerte er wieder auf die Seitengassen zu.
Verwinkelte Enge Tunnel die überall und doch nirgends hinführten.
Doch im Schutze der Dunkelheit setzte er die Kapuze ab und zog seine Jacke aus.
Ein vernarbter und viel zu dünner Oberkörper kam zum Vorschein.
Seine Arme ebenso voller Narben und Wunden- Schnitt und Stichwunden wo man nur hinsah.
Er warf sie weg und führte seine Reise fort, zwängte sich durch die Lücken der Häuser und kletterte schließlich
auf das Dach eines einstöckigen Gebäudes.
Ein Müllcontainer half ihm dabei.
Er fasste in seine Hosentasche und zog etwas Quadratisches Silbernes hervor.
Mit einem Knopfdruck kam die Klinge sprunghaft zum Vorschein und reflektierte das Licht eines, an der Straße
vorbeifahrenden Lastwagens.
Er hatte sein Ziel erreicht, nun wartete er einfach.
Die Kälte um ihn herum wurde stärker, sie fraß sich in seine Knochen und verzehrte langsam den letzten Rest
seiner Menschlichkeit.
Er spürte es, genoss diesen unbestimmbaren inneren Schmerz und wartete einfach ab.
Sekunden, Minuten und Stunden verflogen doch er hatte jegliches Zeitgefühl bereits verloren.
Für ihn war es unmöglich zu sagen ob nun Stunden oder Tage oder gar Wochen vergingen- den Wechsel
zwischen Sonne und Mond nahm er nur instinktiv wahr.
Der Mond blieb, die Dunkelheit und die Nacht breiteten sich weiter aus und irgendwann war die kaum spürbare
Veränderung zu fühlen.
Die Kreaturen waren losgelassen- der Alptraum begann wieder von neuem wie jede Nacht.
Und mit dem Auftauchen jener, tauchte auch seine Verabredung auf.
Es war nicht abgesprochen gewesen, nichts davon war wirklich geplant doch die Stimmen in seinem Kopf
hatten ihn dazu verleitet.
Einst dachte er, diese Stimmen wären kontrollierbare Gedanken seiner selbst.
Doch mittlerweile wusste er, dass das eine Lüge war.
Aus Gedanken wurden jene Kreaturen und Dämonen der Nacht geboren.
Es waren keine Höllen Tore oder Rituale nötig um diesen Wahnsinn herbeizurufen.
Nur das Leben war dazu fähig und die Gesellschaft von der es geprägt wurde.
Natürlich ließ sich darüber streiten, aber bestand diese Möglichkeit denn nicht ohnehin bei allem?
Doch um nicht von dem Thema abzukommen:
Was passierte wohl, wenn zwei sogenannte Dämonen aufeinandertrafen?
Ignorierten sie sich?
Stritten sie miteinander?
Kämpften sie?
Töteten sie sich?
Nahmen sie sich in den Arm?
Es war eine Frau die auf das Dach trat und zu ihm ging.
Ihre blonden Haare waren wirr und verbargen den Großteil ihres Gesichtes.
Alles was zu sehen war, war ihre zierliche Figur die sich unter ihrer spärlichen Kleidung abbildete,
ihre aufgerissenen Lippen und ihre ausgezehrten Gesichtszüge.
Ihre dunklen Augen huschten ständig durch die Gegend als ob sie jeden Moment etwas bösartiges Erwarten
würde.
Sie wirkte nervös und paranoid während sie auf ihn zuging.
Doch er zeigte keine Regung, sah sie einfach nur an und spielte mit dem Messer in seiner Hand ohne ihr große
Aufmerksamkeit zu schenken.
Auch ihr Blick war kalt, doch war sie noch nicht ganz von der inneren Kälte zerfressen.
Er konnte ihre Angst riechen, ihre Verzweiflung und den Gestank ihrer Selbstzweifel der sie wie ein Käfig
umgab.
Ihre Kleidung verdeckte lediglich ihre Brüste und ihren Unterleib, die Hose hing in Fetzen und ihr Top war wohl
nie länger gewesen.
Kurz vor ihm blieb sie stehen und sah zu ihm auf- eine ganze Kopfgröße trennte ihre Größen.
Sie sagte kein Wort und er war sich nicht sicher ob er überhaupt noch reden konnte oder es überhaupt wollte.
Doch die Stimme in seinem Kopf begann sich zu melden, sie flüsterte ihm zu was nun zu tun war.
Maschinell folgte er den Anweisungen und packte sie.
Nun fand sie doch ihre Stimme, doch alles was aus ihrem Mund kam waren zusammenhangslose Worte für ihn.
Früher einmal hatte er sie verstand, doch mittlerweile bestand alles nur noch aus wirren Aneinanderreihungen
von Lauten.
Nur die Stimme in seinem Kopf sprach noch seine Sprache.
Aber er erkannte was sie wollte- er erkannte was alle wie sie wollten.
Seine Hand strich über ihre Wange bis hinunter zu ihrem Hals den er schließlich mit der Hand umschloss.
Das brachte sie zum Schweigen- nun sah sie ihn nur noch mit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund
an.
Er drückte leicht zu, jedoch nicht so fest dass sie keine Luft mehr bekam.
Sie wollte sterben, das sah er ihr an.
Egal ob ihr Körper sich wehrte oder ob sie schrie, sie war bereits so gut wie tot und er befreite sie aus diesem
Elend.
Ihre Hände griffen nach seinem Arm und kurz betrachtete er ihre Todesmale.
Einstichstellen überall auf ihrer Haut, vor allem in der Nähe des Handgelenks.
Genau das war es, was ihn anlockte und was ihm sagte das sie bereit war zu sterben- warum sollte sie
weiterleben?
Sie war bereits ein Sklave, auf dem Weg eine Hülle zu werden.
Er nahm das Messer und rammte es in ihren Brustkorb.
Kurz.
Schnell.
Möglichst Schmerzlos.
Sie stieß einen ersticken Schrei aus, gefolgt von gurgelnden Lauten.
Ihr Körper erschlaffte und brach in sich zusammen und er ließ es zu und zog das Messer wieder heraus.
Den Brustkorb zu durchstoßen war anstrengend, es kostete Kraft die er eigentlich nichtmehr haben sollte.
Aber Adrenalin strömte durch seine Adern als er sie am Boden liegen sah, ihre Kleidung die sich langsam in
ihrem Blut tränkte löste für einen Moment etwas aus.
In dem Moment indem er ein Opfer fand, die Sekunde in der er sich dieses schnappte und die Klinge in die
Hand nahm durchströmte ihn etwas das ihn an jenes Gefühl erinnerte welches er früher so oft gespürt hatte.
Das trügerische Gefühl des Lebens.
Er kniete sich neben sie und durchsuchte ihre Taschen nach jener Substanz die ihm dieses Gefühl ebenfalls
verleihen konnte.
Es hielt nicht lange an, doch es half und er brauchte es.
Er hatte Glück.
In ihrer Jackentasche war eine Spritze mit einer klaren Flüssigkeit.
Ohne zu zögern nahm er sie und rammte sie sich in den Arm.
Das Gefühl das ihn durchströmte als die Flüssigkeit in seinen Körper überging übertraf jeden Orgasmus.
Er fühlte sich wie ein Gott- unbezwingbar und unsterblich.
Flüssiges Gold floss nun wieder durch seine Adern.
Doch er war noch nicht fertig für heute.
Es gab noch mehr Sklaven die befreit werden mussten, noch mehr Kreaturen der Nacht die er von seinem Leid
erlösen musste.
Doch nicht jede dieser Kreaturen hatte was er brauchte, doch er war so gnädig sie trotzdem von ihrem Leid zu
erlösen.
Ob er sich selbst als eine Art Erlöser sah? Vielleicht.
Aber eigentlich tat er es nur weil er eigentlich bereits tot war, nur sein Körper war noch am Leben.
Um seinen Geist und seine Gefühle wiederzubeleben musste er töten und sich jenes Flüssige Gold in die Adern
spritzen.
Er machte sich damit wohl selbst zu einem Sklaven, zu einem Süchtigen des Lebensgefühls.
Wärme umgab ihn, doch bis er wieder auf dem Boden der Gasse war, spürte er bereits wie es leicht nachließ.
Langsam zog er sich seine Jacke wieder an, steckte das Messer wieder ein und setzte die Kapuze auf ehe er die
Hände wieder in seine Jackentaschen steckte und sich wieder unter die Menschenmenge begab.
Es gab viel zu tun, er hatte keine Zeit zu warten oder zu ruhen.
Doch selbst er wusste, dass er nichtmehr viel Zeit hatte.
Sein Körper und die Zeit- das waren seine schlimmsten Feinde.
Fast wie auf ein Stichwort hin blieb er kurz stehen und wurde von starkem Husten gebeutelt.
Blutgeschmack breitete sich in seinem Mund aus, doch er schluckte es wieder hinunter und zwang sich weiter
zu gehen.
Er war krank.
Denn das Flüssige Gold das er so begehrte hatte seinen Preis.
Sie schenkte ihm Leben, doch nahm sie als Gegenleistung seine verbleibenden Lebensstunden.
Tag der Veröffentlichung: 20.02.2015
Alle Rechte vorbehalten