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Broken


 Er ließ den Blick durch die Umgebung schweifen und prägte sich alles ganz genau ein. Angefangen von den bunten Blättern die am Boden lagen bis hin zu den kahlen Ästen der Bäume und Büsche und der eisigen Luft die sich ihren Weg unter seine Kleidung bahnte. Er zitterte.
Es war drei Uhr morgens und er konnte sich nicht vorstellen das der Park um diese Uhrzeit viel Besucher hatte.
Er wollte auch keine haben, denn alles was er wollte war allein zu sein.
Ihm war klar das er sich erkältete, hier draußen an der eisigen Luft und nur mit einer Hose bekleidet aber das war ihm egal.
Er spürte die Kälte nicht oder die Regentropfen die sich allmählich ihren Weg durch die Wolken bahnten und seine Haare und seine Haut benetzten- aber der Regen kam ihm gelegen.
Denn so würde niemand die Tränen auf seinen Wangen, von dem Regen unterscheiden können.
Denn es war nicht die Kälte die ihn zittern ließ, es war allein weil er weinte.                                                      Er wollte nicht weinen, er wollte stark sein aber er konnte es nicht.
Fluchend schloss er den Griff seiner rechten Hand enger um den Brief darin, sich nicht darum kümmernd das dieser dabei vollkommen zerknitterte.
Mit dem Handrücken wischte er sich über die Augen und stellte fest das die Tränen anfingen zu brennen.
Sie waren glühend heiß geworden und brannten sich in seine Wange und seine Augen, ihm war klar das diese mittlerweile rot geädert waren aber auch das war ihm egal.
Er legte den Kopf in den Nacken und ließ zu das der Regen die Spuren seiner Trauer wegwischte. Oder vielmehr die Beweise?
Er wusste nicht ob er sich schämen sollte oder ob er dankbar sein sollte das es doch noch eine Person geschafft hatte, Gefühle in ihm aus zu lösen.
Kaum war dieser Gedanke in seinem Kopf vollendet, konnte er das Schluchzen nichtmehr unterdrücken und er senkte sein Haupt wieder und schlang die Arme um sich selbst. Das zittern wurde stärker, die Tränen vermehrten sich wieder.
Wie dumm er doch gewesen war, hatte er doch so viele Momente einfach an sich vorbeiziehen lassen ohne sie wahr zu nehmen.
Ohne sie zu nutzen und aus ihnen etwas erinnerungswürdiges zu machen. Für ihn, für sie beide.
Aber nein, er war viel zu beschäftigt gewesen um keine Gefühle zu zeigen, als darum die Augen zu öffnen und zu sehen was so offensichtlich war.
Nick hatte ihn geliebt, das wusste er. Er hatte es ihm so oft gesagt.
Er hatte ihn ebenfalls geliebt, auch wenn er es nie ausgesprochen hatte. Vielmehr hat er sich, wenn er so darüber nachdachte, stehts bemüht ihm das Gegenteil zu zeigen.
Auch wenn sie sich eine Wohnung geteilt hatten und sie ofiziell ein Paar gewesen sind, hatte er doch keine Gelegenheit ausgelassen um Nick zu demütigen und ihn vor zu führen.
Warum genau er das gemacht hat, wusste er selbst nicht.
Aber es gab nichts in seinem Leben was er mehr bereute als diese eine kleine Tatsache.
Die Tatsache das er ihm nie gesagt hatt wie sehr er ihn geliebt hat.
Aber jetzt war es zu spät. Jetzt war alles zu spät.
Mit zittrigen Knien stand er auf und ging weiter. Immer wieder musste er an den Inhalt des Briefes denken und unterdrückte es, wieder zusammen zu brechen.
Den großteil darin hatte er ohnehin längst vergessen, denn es waren nur drei Sätze die sich in seinen Kopf gebrannt hatten. 

                                                                                                                                                             Wie oft kann man jemanden wegstoßen bis dieser endgültig aufgibt?
Es tut mir leid, mein Großer aber ich kann nichtmehr, ich werde dir endlich geben was du wohl ständig von mir wolltest.
Komm zu dem Ort an dem wir uns kennenlernten, geh da hin wo alles begonnen und alles geendet hat.

                                                                                                                                                             Er biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. In dem Brief stand niergends geschrieben was genau das alles zu bedeuten hatte aber er konnte es sich denken. Es war offensichtlich und doch war es nicht möglich, es durfte nicht möglich sein. Aber sein Gespühr hatte ihn noch nie enttäuscht, nicht in solchen Sachen.
Aber er wollte nicht zur Polizei gehen und ihnen sagen das Nick sich das Leben genommen hat, das er einfach aufgehört hat zu atmen und es allein seine Schuld war. Das er es geschafft hatte das zu zerstören, was er am meisten liebte.                                                                                                                                                           Er ging mit langsam Schritten zu der Stelle zwischen den Bäumen und erinnerte sich zurück an den Tag vor zwei Jahren.
Es war im Sommer gewesen. An einem der heißesten Tage des Jahres war er joggen gegangen und war so sehr damit beschäftigt gewesen, der Musik aus seinem Ipod zu zu hören das er den Jungen nicht bemerkt hatte. Den Jungen mit den dunklen strubbeligen Haaren und den hellen Rehaugen die abwesend gen Himmel gerichtet waren. Nick war immer ein Tagträumer gewesen und hatte den Kopf meistens meilen weit weg. Wäre er in diesem Moment nicht mitten auf dem Gehweg gestanden hätte er ihn auch nie bemerkt, aber so war er direkt in ihn hineingerannt und hatte sie beide zu Boden gerissen. Er würde nie den leisen erschrocken Aufschrei hören was schon fast zu hoch war um männlich zu wirken. Er wusste noch genau wie er ihn deswegen ausgelacht hat während sich zwei beleidigte Augen in ihn gebrannt hatten. Nick war damals mit einer gemurmelten Entschuldigung aufgestanden und wollte verschwinden da es ihm offensichtlich peinlich gewesen war. Aber er war das erste und letzte mal seiner inneren Stimme nachgegangen und hatte den Jungen daran gehindert. Er hätte es sich niemals selbst eingestanden oder es geschweige denn gezeigt aber er hatte sich der Anziehungskraft nicht wiedersetzen können und hatte sich darauf eingelassen Nick besser kennen zu lernen. Mit der Ausrede, es wieder gut machen zu wollen hatte er ihn dazu überredet mit ihm ein Eis essen zu gehen. Nick hatte zögerlich zugestimmt und bereits zu diesem Zeitpunkt war ihm klar gewesen das der kleine Junge neben ihm, eine gebrechliche Seele war die Angst hatte enttäuscht zu werden.

                                                                                                                                                           Das war wahrscheinlich auch seine eigene Angst gewesen. Die Angst enttäuscht zu werden.
Er hatte sich sein Leben lang davor gefürchtet seine Gefühle zu zeigen weil er Angst gehabt hat das er enttäuscht wird und nun wurde ihm mit einem Schlag klar, das diese Angst nicht begründet gewesen war. Nicht bei Nick.  Wenn er so darüber nachdachte, war dies eines der letzten Male wo er Nicks Augen so hell zu sehen bekommen hatte, immerhin war war es schon ewig her seit er seine Augen vor Freude oder Glück hatte leuchten sehen. Und es würde auch nie wieder so sein.
Es dauerte nicht lange und er war an der Stelle angekommen.
Genau das war der Zeitpunkt, an dem er all seine Zurückhaltung und Gefühle verlor.
Das war der Moment, in dem er merkte was echter Schmerz und echte Trauer war.
Er konnte nicht anders als den Schmerz in seiner Brust hinaus zu schreien und auf die Kniee zu fallen.
Nick lag auf der Parkbank neben dem Gehweg und hatte die Augen geschlossen. Es wirkte als würde er schlafen, wäre da nicht die unnatürliche Ruhe und Regungslosigkeit gewesen.
Mit einem Ruck zog er den leblosen Körper an sich und schlang die Arme um ihn. Die Kälte erschreckte ihn und ließ ihn zusammenzucken.
,,Warum? Warum du verdammtes Arschloch?‘‘ flüsterte er leise und drückte ihn an sich. Der Schmerz ins einer Brust wurde jedesmal stärker und am liebsten hätte er nochmal geschrien aber er konnte nicht. Seine Stimme war viel zu dünn und zu brüchig. Er konnte nur immer wieder das selbe wiederholen.

,,Warum?‘‘

,,Warum?‘‘

,,Warum?‘‘

Immer wieder, so lange bis ihm die Tränen den Atem raubten und er nurnoch schluchzen konnte.
Diese Situation hier, mit dem Mann den er liebte.. Er sprach mit ihm, weil er die Hoffnung hatte das er irgendwann antworten würde. Das er die Augen öffnen würde und irgendetwas sagen würde.                                              Und diese kleine Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte das er das nicht tun wird, weil er es nichtmehr kann. Weil er tod war. Die Stimme die ihm sagte das Nick nichtmehr in diesem Körper war, das es nur noch eine Hülle war.
Doch plötzlich schlich sich eine weitere Stimme in seinen Kopf.
John …
John…
Mit einem heftigen Ruck hob er den Kopf und sah sich um, doch die Tränen verschleierten zu sehr seine Sicht als das er etwas erkennen hätte können.
Wahrscheinlich nur eine Einbildung, denn immerhin soll es doch vorkommen das, wenn man sich etwas sehnlicher wünscht als alles andere, man es sich einfach einbildet. Ja, vermutlich.
Er senkte den Kopf wieder und sah auf das,schon fast friedliche Gesicht. Gequält schloss er die Augen und wünscht sich für kurze Zeit zu ihm.                                                                                                                  Denn er selbst müsste dort liegen, nicht Nick. Nur er selbst.                                                                               Einem Instinkt folgend, greift er in die Jackentasche von ihm und suchte darin nach dem womit er sich...
Nach kurzer Zeit zog er eine kleine Dose herraus und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen um seine Sicht wieder zu klären um sich das Ettiket an zu sehen.                                                                                  Es waren Schmerztabletten, wie angenommen und er musste schwer schlucken um nicht wieder seinen Gefühlen zu erliegen. Die Hälfte davon war leer und wenn er sich richtig erinnerte, hatte er sie sich erst vor zwei Tagen geholt.
Kurz lächelte er kurz, als er daran denken musste das er nur bei ihm ruhig schlafen konnte. Sobald er nicht bei ihm war, brauchte er diese Tabletten um Schlafen zu können.                                                                               Verdammt, er hätte es sich denken können.
Er ballte die Hände zu Fäusten und schließt kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, fühlte er eine innere Ruhe in sich die ihn besänftigte und seine Tränen versiegen ließ.
Mit seelenruhigem Blick sah er zu Nick und beugte sich zitternd zu ihm herrunter, nur um ihm einen letzten und ersten Liebevollen Kuss zu geben. Es war mehr eine zärtliche Berührung, eine Art Liebkosung. Nick’s Lippen waren kalt, doch das hinderte ihn nicht daran diesen letzten Kuss zu genießen.
Als er sich wieder von ihm löste hatte er längst den Deckel der Tabletten geöffnet.
Mit einer schnellen Bewegung, bevor er es sich anders überlegen konnte schüttete er den gesammten Inhalt in seine Hand und begann jede davon einzeln zu nehmen.
Am liebsten hätte er sie alle auf einmal geschluckt, jedoch hätte er sie niemals hinabbekommen- es war so schon schwer genug.
Mit jeder Tablette die er schluckte wurde die Ruhe stärker und der Schmerz verschwand langsam.
Ganz langsam verschwand einfach alles.

Jede Empfindung

Jeder Sinn

Jede Erinnerung

Jeder Gedanke.
Alles, bis auf Nick und ihn selbst, doch schließlich verschwand auch dies und er schloss seine Augen und legte sich neben den Jungen den er über alles liebte.

Jedoch öffnete er viel zu schnell wieder seine Augen. Das träge Gefühl war geblieben, ebenso wie die nassen Wangen und den Schmerz in seiner Brust.
Doch etwas war anders. Er blinzelte kurz und erkannte seine Zimmerdecke über sich. Verwirrt setzte er sich auf und rieb sich über die Augen. Sie brannten immernoch wegen den Tränen.
Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke und er sprang vom Bett auf. Hoffnung keimte in ihm auf während er durch die Wohnung lief und sich kein Stück darum scherte das alles dunkel war. Es war ihm egal ob er über irgendetwas fiel oder gegen irgendetwas rannte.
Mit einem Ruck riss er die Tür zu Nicks Zimmer auf und spürte wieder die Tränen über seine Wangen laufen. Mit einem Schlag war dieses bedrückte Gefühl in seiner Brust zurückgekehrt während er mit zittrigen Schritten zu dem leeren Bett ging um sich zu vergewissern das nicht vielleicht doch jemand darin lag.                                           Aber nein, das Bett war leer, ebenso wie sein Kopf. Er hatte die Hoffnung gehabt das er dies alles nur geträumt hat, aber dies war wohl zu viel verlangt. Mit einem heftigen Schlag rammte er seine Faust gegen die Wand und spürte das seine Hand sofort schmerzvoll pocht und ihm zeigte das es real war.
Es war wahr…
Er konnte nichtmehr, sackte wieder in sich zusammen und legte sich die Hände vor sein Gesicht.
Plötzlich spürte er etwas an seiner Schulter und zuckte erschrocken zusammen.
Als er die Hände von seinem Gesicht nahm blickte er in zwei Rehbraune Augen die ihn besorgt und verschlafen ansahen. Hinter ihm war das schwache Licht aus der offenen Badtür zu sehen und ließ ihn einige male blinzeln.
,,Nick?‘‘ flüsterte er kaum hörbar und sah ungläubig in diese einzigartigen Rehbraunen Augen.
Doch irgendwie schien er ihn doch gehört zu haben, denn er nickte und sah ihn weiterhin besorgt an.
Mit einer schnellen Bewegung streckte er die Hände nach Nick aus und zog ihn mit einem schnellen und heftigen Ruck an sich.
Fest umschlang er seinen warmen Körper und vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge um seinen Duft ein zu atmen, um die Wärme zu spüren.
,,John, was ist los?‘‘ kam es leise und mehr als überrascht von Nick, doch er ignorierte es einfach.
Er hob den Kopf wieder und sah tief in die Rehbraunen Augen ehe er ihn küsste. Genauso wie er es in seinem Traum gemacht hatte, genau so wie er es schon vor langer Zeit hätte machen müssen.
Zuerst kam keine Reaktion und in ihm keimte die Angst auf das Nick ihn jederzeit wegstoßen würde, doch schließlich kam die ersehnte erwiederung.
Erst zögerlich, so als würde er erwarten das dies wieder einer seiner Scherze war aber je länger sie sich küssten umso mehr verlor Nick seine Angst.
,,Ich liebe dich, hörst du?‘‘ flüsterte John leise und nahm sein Gesicht in beide Hände während er dabei zusah wie die Rehbraunen Augen hell vor Freude erstrahlten.                                                                                    

,,Ich liebe dich‘‘ flüsterte er immer wieder und spürte wieder die Tränen auf seinen Wangen.
,,Ich dich ebenfalls‘‘ erwiederte er glücklich und sie beide konnten einfach nicht anders als zu lächeln.
Von nun an würde er alles daran setzten das sein Traum niemals wahr werden konnte, dachte er und schwor es sich selbst.
Niemals würde er das zulassen. Niemals würde er je wieder zulassen das der Junge den er liebte traurig war. Nie wieder würde er eine Gelegenheit verpassen um ihn zum lächeln zu bringen.
Niemals.
 Niemals würde er zulassen, das Nick jemals bricht.

 


 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.02.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Vielen herzlichen Dank an Bernd aka pengiberlin, für die großartige Hilfe als Beta-Leser und Korrigierer.

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