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Tierische Gesellen – eine Winterfabel

 

Der Winter war früh eingebrochen in diesem Jahr. Prachtvoll hatte er seinen weißen Mantel über Dächer, Hügel, Täler und die Wälder gelegt. Einen Wald, mit seinen stolzen Tannen, mochte er ganz besonders. Auch der Mond war vergnügt, denn er sah und hörte gerne zu. So pustete er sich zu voller Größe auf und leuchtete in all seiner Pracht auf den Wald hinab. Über glanzvoll schneebedeckte Äste wehte fröhlich ein säuselnder Wind, der verspielt einige Flocken auf eine hell schimmernde Lichtung vor sich her trieb, auf der ein uralter Baum stand, der von einem Eichhörnchen bewohnt wurde.

Gerade hatte es noch von einer großen Tafel und üppigen Speisen geträumt, die es seinen Gästen servierte, als Gemurmel und herzzerreißendes Schluchzen in seinen Traum eindrangen und ihn nach und nach erwachen ließen. Die Pfötchen fest auf die Ohren gedrückt, wälzte es sich unruhig von einer Seite seines Bettes zur anderen und versuchte vergeblich, an seinem Traum festzuhalten, als es kurz darauf abrupt still wurde. Lauschend fuhr das Eichhörnchen hoch, kniff die Lider zusammen und über sein spitzes rotbraunes, Näschen hinweg funkelten seine Äugelein. Verwünschungen murmelnd stand es auf, griff sich eine Nuss aus seinem Vorrat und trat auf den breiten Ast vor seinem Bau. Es blickte hinab, zielte, hob die Nuss und verharrte in der Bewegung, als in der Luft plötzlich ein Rascheln erklang.

Im Schein des Mondes, der durch die knorrigen Äste drang, landete ein Rabe mit schwarz glänzendem Gefieder auf dem Ast. Er setzte sich und zupfte einige Federn zurecht, ohne den Nager zu bemerken. Gerade wollte er den Schnabel zum Schlafen unter seinen Flügel schieben, da nahm er das Eichhörnchen wahr, das ihn bewegungslos aus dem Augenwinkel beobachtete.

„Hallo“, sprach der Rabe zögerlich.

„Hallo“, brummte das Eichhörnchen.

Einen Moment herrschte verlegenes Schweigen.

„Ähm, was hast du mit der Eichel vor?“, wollte der Vogel wissen.

Das Eichhörnchen holte aufgebracht Luft. „Rache!“, schnappte es, sich die Nuss unter den Arm klemmend, und deutete anklagend den Baum hinab. „Da unten sitzt ein Mensch. Stundenlang hat er vor sich hin gejammert und geweint. Hat mich geweckt. Ich konnte nicht mehr einschlafen. Ist das zu fassen?“ Verdrießlich stemmte es ein Pfötchen in die Taille, während sein schnäutzchen bebte.

Der Rabe zuckte mit den Flügeln. „Menschen“, erwiderte er alles erklärend und schaute hinab. Ein Knabe schlotterte mit dem Rücken gegen den Stamm der alten Eiche gelehnt, die Beine bis zur Brust angezogen, leise schluchzend. Tränen unermesslicher Traurigkeit glitzerten auf seinen schmutzigen Wangen, die unter den zarten Lidern zu kleinen Perlen gefroren waren.

Dem Raben lief das Wasser im Schnabel zusammen. Sein Magen knurrte laut, denn er hatte seit langem keine richtige Mahlzeit mehr zu sich genommen. „Er wird erfrieren, wenn er nicht aufpasst“, stellte er aufgeregt fest.

„Bestimmt hat er genau das vor!“, stieß das

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 16.12.2018
ISBN: 978-3-7438-9082-4

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