Die Drachen, das Chaos & ich 3
Copyright Text © J.N. Taylor 2020
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Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden und entspringen meiner Fantasie. Ähnlichkeiten jeglicher Art wären demnach rein zufällig.
Zum Inhalt:
Es war einmal vor langer Zeit, da lebte ein junger Mann in einem verwunschenen Schloss. Man hatte ihm die Erinnerungen genommen, aber er war trotzdem verängstigt, da er immer unter Alpträumen litt und er lange nicht verstand, was sie zu bedeuten hatten. Aber die Träume waren nicht seine einzige Sorge, denn in diesem Schloss lebten auch jede Menge bösartiger Kreaturen. Diese Kreaturen nannte man Drachen und diese Drachen hatten einen hinterhältigen Anführer, der dem armen, verängstigten Menschen ein unmoralisches Angebot machte, dass dieser kaum ablehnen konnte, wenn er jemals wieder frei sein wollte.
So oder so ähnlich würde meine Geschichte beginnen, wenn sie denn ein Märchen wäre. Aber das ist sie ja nicht. Was ich zu erzählen habe, sind harte Fakten und nichts als die Realität. Das Schloss, die Drachen und den Anführer gibt es wirklich und ja, der will was von mir. Sein Angebot ist ziemlich dreist, aber irgendwie überlege ich trotzdem, ob ich es annehmen soll, denn ich will wieder in mein altes Leben zurück. Ob mir das gelingt, werden wir dann sehen, aber ich bin zuversichtlich. Ich war mal ein knallharter Geschäftsmann, mich zieht niemand so einfach über den Tisch.
Oder doch? Lest selbst.
Nö, dieses Mal habe ich gar nicht so viel zu sagen. Inzwischen sollte wohl jeder wissen, was er von einer meiner Geschichten zu erwarten hat und wenn nicht ... Tja, Überraschung!
Eigentlich geht es diesmal auch recht gesittet zu (das ist gelogen). Und ungewöhnlich monogam (das ist wahr). Ihr solltet die Vorgänger kennen, sonst macht nicht alles einen Sinn.
Ansonsten: M-Preg, dumme Sprüche, alberne Kerle, sexy Kerle, naive Kerle, alles wie gehabt. Ich hoffe, ihr habt trotzdem Spaß und nun auf zur nächsten Seite.
J.N. Taylor
Es gab Legenden, die zwar jeder kannte, aber die man lieber niemals laut aussprach. Morgan Kessler, der Unheilvolle, war ein Geschöpf eines dieser Sagen. Wenn er seinen Namen hörte, dann war es stets ein Flüstern, ganz so, als würde ein zu lauter Tonfall ihn heraufbeschwören. Natürlich war das Unsinn. Morgan war nirgendwo und doch überall zugleich. Und er ganz allein war es, der entschied, wem er sich offenbarte. Nur wer einen Pakt mit ihm schließen wollte, musste seinen Namen aufsagen.
Meistens tauchte er zu Zeiten höchster Not auf und noch viel lieber auf einem Schlachtfeld. Wenn man Schreie durch die Nacht hallen hörte und der Geruch von Blut die Luft schwängerte, dann konnte man sich fast sicher sein, dass der Unheilvolle in der Nähe war.
Genau so war es auch in einer kalten Februarnacht, die sich braune Drachenkrieger ausgesucht hatten, um ihre schwarzfarbigen Artgenossen anzugreifen. Morgan erinnerte sich nicht mehr genau an die passende Jahreszahl, denn Zeit hatte für ihn kaum eine Bedeutung, aber dafür erinnerte er sich noch gut an das Feuer, das vom Himmel regnete und Leid und Verzweiflung hochlodern ließ.
Wohin man auch blickte, sah man schuppige Bestien miteinander ringen und fallen. Schreie, massige Körper, die sich gegenseitig zerfetzten und der Geruch nach Tod hatten ihn angelockt und nun bewegte er sich unbemerkt unter ihnen.
Morgan bemerkte schnell, dass der Sieger längst feststand. Die braunen Drachen waren in der Überzahl und die Schwarzdrachen hatten den Angriff nicht kommen sehen. Man würde sie auslöschen. So wie deren Burg, dessen massive Mauern längst in Trümmern lagen.
Morgan könnte nun behaupten, dass es ihm egal sei, aber selbst jemand wie er, hatte Sympathien zu vergeben. Er mochte Drachen generell. Sie konnten erhabene Geschöpfe sein, wenn sie sich nicht gerade von ihren niederen Instinkten leiten ließen und es kam selten genug vor, aber an diesem denkwürdigen Abend, verspürte er so etwas wie Mitleid mit den Unterlegenen. Es war kein ehrbarer Kampf, so hinterrücks angegriffen zu werden. Nicht, dass es jemals ehrbar sein könnte, jemanden seiner eigenen Art nur aus Machtgier zu töten.
Doch so waren sie alle. Ob es sich nun um Menschen, Wandler oder irgendein anderes paranormales Wesen handelte, sie alle strebten nach mehr, als sie verkraften konnten und schadeten am Ende nur sich selbst. Morgan hatte das oft genug bedauert, genauso wie er sich darüber gefreut hatte. Denn das war sein Geschäft. Dafür existierte er.
Morgan lehnte sich an einen halbzerstörten Mauervorsprung und starrte weiter auf die Kämpfenden. Er wartete. Würde einer der fallenden Drachen nach ihm rufen? Würde man ihm um Hilfe bitten? Nun, er würde es sich wünschen, denn nur auf diese Weise durfte er in das Geschehen eingreifen. Natürlich würde er auch einen hohen Preis für seine Hilfe einfordern. Meistens handelte es sich dabei um einen Gefallen und manchmal auch nur um einen Tropfen Blut, wenn der Bittsteller Morgan nichts anderes zu bieten hatte.
Was er genau fordern würde, wusste Morgan selbst erst, wenn er in die Augen seines Paktpartners geblickt hatte. Er seufzte. Oft genug ging er bei seinen Geschäften leer aus, aber so lief es nun mal. Umso mehr Macht man besaß, desto mehr Regeln hatte man sich zu unterwerfen. Und Morgan war sehr mächtig, das konnte er ohne Bescheidenheit zugeben.
Das Kampfende näherte sich. Die Feuer um ihn herum loderten hoch und entließen beißenden Rauch in die Luft, als sich bestimmt fünfzig Braundrachen um die letzten Lebenden der Schwarzdrachen versammelten. Sie kesselten sie ein und verhöhnten sie grausam. Wahrscheinlich würden sie noch etwas mit ihnen spielen, bevor sie ihren Sieg feierten.
Morgan schüttelte bedauernd seinen Kopf, denn es sah nicht so aus, als würde man sich heute noch an seinen Namen erinnern. Er musste wohl einsehen, dass es hier heute nichts für ihn zu holen gab, und wandte sich ab.
Er kam nur wenige Schritte weit, bevor ein leises Schluchzen an seine Ohren drang. Sein Nacken begann zu kribbeln und Elektrizität summte durch seinen Körper. Das versetzte ihn in Aufregung, denn so etwas verspürte er nur dann, wenn er einen wahnsinnig hohen Preis von einem Bittstellenden fordern konnte. Das Problem war nur, dass noch immer niemand seinen Namen genannt hatte.
Er umrundete den Mauervorsprung, der ihn immer weiter vom Innenhof der Burg wegführte und fand den Ursprung des Schluchzens. Es waren zwei Schwarzdrachen, beide noch Kinder, die sich aneinander festklammerten und ihren Verlust beklagten.
Der Ältere der beiden sah bei Morgans Erscheinen auf und erbleichte. »Wer bist du? Geh weg oder ich werde dich töten!«
Morgan war fassungslos. Normalerweise konnte niemand ihn sehen, wenn er das nicht wollte. Wie brachte es also dieses Kind zustande, das kaum älter als dreizehn Jahre sein konnte?
Morgan sah zu, wie der Junge den kleineren Drachen hinter seinen Rücken schob und ihm eine Hand entgegenstreckte, die sich vor seinen Augen in eine Drachenklaue zu verwandeln begann. »Siehst du!«, stieß er mit zittriger Stimme hervor. »Ich kann mich längst verwandeln und dich töten. Also geh lieber. Verschwinde!«
Morgan legte den Kopf schief und versuchte das Geheimnis dieses kleinen Drachenjungens zu entschlüsseln. »Du siehst mich, Kind?«
Zu Morgans Verwunderung schüttelte der Kleine den Kopf. »Nein, aber ich spüre dich, das reicht.«
Morgan beunruhigte diese Aussage nicht. Im Gegenteil, er spürte sogar Begeisterung in sich aufkommen, denn der Junge verfügte nicht nur über außergewöhnliche Instinkte. Nein, Morgan konnte nun auch ganz klar erkennen, dass er von ihm etwas Wertvolles bekommen konnte. Er wusste noch nicht genau, was es war, aber es musste etwas Berauschendes und Einzigartiges sein, wenn sein Blut bereits jetzt vor Vorfreude sang. Er musste unbedingt wissen, was es war und dann musste er es bekommen.
Kurzerhand begab er sich in die Gestalt, die er immer annahm, wenn er sich einer anderen Person zeigte. Es war nicht mehr als der Umriss eines großen Schattens, den blauschwarze Flammen umhüllten. Seine Statur und das Gesicht blieben verborgen und trotzdem wurde er immer sofort erkannt. So auch in dieser Nacht.
»Bei den Göttern! Du bist ...!«
Morgan grinste, auch wenn es der andere nicht sehen konnte. »Ganz genau der. Und nachdem wir das geklärt haben, warum nennst du nicht meinen Namen und bittest um Hilfe? Willst du deinen Clan wirklich sterben und es so enden lassen?«
Verzweiflung huschte über das junge Gesicht und Morgan wusste, dass er seinen Pakt kriegen würde. Und seine Belohnung. Es war nur noch die Frage, was es sein und wie lange es dauern würde, bis er seinen Preis einfordern durfte ...
Matt
Im westlichen Teil der Karpaten befindet sich ein Schloss. Nein, ich meine nicht das von Dracula, das steht woanders. Ich rede von einem viel verwunscheneren Schloss. Einem unsichtbaren Schloss, das sich mitten in der Hohen Tatra befindet und viele, viele Drachen beherbergt. Sie haben einen Zauber darüber gelegt, damit Menschen es nicht entdecken können oder so etwas ähnliches, denn so ganz steige ich da noch nicht durch.
Meistens sehen diese Drachen wie Menschen aus und benehmen sich auch so, aber wehe, man ärgert sie, dann können sie schnell zu schuppigen Biestern werden und dann gnade dir Gott. Oder woran auch immer du glaubst.
Die Schuppen der Drachen sind schwarz und ihr Feuer ist grün. Sie besitzen einen dornigen Schwanz, schwarze Schwingen und reißerische Klauen, denen man lieber nicht zu nahe kommt. Das gilt übrigens auch für ihre scharfen Zähne, denn diese Wesen können nicht nur Feuer spucken, sondern dich auch mit einem Happs verschlingen. Zumindest denke ich, dass sie es tun könnten, schließlich werden einige von ihnen verdammt groß und damit auch die Öffnung ihres riesigen Mauls. Die meisten erreichen ungefähr die Länge und Höhe eines 40 Tonner LKWs. Die Jüngeren sind kleiner und schmaler, die Älteren können das sogar übertrumpfen, aber das ist so ungefähr Standard und wenn man mich fragt, reicht das auch, um sich vor Angst in die Hose zu ... Ihr wisst schon.
Warum ich das erzähle? Damit ihr versteht, warum sich ein kleiner Mensch mit schnell brechenden Knochen unter ihnen unwohl fühlt. Und wenn ich von diesem armen, wehrlosen Menschen spreche, dann meine ich natürlich mich damit.
So rein nach dem Motto, wenn du nicht gegen deine Feinde ankommst, verbünde dich mit ihnen, hatte ich Slaines Vorschlag zugestimmt und bin ihm und Ethan in ihr Zuhause gefolgt. Tja, nur dass es nicht nur ihr Zuhause, sondern das des ganzen verdammten Schwarzdrachenclans ist! Davon war nie die Rede!
Das bereits erwähnte Bergschloss wird von drei Seiten von dem Gebirge der Hohen Tatra eingerahmt. Ich finde, das löst ein eher beengendes Gefühl aus, doch die Drachen scheinen darauf zu stehen. Außerdem sagen sie, es sei ein guter Schutz gegen feindliche Angriffe. Ehrlich, ich weiß nicht, warum sie mir ausgerechnet so einen Scheiß erzählen, denn sehr viel besser und sicherer habe ich mich danach wirklich nicht gefühlt. Feinde? Scheiße Mann, davon will ich wirklich nichts hören!
Aber ich will ja nicht nur meckern. Mein derzeitiges Zuhause hat auch gute Seiten. Den Luxus im Schloss finde ich zum Beispiel ganz angenehm. Es gibt wie zu früheren Zeiten Diener, die einen bedienen, Essen im Überfluss und selbstverständlich ganz standesgemäß für Drachen, jede Menge teure und schöne Dinge. Juwelen werden hier nicht nur um den Hals getragen, sondern befinden sich auch an Kelchen, Bilderrahmen und am Boden des riesigen Swimmingpools, der hier natürlich auch nicht fehlen darf. Whirlpool, Sauna, hauseigener Masseur? Alles vorhanden!
Wie alle Drachen stehen meine neuen Freunde auch total auf Gold. Man findet es wirklich fast überall, manchmal sogar über dem Essen. Mit Blattgold überzogene Früchte sind hier keine Seltenheit, aber ich halte mich lieber an die einfachen Dinge, denn hier gibt es auch strenge Regeln und eine Hierarchie, die ich noch nicht ganz durchschaut habe.
Ganz oben an der Spitze der Nahrungskette befindet sich der große M&M, wie ich ihn heimlich nenne. Malik Marschall. Er ist der Boss, daher ist sein Wort hier Gesetz. Wenn er einen Raum betritt, senken alle den Blick und kuschen. Ich mag ihn nicht.
An nächster Stelle kommt seine rechte Hand. Der Mann heißt Moon, wobei ich nicht weiß, ob das nur ein Spitzname ist oder ob seine Eltern wirklich einen Sprung in der Schüssel hatten. Egal, jedenfalls ist mir der Kerl auch nicht ganz geheuer, denn er behält alles im Blick und meldet jede Verfehlung sofort seinem Herrchen. Er hat mich einmal dabei erwischt, wie ich Maliks Juwelenkelch angefasst habe. Ich wollte nur mal gucken, aber der riesige blonde Kerl hat mich so angesehen, als hätte ich das teure Gefäß mit meinen Händen beschmutzt und es mir aus der Hand gerissen. Er hat es einem anderen Drachen zum Reinigen gegeben und mir dann eine zehnminütige Standpauke darüber gehalten, dass man die Schätze eines anderen nicht einfach so anfasst.
Ich finde diese Regel dämlich, schließlich liegt überall etwas Wertvolles herum und ich werde wohl kaum etwas davon einstecken, immerhin sitze ich hier fest. Übrigens würde ich auch sonst nie etwas stehlen. Ich bin nicht unbedingt in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und weiß, was sich gehört.
Gut, weiter im Text oder besser gesagt, im Hierarchie-Ranking. Nach der pingeligen Petze kommt Slaine, da er Maliks jüngerer Bruder ist. Ihm folgen ein paar Cousins und Cousinen und dann ... keine Ahnung. Weiter habe ich noch nicht durchgeblickt und ich kenne auch längst nicht alle Namen. Wenn die Drachen einander begegnen, dann wissen sie natürlich, wer von ihnen höhergestellt ist und verhalten sich dementsprechend und ich meide einfach alle so gut es geht, denn so kann ich auch nichts falsch machen.
Ich habe ein schönes Zimmer zugeteilt bekommen und halte mich die meiste Zeit dort auf. Entweder kommt mich mein bester Freund Ethan besuchen und wir reden oder ich schaue mir auf meinem Laptop eine Netflix Serie an. Ich weiß, das klingt langweilig und so ist es auch, aber es ist immer noch besser, als aus Versehen von einem Drachen in Brand gesteckt zu werden, weil man die richtige Etikette nicht eingehalten hat. Nein danke, Brandnarben habe ich bereits genug, wie mein rechter Arm beweist und auf noch mehr habe ich keine Lust. Das macht nämlich Aua.
So, nun habe ich aber genug geschwafelt, um euch meine Situation zu verdeutlichen, daher denke ich, starten wir endlich mit dieser Geschichte. Ich nenne sie: Matt und der fiese Drachenanführer. Vielleicht aber auch: Der arme Mensch und der gemeine Drachenpakt. Oder: Vertraue niemals einem Drachen, wenn du nicht willst, dass dir der Arsch brennt ...
»Matt, du musst den Hintern endlich aus diesem Bett bekommen. Du bist jetzt eine Woche hier und das ist lang genug, um sich selbst zu bemitleiden. Also aufstehen! Wir gehen jetzt zusammen nach unten und frühstücken.«
Mit Entsetzen starre ich zu meinem besten Freund hoch und ziehe mir die Bettdecke bis über die Nase. »Ich soll mich in einem Raum voller blutrünstiger Bestien aufhalten? Was, wenn die mich zum Frühstück verspeisen wollen?«
In Ethans Mundwinkel beginnt es zu zucken, aber seine Augen bleiben streng. »Nenn sie öffentlich so und es könnte durchaus passieren. Mensch, Matt! Wie oft haben wir jetzt darüber gesprochen? Diese Wesen sind unsere Freunde. Sie sind wie du und ich, nur dass sie sich eben auch einen Teil ihrer Seele mit einem Drachen teilen.«
»Und sich in einen verwandeln können, um dich als Grillfackel zu verwenden«, füge ich hinzu und schwenke meinen narbigen Arm umher. »Vergiss das nicht!«
Matt seufzt. »Das hat Connor getan und der war ein spezieller Fall. Wenn man es streng nimmt, hat er sich auch nur verteidigt.«
Meine Augen springen weit auf. Habe ich richtig gehört? Inzwischen kenne ich Ethans Geschichte und auch, wenn ich mich noch immer nicht an alles aus meiner Vergangenheit erinnern kann, so wache ich trotzdem noch jede Nacht schweißgebadet und mit schmerzendem Arm auf, weil mich die Träume von diesem Drachen heimsuchen.
»Warum verteidigst du ihn? Er hat unsere Freunde getötet und wollte dich später sogar zu seinem Sexsklaven machen.«
Matts Blick wird milde. »Ich sage ja nicht, dass er kein Arsch war, aber damals, als er deinen Arm verbrannte, geschah dies aus Notwehr. Ich habe ihn in eine Falle gelockt und ihr habt ihn zuerst angegriffen.«
Ich kann nur schnauben. Irgendwie stimmt das zwar, aber wir waren zu der Zeit nur dumme Kinder und in meinen Augen verlangt das nach mildernden Umständen. Connor dagegen war ein Drache und zu diesem Zeitpunkt sicher längst ein alter Sack gewesen. Alle Drachen sind alte Säcke, obwohl man es den wenigsten von ihnen ansehen kann. Wenn die ihren dreihundertsten Geburtstag feiern, sehen sie zumeist noch wie Anfang bis Mitte zwanzig aus. Das ist ungerecht genug, daher bin ich der Meinung, dass sie sich wenigstens ihrem Alter entsprechend benehmen sollten. Tun sie aber nicht. Jay und Slaine zum Beispiel – das sind Ethans Gefährten – benehmen sich in Ethans Nähe meistens so, als seien sie gerade erst in die Pubertät gekommen. Dauernd necken sie sich und müssen einander berühren und abschlecken. Und nein, ich bin nicht neidisch! Das sind Drachen und ich mag keine Drachen. Außerdem sind das Männer und ich nicht schwul.
Okay, manchmal bin ich schon neugierig, was Ethan daran findet, mit einem Mann herumzumachen. Aber das ist wirklich nur Neugier und der Gedanke daran beschert mir keinen Steifen oder so. Gut, manchmal rührt sich schon was, aber das hat wahrscheinlich mehr etwas mit meiner langen Durststrecke zu tun. Wie lange lebe ich schon abstinent? Ich überlege und finde keine Antwort. Verdammt, selbst diese Erinnerung hat mir Slaine genommen.
»Matt, komm schon. Lass uns nach unten gehen und etwas essen. Ich verspreche auch, dass ich mich schützend vor dich werfen werde, wenn dich jemand mit dem Frühstücksbuffet verwechselst.«
So recht überzeugt mich das noch nicht. »Wirst du dich auch mit mir an den Kindertisch setzen?«
Ethan runzelt verwirrt die Stirn. »Was für ein Kindertisch?«
Ich bin genervt. Ethan ist ein hochintelligenter Mann, aber seitdem er seine Drachen hat, hat er jeden Blick für das Wesentliche verloren. Wahrscheinlich ist ihm nicht einmal aufgefallen, dass es hier oft wie im Mittelalter zugeht. Der Speisesaal ist riesig und es gibt mehrere Buffettische, an denen man sich frei bedienen kann, aber es hat auch jeder dort seinen eigenen Platz.
An der Haupttafel sitzen immer der Drachenanführer, seine rechte Hand und einige der wichtigsten Familienmitglieder. Slaine gehört dazu und da zu ihm wiederum Jay und Ethan gehören, sitzen die beiden normalerweise auch dort. Es ist der einzige Tisch, der bedient wird, alle anderen müssen sich selbst auftischen.
Bisher bin ich nur ein einziges Mal in diesem Saal gewesen und man hatte mich tatsächlich an den Kindertisch gesetzt. Zumindest nenne ich ihn so, denn die Kerle, die dort saßen, sahen alle recht jung aus. Normalerweise würde ich sagen, dass es sich um Teenager handelte, aber bei den Drachen weiß man das ja nie so genau. Egal, es beweist zumindest, dass ich mich als Mensch ganz weit unten in dieser eigenartigen Hierarchie befinde und das gefällt mir nicht. Ich bin der Sohn eines ehemaligen Finanzministers und mehr Respekt gewohnt.
»Matt, wenn du willst, setze ich mich mit dir dort auch mitten auf den Boden, aber hör jetzt auf zu grübeln und steh endlich auf!«, reißt mich Ethan aus den Gedanken und ich füge mich unwillig meinem Schicksal.
»Wenn du das tust, wird dir Anstandswauwau Moon in den Arsch treten«, meine ich amüsiert, während ich mich tatsächlich erhebe. »Und dann werden Jay und Slaine angerannt kommen und Moon auseinandernehmen und das hat zur Folge, dass der Big Boss eingreifen muss. Es wird einen Aufstand geben, alle werden sich verwandeln und die Mauern mit ihren dicken Ärschen sprengen. Ein Feuer wird ausbrechen, die Erde beben und wir ...«
Ethan hält mir schnell den Mund zu. »Matt, du hast eine Meise und eine viel zu blühende Fantasie. Es beweist auch, dass du dich viel zu lange in diesem Zimmer verkrochen hast. Lerne die Drachen alle ein bisschen besser kennen und du wirst sehen, dass sie sich kaum von uns unterscheiden.«
»So kann nur ein privilegierter Gefährte sprechen«, gebe ich murrend zurück und schlüpfe in meine Schuhe. Falls Ethan sich darüber wundern sollte, dass ich unter der Bettdecke komplett angezogen war, so sagt er jedenfalls nichts darüber. Sich fürs Bett auszuziehen bringt mir meistens nichts, da ich wegen der schlechten Träume eh kaum schlafe und nachts lieber im Zimmer umherwandere.
»Willst du noch duschen?«, fragt er mich, anstatt auf meine Aussage zu reagieren und ich schüttle den Kopf.
»Ist erst drei Stunden her. Oder willst du mir sagen, dass ich stinke?«
Ethan lacht und legt mir einen Arm um die Schultern, während er mich zur Tür drängt. »Nein Süßer, du riechst wie immer fantastisch. Ich befürchte allerdings, dein Tagesrhythmus ist im Arsch.«
Da hat er recht, aber was soll’s? Es ist ja nicht so, dass ich jetzt noch einem geregelten Job nachgehen müsste oder so. Ich weiß ja noch nicht mal, wie lange ich hierbleiben muss. Slaine sagte, sie würden mich so lange im Auge behalten müssen, bis es mir besserginge und sie mir vertrauen könnten, dass ich sie nicht verpfeife.
Das ist so lächerlich, denn natürlich würde ich niemandem von Drachen erzählen, schließlich lege ich keinen Wert darauf, in eine Irrenanstalt zwangseingewiesen zu werden, aber nach der Sache mit Dragonlord glaubt man mir wohl nicht.
»Bereit?«, hakt Ethan leise nach und öffnet die Zimmertür. Ich kann nur nicken, denn was bleibt mir anderes übrig? Eigentlich bin ich kein Angsthase und mir ist zudem eben klargeworden, dass ich hier nie rauskomme, wenn ich mich nicht ein wenig anpasse.
Ich muss die Drachen davon überzeugen, dass ich kein Problem mit ihnen habe und dann werden sie mich gehen lassen. Ich werde wieder frei sein und mein eigenes Leben weiterführen.
Ohne sie.
So hoffe ich.
Matt
Der Speisesaal ist laut und voll, denn die Drachen versammeln sich gerne zu den gemeinsamen Essenszeiten. Das habe ich vergessen und so erschlägt mich ihr Anblick fast. Okay, es ist nicht so, dass sie in ihrer Drachenform herumlaufen würden, aber der Gedanke, dass sie es jederzeit könnten, macht mich eben nervös.
Ethan schiebt mich auf einen Buffettisch zu, auf dem es eimerweise Rührei, gebratenen Speck und verschiedene Brotsorten gibt. Ich schnappe mir eine Scheibe Vollkornbrot und ein Stückchen Butter, da ich bezweifle, dass ich mehr hinunterkriegen werde. Außerdem bin ich dann schneller fertig und kann wieder in mein Zimmer. Ja, so schnell sind die guten Vorsätze von eben dahin. Scheiß auf Anpassung!
»Nimm dir etwas von dem Omelett und hör auf so zu gucken, als hätte ich dich eben zur Schlachtbank geführt«, zischt mir Ethan zu und deutet auf eine Stelle am Tisch. »Das mit den Pilzen ist super lecker und das mit der gerösteten Paprika einfach nur ein Traum. Versuch es.«
Ich habe das Gefühl, alle starren uns an und so nehme ich mir tatsächlich einen winzigen Klecks von dem Omelett mit den Pilzen, damit Ethan den Mund hält und wir uns schnell setzen können.
Ethan verdreht über die kleine Portion die Augen und lädt seinen Teller ordentlich voll, bis kaum noch etwas anderes draufpasst. Danach schiebt er mich zu den Getränken, die gleich auf einem Tisch nebenan stehen. Es gibt dort Wasser, verschiedene Softgetränke, Kaffee und Tee. Ein wenig traurig sehe ich auf die verschiedenen Teebeutel, die in einer Holzbox ordentlich nach Sorten sortiert sind. Was würde ich nicht alles für einen anständigen Tee geben mit einem Schuss Milch und einen winzigen Klecks Sahne obendrauf.
Ethan muss meinen Blick richtig gedeutet haben, denn er seufzt mich schon wieder an. »Nimm den Earl Grey, der schmeckt fast wie deine Mischung zuhause.«
Ich verziehe angewidert das Gesicht. »Wie kann er das? Das Zeug steckt in einem verdammten Beutel und liegt hier schon wer weiß wie lange herum!«
»Du bist so ein Snob!«, zischt mein Freund leise und ich bin beleidigt.
»Und du anscheinend kein richtiger Engländer. Zumindest scheinst du keinen Stil zu haben.«
»Gibt es Probleme, Ladys?«, mischt sich nun auch noch einer in unsere Unterhaltung ein. Es ist Jay. Der blonde Drache war uns unbemerkt auf die Pelle gerückt und legt nun jedem von uns einen Arm um die Schultern. Mir ist das unangenehm, aber Ethan strahlt in an, als hätte er seinen Kerl seit zwanzig Jahren nicht gesehen. Er schmachtet richtig und mir wird übel.
»Ach, es ist nichts«, fängt er auch noch an zu säuseln. »Matt findet nur, dass Teebeutel unter seiner Würde sind und hat nun schlechte Laune. Wobei, die hat er ja momentan immer. Es ist also nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
Jay sieht mich amüsiert an. »Aha, du bist also ein kleiner Snob, was?«
Er scheint es nicht böse zu meinen, aber es ärgert mich trotzdem, dass ich nun zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten so genannt worden bin. Ich bin kein Snob! Wenn überhaupt, dann bin ich einfach nur wählerisch und achte auf Qualität. Das ist nicht verboten!
Eingeschnappt schiebe ich seinen Arm von mir und schnappe mir demonstrativ eine Wasserflasche vom Tisch. Eine Entgegnung auf seine Aussage hat er auch nicht verdient und so sehe ich beide nur abwartend an.
Ethan seufzt zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Morgen. Das nervt mich auch. Bin ich so anstrengend? Okay, wahrscheinlich schon, aber ich finde, das muss man mir nicht so unter die Nase reiben, immerhin bin ich ja nicht freiwillig hier! Und ich gebe mir Mühe, verdammt!
»Okay, Matt, also wo ist dieser Kindertisch, an den du dich so gerne setzen wolltest?«
Ich knirsche mit den Zähnen und Jay fängt an zu lachen. »Was für ein Tisch? Wovon redest du?«
Ethan winkt ab und zwinkert mir zu, was seinen schlechten Scherz allerdings auch nicht besser macht. »Oder sollen wir doch ein
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 25.02.2023
ISBN: 978-3-7554-3355-2
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