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Natascha

 

Natascha

eine Kurzgeschichte

 

 

Ich bin Luzius Schwarz, und ich weiß nicht, wie ich dazu komme, mich für einen widerlichen Menschen zu halten, oder was die Psychologie dahinter sein könnte. Vielleicht bin ich einfach nur schlecht, habe schlechte Gedanken, sicher aber bin ich äußerst hässlich. Von Natur aus mit Speckröllchen und lichtem Haar ausgestattet, wird mein monströses Gesicht mit der krummen Nase und der steinzeitmenschlichen Stirn nur von meinen scheinbar bösen, stechenden Augen übertroffen.

Jetzt, wo ich reden kann, ohne mich zu schämen, möchte ich Ihnen von den Umständen berichten, die mich hier her gebracht haben.

Wissen Sie, der Sie mich mit solch einem Hochinteresse betrachten, wissen Sie denn wie es ist, wenn Sie sich jeden Morgen wundern, dass Sie tatsächlich noch in der Lage sind, aus dem Bett zu steigen und Ihr Gesicht zu rasieren. Ja, niemals, nicht ein Mal getraute ich mich, es auszulassen, dieses Gesicht zu rasieren, da ich sonst befürchtete, für einen Primaten gehalten und auch noch vom letzten Rest der Gesellschaft verachtet zu werden.

Nein, Sie werden wohl nicht wissen, wie das ist. Auch nicht wie es ist, wenn Sie zur Flasche greifen, nachdem Ihre tägliche Arbeit verrichtet ist. Ein paar Bier, um die Stimmung etwas aufzulockern, Wein, wenn es mal etwas schneller gehen soll, und Schnaps, wenn die Gefühle sich zu solch düsterer Ansammlung von Angst und Selbstekel verdichten, dass man nur möglichst schnell in einen gedankenlähmenden Rausch verfallen möchte.

Sie denken jetzt: „Wie man sich nur so gehen lassen kann.“ Sie schütteln den Kopf über mich, denn was anderes könnte ich in Ihren Augen sein, als eine schlechte, eine verabscheuungswürdige Kreatur, ein gekrümmter Wurm, dessen träges Gemüt die Reinheit Ihres Geistes geradezu besudelt? Wie müssen Sie sich fühlen, da Ihnen mein Selbst in solch roher Weise aufgezwungen wird, dass ich transparent vor Ihnen stehe und Sie das missgebildete Wesen in mir sehen müssen, das schluchzend Tränen vergießt wie ein Krokodil, während es von Selbstmitleid getriebenen an der eigenen Seele nagt?

Es wäre Gott zu danken, wenn es Ihnen an dieser Stelle vergönnt wäre, meinen derben Worten nicht weiter folgen zu müssen.

Sehen Sie? Ein Blasphemist bin ich auch noch! Mit solch schwarzer Seele wie das Fell eines Panthers und ebenso gefährlich wie das gemeine Tier, gehörte ich zum Schutze der Allgemeinheit in ein fensterloses Verlies, in eine dunkle Gruft gesperrt.

Sie, der Sie mir milde zugeneigt sind – oh, ich merke gerade (und Sie wahrscheinlich auch), auf welch abscheuliche Weise ich nach Ihrer Gunst buhle - Sie werden nun erkennend ausrufen wollen: „Aber der ist ja ganz am Boden, der Wurm!“ Und das stimmt! Zumindest war ich ganz am Boden oder fast schon im Keller, als ich in jenem schäbigen, anrüchigen Loch erwachte, in dieser Nacht, von der Sie mich nötigen, Ihnen zu berichten. Ich verspreche Ihnen, ich werde alles so wiedergeben, wie es sich zugetragen hatte:

Noch bevor ich die Augen aufschlug, wusste ich bereits mit schrecklicher Gewissheit, dass ich mich an einem von Energien kriminellster Art durchzogenen Ort aufhalten musste. Mein Kopf befand sich in einem schwindelnden Zustand, nachdem ich mein Hirn einige Stunden zuvor in einen See aus Schnaps eingelegt hatte. Da war ein Geschmack in meinem Mund, leicht faulig und beherrscht vom Aroma des Lasters welches ein Feuerwerk auf meiner Zunge tanzen ließ.

Die Feststellung, etwas Ungewöhnliches getan zu haben, ließ mein Gemüt anfangs in ungeahnte Höhen steigen, um - zumindest ahnte ich soviel - mit dem Öffnen meiner Lider von einfallenden Schamattacken ins Bodenlose gezogen zu werden.

Der Atem stockte mir, als ich einem Gefühl folgend meine Hose befühlte. Den Hosenstall offen, den Gürtel nachlässig geschlossen, schämte ich mich,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Ralf Leussler
Bildmaterialien: Ralf Leussler
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2013
ISBN: 978-3-7309-7050-8

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