Cover

Leseprobe

Wissenschaftsthriller

DIE

NANOLITHOGRAFIE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thomas Biehlig

 

 Die Nanolithografie

 

Wissenschaftsthriller

 

-Leseprobe-

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag

T. Biehlig Media

Kontakt:

biehlig@gmx.net

 

Text © by Thomas Biehlig, D-24111 Kiel

Erscheinungsdatum: Januar 2015

Version 2.0

Foto© GraphicCompressor - Fotolia.com

 

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweiser Nachdruck, sowie der elektronischen Wiedergabe und Übersetzung sind vorbehalten. Bitte helfen auch Sie mit und schützen das Urheberrecht.

 

ISBN 978-3-00-040778-9 (ePub)

Create Space ISBN-13: 978-1499375336

 

 

Im Internet

www.nanolithografie.com

 

 

 

Das Buch

 

Marc Jansen arbeitet beim Unternehmen Technology News Research als Spezialist für Halbleitertechnologie. Während er für die auf internationales Patentrecht spezialisierte Kanzlei von Victor Navarro eine Marktanalyse für Netzwerkchips erstellt, erfährt er, dass der für seine Arbeiten im Bereich der Quanteninformatik und Halbleiterphysik berühmte Wissenschaftler Orlando Lopez tot in einem Kanal in Bangkok gefunden wurde. Angeblich hat er eine wissenschaftliche Sensation mit in sein nasses Grab genommen.

Als Marc Jansen unverhofft ein Angebot von der Kanzlei Navarro für eine direkte Zusammenarbeit bekommt, bietet sich plötzlich für ihn die Möglichkeit, sein bis dahin eher langweiliges Leben, schlagartig zu ändern. Der erste Auftrag an dem er mitarbeiten soll, besteht ausgerechnet darin, für ein internationales Konsortium zu recherchieren, an welcher vermeintlichen Entdeckung Lopez bis zu seinem Tod gearbeitet hat.

Kurzentschlossen kündigt Marc seinen Job und willigt ein. Für den Auftrag wird ihm als Partnerin die geheimnisvolle Südamerikanerin Lana de Vries an seine Seite gestellt. Es beginnt ein bizarres Wettrennen um die angebliche Entdeckung von Lopez. Der Strudel, in den Marc und Lana geraten, besteht aus Mord, Korruption und Intrigen und reicht bis in die höchsten Schaltstellen der internationalen Mächte.

 

 

Der Autor

 

Thomas Biehlig, Jahrgang 69, wohnt und arbeitet in der Nähe von Hamburg. Als Dipl.-Betriebswirt arbeitete er jahrelang im technischen Einkauf für namhafte Industriekonzerne. Mit dem Wissenschaftsthriller "Die Nanolithografie" verbindet Thomas Biehlig berufliches Fachwissen und komplexe technologische Fragestellungen auf unterhaltsame Weise zu einer spannenden Thrillerhandlung. Dieses Buch ist sein Debüt.

Die Veröffentlichung eines zweiten Buchs ist in Arbeit. Das Buch wird wieder ein brisanter Hightech-Thriller mit aktuellem Hintergrund. Die Story wird an die der „Nanolithografie“ anknüpfen!

Im hinteren Teil des Buches befindet sich ein Glossar. Weiterführende Informationen finden Sie außerdem unter

 

www.nanolithografie.com.

 

 

 

Das „Who’s who“ im Buch

 

Technology News Research in Hamburg

Marc Jansen: Held der Geschichte, Marktspezialist für Hableitertechnik

Rolf Behrendt: Inhaber

Sebastian: Kollege von Marc

Teresa: Kollegin von Marc

 

Die Kanzlei Navarro

Victor Navarro: Inhaber der Kanzlei Navarro in Bogota

Lana de Vries: Heldin der Geschichte, Spezialistin für angewandte Nanotechnologie

Martin Keller: Arbeitet in der Berliner Niederlassung und ist Jurist

Marieta Brandt: Victors linke und rechte Hand in der Berliner Niederlassung

Roman Wlazlo: Ist in Berlin Spezialist für Halbleiterelektronik

Alexander Hellwig: Allrounder in Berlin

Kerry: irischer Sicherheitsspezialist in Berlin

Franco Martinez: Sicherheitschef der Kanzlei weltweit

Carlos Marquez: Japanische Außenstelle von Victors Kanzlei, Sondereinsätze

Raoul: Persönlicher Assistent von Victor in Bogota

Andre: Koch und Personalfragen rund um das Hauspersonal in der Karibik

Angelo: Bootsmann, zweiter Koch und Waffenspezialist

Rolfo: Garten-, Haus- und Sicherheitstechnik in der Karibik

Esmeralda: Haushälterin in der Karibik

Florence und Vivien: Hausmädchen in der Karibik

Lian: Sein Unternehmen arbeitet als Dienstleister für die Kanzlei Navarro und löst weltweit heikle Situationen

Leon Kulikow: Mitarbeiter des Konsortiums aus Russland

Pedro Ruíz: Mitarbeiter des Konsortiums aus Brasilien

Taji: Südafrikanischer Sicherheitsmann in der Karibik

Josef und Ole: IT Spezialisten der Kanzlei

 

Weitere Akteure

Orlando Lopez: Spezialist für Quanteninformatik, arbeitete am Massachusetts Institute of Technology (MIT)

Julia Schmidt: Freundin von Marc und Mitarbeiterin der Agentur Hummel in Hamburg

Yoo Xianghong: Arbeitet beim AICD (Asiatisches Institut für Chipdesgin) in Bangkok und ist Spezialist für Chipdesign.

Keserci: russischer Wissenschaftler-Spezialist für Quanteninformatik

Sven: Bester Freund von Marc, arbeitet im Mediengeschäft

Elena: Freundin von Sven

Volker Freising: Mitinhaber des Unternehmens C+F Electronics, Hauptberuf: Sohn

Der „Alte“ Freising: Patriarch

Jagran Ebrahimi: Geschäftsführer des Unternehmens First Tronic in Indien

Vera Sweta: Arbeitet für die Kanzlei Marquard, Russin

Karl Marquard: Chef und Mitinhaber der Kanzlei Marquard & Partner in Berlin und Moskau, internationale Anwaltskanzlei

Charles Cunningham: Inhaber des amerikanischen Risikokapitalgebers Venture Capital Group VC7

Klaus: Sicherheitschef bei den Freisingers

Herr Xu: taiwanesischer Verhandlungsführer von Dazuhuang

Blackstone: General

Rahi a Har Bashi: Der Inder arbeitet für First Tronic in Bangalore

 

Die Unternehmen der Halbleiterindustrie

First Tronic: US Unternehmen mit einer Niederlassung in Indien

Dazuhuang: taiwanesisches Konglomerat

Shimondo: japanisches High Tech Unternehmen

Microntec: Produziert Halbleiter und Chips in Bangkok

Kim Young: aus zwei wird eins

KPN: aus zwei wird eins

KMC: kann mit Geld zaubern

C+F Electronics: ehemals Advanced Technologies

Spin Tec: Spezialist für Speichertechnologie

 

Sonstige Unternehmen

Firestone u, First Move: Beratung und Entwicklung

Dreibach u. Partner: Detektei aus Hamburg

Agentur Hummel: Eventagentur in Hamburg, Julias Arbeitgeber

DCG Ltd.: Unternehmen aus China

 

Anmerkung

Alle Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig. Einige Orte, Produktbezeichnungen und technische Verfahren, die im Buch verwendet werden, gibt es tatsächlich. Sollte ich etwaige Rechte an einem Namen, einer Bezeichnung, eines Verfahrens o. ä. missachtet haben, geschah es unwissentlich. Ich bitte um eine entsprechende Benachrichtigung.

 

 

Vor vier Wochen

 

 

Lopez hockte knietief im Fäkalienschlamm eines Abwasserkanals in Bangkok. Er hörte kaum etwas anderes als das monotone Dauerprasseln des Monsunregens. Neben ihm schwamm der Unrat der Megamillionenstadt. Über ihm befanden sich ein altes Metallgitter, links und rechts dreckige Betonwände. Sollte das sein letzter Anblick auf Erden sein, ein alter, faulig stinkender Kanalschacht?, fragte er sich, als er seine Verfolger wieder ausmachen konnte. Dabei hatte alles so gut begonnen. Als Wissenschaftler beim berühmten Massachusetts Institute of Technology leitete er eine eigene Forschungsabteilung für Quanteninformatik. Ziel seiner Abteilung war es, einen Computer zu entwickeln, der auf Basis sogenannter QBits in der Lage wäre, komplexe Rechenoperationen auszuführen. Ein Nebenprodukt seiner Forschung war dabei die Schaffung einer Verbindung in die bisherige, alte digitale Welt der Nullen und Einsen.

Irgendwann war ihm jedoch alles entglitten. Seine Familie, seine Freunde und sein Job. Anfangs lockte ihn die Aussicht auf viel Geld. Er sollte dafür nur gewisse Informationen weiterleiten und ab und zu sein Expertenwissen einbringen, natürlich parallel zu seinem eigentlichen Forschungsauftrag. Wer seine Auftraggeber waren, interessierte ihn zunächst nicht, solange die Bezahlung stimmte und der Aufwand erträglich war. Doch die Dinge änderten sich im Laufe der Zeit und er wurde erpresst. Ihm wurde damit gedroht, dass seiner Familie etwas angetan werde, falls er nicht wie gewünscht abliefere. Das ging sogar so weit, dass er Kollegen ausspionieren und einschüchtern sollte, um an das gewünschte Know-how zu kommen. Er war in einen Teufelskreis geraten, ohne auch nur den Hauch einer Chance zu entkommen.

Jäh wurde er in seinen Gedanken unterbrochen, als er die Stimmen seiner Verfolger hörte, die versuchten, den Geräuschpegel des Starkregens zu übertönen. Sie suchten ihn, den Verräter.

Dann hörte er Schritte über sich. Vorsichtige Schritte, aber das quatschende Geräusch nasser Schuhe verriet ihm, dass sie ihm verdammt dicht auf den Fersen waren. Er war extra nach Thailand geflogen, um sich unauffällig am Rande einer Fachkonferenz für Chipdesign mit einem Vertreter des US-Kongresses zu treffen. Er wollte aussteigen; sein altes Leben zurück. Er wollte alles einfach nur noch beenden, sich jemandem anvertrauen. Aber es kam anders. Während er auf der Terrasse des luxuriösen Hotels „Riverside“ wartete, um sich mit seinem Kontakt zu treffen, sah er auf einmal den Lauf einer Pistole in der Nacht aufblitzen. Geistesgegenwärtig sprang er in den dunklen, trüben Fluss. Dort schwamm er, so schnell er konnte, und nutzte dabei die leichte Strömung am Ufersaum. Zu seinem Pech hatten die Verfolger blitzschnell reagiert, und nicht nur starke Taschenlampen für die Suche parat, sondern auch ein Boot und mehrere Männer, die offenbar vor nichts zurückschreckten. Ihm gelang es gerade noch, sich rechtzeitig in einen der zahlreichen Abwasserkanäle zu flüchten, bevor ihn die Scheinwerfer des Bootes erfassten. Unglücklicherweise gelang es seinen Verfolgern trotzdem, ihn über Land, auf dem Uferweg zu verfolgen. Er ahnte instinktiv, dass er jetzt nur noch wenige Möglichkeiten hatte, am Leben zu bleiben. Eine Option wäre es, tiefer in den Abwasserkanal zu waten. Eine andere, zu versuchen, den Fluss halb tauchend und halb schwimmend komplett zu überqueren. Wenn nur nicht das Boot wäre, dachte er völlig verzweifelt. Er überlegte gerade fieberhaft, was er noch tun könnte, als ihn unverhofft ein extrem starker Wasserschwall aus dem Kanalinneren erfasste und ihn mit in Richtung Flussmitte riss. Panisch schlug er mit seinen Armen wild um sich, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Nach gefühlten fünf Minuten im reißenden Strom schaffte er es endlich, wieder nach Luft zu schnappen. Ein erster Blick verriet ihm, dass er an dem Boot vorbei war und zu einem guten Drittel den Fluss überquert hatte. Da die Oberflächenströmung allerdings in Richtung Flussmitte immer stärker wurde, übermannte ihn jetzt auch noch die Angst, er könnte einfach ertrinken. Nie wieder der stinkenden Kloake entkommen, sich in dem Müll verfangen, der überall trieb, oder von den Booten, die immer noch recht zahlreich fuhren, überfahren werden.

Seine Gedanken rotierten, seine nasse Abendgarderobe behinderte ihn und zog ihn immer wieder unter Wasser. Er merkte, wie seine Kräfte anfingen nachzulassen und er suchte nach etwas, an dem er sich festhalten konnte. Dann tanzten auf einmal wieder die Scheinwerferlichter seiner Verfolger auf der Oberfläche. Nur noch wenige Meter und sie würden ihn sehen. Dann war es zu spät. Ein starker Lichtstrahl erfasste ihn. Die Motorengeräusche des Bootes kamen unweigerlich näher. Verzweifelt mobilisierte er die letzten Kräfte und schwamm abermals um sein Leben. Er hörte seine Verfolger schon aufgeregt rufen, dann war das Boot bei ihm. Er spürte, wie ihn ein Bootshaken an seinem Sakko erwischte und ihn immer näher an das Boot zerrte. Er hatte keine Chance zu entkommen und ließ sich beinahe willenlos heranziehen. Seine Verfolger packten und hoben ihn mit starken Armen aus dem Wasser. Brutal schleuderten sie ihn auf das Deck und begannen, ihn mit Fußtritten und Faustschlägen zu traktieren. Er krümmte und wand sich, aber es gab keine Deckung. Nachdem er fast bewusstlos geschlagen wurde, sagte ein Mann mit einer guten englischen Aussprache: „Genug! Wir müssen wissen, wem er möglicherweise noch etwas verraten hat.“

„Alles klar O…ähhh, Boss meine ich“, entgegnete eine zweite Stimme und sie ließen von ihm ab. Stattdessen wurde er mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt und sie stopften ihm einen alten, nach Öl und Benzin schmeckenden, nassen Lappen in den Mund. Ihm tat alles weh und er vermochte sich nicht mehr zu bewegen, so stark waren seine Schmerzen. Er hörte noch, wie einer der Männer fragte: „Boss, wollen wir in den alten Schuppen?“ Dann wurde der Motorenlärm so stark, dass nichts anderes mehr zu hören war.

Nach einer kurzen Fahrt legten sie schließlich an einem alten, verlassenen Steg an und Lopez wurde wie ein Sack aus dem Boot gehievt und in einen dunklen Schuppen geschleift. Dort schmissen sie ihn zu Boden. Als das Licht anging, versuchte Lopez einen Blick auf seine Peiniger zu erhaschen, aber er war einfach zu geschwächt, um sich umzudrehen. Dafür hörte er wieder den gebildeten Mann: „Ich glaube, er ist reif zum Reden. Fesselt ihn an den Pfeiler und verbindet ihm die Augen!"

Danach sprach ihn der Mann, den sie als Boss bezeichneten, zum ersten Mal direkt an: „Lopez, was haben Sie sich bloß dabei gedacht? Dachten Sie tatsächlich, dass Sie einfach so aus unserer Organisation aussteigen könnten? Wir haben Sie gewarnt, aber Sie wollten ja nicht hören. Jetzt bekommen Sie die Konsequenzen zu spüren.“

Er lachte schäbig und trat Lopez mit einem gezielten Karatetritt plötzlich mitten ins Gesicht. Es krachte heftig und Blut spritzte in Fontänen aus seiner zerschmetterten Nase.

„Hoppla“, sagte der Mann. „Ich glaube, das war jetzt zu viel des Guten. Aber eine Chance wollen wir ihm noch geben.“

Lopez spürte, wie ihm der Knebel aus dem Mund gerissen wurde und ihn jemand hochzog.

„Wenn du uns noch etwas mitteilen willst, dann tu es jetzt, vielleicht lassen wir dich dann am Leben!“

Lopez versuchte krampfhaft etwas zu sagen, aber mehr als ein klägliches: „Icccchhh … „, brachte er nicht hervor und seine Stimme erstarb in einem erneuten Schwall aus Blut, das sich nun ungehindert seinen Weg ins Freie gesucht hatte. Aber es war zu spät. Sein Nasenbein hatte sich so tief in sein Gehirn gebohrt, dass er nicht mehr in der Lage war, sich zu artikulieren.

Inzwischen hielten ihn nur noch die Fesseln aufrecht und vor lauter Schmerzen schwanden ihm bereits die Sinne.

„Rede endlich!“, forderte der Mann erneut und schüttelte ihn. Abermals hagelte es Faustschläge und Fußtritte, doch er brachte keinen Ton mehr hervor.

Lopez bemerkte, wie er sich vollpisste. Das Letzte, was er spürte, war das etwas Warmes an seinem Hals herunterlief und alles so klang, als sei es in Watte gepackt.

„Ich glaube, der hat genug, der wird nie wieder reden“, sagte der Mann und zückte eine Pistole. Er trat einen schnellen Schritt zurück, zielte mit der Pistole auf den Kopf von Lopez und drückte ab. Dann sagte er lapidar zu seinen Männern: „Schafft ihn weg, ich erstatte inzwischen Bericht.“ Er holte sein Handy hervor, drückte eine Taste und meldete sich: „Unser Freund wird nicht mehr reden. Auftrag erledigt.“

 

1

 

 

Dieses verfluchte Telefon, dachte Jansen. Eigentlich war er in seinen Gedanken schon im Feierabend. Leicht genervt ging er an das Telefon.

„Marc Jansen - Technology News Research.“

Am anderen Ende der Leitung war Victor Navarro, Inhaber der gleichnamigen Kanzlei und ein bedeutender Kunde für das Unternehmen.

„Hallo Marc. Gut, das ich dich noch erreicht habe. Es geht um die Marktanalyse bezüglich der Netzwerkchips. Ich wollte mich über den aktuellen Stand der Dinge informieren. Wie du weißt, brauchen wir deinen Bericht so schnell wie möglich.“

Zu seinem Pech musste Jansen eingestehen: „Die Bearbeitung wird wohl noch ein oder zwei Tage dauern. Ich warte noch auf fehlende Informationen.“

Mit eindringlicher Stimme antwortete Victor: „Marc, es ist wirklich dringend. Mein Mandant kann nicht länger warten. Es geht um sehr viel Geld und um wichtige Entscheidungen. Bis übermorgen um 12 Uhr brauche ich den Bericht, schaffst du das?!“

„Ich werde dafür sorgen, dass wir den Termin halten. Du kannst dich auf mein Wort verlassen.“

„Sehr gut. Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann. Falls es wider Erwarten doch noch Probleme geben sollte, ruf mich bitte umgehend an, okay?“

„Alles klar, dann bis übermorgen, Ciao.“

„Verdammt“, schimpfte Jansen leise vor sich hin und beschloss, nach Hause zu gehen. Mittlerweile war es nach 18 Uhr und er war schon seit kurz vor acht Uhr morgens im Büro. Er konnte jetzt auch nur noch abwarten. Doch als er seine Jacke nehmen wollte, fiel ihm siedend heiß ein, dass er vergessen hatte, Julia anzurufen. Eigentlich wollte er sich mit ihr heute Abend treffen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, dachte er und wählte ihre Nummer.

Leicht beleidigt meldete sich Julia am anderen Ende der Leitung. „Hast du mal wieder vergessen, mich anzurufen? Ich habe schon gedacht, dass du gar nichts mehr von dir hören lässt!“

Mist, dachte Jansen, während er versuchte, Julia zu beschwichtigen. „Ich hatte einen nervigen Tag. Eigentlich müsste ich jetzt noch arbeiten. Lass uns doch gegen sieben im „El Sarmiento“ treffen, immerhin haben wir heute mal schönes Wetter und es ist noch warm. Dort können wir noch im Garten sitzen und was essen, einverstanden?“

Mit leicht mürrischem Unterton erwiderte Julia: „Ich werde versuchen, pünktlich zu sein“, und legte auf.

Endlich raus hier, dachte Jansen. Im nächsten Augenblick saß er in seinem Auto und drehte den Zündschlüssel um. Während er sich darauf konzentrierte, im dichten Feierabendverkehr von Hamburg rechtzeitig zur Verabredung zu kommen, hörte er Radio. Im aktuellen Beitrag ging es darum, dass die internationale Wirtschaft sich zunehmend besorgt darüber zeigte, dass in einigen Ländern internationale Abkommen hinsichtlich Patenten und Urheberrechten offensichtlich missachtet wurden. In China wurden massenhaft Raubkopien von urheberrechtlich geschützten Softwareprogrammen, CDs und Filmen hergestellt und verkauft. Um ein Zeichen zu setzen, hatte die chinesische Regierung zugesagt, dies künftig zu unterbinden. Die Herstellung und Verbreitung sollte streng bestraft werden. Als Beweis, dass China es ernst meinte, wurden über eine Million Raubkopien sichergestellt und vernichtet. Weitaus dramatischer seien aber die Folgen von internationaler Wirtschaftsspionage. Hier gäbe es den größten Handlungsbedarf. Als gravierendes Beispiel wurden die Folgen von einem Hackerangriff auf einen großen Autobauer erläutert. Danach folgte noch ein kurzer Beitrag über den weiteren Verlauf der Tagung der WTO. Jansen widmete sich unterdessen der lästigen Parkplatzsuche. Gegen 19 Uhr erreichte er das „El Sarmiento“, ging schnurstracks durch das Lokal hindurch und stand vor der Kulisse eines gut besuchten Biergartens. Zu seiner Erleichterung war noch ein Tisch frei. Der Kellner kam auch sofort und nahm seine Bestellung entgegen. Eine Karaffe offenen Weißwein mit zwei Gläsern bestellte er vorsorglich und widmete dann seine Aufmerksamkeit dem bevorstehenden Treffen.

Julia, diese Frau ist ein echtes Laster, dachte er. Trotzdem konnte, oder wollte er nicht aufhören, sich mit ihr zu treffen. Seine letzte Beziehung lag immerhin schon über ein Jahr zurück. Die vergangenen zwei Monate mit ihr hatten verdammt viel Spaß gemacht. Insbesondere ihre Art und Weise zu leben, imponierte ihm. Obwohl sie ebenso wie er im kalten Norden groß geworden war, hatte sie südländisches Temperament im Blut, mitsamt den mitreißenden Lebensgewohnheiten. Er hingegen zählte sich zu den leicht unterkühlten, typisch wortkargen norddeutschen Bewohnern dieser Region. Während er seinen Gedanken über Julia nachhing, kam der Kellner plötzlich an den Tisch und brachte den Wein. Er war froh, endlich den trüben Büroalltag hinunterspülen zu können. Gerade als er zum ersten Schluck ansetzen wollte, spürte er Julias Arme um sich. Sie hatte sich unbemerkt dem Tisch genähert. Diese Frau macht mich noch wahnsinnig, dachte Jansen.

„Ich hoffe, du hattest trotz meines verspäteten Anrufs einen schönen Tag. Ich habe schon mal eine Karaffe Wein bestellt.“

Julia antwortete nur kurz: „Danke, wie immer“, und machte sich über den Wein her.

„Zum Wohl“, sagte er und guckte ihr dabei tief in ihre dunkelbraunen, mandelförmigen Augen.

Sie winkte nur müde ab und sagte: „Du kannst dir nicht vorstellen, was heute wieder im Job los war. Bin ich froh, dass endlich Feierabend ist. Wir haben so schönes Wetter. Kurz vor Feierabend kam mein Chef noch zu mir. Er fragte tatsächlich, ob ich nicht bis morgen die Präsentation für eine geplante Ausstellung beenden könnte. Als ich entgegnete, dass das unmöglich zu schaffen sei, sagte er nur, dass ich sie bis morgen Abend fertig haben müsste, keine weitere Diskussion. Tolle Aussichten für morgen, aber jetzt bin ich hier, und wir können uns einen netten Abend machen.“ Beim letzten Satz lächelte sie.

„Das schaffst du schon“, versuchte er sie zu aufzubauen.

„Außerdem essen wir jetzt erst einmal was, das hilft bestimmt.“

Während sie die Karte studierten, zündete Jansen sich eine Zigarette an und fragte sich, ob er sich das Essen überhaupt leisten könne. Gerne würde er Julia einladen, aber er war wie immer pleite. Doch das wollte er natürlich nur ungern ihr gegenüber zugeben. Spontan beschloss er, das Geld an irgendeiner anderen Stelle einzusparen. Im nächsten Augenblick machte er sich über seine finanziell angespannte Situation auch schon keine Sorgen mehr. Da inzwischen die erste Karaffe Wein leer war, bestellten sie noch einen halben Liter mit dem Essen zusammen. Als sie das Restaurant verließen, waren sie bereits leicht angetrunken. Sie hatten beschlossen, zu Julia in die Wohnung zu fahren, noch eine Flasche Wein zu trinken und den Abend dort ausklingen zu lassen. Während der Fahrt zu Julias Wohnung freute Jansen sich auf die gemeinsame Nacht. Er spürte, wie ihn eine Welle der Erregung bei diesen Gedanken durchfuhr. Nach scheinbar endloser Parkplatzsuche ging er erwartungsvoll in Richtung Julias Wohnung.

Sie wartete bereits auf ihn und fragte spöttisch: „Wieder mal nur im Halteverbot einen Parkplatz gefunden?“

„Und wenn schon“, murmelte er. Während sie die Treppen hinaufgingen, bewunderte er das vor ihm im engen Kleid auf und ab wippende atemberaubende Hinterteil von Julia. Endlich in der Wohnung angekommen, öffneten sie sich eine Flasche Wein und machten es sich auf ihrem riesigen Futon bequem. Es dauerte nicht lange und sie wälzten sich eng umschlungen auf dem Bett. Seine Hände wanderten über ihren Körper und suchten Hautkontakt. Ihre sommerliche Kleidung sorgte dabei überall für leichten Zugang. Mit vor Erregung zittrigen Fingern begann Jansen, Julia das Kleid auszuziehen. Das geöffnete Kleid offenbarte dunkelblaue, knapp geschnittene Dessous. Sie stöhnte wohlig, als er ihr den Slip abstreifte. Nach einer kurzen Nacht wachte er gegen sieben Uhr auf und spürte ihren nackten Hintern an seinen Oberschenkeln.

Er blickte auf den Wecker und fluchte. „So ein Mist, eigentlich wollte ich schon fast im Büro sein.“

Schnell sprang er auf und ging in das Bad, um sich fertigzumachen.

Als er gegen 8:15 Uhr in der Firma eintraf, herrschte dort bereits wieder der gewohnte Ausnahmezustand.

Dynamisch schmiss er seine Jacke über den Besucherstuhl. Als erste Tat am Morgen holte er sich einen Kaffee aus der Küche.

Im selben Augenblick kam sein Kollege Sebastian um die Ecke. Mit einem überschwänglichen „Guten Morgen“, begrüßte er Jansen.

„Hallo Sebastian, alles klar bei dir? Du wirkst so aufgedreht, gibt’s was Neues?“, erwiderte er und goss sich Kaffee in den Becher.

„Nein, aber das Wetter ist gut und wir haben gestern unseren Urlaub gebucht. Wir fliegen für drei Wochen nach Mauritius.“

Etwas neidisch schüttete Marc sich Milch in den Kaffee. „Das klingt wirklich toll, nachher musst du mir mehr erzählen. Ich muss jetzt dringend den Bericht für Victor fertigstellen. Du weißt schon, den über die Netzwerkchips.“

„Ich weiß. Du sollst übrigens unbedingt einen Yoo in Thailand zurückrufen. Er hat offenbar entscheidende Neuigkeiten für deine Anfrage.“

„Danke, das werde ich jetzt auch umgehend erledigen. Wir sehen uns später.“

Jansen schaute auf seine Uhr. In Thailand war es jetzt ungefähr 17Uhr, genügend Zeit, um Yoo zurückzurufen. Kaum lief sein Rechner, klingelte allerdings das Telefon. Der Nummer nach zu urteilen, musste das Yoo sein. Er hob ab und meldete sich mit: „Marc Jansen.“

Am anderen Ende meldete sich Yoo mit ernstem Tonfall: „Hi, Marc. „Ich habe mir bezüglich deiner Anfrage nur Probleme eingehandelt. Der Markt für die speziellen Netzwerkchips ist relativ überschaubar. Die Marktteilnehmer kennen sich. Es war sehr schwierig, etwas herauszubekommen. Es herrscht ein Zustand des allgemeinen Misstrauens. Alle haben Angst davor, Marktanteile zu verlieren. Das unternehmerische Risiko in solchen Märkten ist exorbitant hoch. Ein Flop, und das betreffende Unternehmen kann Insolvenz anmelden. Die Entwicklungskosten für derartige Chips sind sehr hoch. Du kennst die Probleme. Eine Sache gibt es trotzdem, die interessant ist. Ein Wissenschaftler vom MIT ist tot aus einem Kanal in Bangkok gefischt worden. Vorher war er vier Wochen verschwunden. Offiziell hat er an der Entwicklung von Quantencomputern geforscht. Aber die ersten funktionierenden Quantencomputer stecken noch in den Kinderschuhen. Keiner weiß etwas Genaues. Angeblich hat er nebenbei etwas herausgefunden, um eine neue, noch schnellere Generation von Chips herstellen zu können. Aber technologisch gesehen ist das meiner Meinung nach zurzeit noch in völliger Ferne.“

„Das klingt ziemlich spannend Yoo, aber einen Zusammenhang mit der Recherche für die Netzwerkchips sehe ich zunächst noch nicht. Oder weißt du noch mehr?“

Am anderen Ende herrschte kurzes Schweigen, bevor Yoo antwortete: „Ich hatte Glück, ein ehemaliger Kollege äußerte mir gegenüber, dass es Gerüchte im Markt gibt. Es heißt, die setzen die Arbeit von dem toten Wissenschaftler im Verborgenen fort. Da der Markt sehr transparent ist, musste das notwendige Equipment über Strohmänner und Scheinfirmen eingekauft werden. Denen ist dann wohl ein Fehler unterlaufen. Dort gab es wohl eine undichte Stelle. Allerdings sind das alles Spekulationen. Niemand würde es beschwören.“

Plötzlich war Jansen hellwach und antwortete nur kurz: „Vielen Dank, Yoo. Ich melde mich morgen wieder. Erzähl bitte niemandem von der Geschichte. Wir müssen uns vorher absichern, die Angelegenheit könnte eine sehr große Tragweite bekommen. Bis dann.“

Nervös kippelte er auf seinem Stuhl und steckte sich eine Zigarette an. Was könnten sich daraus für Konsequenzen ergeben? Wer könnte dahinter stecken? Gedankenversunken schaute er dem Rauch seiner Zigarette hinterher.

Plötzlich steckte Sebastian seinen Kopf durch die Tür: „Der Chef will dich sehen, sofort.“

„Gibt’s was Besonderes?“, fragte Jansen noch, aber Sebastian war schon wieder weg. Ausgerechnet jetzt, dachte er und beschloss, vorläufig niemandem etwas von dem Telefonat mit Yoo zu erzählen. In manchen Fällen konnte es sehr hilfreich sein, alles gut zu überdenken. Häufig musste man sich unbequemen und auch dummen Fragen aussetzen. Und sein Chef war auf diesem Gebiet zu trauriger Berühmtheit gelangt. Erst gab er vor, alles zu verstehen und stellte dann im nächsten Augenblick eine Frage, die an Blödheit nicht zu übertreffen war.

Auf dem Weg zum Chefbüro kam ihm seine Kollegin Teresa entgegen. „Hi, wie geht’s?“ begrüßte er sie. Mit einem Lächeln im Gesicht musterte er nebenbei ihren kurzen, mit einem Blumenmuster bedruckten Rock. Der Inhalt war nur knapp verborgen.

„Hallo, Marc“, grüßte sie zurück. „Gut, wir haben gestern Abend gegrillt. War ein netter Abend, wenn auch etwas kurz. Ich war leider erst um acht Uhr abends zu Hause. Ich musste Überstunden schieben.“

Eigentlich sollte ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben, dachte Jansen. Ich bin gestern Abend einfach gegangen. Stattdessen grinste er blöd und antwortete: „Bin gerade auf dem Weg zum Chef, weißt du, was er für eine Laune hat?“

Sie lachte kopfschüttelnd und ging weiter. Kurze Zeit später saß er Rolf Behrendt, seinem Chef und gleichzeitigem Inhaber von Technology News Research gegenüber. „Marc, ich möchte wissen, wie es mit dem Bericht von Victor Navarro aussieht?“ Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, stand Rolf auf und fing an, ihn zu umkreisen, wie ein Adler seine Beute.

„Ich habe ihm zugesagt, dass ich ihm bis morgen um 12 Uhr den fertigen Bericht schicke „, erwiderte Jansen. „Ich habe dir bereits im Vorfeld jedes Detail erklärt und du fandst den Aufbau und meine Zwischenergebnisse in Ordnung.“

Unwillkürlich musste er dabei an seine Theorie bezüglich der Kompetenz seines Chefs denken. Er fragte sich, wann wohl eine der berühmten Fragen käme, die diese Theorie untermauerte.

„Hattest du nicht in deinem Bericht erwähnt, dass der Preis für die Netzwerkchips am Fallen ist?“, bohrte Rolf nach.

Er erinnerte sich offenbar nicht daran, dass sie festgelegt hatten, ein Szenario mit Einschränkungen hinsichtlich des Leistungsspektrums darzustellen. Bei dieser Low Cost Variante würde der Mandant von Victor nicht von dem sehr hohen Preisniveau, wie es bei den topaktuellen Chips üblich ist, profitieren. So hatte er es auch mit Einverständnis seines Chefs dargestellt, dachte er sich.

„Ich will wissen, warum dann in diesem Zeitungsbericht steht, dass die Preise für Computerchips weiter anziehen. Du schreibst genau das Gegenteil, warum?“

Um seiner Frage Nachdruck zu verleihen, wedelte er mit einer Ausgabe der CT vor seinen Augen herum.

Das war die Frage, die seine Theorie bestätigte. Der Chef hatte das Thema nicht verstanden, und er merkte es noch nicht einmal. Diese Frage disqualifizierte ihn eindeutig. „Rolf, es ist doch ganz logisch, dass die Preise im unteren Leistungssegment dieser Chips am Fallen sind. Wenn Victors Mandant einfache Chips für den Massenmarkt produzieren will, dann werden die sich in einem Markt wiederfinden, in dem ein enormer Margendruck herrscht und sich viele Anbieter tummeln. Die beiden Marktführer hingegen bringen fast im Jahrestakt eine neue Generation ihrer Chips auf den Markt. Entwicklung kostet Geld, dass lassen die sich natürlich bezahlen. Das habe ich eindeutig dargestellt. Natürlich müssen die sich überlegen, wie sie sich positionieren wollen. Starke Preisschwankungen gehören beinahe zum Tagesgeschäft. Wenn der Kunde beabsichtigt eine eigene Produktionslinie für Chips aufzubauen, dann muss er nicht nur eigene Lieferanten qualifizieren, sondern bindet sich auch an deren Technologie. Am Ende heißt es, wir sind schuld, wenn die mit den Preisen nicht wettbewerbsfähig sind. Ich empfehle denen, genau aus diesem Grund, bei der Wahl des Lieferanten für die Basistechnologie, sehr gründlich vorzugehen. Nur dann werden sie es schaffen sich nachhaltig, mit einer eigenen Produktion, im oberen Segment zu positionieren. Als zweite Option gibt es meiner Meinung nach nur die Möglichkeit, sich einen OEM-Partner zu suchen. Dieser Punkt war doch klar abgesprochen für den Bericht“, erwiderte Jansen und wartete auf die Antwort.

„Dann ist ja alles okay. Wir müssen unsere Strategie genau abstimmen. Bevor du den Bericht verschickst, will ich ihn aber gegenlesen. Du weißt, dass die Kanzlei Navarro ein sehr wichtiger Kunde für uns ist. Die bezahlen sehr viel Geld für diesen Bericht. Immerhin arbeitest du schon seit zwei Monaten daran. Du musst es wirklich rechtzeitig schaffen. Es liegt in deinen Händen. Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid“, knurrte Rolf, setzte sich wieder und trank einen Schluck Kaffee.

„Keine Angst, eigentlich ist der Bericht fertig. Du kannst ihn heute Abend haben, um ihn gegenzulesen. Ich muss nur noch den letzten Punkt, das Resümee, schreiben. Ich habe gerade eben mit einem Informanten telefoniert, endlich habe ich wirklich alles im grünen Bereich. Morgen bekommt er seine Auswertung“, antwortete Jansen inzwischen leicht genervt und zündete sich eine Zigarette an.

„Okay, ich vertraue dir. Dann erwarte ich nachher den vollständigen Bericht.“

Zurück in seinem Büro bemerkte Marc, dass eine Telefonnotiz an seinem Monitor klebte.

Bitte umgehend Victor auf Handy anrufen! Teresa.

Was könnte er noch wollen, wir hatten gestern Abend doch alles geklärt, dachte Jansen. Dann hingen seine Gedanken wieder bei dem Telefonat mit Yoo. Zu allem Übel merkte er inzwischen auch das vergessene Frühstück. Er beschloss, sich vom Bäcker belegte Brötchen und einen Salat zu holen. Das würde seine Gedanken bestimmt ordnen. Wenn das stimmte, was Yoo berichtet hatte, könnte dies für erhebliche Unruhe im Markt sorgen. Egal, aus welchem Blickwinkel er die Informationen betrachtete, es erschien ihm rätselhaft. Gibt es auf dem Markt nicht ständig Gerüchte, warum also sollte er etwas davon in seinem Bericht erwähnen? Ohne Beweise und konkreten Bezug zur eigentlichen Aufgabenstellung sicherlich ein vermeidbares Risiko, das die fachliche Qualität seiner Arbeit torpedieren könnte. Auf den Weg zum Bäcker beschloss er schließlich, kein Wort davon in seinem Bericht zu erwähnen.

Während Marc beim Bäcker in der Schlange stand, um sich Brötchen zu kaufen, saß Victor Navarro in seinem Hotelzimmer im Hamburger Hotel „Alsterhof“ gemütlich auf der Couch und trank einen Becher Tee. Eben hatte er mit seinem Auftraggeber telefoniert und die letzte Bestätigung für den Plan erhalten. Er ahnte, dass die Durchführung des Auftrags an einem äußerst heiklen Punkt angekommen war. Gleichzeitig überlegte er, wie Marc wohl auf das Angebot reagieren wird? Nachdenklich klappte er den Monitor seines Laptops auf und ließ ihn hochfahren. Der Laptop piepte ein paar Mal, bis er bereit war, die Arbeit aufzunehmen. Er klickte sich mit der Maus zielsicher durch die Menüführung, bis er das gewünschte Dokument gefunden hatte. Die Datei trug den Namen „Angebot Jansen“ und sollte das Leben von Marc nachhaltig verändern.

Marc hingegen biss gerade in das zweite Brötchen und bekleckerte dabei seinen Schreibtisch. Fluchend wischte Jansen den Tisch sauber und wählte noch kauend die Nummer von Victor.

Als Victor die Nummer von Jansen auf seinem Display sah, stellte er seinen Tee zur Seite und meldete sich mit einer routiniert professionellen Stimme: „Victor Navarro.“

„Hallo, Victor, Marc Jansen, was gibt es? Meine Kollegin Teresa hat mir ausgerichtet, dass ich mich dringend bei dir melden soll.“

Kühl antwortete Victor: „Marc, wir müssen uns heute Abend treffen. Ist dir halb acht im Hotel „Alsterhof“ recht. Ich warte an der Bar auf dich.“

Jansen reagierte verblüfft, überlegte kurz: „Ist was Besonderes passiert, geht es um den Bericht?“

„Nein, nicht direkt. Bitte komm heute Abend in das Hotel. Erzähle niemandem von unserem Treffen. Erst recht nicht jemandem aus deiner Firma. Um den Bericht kümmern wir uns später. Kann ich mich auf deine Verschwiegenheit verlassen?“

„Natürlich“, antwortete er, und überlegte, was der Hintergrund des Treffens sein könnte. Außerdem hatte er nicht damit gerechnet, dass Victor in Hamburg war. Normalerweise hielt er sich in seinem Büro in Berlin auf oder besuchte Mandanten in aller Welt. Und jetzt will er sich ausgerechnet mit mir treffen, so plötzlich, und dann noch in Hamburg.

„Bis dann“, sagte Victor knapp und legte auf.

Jansen überlegte. Was wusste er eigentlich über diesen Victor Navarro, warum diese Geheimniskrämerei? Er hatte Victor bisher zwei Mal getroffen. Beide Male waren er und Rolf dort, um Projekte zu besprechen oder Aufträge an Land zu ziehen. Er konnte sich noch gut an das erste Treffen erinnern. Damals informierte Rolf ihn, dass er mit nach Berlin fahren solle. Ein Neukunde hätte ein Projekt im Bereich Elektronik. Er sei schließlich der Spezialist für so etwas. Victor wurde ihm als Anwalt vorgestellt. Im Auftrag von verschiedenen Unternehmen organisierte und verwaltete er deren Patente und die Einhaltung der Patentrechte. Für das Unternehmen Technology News Research war Victor Navarro mit seiner Kanzlei damals ein hochgehandelter Kunde, mit großem Umsatzpotenzial. Nur ungern erinnerte er sich an die Geschichte als Rolf und er gemeinsam mit dem Auto nach Berlin gefahren waren, um Victor als Kunden zu akquirieren. Sie hatten bereits einen Vertragsentwurf in der Tasche. Wie immer war der Erwartungsdruck sehr hoch. Er fühlte sich damals unwohl und war hundemüde. Sie verfuhren sich in Berlin und kamen zu spät zum Termin. Rolf bekam fast einen Herzinfarkt vor Aufregung. Er behauptete, dass alles seine Schuld war, weil er als Beifahrer nicht in der Lage war, den Fahrer genügend zu unterstützen. Als sie damals endlich ankamen, standen sie vor einer alten Stadtvilla im Ostteil der Stadt. Das Büro stellte sich mit nur drei Angestellten als sehr klein heraus. Eine davon war offenbar seine Sekretärin. Victor entpuppte sich als kleiner, elegant gekleideter, leicht korpulenter, südländischer Mann um die fünfzig. Während des nachfolgenden Meetings erzählte Victor, dass er hauptsächlich ausländische Mandanten hätte und sein Stammsitz eigentlich in Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens, sei. Die Niederlassung in Berlin sei nur eine von weltweit zehn. Er lebe von Empfehlungen und seine Kanzlei sei im internationalen Maßstab eher klein. Man konnte Rolf die Enttäuschung ansehen. Er hatte sich die Kanzlei von Victor offenbar völlig anders vorgestellt. Seine Umsatzziele zerplatzten wie Seifenblasen. Unabhängig von dem zu erwartenden Umsatzfand Jansens den südamerikanischen Mann sympathisch. Er war froh über die lockere Atmosphäre, die Victor verbreitete. Als Victor ein gemeinsames Mittagessen vorschlug, konnte man Rolf ansehen, dass er genervt war. Victor hatte den Vertrag noch nicht unterschrieben. Der erhoffte Umsatz war in weite Ferne gerückt. Zu ihrer damaligen Überraschung wählte Victor dann ein sehr edles Restaurant und lud sie zum Essen ein. Anschließend fuhren sie wieder in Victors Büro. Er unterschrieb den Rahmenvertrag mit einem Lächeln im Gesicht. Rolf war daraufhin glücklich und schrieb sich den Erfolg auf seine Fahne. Zwei Tage später kam der verabredete Anruf von Victor. Das erste gemeinsame Projekt konnte starten. Als Projektleiter und Key Account Manager wurde Marc beauftragt. Das war der Anfang. Heute, fast zwei Jahre später, hatte er den achten oder neunten Auftrag abgewickelt. Ohne besondere Vorkommnisse. Selbst der aktuelle Auftrag war eigentlich Routinearbeit.

Jäh wurde Jansen aus seinen Gedanken gerissen. Sebastian stand an seiner Bürotür und fragte: „Kommst du mit zum Mittagessen, wir wollen rüber zum Italiener?“

Jansen schaute auf die Uhr, halb eins: „Leider habe ich keine Zeit, außerdem war ich schon beim Bäcker.“

Dann tippte er den Bericht für Victor zu Ende, ohne die Geschichte von Yoo zu erwähnen. Wozu unnötig Staub aufwirbeln? Es gab immer irgendwelche Gerüchte. Die meisten erwiesen sich am Ende als völlig harmlos oder schlicht als falsch, dachte er sich. Gegen 16 Uhr konnte er schließlich den Bericht zu Rolf schicken. Da dieser offenbar nur darauf gewartet hatte, wurde er prompt von ihm in sein Büro gerufen und sie schauten noch einmal gemeinsam den Bericht durch. Gegen 18 Uhr war Rolf mehr als zufrieden und schickte Marc in den Feierabend. Er beschloss, zu Hause noch eine kurze Dusche zu nehmen und sich umzuziehen. Es war den ganzen Tag ziemlich heiß und er fühlte sich verschwitzt.

Gegen halb acht traf er in der Bar des Hotels ein. Die Bar war bis auf wenige Gäste leer und er erblickte Victor sofort. Kein Wunder, dachte Jansen, wer sitzt bei so einem Wetter hier drinnen und betrinkt sich. Da muss man ja Depressionen bekommen.

Victor winkte Jansen zu sich herüber und begrüßte ihn freundlich. „Hallo, Marc, schön, dass du kommen konntest. Setz dich, oder wollen wir woanders hingehen? Hast du vielleicht eine Idee? Ich habe Hunger. Wie du weißt, kenne ich mich in Hamburg nicht so gut aus. Du kommst doch von hier, oder?“

Jansen überlegte schnell und antwortete: „Hi, Victor, nett dich wiederzusehen. Lass uns in das Restaurant „Elbblick“ gehen. Dort kann man auf einer verglasten Dachterrasse sitzen und die Elbe mit den vorbeifahrenden Schiffen bewundern. Außerdem genießt die Küche einen hervorragenden Ruf für ihre Fischgerichte.“

Victor grinste, stand auf und wies die Kellnerin an, die Rechnung über seine Zimmernummer abzukassieren und ein Taxi zu rufen. Als sie draußen waren, meinte Victor: „Marc, ich habe dich nicht ohne Grund treffen wollen. Es geht nicht nur um den Auftrag, den du gerade für mich bearbeitest. Gibt es deiner Meinung nach auf dem gesamten Markt für Computerchips etwas besonders?“

Jansen dachte kurz nach und erwiderte: „Nein, wenn ich etwas erfahren hätte, was für den Auftrag relevant gewesen wäre, hätte ich dich natürlich sofort davon in Kenntnis gesetzt.“

„Die Situation hat sich inzwischen verändert. Mir liegen Informationen vor, dass irgendetwas gerade auf diesem Markt passiert. Allerdings weiß keiner, um was es sich handelt. Ich wurde damit beauftragt, die Wahrheit über das Gerücht herauszufinden. Dafür brauche ich dich.“

Jansen schluckte und überlegte. Was wusste Victor wirklich? Wer stand hinter diesem Mann? Neugierig fragte Jansen: „Warum hast du dann gesagt, dass dieses Treffen unter uns bleiben soll? Am Ende muss ich Rolf doch alles berichten. Ich meine, wenn du mich damit beauftragen willst, die Recherche zu vertiefen.“

„Ich will dir ein Angebot unterbreiten. Warst du jemals selbstständig? Du kannst ab sofort nur noch für dich arbeiten und ich werde dein erster Auftraggeber sein. Du kannst deine Fähigkeiten gezielter und lukrativer einsetzen. Mit deiner Marktexpertise im Bereich Halbleitertechnologie, deinem Netzwerk und deiner Persönlichkeit bist du für mein Projekt genau der Richtige.“

Nun wusste Jansen nicht, was er sagen sollte und stotterte schließlich: „Das klingt sehr interessant. Und wie soll das funktionieren?“

„Ich habe einige Papiere vorbereitet. In diesem Koffer befinden sich ein Laptop und einige Unterlagen. Guck dir die Dokumente und die darin genannten Dateien genau an. Im Wesentlichen ist dort alles geregelt. Dein erster Auftrag wird, wie ich bereits erwähnte, die Suche nach der Wahrheit sein, die hinter dem Gerücht steht. Mein Mandant ist bereit, dafür sehr viel Geld auszugeben. Dafür erwartet er absolute Diskretion und saubere Recherche. Der Auftrag ist nicht ungefährlich. Du musst wissen, auf wen und auf was du dich einlässt. Da sitzen Leute, die auch vor einem Mord nicht zurückschrecken. Der Einsatz, mit dem dort gespielt wird, ist sehr hoch. Allerdings gehe ich davon aus, dass wir die Informationen bekommen, ohne dass die es merken. Den Rest erledigen dann andere. Wir brauchen nur die richtigen Informationen. Ich habe bereits einige Hinweise erhalten. Damit können wir beginnen.“

Das Taxi kam. Während der kurzen Fahrt schwiegen sie. Nachdem Victor das Taxi bezahlt hatte, wies Marc ihm den Weg. „Links über die Treppe geht es direkt zu der Dachterrasse.“

Sie hatten Glück und fanden einen freien Tisch. Schweigend studierten sie die Karte, bis Victor auf die Uhr sah und sagte: „Marc, du bist selbstverständlich mein Gast. Bestellst du mir bitte die 23 als Vorspeise und als Hauptgang die 221? Such dir aus, was du magst und bestell eine Flasche Weißwein dazu. Ich muss dringend telefonieren.“

In Marcs Kopf herrschte inzwischen Verwirrung. Als der Kellner kam und nach der Bestellung fragte, orderte er zerstreut einfach eine Flasche „Hauswein- weiß und trocken“, ratterte Victors gewählte Nummern runter und bestellte sich pragmatisch das „Original hanseatische Labskaus Menü“.

Er ahnte noch nicht, dass seine bislang geheim gehaltenen Informationen, etwas mit dem Auftrag zu tun haben könnten. Er war gespannt auf das Angebot und auf die Informationen, die Victor hatte. Er hoffte allerdings, sich nicht sofort entscheiden zu müssen. Er beschloss, auf alle Fälle eine angemessene Bedenkzeit auszuhandeln. Seine Blicke wanderten über die Elbe. Ein riesiger mit Containern beladener Frachter fuhr Richtung offenes Meer an dem Restaurant vorbei. Jansen kam sich gegenüber dem Schiff klein vor. Er überlegte, wo das Schiff wohl das nächste Mal vor Anker gehen würde. Afrika, Asien oder Holland? Fernweh überfiel ihn plötzlich. Das Angebot könnte dieses Bedürfnis befriedigen, dachte er sich. Kurze Zeit später hörte er die Wellen gegen die Uferbefestigung schlagen. Dann fuhren ein kleiner Schlepper, sowie ein mit Touristen vollgestopfter Ausflugsdampfer, der die übliche Runde einer Hafenrundfahrt drehte, vorbei. Musik war zu hören. Offenbar war die Stimmung an Bord ausgelassen. Im gleichen Augenblick kam Victor zurück. Sein Gesicht war ernst und er wirkte leicht aufgeregt.

„Marc, ich habe eben noch einen wichtigen Hinweis erhalten. Du musst unbedingt mit einsteigen. Wir brauchen dich. Du wirst den Koffer nachher mit nach Hause nehmen, dir alles in Ruhe überlegen und mir zusammen mit dem Bericht bis morgen Mittag 12 Uhr Bescheid sagen. Falls deine Antwort positiv ist, müssen wir so schnell wie möglich zuerst nach Thailand.“

Im selben Augenblick kam der Kellner mit den Vorspeisen und Jansen bemerkte seinen Hunger. Nach dem hervorragenden Essen fuhren sie zurück in das Hotel und Victor bat Jansen, noch einen Moment mit auf sein Zimmer zu kommen. Als sie in seinem Zimmer saßen, sagte Victor: „Deinen Bericht wirst du morgen früh wie gewohnt an meine E-Mail-Adresse schicken. Ich bestätige den Erhalt. Dann steht deiner Kündigung nichts mehr im Weg. Du wirst Rolf sagen, dass du ein Angebot einer anderen Firma angenommen hast und darum bittest, mit sofortiger Wirkung gekündigt zu werden. Solltest du zu dem Angebot „Nein“ sagen, dann trennen sich hier unsere Wege. Das Angebot hat es dann nie gegeben. Vernichte die Unterlagen in dem Koffer, den Rest kannst du dann behalten“

Jansen verabschiedete sich und fuhr nach Hause. Seine Gedanken kreisten um den Koffer und Victors Worte. Er konnte es kaum erwarten, zu Hause anzukommen, um den Inhalt des Koffers zu sichten.

In seiner Wohnung holte er sich schnell ein Bier und setzte sich mit dem Koffer an seinen Schreibtisch. Dann zündete er sich eine Zigarette an und öffnete den Koffer. Darin befanden sich ein Laptop sowie ein handelsüblicher hellbrauner DIN-A3-Umschlag. Der Umschlag war prall gefüllt mit Papieren und Bargeld. Außerdem befand sich ein weiterer verschlossener Briefumschlag mit der Aufschrift „Angebot Jansen“ zwischen den Papieren. Diesen öffnete Jansen als Erstes und begann, den Inhalt zu lesen. Er konnte kaum glauben, was er las. Victor hatte anscheinend alles von langer Hand vorbereitet und überließ nichts dem Zufall. Er sollte eine halbe Million Dollar bekommen, wenn er den Auftrag annahm und er erfolgreich endete. 150.000 $ als Anzahlung lagen für ihn in Berlin bereit. Dort würde er auch weitere Instruktionen erhalten. Sollte er sich entscheiden, das Angebot nicht anzunehmen, gehören ihm die beigefügten 10.000 Dollar und der Laptop. Selbstverständlich hatte er die Verpflichtung zu schweigen und die Unterlagen zu vernichten, da die weiteren beigefügten Unterlagen und Dateien den bisherigen Stand der Ermittlungen wiedergaben und den Auftrag beschrieben. Der Gedanke an das viele Geld machte ihm die Entscheidung leicht. Was würde er tatsächlich verlieren? Eigentlich wäre es nur Schade um seinen guten Job als Angestellter in der mittleren Führungsebene in einer kleinen, aber sehr renommierten Firma. Dagegen sprach allerdings, dass es finanziell gesehen bei ihm nur Dauerkrisen gibt. Eine halbe Million Dollar würden ihm Einiges ermöglichen, wovon er schon immer geträumt hatte. Er könnte vielleicht weg aus Hamburg? Vielleicht mit Julia? Bis jetzt gab es für ihn keinen Grund, das Angebot abzulehnen. Gespannt las er die weiteren Unterlagen und stellte fest, das Yoo recht hatte. Leider hatte Victor auch nur wenige konkrete Hinweise, außer denen, die er bereits selbst von Yoo bekommen hatte. Der Wissenschaftler Orlando Lopez vom MIT war vor ca. vier Wochen verschwunden und dann vor einigen Tagen in einem Kanal in Bangkok als Leiche wieder aufgetaucht. Ferner hatte die ganze Angelegenheit, augenscheinlich relativ wenig mit herkömmlichen Chips für Netzwerke zu tun. Es ging um eine angebliche Entdeckung, die der ermordete Wissenschaftler gemacht haben sollte. Offiziell hatte er versucht, einen Quantencomputer zu entwickeln. Die Aussage entsprach der von Yoo. Auch in Victors Unterlagen wurde resümiert, dass die Wissenschaft dafür noch am Anfang stehe. Es gäbe noch viele Probleme, die zurzeit technologisch nicht zu lösen seien. Dann fiel ihm im Umschlag ein fotokopierter Artikel aus der „Science“ ins Auge. Gespannt begann er mit der Lektüre. Er beschrieb die Arbeitsweise eines Quantencomputers und befasste sich zudem mit der Arbeit des toten Wissenschaftlers. In dem Artikel wurde beschrieben, dass die Quantenmechanik im Alltagsleben im Bereich der Halbleiterphysik eine herausragende Rolle spielt. Mittels der Quantenmechanik wird versucht, das Verhalten von Atomen zu erklären. Als praktisches Beispiel wurde die Grenze bei der Miniaturisierung von Transistoren auf Leiterplatten bzw. in Computerchips herangezogen. Für diese hochintegrierten Schaltungen galt zurzeit das „Mooresche Gesetz“, nach dem Gründer der Halbleiterfirma Intel, Gordon Moore, benannt. Es besagt, dass sich die Zahl der Transistoren auf einen Chip alle 18 Monate verdoppelt. Waren Ende der sechziger Jahre die kleinsten integrierten Schaltungen noch ca. 5 Mikrometer groß, finden sich in modernen Prozessoren inzwischen 40- 80 Nanometer kleine Schaltungen. Viele Millionen dieser mikroskopisch kleinen Schalter lassen sich auf der Fläche eines Fingernagels unterbringen. Die Technik dazu ist die Fotolithografie. Allerdings wird diese Technik in spätestens sieben bis zehn Jahren an ihre Grenzen stoßen. Genaues wusste keiner. Auch die Arbeit von Lopez schien laut des Artikels, daran nichts zu ändern. Die Sache hatte aber dem Anschein nach viel Staub aufgewirbelt. Dann fand Jansen noch weitere Zeitungsausschnitte aus der Washington Post, der New York Times, der Frankfurter Allgemeinen und aus irgendeiner südamerikanischen Zeitung. Inhaltlich enthielten sie in etwa das Gleiche. Zunächst gab es keine Spur von dem Wissenschaftler. Er verschwand vor gut einem Monat. Sein Arbeitgeber war das berühmte Massachusetts Institut for Technology. Eine amerikanische Eliteuniversität mit Weltruf. Die Universität war bekannt für ihre bahnbrechenden Entdeckungen in verschiedenen Disziplinen. Aus ihr gingen viele Nobelpreisträger hervor. Das MIT erklärte, dass seine Arbeit am Quantencomputer zum überwiegenden Teil Grundlagenforschung sei. Von einem Durchbruch konnte noch keine Rede sein. Das merkwürdige Verschwinden von Orlando Lopez konnte sich niemand erklären. Am allerwenigsten konnte man sich erklären, warum seine Leiche später in einem Kanal in Bangkok wieder auftauchte. Die polizeilichen Ermittlungen liefen, hieß es. Konkrete Hinweise gäbe es keine, die Polizei aus Bangkok ginge zurzeit verschiedenen Spuren nach. Jansen kam sich beim Lesen der Fachartikel ziemlich dumm vor. Er verstand kaum etwas, außer dass noch andere Prototypen sogenannter Quantenrechner existierten. Dieser Ausblick beruhigte ihn. Für ihn handelte es sich vorläufig um Science-Fiction, aber irgendetwas musste einen Bezug zur Gegenwart aufweisen, jedenfalls was die Sache mit dem toten Wissenschaftler anbelangte. Dann überlegte Jansen weiter. Was verband Victor mit dem toten Lopez? Was hatte Lopez mit diesem Gerücht zu tun? Was für eine Rolle soll ich spielen? Der Wissenschaftler ist ermordet worden. Wer steckt dahinter? Hat das eine, mit dem anderen überhaupt etwas zu tun? Er trank einen großen Schluck Bier und steckte sich erneut eine Zigarette an. Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Eine halbe Million Dollar und seine Neugier gaben schließlich jedoch den Ausschlag für seine Entscheidung. Er würde das Angebot annehmen. Aber nur, wenn er den Zeitpunkt des Ausstiegs selbst bestimmen könnte. Sein Leben wollte er auf gar keinen Fall aufs Spiel setzen. Nur wie kann ich dabei nützlich sein?, fragte er sich. Er überlegte weiter. Seine Stärke war sein Wissen um verschiedene Technologien im Bereich Elektronik und um die Märkte. Er konnte die richtigen Fragen stellen. Außerdem hatte er Beziehungen. Wusste Victor auch über seine ganz eigene Art von Ehrgeiz Bescheid? Dass es sich bei seinem Ehrgeiz um reinen Überlebenstrieb handelte? Dass er Schulden hatte und jede Art von Arbeit annehmen musste, weil er dringend Geld brauchte? Obwohl er sich inzwischen als renommierter Berater international einen Namen gemacht hatte, empfand er arbeiten nie als Lebensaufgabe. Auch sah er keine wirkliche Befriedigung in seiner Arbeit. Er arbeitete, um zu überleben. In seiner Freizeit spielte sich sein wirkliches Leben ab. Manche behaupteten sogar, dass er in seiner Freizeit zu häufig Partys oder irgendwelche Kneipen besuchte, aber das störte ihn nicht. Und dann waren da noch seine Frauengeschichten. Aber das war jetzt alles Vergangenheit. Seit zwei Monaten hatte er eine lockere Beziehung mit Julia. Diese wollte er ausbauen. Mit ihr könnte es klappen. Und jetzt das Angebot. Was soll ich ihr sagen? Geschäftsreise von unbestimmter Dauer? Oder vage Andeutungen über das Angebot einstreuen? Ihr die Tragweite dessen erklären? Das Beste wird sein, ihr von einer Geschäftsreise nach Asien zu erzählen. Ihr von unterwegs Bescheid zu geben, wie lange es dauern wird. Ansonsten überlegte er, was er am morgigen Tag Rolf sagen sollte und wie er wohl reagieren würde.

In seinem Kopf malte er sich die Situation aus: „Hallo, Rolf, ich wollte dir nur meine Kündigung zur Unterschrift geben. Ich möchte mit sofortiger Wirkung kündigen. Was bietet ihr mir an?“

Dann würde Rolf aufgeregt in seinem Büro hin und her laufen und ihm erzählen, dass er ihm vertraut habe und ein so kleines Unternehmen wie seines auf jeden guten Mitarbeiter angewiesen ist. Vielleicht würde er ihm sogar eine Gehaltserhöhung anbieten. Er freute sich nicht wirklich auf das Gespräch mit Rolf und guckte auf die Uhr. Zwei Uhr morgens. Jansen merkte auf einmal wie müde er war und trank sein mittlerweile zweites Bier in einem Zug leer. Doch als er im Bett lag, kreisten seine Gedanken. Er fand erst morgens um halb vier Schlaf.

Den Wecker hatte er sich auf acht Uhr gestellt. Präzise versuchte dieser dann seinen Besitzer zu wecken. Um viertel nach acht Uhr schaffte Jansen es dann leicht verkatert und übermüdet aufzustehen, um sich unter die Dusche zu begeben. Nach einer kurzen, aber erfrischenden Dusche klarten seine Gedanken langsam auf. Er gönnte sich sogar ein kleines Frühstück, nur um noch einmal alles zu überdenken. Im Grunde genommen war ihm total flau im Magen, er bekam sogar fast Angst vor seiner eigenen Courage.

Um sich seiner Entscheidung sicher zu sein, beschloss er spontan Julia anzurufen, um wenigstens mit jemanden einmal darüber gesprochen zu haben. Entschlossen griff er zu seinem Handy und wählte ihre Nummer.

Nach gefühlten fünf Minuten Wartezeit hörte er endlich ihre Stimme:„ Hallo Marc, wie geht es Dir? Was gibt es so früh am Morgen?“

„Hallo Julia, gut dass ich dich erreicht habe. Kannst du gerade frei sprechen?“

„Ja kein Problem, aber was ist denn so wichtig? Du klingst so aufgeregt?“

Dann erzählte er ihr in groben Zügen von einem Projektauftrag, bei dem er spontan einspringen soll. Das er zunächst nach Thailand müsse, wie es dann aber weitergeht und wie lange, wisse er nicht, aber das es um ein großes, internationales Beschaffungsprojekt geht, bei dem er als Berater engagiert werden würde.

Schließlich rückte er mit der ganzen Wahrheit raus: „ Julia, um es kurz zu machen, dass Angebot ist sehr gut, eigentlich habe ich mich bereits dazu beschlossen, es anzunehmen, aber ich hoffe, dass du meine letzten Zweifel zerstreuen kannst. Außerdem habe ich dich gerne und wir sind zusammen, deshalb wollte ich dich mit in die Entscheidung einbinden. Vielleicht bin ich dann ein paar Wochen unterwegs und wie es im Anschluss von dem Projekt weitergeht, weiß ich noch nicht.“

Am anderen Ende der Leitung war erst einmal Stille, dann hörte er Julia stöhnen: „Oje Marc, damit überfällt du mich jetzt wirklich. Es ist total lieb von dir, dass du dir so viele Gedanken über uns machst, aber ich will dir nicht Weg stehen. Ich habe dich auch lieb, deshalb möchte ich, dass du glücklich bist. Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Job. Wenn du wieder da bist, haben wir doch genügend Zeit für uns. Wir könnten ja heute Abend noch deinen Abschied feiern. Lass dir was Nettes einfallen und ruf mich nachher nochmal an, okay?“

Marc fühlte sich auf einmal spürbar leichter, eine Last war von seinen Schultern genommen: „Julia, ich bin so froh, dass du den Weg mit mir gehen willst. Ich melde mich dann nachher wegen heute Abend. Sorry, aber jetzt muss ich dringend los ins Büro, hab dich lieb, bis dann.“

Schnell packte er seine Sachen und stürmte aus seiner Wohnung. Gegen halb zehn erreichte er schließlich das Büro. Nachdem er als Erstes Victor den Bericht geschickt hatte, schrieb er seine Kündigung und ging mit gemischten Gefühlen damit in Rolfs Büro. Einerseits war er guter Dinge und fühlte sich jetzt schon befreit von dem grauen Büroalltag bei Technology News Research, anderseits wusste er genau, was er Rolf zu verdanken hatte und wie er reagieren würde. Wie erwartet, reagierte Rolf aufgeregt und war stocksauer.

Seine Kündigung passte ihm nicht und kam ihm zu überraschend. „Marc, wieso willst du kündigen? Ich verstehe das nicht. Ich habe immer versucht, fair zu sein und bin auf deine Wünsche eingegangen. Außerdem hast du hervorragende Arbeit geleistet. Ich brauche dich hier.“

Das Ganze war Marc schon fast peinlich. Immerhin hatte Rolf ihm damals tatsächlich geholfen und ihm eine Chance gegeben. Dass Rolf manchmal unter Druck stand und er als Inhaber sicherlich auch eine Menge Probleme hatte, war ihm bewusst. Aber jetzt ging es um seine Zukunft. Da musste er hart bleiben. „Ich weiß das alles, aber bitte lass mich gehen. Ich möchte im Guten hier rauskommen. Ich hoffe, dass das für dich in Ordnung ist?“

„Nein, aber du kannst natürlich gehen. Ich kann dich ja nicht gegen deinen Willen festhalten. Übergib deine laufende Arbeit Sebastian und sprich dich mit ihm ab. In der Zwischenzeit sage ich im Personalbüro Bescheid. Du musst einen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Wir bieten dir eine sofortige Kündigung ohne Abfindung an. Du verzichtest auf sämtliche evtl. Ansprüche. Außerdem bekommst du ein gutes Zeugnis. Ich erwarte aber persönlich, dass du in nächster Zeit anrufst und von dir hören lässt. Du gehst doch hoffentlich nicht zur Konkurrenz?“

„Nein“, erwiderte Jansen kurz, „ich habe einen Beratervertrag für ein internationales Beschaffungsprojekt bekommen. Der Vertrag ist sehr gut dotiert und das Projekt für mich eine spannende Herausforderung. Mehr darf ich nicht sagen, aber ich werde mich melden.“

„Also gut, dann viel Erfolg, obwohl ich es wirklich nicht in Ordnung finde, dass du von jetzt auf gleich kündigst. Du hättest mir mal was sagen sollen. Du wusstest doch sicherlich schon länger was davon?“

„Nein, sonst hätte ich dich doch eher informiert.“

Okay, da du es offenbar so eilig hast, lass uns mit der Übergabe beginnen. Ich hole Sebastian dazu. In der Zwischenzeit bringst du die Unterlagen, die wichtig sind, aus deinem Büro hierher.“

Punkt zwölf rief Jansen Victor an und bestätigte, dass er das Angebot annehme.

Victor freute sich merklich. „Willkommen an Bord, bitte fahr morgen nach Berlin Grunewald, in die Kanzlei. Versuch gegen 14:30 Uhr da zu sein. Du wirst erwartet“, sagte er noch rasch. Dann musste er sein Flugzeug erwischen.

Gegen vier trug Jansen seine privaten Sachen aus dem Büro. Zuvor hatte er sich von allen persönlich und via E-Mail verabschiedet. Er schmiss seine Sachen ins Auto und fuhr mit einer fast unanständig guten Laune nach Hause. Er hatte es sogar noch geschafft über das Internet kurz entschlossen ein Zimmer in einem ruhigen Hotel direkt an der Ostseeküste zu buchen, um mit Julia einen schönen Abschied feiern zu können. Sie hatten sich für 17:30 Uhr bei Marc verabredet. Damit blieb ihm noch genügend Zeit, um ein paar Kleinigkeiten für ein Picknick am Strand zu besorgen, sowie eine Decke und Kleidung bzw. Hygieneartikel für die Nacht einzupacken. Da Julia mittlerweile für spontane Übernachtungen einiges an Kleidung und Badezimmerequipment bei ihm hinterlegt hatte, packte er die Sachen einfach mit in die Tasche. Pünktlich um 17:30 Uhr kam Julia. Kurz vor sieben erreichten sie bereits den Hotelparkplatz und starteten zunächst mit einem Strandspaziergang. Abendessen wollten Sie dann in dem Hotel und Restaurant „Brodtner Ufer“. Schnell schnappte Jansen sich den gepackten Rucksack und sie bummelten engumschlungen los. Jansen erwähnte nicht, dass er dort ein Zimmer für die Nacht gebucht hatte. Unterwegs fanden sie einen ruhigen Strandabschnitt in einer kleinen Bucht. Julia breitete die mitgebrachte Decke aus, während Jansen die Flasche Wein öffnete und dazu eine Auswahl italienischer Mandelkeksvariationen auspackte. Dann ließen sie ihre Blicke über das tiefblaue Meer schweifen. Sie genossen die Aussicht auf die zahlreichen Segelschiffe und schauten den Fährschiffen nach Schweden hinterher. Auf den angrenzenden Feldern blühte der letzte Raps und Kühe dösten wiederkäuend auf den Weiden. Gedankenverloren lauschten sie dem wiederkehrenden Gleichklang der Wellen und der leichten Brandung. Die Sonne schien immer noch, aber sie hatte nicht mehr die Kraft, die beiden zu wärmen. Schließlich wickelten sie sich in die mitgebrachte Decke ein und tranken den letzten Schluck Wein. Als Marc endlich damit herausrückte, dass er ein Zimmer in dem Hotel gebucht hatte, beschlossen sie, sofort zu gehen. Julia war begeistert und unter der Decke konnten sie kaum noch die Hände voneinander lassen. Voller Vorfreude checkten sie schließlich ein und gingen auf ihr Zimmer. Da es mittlerweile schon kurz nach neun Uhr war, entschieden sie, auf dem Zimmer zu essen und bestellten dazu gleich zwei Flaschen leichten portugiesischen „Vino Verde“. Als der Zimmerkellner endlich an der Tür klopfte, um das Essen zu bringen, musste Julia, weil bereits splitterfasernackt, in das Bad flüchten.

Jansen hingegen rief schnell: „Moment, komme gleich“, während er sich beeilte Hose und T-Shirt anzuziehen.

Mit dem Fuß kickte er Julias Sachen schnell hinter das Bett, richtete mit einem Blick in den Garderobenspiegel seine Frisur und befand sich schließlich für genügend vorbereitet, um die Tür zu öffnen und das Essen in Empfang zu nehmen.

Kaum hatte Jansen die Tür wieder geschlossen, kam Julia immer noch nackt aus dem Bad und fragte frech: „Soll ich beim Aufdecken helfen, ich hätte da auch schon eine Idee, wie wir den Nachtisch genießen könnten.“

Mit diesen Worten schlängelte sie sich an Jansen vorbei, hüpfte auf das Bett und räkelte sich verführerisch zwischen den Laken. An ein romantisches „Candlelight Dinner“ war jetzt nicht mehr zu denken. Marc konnte sich gar nicht schnell genug seiner Kleidung entledigen, so groß war mittlerweile seine Erregung. Als es ihm endlich gelungen war seine Hose erneut auszuziehen, ließ er sich in das Bett gleiten und zog Julia eng an sich heran. Es dauerte keine fünf Minuten, bis die beiden miteinander vereint waren und Marc bereits verzweifelt versuchen musste, sich zu entspannen und an etwas anderes zu denken. Er war kurz vor dem Orgasmus und wollte ihn noch unbedingt hinauszögern. Leider brauchte Julia auch nicht lange, und er spürte die bevorstehende Explosion. Dann kamen sie fast gleichzeitig zum Höhepunkt. Erschöpft und befriedigt sanken sie auf das seidige Laken. Am nächsten Morgen fuhren sie zurück nach Hamburg. Jansen verabschiedete sich von Julia. Sein Schwanz tat ihm weh und er wollte an seinem ersten Arbeitstag für seinen neuen Brötchengeber nicht zu spät kommen. Zu Hause angekommen zog Jansen sich um, und packte Sachen für zunächst eine Woche ein und startete um 10 Uhr Richtung Berlin.

Pünktlich um halb drei parkte er seinen Wagen vor der alten Stadtvilla in Berlin Grunewald und klingelte an der Tür.

2

 

 

Es summte und Jansen drückte die mit zahlreichen Verzierungen und kleinen Glasfenstern versehene, hölzerne Eingangstür auf. Gespannt ging er die alten, knarrenden Treppenstufen hoch. Das Büro befand sich im zweiten Stockwerk.

Als er oben angekommen war, öffnete ihm Victors Sekretärin die Tür. Sie begrüßte ihn freundlich und sagte: „Wir haben schon alles vorbereitet. Ich möchte Ihnen gleich Lana de Vries vorstellen. Sie erwartet Sie im Konferenzraum. Später werden Martin, Roman und ich hinzukommen. Die beiden kennen Sie ja bereits aus unserer bisherigen Zusammenarbeit.“

Im selben Augenblick öffnete sich die Tür zum Konferenzraum und eine Frau trat hinaus. Als Jansen sie sah, war er sprachlos. Vor ihm stand eine von jenen Frauen, denen gegenüber er sich stets hilflos vorkam. Er konnte nicht anders, als sie anzustarren. Sie war knapp 1,70 m groß, hatte langes schwarzes, leicht lockiges Haar, das sie mühsam gebändigt zu einem Zopf nach hinten gebunden hatte. Ihr Gesicht hatte einen leichten asiatischen Einschlag und ihre tiefdunkelbraunen Augen strahlten ihn an. Ein figurbetontes, kurzes, schwarzes tailliertes Kleid und enge Leggins rundeten das Bild ab. Dann riss er sich zusammen und stellte sich vor: „Marc Jansen. Ich nehme an, Sie sind Lana de Vries. Angenehm, Sie kennenzulernen.“

GLOSSAR

 

Quantencomputer

Ein Quantencomputer bzw. Quantenrechner ist ein Computer, dessen Funktion auf den Gesetzen der Quantenmechanik beruht. Im Unterschied zum Digitalrechner arbeitet er nicht auf der Basis der Gesetze der klassischen Physik bzw. Informatik, sondern auf der Basis quantenmechanischer Zustände, was wesentlich über die Regeln der klassischen Theorien hinausgeht. Die Verarbeitung dieser Zustände erfolgt nach quantenmechanischen Prinzipien, z. B. die sog. Quantenverschränkung.

 

Quantenverschränkung

Als Quantenverschränkung wird ein Effekt bezeichnet, der es zwei oder mehreren Teilchen scheinbar erlaubt, einander ohne Zeitverzögerung über beliebige räumliche Distanzen hinweg zu beeinflussen. Obwohl dieses Verhalten im Rahmen der Quantenphysik an sich weitgehend verstanden ist, widerspricht es unserer Intuition. Eine Möglichkeit, komplexe Verschränkungszustände zu erzeugen, ist, eine große Zahl von Photonen miteinander wechselwirken zu lassen. Sobald aber mehr als zwei oder drei Photonen im Spiel sind, wird es enorm schwierig. Die Quantentechnologie steht hier vor einer wirklich großen Herausforderung.

 

Qubit (QBit)

Qubits (oder QBits) bilden in der Quanteninformatik die Grundlage für Quantencomputer. Das Qubit spielt dabei die analoge Rolle zum klassischen Bit bei herkömmlichen Computern: Es dient als kleinstmögliche Speichereinheit.

Quantenpunkte

Ein Quantenpunkt ist eine nanoskopische Materialstruktur, meist aus Halbleitermaterial. Ladungsträger (z. B. Elektronen) in einem Quantenpunkt sind in ihrer Beweglichkeit in allen drei Raumrichtungen so weit eingeschränkt, dass ihre Energie nicht mehr kontinuierliche, sondern nur noch diskrete Werte (endlich, abzählbar) annehmen kann. Quantenpunkte verhalten sich also ähnlich wie Atome, jedoch kann ihre Form, Größe oder die Anzahl von Elektronen in ihnen beeinflusst werden. Dadurch lassen sich elektronische und optische Eigenschaften von Quantenpunkten maßschneidern. Eine Methode der Herstellung ist die Lithografie. Der Quantenpunkt wird mittels Elektronenstrahlen, Rasterkraftmikroskop oder Ähnlichem auf ein Substrat „geschrieben“ und anschließend durch ein geeignetes Ätzverfahren freigelegt.

 

Quantenteleportation oder „Beamen“

Quantenteleportation ist die Übertragung von Quantenzuständen mithilfe einer sofortigen Zustandsänderung miteinander verschränkter Quantensysteme. Zur vollständigen Übertragung eines Quantenzustandes muss zusätzlich auch Information zwischen Sender und Empfänger auf einem klassischen Weg (also mit maximal Lichtgeschwindigkeit) ausgetauscht werden. Ein Team um den Wiener Physikprofessor Anton Zeilinger hat den Quantenzustand eines Photons von der Kanareninsel La Palma zum benachbarten Teneriffa teleportiert - über eine Strecke von 143 Kilometern. Das Interessante ist die Tatsache, dass damit die satellitenbasierte Quantenkommunikation in Reichweite kommt. Für das Teleportieren von Gegenständen oder gar Lebewesen ist die Technik übrigens nicht geeignet. Zwar ist es Forschern bereits gelungen, nicht nur die Eigenschaften von Lichtteilchen, sondern auch die von Atomen zu versenden. Doch das Beamen eines Menschen, so wie es in "Raumschiff Enterprise" vorkommt, dürfte bis auf Weiteres im Reich der Science-Fiction bleiben. Denn bekanntlich besteht ein Mensch aus einer ganzen Menge von Atomen, die obendrein am Zielort wieder in der ursprünglichen Anordnung ankommen sollten.

 

Nanolithografie/Nanoprägelithografie

Als Nanolithografie bezeichnet man Verfahren, die sich prinzipiell zur Erzeugung von Strukturen in der Größenordnung weniger Nanometer eignen. Dazu gehören beispielsweise die Elektronenstrahl- und Nanoprägelithografie. Sie werden dort eingesetzt, wo eine Strukturierung mithilfe konventioneller Fotolithografie nicht mehr möglich ist, und sollen diese daher künftig bei der Herstellung von integrierten Schaltkreisen ablösen. Nanoprägelithografie ist ein Nanolithografie-Verfahren zum kostengünstigen Herstellen von Nanostrukturen mittels eines nanostrukturierten Stempels. Anwendung findet die Nanoprägelithografie in der Herstellung elektronischer und opto-elektronischer Bauteile.

Die Nanoprägelithografie wird zur Herstellung von zwei- und dreidimensionalen organischen oder Halbleiter-Nanostrukturen für die Optik, Elektronik, Photonik sowie Biologie verwendet. Anwendungen in der Optik und Photonik sind optische Filter, Polarisatoren oder z. B. photonische Schaltkreise. Quantendrähte und -punkte sind für optische Halbleiterelemente wie Laser oder Dioden von Interesse.

 

MRAM

Magnetoresistive Random Access Memory ist eine nichtflüchtige Speichertechnik, die seit den 1990er Jahren entwickelt wird.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Speichertechniken, wie das DRAM oder SRAM, werden die Informationen nicht mit elektrischen, sondern mit magnetischen Ladungselementen gespeichert, das heißt, es wird die Eigenschaft bestimmter Materialien ausgenutzt, die ihren elektrischen Widerstand unter dem Einfluss magnetischer Felder ändern.

Der Vorteil der MRAM-Technik liegt darin, dass sie nichtflüchtig ist, das heißt, die Chips behalten ihre gespeicherten Daten auch nach dem Abschalten der Energieversorgung. Damit können elektronische Geräte, wie z. B. Computer, realisiert werden, die sofort nach dem Einschalten betriebsbereit sind und nicht erst die zum Betrieb notwendigen Daten von einem Festspeicher, etwa einer Festplatte, in den Arbeitsspeicher laden müssen. Im Gegensatz zu etablierten nichtflüchtigen Speichertechniken, wie Flash, können MRAMs wie herkömmlicher DRAM/SRAM praktisch unendlich oft beschrieben werden. MRAM soll so die Vorteile der verschiedenen etablierten Speichertechniken kombinieren und dadurch das Potential zum so genannten „Universal Memory“ aufweisen, der DRAM, SRAM und Flash ersetzen könnte.

Derzeit ist die Firma Everspin Technologies der einzige kommerzielle Anbieter von MRAM-Speicherchips. Fast alle anderen großen Speicherhersteller wie Samsung, Hynix etc. haben angekündigt, in die MRAM-Entwicklung und -Fertigung zu investieren.

Aufgrund des hohen Preises findet MRAMs in erster Linie Verwendung in industriellen Systemen, um kritische Datenverluste zu verhindern. Typische Applikationen sind speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS), POS/Electronic Cash, GPS-Tracker oder als Cache in Serversystemen. Auch in der Luft- und Raumfahrt sind MRAMs aufgrund ihrer hohen Strahlungsfestigkeit vermehrt im Einsatz.

 

Bootkit-Virus

Ein Bootkit ist eine Sammlung von Softwarewerkzeugen oder Bootloadern, die nach dem Einbruch in ein Computersystem auf dem kompromittierten System installiert wird, um weitere Sicherheitsmechanismen des Betriebssystems zu deaktivieren. Ein Bootkit ist somit eine Mischung aus Bootsektorviren und Rootkits. Der Ansatz besagt, dass derjenige, der die Hardware bereits unter seiner Kontrolle hat, auch die Software unter seiner Kontrolle haben kann.

 

Rootkit

Ein Rootkit ist eine Sammlung von Softwarewerkzeugen, die nach dem Einbruch in ein Softwaresystem auf dem kompromittierten System installiert wird, um zukünftige Anmeldevorgänge des Eindringlings zu verbergen und Prozesse und Dateien zu verstecken.

Zweck eines Rootkits ist es, Schadprogramme („Malware“) vor den Antivirenprogrammen und dem Benutzer durch Tarnung zu verbergen. Da eine hundertprozentige Erkennung von Rootkits unmöglich ist, ist die beste Methode zur Entfernung die vollständige Neuinstallation des Betriebssystems. Da sich bestimmte Rootkits im BIOS verstecken, bietet selbst diese Methode keine hundertprozentige Sicherheit über die Entfernung des Rootkits. Die Grenze zwischen Rootkits und Trojanischen Pferden ist fließend, wobei ein Trojaner eine andere Vorgehensweise beim Infizieren eines Computersystems besitzt.

 

Backdoor

Backdoor (Hintertür) bezeichnet einen (oft vom Autor eingebauten) Teil einer Software, der es Benutzern ermöglicht, unter Umgehung der normalen Zugriffssicherung Zugang zum Computer oder einer sonst geschützten Funktion eines Computerprogramms zu erlangen.

Ein Beispiel sind Universalpasswörter für ein BIOS oder eine spezielle (meist durch einen Trojaner heimlich installierte) Software, die einen entsprechenden Fernzugriff auf den Computer ermöglicht.

Backdoors vereinfachen dem Angreifer, auf bestehende oder bereits kompromittierte System zuzugreifen, indem beispielsweise eine Shell gestartet wird, oder wenn an einen bestimmten Netzwerkport eine Verbindungsanfrage gestellt wurde.

 

DDoS

Distributed Denial of Service (DDoS; engl. für „Verteilte Dienstblockade“) bezeichnet in der Informationstechnik die Nichtverfügbarkeit einer ganzen Anzahl von Systemen, die eigentlich verfügbar sein sollten. Obwohl es verschiedene Gründe für die Nichtverfügbarkeit geben kann, spricht man von DDoS in der Regel als die Folge einer Überlastung von Infrastruktursystemen. Dies kann durch unbeabsichtigte Überlastungen verursacht werden oder durch einen mutwilligen Angriff auf einen Server, einen Rechner oder sonstige Komponenten in einem Datennetz.

DoS-Angriffe wie SYN-Flooding oder der Smurf-Angriff belasten den Internetzugang, das Betriebssystem oder die Dienste eines Hosts mit einer größeren Anzahl Anfragen, als diese verarbeiten können, woraufhin reguläre Anfragen nicht oder nur sehr langsam beantwortet werden. Beispiele sind WinNuke, die Land-Attacke, die Teardrop-Attacke oder der Ping of Death.

Denial-of-Service-Attacken werden mittlerweile von Cyber-Kriminellen zum Verkauf angeboten, etwa um Konkurrenten zu schädigen. Mutwillige DDoS-Angriffe werden oft mit Hilfe von Backdoor-Programmen oder Ähnlichem durchgeführt. Diese Backdoor-Programme werden in der Regel von Computerwürmern auf nicht ausreichend geschützten Rechnern installiert und versuchen selbstständig, weitere Rechner im Netzwerk zu infizieren, um so ein Botnetz aufzubauen. Je größer das Botnetz, desto wahrscheinlicher ist, dass der Angriff selbst gegen gut geschützte Systeme durchdringt.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 22.01.2015

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