Tag ein Tag aus. Jeden Tag der gleiche Schrott. Jeden Tag die gleichen Gesichter, denen man unbedingt entfliehen möchte. Die gleichen Stimmen, die man nicht zu hören mag. Die gleichen Geräusche, wie Polizeisirenen, Krankenwagen und Schüsse, die einem unerträglich in Erinnerung bleiben und abends, wenn eigentlich Stille herrschen soll, im Kopf wiederholt werden. Diese unerträglichen Geräusche. Könnte man nur die ganze Welt auf stumm stellen, würde ich es tun.
„…dann sagte Troye irgendwas über meine Mutter und ihrer Cellulite, -ich meine nur, uncool selbst Beyonce hat welche. Das ist bestimmt Natur.. oder so,- jedenfalls und dann haute ich ihm eine rein und deswegen ist er jetzt im Krankenhaus…warte mal? Casey, hast du mir überhaupt zugehört?“. Eden ist zwar mein bester Freund, aber er redet zu viel und meistens auch belangloses, unnötiges und zusammenhangloses Zeug. Da ist es ja verführerischer über die Cellulite seiner Mutter nachzudenken, anstelle seinem 10 minütigen Referaten zuzuhören und zu folgen.
„Natürlich habe ich bei dem Scheiß den du laberst nicht zugehört.“ Ehrlichkeit wehrt am längsten.
Ja, Eden ist mein bester Freund und das schon, seit wir 5 Jahre alt waren. Wir sind durch dick und dünn gegangen und haben manch so einen Scheiß hinter uns. Auch wenn sich die ganze Welt gegen mich stellt, Eden kann ich vertrauen. Er ist auch der Einzige, dem ich mal mein großes Geheimnis erzählt habe und ich habe es nie bereut. „Bro…ich habe mindestens 10 Minuten durch geredet. Wo warst du da bitte?“ Nicht hier auf jeden Fall. Die Cellulite seiner Mutter fand ich auf jeden Fall aufregender.
„Hab wieder über mein belangloses Leben nachgedacht“. Darauf antwortet er nicht mehr, ich glaub der ist meinem Gelaber genauso Leid, wie ich seinem.
Ich denke oft und viel nach, was die anderen wertlosen Geschöpfe meines Umfeldes wohl oftmals vermeiden beziehungsweise nicht in Erwägung ziehen. Sieht man ja an unseren heutigen Politikern.
Es war ein schöner Tag in den Sommerferien und wir, wie alle bei der South Side, können es uns nicht gerade leisten geil wegzufahren, somit müssen wir unsere Zeit anders verbringen.
Eden und ich sitzen auf der Tribüne des Sportplatzes unserer Schule und schauen dem Footballteam beim Training zu, wie wir es eigentlich immer machen, wenn wir nichts zutun haben, oder wir machen irgendwas, was uns Schwierigkeiten ein brummen könnte. Da ist das Footballteam stalken ja harmloser. Teilweise machen wir das, da wir sonst wenig Beschäftigung haben und ebenso ist unser Footballteam einer der wenig guten Sachen der South Side, neben den ganzen Gangs und Banden wie die South Side Monkeys natürlich.
„Boar hätte ich kein Bock bei der Hitze da rumzurennen.“ Eden lädt sich auch eher eine App für den TV runter, als aufzustehen und die Fernbedienung zu holen, wenn sie mehr als eine Armlänge entfernt liegt.
„Football ist allgemein nicht so mein Ding.“ Das war teilweise gelogen. Ja, Football ist wirklich kein Sport, für den ich mein Erstgeborenes opfern würde, oder gar selber spielen würde, jedoch hat Football eine gute Sache. Und zwar die Belustigung, welche man fühlt, während diese Ochsen sich fertig machten. Im Augenwinkel sah ich, wie Eden auf seine Uhr schaute und plötzlich die Mimik verzog.
„Diggah es ist schon fast 19 Uhr. Wir müssen zu Blackeye wegen des Jobs.“ Die Arbeit ruft.
„Na dann machen wir uns mal auf die Socken. Wenn wir das vergeigen und zuspät kommen, macht Blackeye Gulasch aus uns.“ Wir beiden standen auf und machten uns auf den Weg.
„Ist nicht das Schlimmste, trotzdem nicht so geil.“
„19.30 Uhr heißt 19.30 Uhr und nicht 19.40 Uhr. Dafür sollte ich euch erschießen.“ Wenn ich jedes mal einen Dollar bekomme, wenn Blackeye mir den Tod androht, könnte ich aus diesem Loch verschwinden und müsste keine Jobs mehr für ihn erledigen. „Ihr nehmt diese Lieferung und liefert sie bis morgen aus. Ich rate euch Nachts zu fahren. Da schöpft ihr weniger Verdacht. Mir ist egal wie, oder wann ihr das macht. Auf jeden Fall dürft ihr es nicht vergeigen und bis Morgen soll der Job auch erledigt sein. Na dann. Viel Glück Jungs.“ Er klopfte uns zum Abschied auf die Schulter. Wir nahmen die Lieferung entgegen und brachten sie in mein Auto. Blackeye hat mir noch einen Zettel mit der Adresse und den Namen des Kundens gegeben. Der gute alte Blackeye... Er ist der Anführer der South Side Monkeys. Dem Drogenkartell schlechthin. Als Rocker und Biker getarnte Drogendealer. Was ein Cliché. Elendes Cliché.
Nachdem wir etwa 3 Stunden unser Leben mit Videospielen verschwendet hatten, machten wir uns auch mal auf mit der Lieferung. Eden prüfte noch die Reifen und ich kramte den Zettel mit der Adresse aus meiner Tasche.
Washingtonstreet 45 b. Adam White.
Adam White. Ich lass den Namen mehrfach. „Adam White.“
Eden schaute mich an. „Was?“, fragte er verwirrt.
„Adam White. Das ist locker nicht sein richtiger Name. Kein Mensch heißt Adam White. Da schwöre ich dir!“ Was mich da so sicher machte, wusste ich nicht.
„Weil Casey Nolan auch so ein viel besserer Name ist.“ Will der Stress anfangen oder so?
„Wenigstens heiße ich nicht Eden. Alter ernsthaft jetzt. Was ist Eden für ein Name . War deine Mutter während der Namensgebung bekifft?“
Eden sah ernsthaft betroffen aus. „Ey man, der Name Eden steht für Schönheit, Vergnügen und Paradies, was ich meiner Meinung nach, alles perfekt verkörpere.“
Ich lachte. „Aufjeden. Du bist das Paradies auf Erden schlechthin Eden.“
„Klar, sei mal froh, dass ich Schönheit und Vergnügen in dein Leben bringe. Die Reifen sind übrigens ok. Wir sind startklar. Lass den scheiß schnell hinter uns bringen und die Kohle einstecken. Wir haben ein Ziel man, denk dran.“
Richtig unser Ziel. Eden und ich planen schon seit wir klein waren, dass wir diesen scheiß Ort irgendwann verlassen und alles hinter uns lassen. Wir beide haben scheiß Eltern und eine harte Kindheit hinter uns, aber wir wollen hier nicht versauern. Irgendwann ziehen wir in eine Großstadt und eröffnen unsere eigene Bar. Das ist zwar ein sehr großer Traum, aber was lohnt sich das Leben, wenn man keine hohen Ziele hat, die man anfeuert? So genug davon. Auf geht’s.
Die Autofahrt wird lang. Wir waren zwar erst 15 Minuten unterwegs, aber das Ziel war noch mindestens eine Stunde entfernt. Erst herrschte Stille zwischen uns, doch ich wollte die Stille brechen.
„Weißt du was Eden? Irgendwann werden wir dieses Loch verlassen und in eine richtige Stadt ziehen. Wir suchen uns eine ehrliche Arbeit und eine schöne Wohnung. Irgendwann.“ Ich blickte Eden in die Augen und war kurz zuversichtlich, dass er was nettes erwidert.
„Casey….das war das schwulste, was du jemals gesagt hast.“ Na, falsch gedacht.
Wir beide lachten und redeten noch über irgendwelches Zeug, eigentlich redete Eden 80% der Zeit und ich blickte träumend aus dem Fenster. Es regnet und die Tropfen knallten in einem Rhythmus an die Scheibe. Ich fühle mich, als wäre ich in irgendeinem Musikvideo. Nach einer Stunde kamen wir schon an unserem Ziel an…
Wir hielten mit unserem Wagen vor dem Haus an. Es war ein großes Haus, fast eine Villa. Drei Stockwerke zeichneten sich bei diesem Haus und daneben eine Garage, in der zwei Autos standen. Das eine Auto war ein roter Ferrari und das andere eine dunkelblaue Corvette.
“Welcher Mensch hat es nötig etwas von Blackeye zu kaufen, wenn er so viel Geld hat?”, fragte ich Eden, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.
“Ist doch egal, zahlen wird er wohl nicht schlecht und das ist auch gut für uns, du weißt doch: Fünf-Prozent-Regel.”
Eden stieg aus und ich tat es ihm gleich, nahm dabei die Schachtel mit der Ware mit. Gleichzeitig gingen wir auf die weiße Tür zu. Eden betätigte die Klingel. Ein brummen ertönte, wir schauten uns an und drückten dann die Tür auf.
Wir traten in einen langen Gang, in diesem Gang waren mehrere Türen zu weiteren Räumen und am Ende des Ganges eine Treppe. Überall standen Pflanzen in großen Vasen und viele Bilder, die zwar nicht schön, aber teuer aussahen. Ich bin aber natürlich kein Kunstkritiker und habe keine Ahnung, doch in diesem Haus, wäre es nur logisch, wenn diese Bilder teuer wären.
Ein Mann kam aus einem der Räume. Er hatte kurze braune Haare, einen Vollbart und war circa mitte zwanzig. Er trug einen blauen Bademantel, welcher offen war, darunter trug er eine schlichte weiße Unterhose.
“Ich schätze Blackeye hat euch geschickt?”, sagte er und lehnte sich an den Türrahmen.
“Ja, wir sollen das abgeben.”, antwortete Eden. Der Mann nickte und zeigte uns mit einer Handbewegung, dass wir ihm folgen sollten. Wir gehorchten und folgten ihm in einen großen Raum, in der ein großer Plasma Fernseher in der Wand eingelassen war. Der Boden war voll mit Teppichen aus gedeckt und an den Wänden standen mehrere Regale mit hunderten von Büchern drinnen. Die linke Wand war komplett aus Glas und mit Wasser gefüllt, in diesem Wandaquarium schwammen mehrere Fische und durch das, was man vom Raum dahinter erkennen konnte, schloss ich, dass da die Küche sein musste. Mitten im Raum stand eine große Couch auf den zwei Jungs saßen, ich sah sie nur bis zu ihrer Brust, doch bis dahin waren sie nackt und starrten uns an, als wären wir Aliens.
Der Mann mit dem Bart, vermutlich Adam White, ging zu einem kleinen kasten neben dem Sofa, öffnete diesen und holte eine Flasche Whisky heraus. “Wollt ihr einen?”, fragte er, doch bevor wir antworten konnte schenkte er uns bereits ein Glas ein und hielt es uns hin. Wir nahmen es dankend an. “Setzt euch doch.”, sagte er dann und zeigte auf das Sofa.
Die beiden Jungs rutschten zusammen auf ein End und wir setzten uns aufs andere. Bei näherer Betrachtung viel mehr auf, dass die beiden maximal 16, vielleicht sogar erst 14-Jahre alt waren, ich wendete mein Blick von ihnen und richtete ihn auf Adam, welcher sich vor uns auf einen Stuhl hin setzte. Er hielt seine Hände zu mir und ich übergab ihm das Paket. Er blickte kurz rein und stellte es dann auf einen Glastisch neben ihm.
Er starrte uns an. Lange. So lange, dass mir langsam unwohl fühlte. Ich hatte von Blackeye gelernt, immer Augenkontakt zu den Kunden zu halten, da manche schnell sauer werden könnten. Es hatte irgendwas mit Respekt und Stärke zu tun. Ich hatte es nie verstanden, doch ich hatte das Gefühl, dass es hier angemessen war, obwohl es sehr schwer war diesen eisernen Blick stand zu halten. Eden schien keine Probleme zu haben, zumindest merkte ich, dass er ganz ruhig blieb. Wie so oft. Mein Herz schlug allerdings, so stark, dass ich Angst hatte, dass es jemand hören könnte. Schließlich ließ Adam von seinem Blick ab und nahm sein Glas Whisky und trank ein Schluck, ich und Eden taten es ihm gleich.
“Wie alt seid ihr?”, fragte er dann.
“Ich bin 18.”, antwortete Eden. “Er ist 16.”
Adam nickte. “Verstehe.”, sagte er und nahm noch ein Schluck. “Wie kommt es, dass so junge Leute wie ihr es seid, solche Arbeiten verrichtet, statt für die Schule zu lernen oder Partys zu feiern?”
“Es ist der einzige Weg an Geld zu kommen.”, antwortete Eden wieder.
Adam nickte erneut und heftete sein Blick auf mich. “16 Jahre also?”, fragte er mich.
Ich nickte nur.
“Redest nicht viel, hm?”
“Er redet nie mit Leuten, die er nicht kennt.”, antwortete Eden für mich. Er wusste es nach all den Aufträgen, die wir erledigt hatten genau. Ich redete nie mit Fremden, außer ich wurde dazu aufgefordert.
Adam schenkte Eden nur mit einem kurzen Blick Beachtung, stand dann auf und kniete sich vor mich hin. Seine Hand legte er auf mein Knie und seine Augen heftete er wieder auf meine. “Die beiden sind Joel und Henry, sie sind Zwillinge und beide 13 Jahre alt. Sie reden auch nicht mit Fremden. Du würdest gut zu ihnen passen.”, er hielt mir eine Karte hin. “Ich bin sowas wie ein Geschäftsmann. Männer, die einen… Sagen wir… Frischling wollen um mit ihnen etwas Essen zu gehen rufen mich an und ich stelle eine Verbindung zu jemanden hin, der ihren Wünschen entspricht. Manchmal verlangen sie auch mehr als ein einfaches Essen, aber da richte ich mich nach meinen Söhnen, welcher bereit ist wie weit zu gehen. Wenn ihr so dringend Geld braucht, könntest du ja für mich anfangen zu arbeiten. Du sagst mir, wie weit du gehen willst und ich stelle die Verbindung her. Natürlich kriegst du 20% von dem, was der Kunde zahlt. Joel wie viel wäre das für ein einfaches Essen?”
“Zweihundert Dollar.”, antwortete einer der Jungen.
“Zweihundert Dollar.”, wiederholte Adam. “Und das nur um mit einem älteren Herrn etwas zu essen. Was sagst du dazu?” Er hielt mir eine Karte hin. Ich nahm diese. Dort stand seine Nummer und sein Name drauf. Adam White.”
“Ich glaube, dass wir das nicht nötig haben.”, sagte Eden und stand auf. “Vielen Dank für das Getränk und das Gespräch, aber wir müssen nun leider weiter, sonst wird unser Chef wütend.”
“Natürlich, Natürlich.”, antwortete Adam und ließ nun von mir ab.
Als Eden und ich an der Haustür waren rief Adam er uns noch hinterher. “Überleg es dir Junge, du kriegst nur einmal so ein Angebot von mir.
“Oh gott, was für ein Wichser!”, sagte Eden, als wir im Auto saßen. “Wenn Blackeye uns nochmal zu so einem ekelhaften Typen schickt, will ich entweder 50% sehen oder ich mach Gulasch aus ihm!”
“Hmm…”, antwortete ich nur.
“Du denkst doch nicht ernsthaft darüber nach oder?”
“Nein, natürlich nicht. Ich… Ich hab mich nur gefragt, was diese beiden Jungen schon alles gemacht haben.”
“Das hat uns doch nicht zu kümmern, ist deren Leben. Wenn die sich gerne von alten Männern ihre Gurke in den Arsch schieben lassen wollen, dann sollen sie es doch machen.”
Damit war das Gespräch beendet und wir machten uns auf den Weg nach hause.
Ein Tag danach. Ein Tag danach und ich denke immer noch darüber nach. 200 Doller und das nur für ein einfaches Essen mit reichen alten Säcken, die nichts besseres zutun haben, als Minderjährige beim 3 Gänge Menü mit ihren Augen praktisch auszuziehen und auf eine höhere Gegenleistung zu hoffen? Das Geld ist schon verführerisch, dass muss man leider zugeben. Aber so länger ich darüber nachdenke und die Ereignisse des vergangenen Abends revue passieren lasse, desto kranker kommt es mir doch schon vor. Da steht dieser große Mann, mit nichts bekleidet, außer mit eine Unterhose und Bademantel, und bot mir an, mich prostituieren zu lassen und das für gutes Geld. Dieser Mensch hat auch keine Grenzen. Ich kriegte Gänsehaut, als ich an ihn dachte und merkte, dass ich ihn jetzt schon verabscheute. Das viele Geld hingegen ist schon verführerisch. Ich meine ja nur, nichts was ich lieber tun würde, ist es hier raus zu kommen und nie wieder zurück zu gehen. Weg von den Drogen und der Kriminalität, weg von der Gewalt weg von meinen Eltern - abgesehen davon, dass mein Vater gewaltätig ist - habe ich so kein gutes Verhältniss zu ihnen. Sie kotzen mich so an. Deswegen bräuchte ich das Geld eigentlich, aber irgendwo bleibt auch noch mein Stolz. Das ist mit unter anderem alles was ich noch habe.
“Du kannst gerne hierbleiben. Wir könnten chillen oder Filme mit Lindsay Lohan schauen” bot mir Eden an und unterbach meinen Gedankengang. Ich weiß bis heute nicht, was er mit Lindsay Lohan hat, aber es ist halt Eden. Muss man jetzt nicht direkt verstehen, tu ich auch nicht und wir kennen uns schon seit Ewigkeiten.
“Ne danke Bro, aber ich muss auch mal nach Hause. Sonst rastet meine Mom komplett aus!”
“Wie du meinst. Dann beschäftige ich mich lieber alleine mit der flotten Lindsay” ich rollte mit den Augen und wandte mich von ihm ab.
“...tu das...nur behalte die Einzelheiten das lieber für dich.”
Nach dem ich Eden verabschiedet hatte , fuhr ich auch Richtung trautes Heim. Ich parkte direkt auf der Einfahrt und stieg aus dem Auto. Unser Haus ist die bildhafte Darstellung von dem Wort “heruntergekommen”. Ich ging nicht direkt rein,sondern betrachtete das sehr kleine Einfamilienhaus noch für eine Weile. Die Hausfassade ist schon ziemlich abgebröckelt und die Farbe gleicht eher einem tiefen, hässlichen braun, als einem leichten Hellbraun, was es mal war, als alles noch gut war. Damals hatte ich noch eine normale Familie und diese Ort war auch nicht ganz so asozial, wie er heute ist. Mein Vater hatte damals einen Unfall und kann seitdem nicht mehr arbeiten. Darum stürzte er sich in Alkohol und ist seitdem ein komplett anderer Mensch. Gewalttätig war er schon immer, jedoch hatte er nie zeit, seine Aggressionen an uns auszulassen. Seit er keinen job mehr, hat er täglich nichts besseres zu tun, als alles an uns raus zu lassen. Meine Mutter ist nicht besser, zwar ist sie eigentlich ganz ok, aber ich verzeihe ihr nie, dass sie mit zugelassen hat, dass meine Vater mich und sie auch schlägt. Sie ist zu schwach und ich verabscheue Schwäche. Was soll ich noch zu meiner Mutter sagen? Ich hasse sie nicht, aber ich liebe sie auch nicht. Ich kanns nicht beschreiben, es ist einfach so, wie es ist. Ein Vogel kreischt und reißt mich aus meinen Gedanken - ich versinke oft in ihnen- . plötzlich realisiere ich, dass ich hier bestimmt schon seit 10 Minuten stehe.
Nun trat ich hinein und nur Stille belagerte den Flur. “Wahrscheinlich schläft Dad” dachte ich und hoffte kurz, dass er nicht da ist. Ich ging in die Küche und hoffte dass wenigstens meine Mum irgendwas gekocht hatte. Doch was ich vorfand, war kein Teller voller Nudeln und Tomatensauce, sondern meinen Vater, welcher auf den Boden liegt und sich nicht rührt. Sein Kopf liegt in einer Blutlache und sein Gesichtsausdruck ist nicht deutbar. Er könnte bewusstlos sein , doch insgeheim hoffte ich, dass er tot war. Selbst ich war erschrocken, von meinen Gedanken. Daneben steht meine Mom am Fenster rauchend und schaute mir tief in die Augen. Das alles ähnelte einem billigen Filmset von einem noch billigeren CSI Film.
Ich stand mitten im Raum und bewegte mich nicht, sondern schaute nur meine Mum an.
“Was habe ich verpasst?” fragte ich sie.
Ein halbes Jahr ist es jetzt her. Ein verdammtes halbes Jahr. Die Zeit verging so schnell und doch so langsam. Damals dachte ich noch, dass es nicht schlimmer werden könnte, aber naja… Karma schlägt bekanntlich gerne zurück. Genauso gern wie mein Vater.
Als ich damals nach hause kam und meinen Vater auf dem Boden liegen sah, in seinem eigenen Blut und meine Mutter seelenruhig eine rauchte, dachte ich, dass er sterben würde, dass ich bei meiner Mutter leben würde, die mich nicht schlägt und die mir vielleicht wieder Liebe zeigen könnte. Doch das war falsch gedacht. Mein Vater überlebte. Das war schon mal das erste Problem. Er zeigte meine Mutter jedoch nicht an. Die beiden trennten sich jedoch, das war wieder ein kleiner Lichtblick. Ich lebte die ersten zweieinhalb Monate bei meiner Mutter. Sie brachte Abends immer Männer mit nachhause, die sie auf den Strich kennen lernte, was nach der Trennung meiner Eltern zu ihrem neuen Beruf wurde. Diese Männer konnten durchaus jünger als sie, aber auch bedeutend älter sein, doch vor Allem waren sie eins: Gewalttätig. Sie schlugen meine Mutter, fesselten sie. Sie alle lebten ihre kranken Fantasien aus und als sie dann einen circa 40 jährigen Mann mit nahm, wurde es zu viel.
Sie musste ihm die Schuhe ablecken, bekam Tritte in den Bauch, Schläge ins Gesicht. Meine Mutter blutete und schrie vor Schmerz, als ich dann aus meinem Zimmer kam um zu sehen, was da abgeht, ging dieser Mann auf mich los. Es entstand eine riesige Rangelei, meine Mutter schubste er, so das sie mit dem Kopf auf eine Kante fiel und Bewusstlos wurde, mich schlug und trat er solange bis ich nicht mehr aufstehen konnte, dann vergewaltigte er den bewusstlosen Körper meiner Mutter. Ich schaffte es irgendwann, während er seinen kranken Vorstellung ausdruck verleih aufzustehen, holte ein Messer aus der Küche und stach ihm in den Rücken. Der Mann starb. Meine Mutter nahm alle Schuld auf sich und obwohl es genug Beweise dafür gab, dass es in Notwehr geschah, kam sie ins Gefängnis und ich zu meinem Vater.
Mein Vater trank nur noch, war täglich besoffen. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht daran erinnern, dass er überhaupt mal nüchtern war. Im Gegensatz zu meiner Mutter bekam er nicht einmal Prostituirte ab. Oft, wenn ich nachhause kam, saß er nackt auf dem Sofa und schaute sich einen Porno an. Er schickte mich dann immer mit den Worten: “Verschwinde ins Zimmer.” in mein Zimmer, ich sagte dazu nicht nein. Doch irgendwann reichten ihm die Sexfilme wirklich nicht mehr aus. Ich kam nachhause, er saß auf dem Sofa, natürlich betrunken mit einem weiteren Bier in der Hand und trug nur eine Unterhose in der man eindeutig seine Erektion sehen konnte.
“Ja, ich geh schon auf mein Zimmer”, sagte ich und machte ein paar Schritte.
“Warte.”, sagte er jedoch. Ich drehte mich zu ihm. “Komm her.”, ich bewegte mich zuerst nicht. “Loss komm jetzt.”
Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu. Er klopfte auf den Platz neben ihm. Ich setzte mich.
“Wir reden so wenig. Wir sollten mehr reden oder nicht?”, sagte er und lag einen Arm um mich und drückte meine Schulter mit seiner Hand zusammen.
“Ähm… Wieso? Passt doch so.”
“Nein, lass uns mal reden. Wie geht es Eden? Ihr seid ja jeden Tag zusammen oder nicht?”
“Ihm geht es gut.. Denke ich.”
“Das ist schön.”, es entstand eine kurze Pause, welche sehr seltsam und unangenehm war, zumindest für mich. “Sag, hast du was mit Eden? Also ich mein ein sexuelles Verhältniss?”
Ich blickte ihn verwirrt an: “Was? Nein. Wir sind nur Freunde. Wie kommst du darauf?”
“Weil ihr wirklich jeden Tag was macht. Anstatt auf Partys zu gehen und Mädchen aufzureißen, bist du bis spät in der Nacht bei ihm und ihr ‘zockt’ Videospiele. Das ist doch keine normale Freundschaft mehr.”
Seine Hand fasst mich noch fester. “Nein, Dad, wirklich nicht.”
Er nahm seinen Arm von mir, ich atmete kurz durch. “Ich glaube dir aber nicht.”, sagte er und stand dann auf. Er stellte sich direkt vor mir, so das meine Augen direkt auf Höhe seiner Unterhose waren. Ich schluckte. “Ich werde dir deine Homosexualität aus deinem Körper holen, so das du niemals wieder mit einem Typen etwas zu tun haben willst.”
An das was danach geschah will ich mich gar nicht erinnern. Aber er hat mich vergewaltigt. Ja, ich wurde von meinem eigenen Vater vergewaltigt, dazu geschlagen und aufs tiefste Gedemütigt. Nur durch eine Flasche seines Bieres, die auf dem Wohnzimmertisch stand und die ich ihm auf den Kopf schlug, konnte ich mich von dem befreien. Ich rief die Polizei und einen Krankenwagen, da er sich nicht mehr bewegte.
Ich weiß nicht, mit welcher Kraft ich auf ihn schlug, doch es reichte aus. Seine Schädeldecke war gebrochen und ein paar Splitter traten tief in sein Gehirn ein. Er verstarb nach wenigen Stunden an einer Gehirnblutung. Es wurde, nicht wie bei meiner Mutter, auf Notwehr entschieden, da ich ebenfalls von den Notärzten verarztet werden musste und wegen inneren Blutungen durch seine Schläge ins Krankenhaus kam.
Nach dem ganzen bin ich nach Eden gezogen. Er war während diesen vier Monaten für mich da. Als meine Mutter ins Gefängnis kam, nachdem mein Vater starb. Immer. Er machte mir keine Vorwürfe, er redete nicht über diese Dinge, er war einfach nur da, als mein bester Freund.
Doch mit unseren Aufträgen, die wir für Blackeye verrichten, schaffen wir es nur knapp uns über Wasser zu halten. Ich schlief die letzten zwei Wochen auf Edens Couch und hatte selber kein Geld um mir irgendetwas zu leisten. Dann sah ich, als ich aus einer meiner Hosen einen Zettel zog die Karte, die mir Adam White damals gegeben hatte.
200 Dollar, für ein einfaches scheiß Essen mit irgendeinem alten Sack. 200 Dollar, die ich mehr als nur gebrauchen könnte. Besonders für unseren Traum. Tatsächlich überlegte ich nicht lange, bis ich die Nummer in mein Handy abspeicherte und Adam eine Nachricht schrieb, dass ich sein Angebot gerne annehmen würde, wenn es noch ausstehen sollte. Er schrieb mir, dass ich am nächsten Tag vorbei kommen solle, um alles abzuklären. Ich würde kommen. Da war ich mir sicher.
Es ist schon witzig, wie man sich etwas fest vornimmt nicht zu tun und es am Ende doch macht. Lustig, was für Umstände und Ereignisse, dich dazu bringen, deine Meinung komplett zu überdenken und Sache zu tun, an die du vor Jahren nicht mal wirklich gedacht hast. Wie, als würdest du dir als kleines Kind vornehmen, nie wieder mit deiner Mutter zu reden, weil ihr euch gestritten habt. Du wirst eh wieder mit ihr reden. Mindestens in 2 Stunden. Sobald du hunger hast. Genau so fühle ich mich
Ich stehe vor der einer Tür. Schon Wieder. Diesmal auch nicht wegen einer Drogenlieferung. Ich hab eigentlich gedacht,dass ich nie wieder hier stehen würde. So einiges, ich hab mir schon so Einiges gedacht. “Ich werde nur Essen gehen….nicht mehr” nahm ich mir vor. Wenn ich nur gewusst hätte, dass das nicht in meiner Entscheidungsfreiheit liegt, wäre ich sofort umgedreht. Aber da ich es nich wusste, stande ich da noch und versuchte mich zum klingeln zu überwinden. Nach einigem Ein und ausatmen, klingelte ich auch schon. Diesmal öffnete mir der gleiche Typ, wie vor knapp einem halben Jahr.
Diesmal war er nur richtig gekleidet und nicht bloß mit Unterwäsche und Bademantel.
“Ah unser lieber ‘Ich mach den Job auf keinen FallI. Was für eine Über….ok eigentlich ist das keine Überraschung, weil wir vorher noch telefoniert haben, aber trozdem. Komm einfach rein.” er ging etwas zur seite, sodass ich eintreten konnte und ich bereute es sofort. Es sah alles noch gleich aus.
“Also ich bin Adam White, dass weißt du ja durch die Drogenlieferung bereits.”
Er reichte mir die Hand zum schütteln.
“Casey Nolan” ich nahm seine Hand an
Wir gingen danach direkt zum Wohnzimmer. Wo letzes Mal zwei Jungs saßen, saß jetzt niemand. “Bestimmt sind die gerade am arbeiten” sagte ich mehr zu mir.
Adam saß sich auf die Couch und klopfte neben sich “Komm. Sei nicht so schüchtern” Ich setzte mich dann auch nach einem kurzen Zögern neben ihn. Zwar mit Abstand zu ihm, aber ich setzte mich.
“So erstmals, wieso meldest du dich erst jetzt? Ein Halbes Jahr später? Was hat jetzt deine Meinung geändert?” Adam nervte mich jetzt schon.
“Das geht dich n scheiß Dreck an” spuckte ich zurück. “Ich bin nur hier um mit netten reichen Opis essen zu gehen. Nicht mehr!”
Adam lachte. Ich persönlich fand das jetzt nicht so lustig. “Keine Sorge Cas -Ich darf dich doch Cas nennen oder? Bestimmt darf ich das- du musst nichts machen, was ich will. Nur nett sein” Ich hatte ein schlechtes Gefühl. Warum habe ich nicht auf mein Gefühl gehört damals?
Als Adam merkte, dass ich nicht antworte, redete er weiter.
“Du bekommst einen Kunden und mit diesem Kunden musst du nur Zeit verbringen. Ob es Essem ist oder Segeln und es sind nicht nur alte Opis. Auch viele junge Geschäftsmänner sind unsere Kunden.” wow das beruhigt mich sogar ein wenig, aber völlig überzeugt bin ich noch nicht. “Ich verstehe einfach nicht, wieso jemand zahlen würde, um mit mir Essen zu gehen.” Wenn jemand unbedingt mit mir essen gehen wollte, konnte er nett fragen...oder das Essen bezahlen.
“Einfach aus Langeweile. Reiche Menschen haben Langeweile und viel Geld. Und das viele Geld wollen sie ausgeben für Gesellschaft. Sie wollen zeigen, dass sie so mächtig und reich sind, dass sie sogar Menschen kaufen können. Aber wie gesagt, außer Essen muss nichts laufen. Alles ganz seriös.” Adam stand auf und holte irgendwas, ich glaubte das war ein Vertrag.
“Unterzeichne einfach den und probiere es. Du hast das Recht, zu kündigen, wenn es dir nicht gefällt. Vertrau mir. Ich bin der nette Adam White aus der Nachbarschaft.”, er reichte mir den Stift und zeigte mir, wo ich unterschreiben musste. In diesem Moment, ging mir soviel durch den Kopf. Eden. Meine Mutter und Vater und der Traum, den Eden und ich immer noch haben. Ich entschloss mich dazu zu unterschreiben. Ich kriegelte unten rechts meinen Namen hin und legte den Stift weg. “Was soll schon schiefgehen?”
Alles, alles wird schiefgehen. Hätte ich doch einfach den Vertrag gelesen, oder wenigstens das Kleingedruckte.
“Super!” Adam freut sich darüber, als hätte er irgendwas gewonnen. “Jetzt brauche ich nur noch deine Personalien und weitere Informationen wie deine Telefonnummer.” ich gab ihm alles und somit war es jetzt sicher. Ich war eingestellt.
“Ich rufe dich an, wenn es was zu tun gibt. Hier einen Vorschuss” er holte seine brieftasche heraus und legte mir 150 Dollar auf den Tisch. “Danke.”, sagte ich und nahm das Geld. Als ich draußen war und mir eine Kippe anzündete, bereute ich in diesem Moment meine Entscheidung kein bisschen. Vielleicht lag das daran, dass die süßen 150 Scheine mich anlächelten.
Texte: Nuxxy Tigerbear & Caro Smann
Cover: by Nuxxy Tigerbear
Tag der Veröffentlichung: 27.12.2017
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