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Out of this Hell

Drei. Zwei. Eins. Die Tür fliegt auf.

Drei. Zwei. Eins. Ein bedrohlicher Schatten baut sich über dem Jungen auf.

Drei. Zwei. Eins. Mit einem heftigen Ruck wird er aus dem Bett geworfen.

Der Aufprall auf dem Boden ist etwas, das er nur dumpf spürt - viel zu sehr wird er von dem Schatten abgelenkt, der ihn nun angrinst. Mit schweren Schritten nähert er sich - der Geruch nach Alkohol verrät, was er vorhat.

Der Mann bleibt vor ihm stehen und geht in die Hocke, streicht über seine Wange und in dem Moment merkt der Junge, dass der Mann nackt ist.

Panik macht sich in dem Jungen breit und er krabbelt instinktiv weg, so lange bis sein Rücken die Wand berührt und er keine Fluchtmöglichkeit mehr hat.

Genau das ist der Moment, in dem seine Hand nach vorne schnellt und die des Jungen packt, um ihn hochzuziehen.

Doch dieser windet sich, versucht seinen Arm aus dem eisernen Griff zu befreien.

Er weiß, dass es aussichtslos ist, jedoch hindert es ihn nicht daran, in seiner kindlichen Naivität zu glauben, er könne doch entkommen.

Ein Schlag trifft seine Wange und reißt seinen Kopf auf die andere Seite. Das Blut rauscht in seinen Ohren und seine Sicht verschwimmt kurz - für einen Augenblick scheint alles in Zeitlupe zu sein.

Als die Zeit dann wenige Sekunden später wieder ihren gewohnten Lauf nimmt, trifft ihn der Schmerz umso stärker.

Tränen laufen über das Gesicht des Jungen, als seine Wange anfängt wie Feuer zu brennen und sein Schluchzen erfüllt die Stille des Raumes.

Er hingegen steht nur da, hält ihn weiter fest und grinst kaltblütig, während der Junge versucht sich wieder zu beruhigen - doch es will nicht gelingen.

,,Vater, bitte‘‘, flüstert der Junge, doch das ist der Moment, in dem sich die ersten Regungen auf dem Gesicht des Mannes zeigen. Seine Gesichtszüge verzerren sich zu einer wütenden Grimasse und mit einem Mal wirft er den Jungen auf dessen Bett.

Sofort rollt er sich zusammen und schließt die Augen - das ist der Moment, wo er anfängt zu wimmern und irgendwelche sinnlosen Wörter von sich zu geben.

,,Bitte... Vater... Ich... Nein!‘‘, wimmert der Junge immer wieder, während der Mann längst über ihn gebeugt ist. Mit einer Bewegung des Mannes zwingt er ihn seinen Körper wieder auszurollen und sich auf den Rücken zu legen.

Er zwingt sich still zu sein und sieht angsterfüllt und mit verschwommener Sicht zu den giftgrünen Augen des Mannes hinauf, der ihn lüstern mustert. Die Hand des Mannes gleitet über seinen Körper und lässt sein Wimmern wieder stärker werden. Als die Hand an seinem Hosenbund angelangt ist, fängt er wieder an sich zu wehren und windet sich wieder wie von Sinnen.

Wie ein Fisch auf dem Land, dazu verdammt nie wieder in das schützende Gewässer zu gelangen. Doch der Mann unterbindet es, indem er mit seiner großen Hand die beiden Hände des Jungen umfasst und diese über seinem Kopf zusammenhält. Wenige Sekunden später liegt der Junge nackt unter dem Mann.

Mittlerweile hat dieser aufgehört sich zu winden, denn ihm wurde klar, dass es nichts bringen wird. Hatte es noch nie - wird es nie.

Wieder macht sich dieser Schmerz in seiner Brust breit und er zuckt zusammen, als sein Herz wieder anfängt diesen stechenden Schmerz auszusenden.

Der unschuldige und zutiefst verletze Blick des Jungen scheint den Mann jedoch nur noch mehr zu seiner Tat zu ermutigen - denn es dauert nicht lange und er hat den Jungen auf den Bauch gedreht.

Drei. Zwei. Eins. Mit einem brutalen Stoß dringt er in den Jungen ein und lässt diesen vor Schmerz aufschreien…

 

 

Roter Lebensquell floss über die bleiche Haut.

Der metallische Geruch verbreitete sich, während ein warmer Schauer durch seinen Körper schoss.

Der anfängliche Schmerz verschwand langsam wieder, während er mit leeren Augen auf sein Handgelenk starrte.

Das Blut quoll aus der Wunde und tropfte langsam zu Boden, wo es auf den Pflastersteinen dunkle Flecken hinterließ.

Es war so still geworden, dass er jeden einzelnen Tropfen hörte, der auf dem Boden aufkam.

Doch nach wenigen Sekunden bildeten sich viel mehr dunkle Flecken auf den Pflastersteinen, als Blut aus der Wunde quoll.

Es waren Tränen, die unbemerkt über seine Wangen gerollt waren und nun in stetigem Takt zu Boden tropften.

Er spannte seinen Kiefer an und drückte die Klinge noch tiefer in seine Haut.

Wut packte ihn und zwang ihn dazu tiefer zu schneiden. Immer und immer tiefer, so lange bis all sein seelischer Schmerz ausgeblutet war.

Doch egal wie tief er schnitt, es würde niemals weit genug sein und egal wie oft er es tat, es würde niemals genug sein.

Nicht so lange auch noch ein Funken Leben in ihm steckte.

Er lehnte sich gegen die kalte Hauswand und ließ die Klinge fallen - er hatte zu wenig Kraft, um sie länger so fest umklammert zu halten.

Sein Kopf fiel zur Seite und seine Arme fielen schlaff zu Boden, doch er war nicht tot.

Er hatte nur zu wenig Kraft, um sich weiter zu kontrollieren. Er wollte sich einfach fallen lassen und in einem Meer aus Blut ertrinken - seinem Blut.

Kurz hörte er wieder diese Stimmen in seinem Kopf.

Die Stimmen, vor denen er zu fliehen versuchte, suchten ihn wieder heim.

Sie klagten ihn an, verurteilten und verfluchten ihn.

Neue Wut packte ihn und dieses Mal war es keine reine Wut gegen sich selbst, es war eher Verzweiflung, die ihn dazu trieb die Klinge erneut in die Hand zu nehmen.

Und es war die Verzweiflung, die ihn dazu trieb die Klinge erneut an seinem Arm anzusetzen, dieses Mal direkt über seinem Handgelenk.

Der heiße Stahl der Klinge brannte sich förmlich in seinen kalten Körper und aus irgendeinem Grund tat dieser Schnitt mehr weh als alle bisherigen.

Doch das war gut, es zeigte ihm, dass er wenigstens den gleichen Schmerz fühlen konnte, wie die anderen es taten.

Es zeigte ihm, dass er nicht ganz das Monster war, als das ihn scheinbar die ganze Welt ansah.

Seine Hände zitterten, doch er weigerte sich die Klinge wieder aus der Hand zu nehmen.

Stattdessen wechselte er und hielt verzweifelt den Griff der Klinge fest, darum bemüht sie nicht zu verlieren wegen dem Blut, das sich schon auf seiner Handfläche gebildet hatte und daran hinuntergeflossen war.

Als er auch bei seinem linken Arm die Klinge an seinem Handgelenk ansetzte, zögerte er jedoch.

Doch nicht, weil sein Wille schwach wurde, sondern wegen einem Geräusch.

Sein Atem beschleunigte sich und er zwang sich ruhig zu verweilen und hoffte, dass es nur der Wind war oder irgendein Tier.

Angst stieg in ihm auf, dass es sich vielleicht um seinen Vater handeln könnte.

Er zögerte nicht und grub die Klinge so tief es ging in sein Fleisch, ehe ihm die Klinge endgültig aus der Hand fiel und er sie nicht mehr zu fassen bekam.

Er wollte sich nach vorne beugen, um sie aufzuheben, doch plötzlich drehte sich alles um ihn und er fiel wieder nach hinten um.

Jetzt war es doch sowieso egal, wer oder was jetzt kommen würde.

Er betete nur noch um ein Ende, egal wie langsam oder qualvoll es kommen möge.

Seine Sicht verengte sich und die Farben seiner Umgebung wurden von Sekunde zu Sekunde grauer und matschiger.

Seinen Körper konnte er bereits nicht mehr wirklich bewegen - viel zu taub waren seine Gliedmaßen.

Er sah nur noch eine schlanke, schemenhafte Gestalt, die sich vor ihn kniete und scheinbar seine Aufmerksamkeit erregen wollte.

Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den finsteren Himmel hinauf, fragte sich, was wohl geschehen würde und ob er in den Himmel oder die Hölle kommen würde.
Von Sekunde zu Sekunde kam ihm die Nachtluft kälter und kälter vor, so lange bis er sich fühlte, als wären seine Gliedmaßen taubgefroren.
Er spürte seinen Körper nicht mehr und konnte seine Gliedmaßen nicht mehr bewegen - vielleicht aus Kraftmangel oder vielleicht auch weil er es eigentlich gar nicht wollte.
Er wollte nur noch sterben und sein Wunsch schien sich endlich zu erfüllen, als sich sein Blickfeld immer mehr verdunkelte.
Der Schmerz erlosch langsam und er fühlte sich von Sekunde zu Sekunde leichter, so lange bis er gar nichts mehr fühlte.
Weder Schmerz noch Schwerkraft oder Trauer.
Nur einen eigenartigen Frieden, der sich über ihm ausbreitete und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich geborgen und hatte keine Angst oder Wut in sich.
Er lächelte, soweit es ihm erlaubt war und schloss dann endgültig die Augen, in der Hoffnung nun für immer Frieden zu haben vor all dem Schmerz und der Gewalt.

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Tag der Veröffentlichung: 14.05.2014

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