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Kliefken

Kliefken

eine Kurzgeschichte

 

 

Thomas Kliefken saß in einer der hintersten Reihen des gut gefüllten Gemeinschaftshauses, in welchem nahezu alle Einwohner des Dorfes versammelt waren, um einer Pressekonferenz beizuwohnen. Ungewöhnliche Ereignisse rechtfertigten den enormen Aufwand, der den Bürgermeister empfinden ließ, was sonst nur Popikonen auf der Schwelle zum Ruhm vorbehalten war, auch wenn der Anlass dazu kaum erschreckender sein konnte. Die Vertreter verschiedener TV-Sender und Printmedien waren, kurz nachdem die horrorhaften Vorfälle publik wurden, wie eine Plage in das unbekannte Nest eingefallen, das zwischen Bergen und Wäldern nicht einmal die Beachtung der Discountgiganten auf sich zog. Milch holte man hier von einem der Bauernhöfe und über dem Laden, der gleichzeitig Post und Optiker war, hing ein altes Schild mit der stolzen Aufschrift: Kolonialwaren.

Nun standen auf den Straßen und Gassen Übertragungswagen Stoßstange an Stoßstange. Weggeworfener Müll häufte sich in atemberaubend kurzer Zeit überall dort, wo sich Fernsehleute und Reporter breit machten. Die Rücksichtslosigkeit, mit der sie Parkplätze, Zufahrten und privates Gelände belagerten, um auf der Jagd nach einer Sensationsgeschichte die Einschaltquoten und Auflagen in die Höhe zu treiben, sprach Bände über menschliches Verhalten. Nicht besser waren einige findige Bürger, die gegen horrende Beträge Unterkünfte vermieteten, da es kein einziges Hotel im näheren Umkreis gab.

Zu Kliefkens linker Seite saß eine kleine, ältere Frau, deren weißes, fönfrisiertes Haar einen leichten Blaustich aufwies. Das Halstuch mit einer großen Brosche zusammengehalten und die obligatorische Handtasche auf den Knien, lutschte sie erbarmungslos an einem Bonbon, das ununterbrochen von der Zunge in ihrem Mund herumgeflippert wurde. Das Versagen ihrer Haftcreme steuerte zu der Geräuschvielfalt bei, indem es die saugenden, schmatzenden Laute durch das Klappern ihres Gebisses potenzierte.

Kliefken, leicht vorgebeugt und sich bei geschlossenen Augen die Stirn haltend, konnte seine Aufmerksamkeit schwer in eine andere Richtung lenken. Die Geräusche kratzten in ungewöhnlicher Weise an seinen Nerven. Der Gedanke, ihr die Hände um den faltigen Hals zu legen, um seiner Qual ein Ende zu bereiten, beruhigte ihn nicht, sondern stimmte ihn nur übellauniger. Gerade kam ihm die Geduld abhanden - er richtete sich in einer ruckartigen, aggressiven Weise

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Ralf Leussler
Bildmaterialien: Ralf Leussler
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2013
ISBN: 978-3-7309-7051-5

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