Die Pudicitia schritt durch den großen Wald. Sie fuhr mit ihrer Hand über die Sträucher, Blätter und Blumen. Langsam beugte sie sich zu einer großen purpurnen Blüte herunter und zog den betörenden Duft ein. Dieser Wald war verboten für sie. Aber sie verstand nicht wieso. Leise ging sie zu einer Lichtung herüber und ließ sich in das noch feuchte Gras fallen. Die Sonne glitzerte auf ihrer Haut und der Wind durchfuhr ihr blondes Haar. Seufzend strich sie über ihr weißes Gewand. „Wie schön es hier ist! Die Sonne entflieht gerade dem Horizont und die Sterne verblassen in der Unendlichkeit des Himmels. Nebel tanzt wie die Feen und Elfen durch den Wald und sinkt langsam gen Boden. Überhaupt hat der Wald so viel Schönheit! Wie kann er nur verboten sein?“ Langsam stand sie auf und verließ die helle Lichtung um weiter in den Wald zu gehen. Sie hörte die kichernden Waldgeister, das knacken der verwunschenen Tannen und das ferne Singen der Waldelfen. Fröhlich tanzte Pudicitia durch den Wald und sang ein Lied.
„Dort wo die Einsamkeit wohnt,
wo die Elfen tanzen
und die Geister schweigen.
Hier wo nur Gutes ist
und niemand klagt.
Dort wird man finden das ewige Glück.“
Plötzlich verstummten die leisen Gesänge, das Kichern der Waldgeister wurde schwächer und der Nebel wurde dichter und dichter. Ein wenig Ängstlich sah sich Pudicitia um, bis sie die roten Augen eines Tieres sah. Ein leises Knurren erfolgte und die Schöne rannte los. Ihr Gewand zerriss an den Ästen, die nach ihr griffen, der blonde Zopf verhedderte und öffnete sich. Kreischend zwang sie sich weiter zu rennen, während sie hinter sich das Hecheln des Wolfes hörte. Das also ist die Gefahr in diesem Wald! Der Wolf! „Hilfe!“, schrie sie, doch sie war bereits so weit in dem Wald gefangen, dass niemand sie hören konnte. Plötzlich stand sie vor einem Moor, dass ihr den Weg versperrte und sie blickte sich ängstlich um. Der Wolf kam langsam und bedrohlich auf sie zu. Er war Reißig und sein Fell war rabenschwarz. Er knurrte und seine Augen funkelten vor Bosheit. Plötzlich sprang er auf sie zu und seine Fänge zerrissen die Schöne. Ihr weißes Gewand war nun rot. Was vorher rein war, ist nun tot.
Auch heute noch lebt dieser Wald, doch die Waldbewohner sind traurig. Denn morgens früh, wenn die Sonne gerade dem Horizont entflieht und die Sterne in der Unendlichkeit des Himmels verschwinden, so hört man im Nebel noch immer Pudicitia, wie sie flüsternd das Lied des Waldes singt:
„Dort wo die Einsamkeit wohnt,
wo die Elfen tanzen
und die Geister schweigen.
Hier wo nur Gutes ist
und niemand klagt.
Dort wird man finden das ewige Glück.“
Tag der Veröffentlichung: 16.01.2012
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