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Geliebter Sturkopf

Im Bann der Syrtanis 2

Copyright Text © J.N. Taylor 2021

 

Kontakt: J.N.Taylor@gmx.de

 

Covergestaltung: J.N. Taylor

Bildmaterial: pixabay.com, canva.com

 

 

 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autoren. Vervielfältigungen und Veröffentlichungen sind nicht gestattet.

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden und entspringen meiner Fantasie. Ähnlichkeiten jeglicher Art wären demnach rein zufällig.

 

 

Zum Inhalt:

Wer hätte gedacht, dass ein Segelurlaub mit Freunden mein Leben für alle Zeit verändern würde? Ich schon mal nicht, so viel steht fest.

Ich bin reich, ich bin gutaussehend und ich will Spaß haben. Ich will mich nicht mit unheimlichen Horrorkindern oder noch gruseligeren Kreaturen herumschlagen müssen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Und doch muss ich genau das tun, nachdem mich ein dämlicher Sturm von meinen Freunden getrennt hat.

Ich bin Samson Rivers und das hier ist meine unglaubliche Geschichte ...

 

Hinweise:

Es handelt sich hier um Band 2 meiner neuen Reihe rund um die Syrtanis. Samson und Jeldriks Geschichte ist in sich abgeschlossen, aber sie werden auch noch eine wichtige Nebenrolle im nächsten Teil spielen, daher empfehle ich trotzdem, die Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Enthält außerdem Fast Love und Mpreg.

Vorwort


Diese Geschichte widme ich dieses Mal den lieben Rezensionsschreibern, die mich mit ihren Worten nach der Veröffentlichung des ersten Teiles so toll motiviert haben. Vielen lieben Dank an MW, Petra, Kunde, Resa, Sabrina, alias-smith, Spiesl, Bücherwurm Ulli, Kenneth und natürlich P.G, auf deren nächste Bewertung ich mich jetzt schon freue. Sollte ich jemanden übersehen haben, entschuldige ich mich schon mal vorab dafür. Natürlich gilt mein Dank auch den vielleicht noch folgenden Bewertungsschreibern und denen, die einfach nur eine Sternebewertung dagelassen haben. Ohne euch würde es diese Geschichten nicht geben. Drück euch!


Kommen wir nun zu den üblichen Warnungen. Ich halte ich mich diesmal kurz, da die meisten inzwischen wissen sollten, was sie von mir zu erwarten haben. Mögt ihr kein Mpreg, dann ist diese Story nichts für euch, denn das Thema wird hier ausführlich behandelt. Allen nicht Abgeschreckten wünsche ich jetzt viel Spaß mit Samsons Geschichte!

 

Prolog


Die Sonne brennt wie Feuer auf meinem Körper und es fühlt sich an, als würde mir gleich das Gesicht wegschmelzen, dennoch bewege ich mich nicht von meinem Platz am Sonnendeck weg. Wer schön sein will, darf keine Angst vor Hautkrebs oder vorzeitiger Hautalterung haben und zur Not gibt es ja für beides Ärzte.

Nun gut, dass mir sogar ein Griff zur Sonnenmilch zu schwerfällt, könnte auch an meiner derzeitigen Faulheit liegen und die wiederum lässt sich ganz einfach mit meinem Kater erklären. Scheiße, ich sollte echt nicht mehr so viel trinken.

»Hey, du Faupelz, willst du uns nicht mal beim Segeln helfen?«

Ich öffne ein Auge unter meiner Sonnenbrille und starre zu meinem besten Freund Ramon hoch. Der Mann scheint auch noch verkatert zu sein, sonst würde er mir nicht solch eine dämliche Frage stellen.

»Ich sage nur ein Wort: Autopilot.«

Ramon lässt sich mit einem Seufzen neben mich fallen. »Der läuft schon ziemlich lange, ich hoffe, der Generator macht nicht schlapp, bevor wir den nächsten Hafen ansteuern können.«

»Das ist nicht mein Problem. Wie du dich vielleicht erinnern kannst, wollte ich, dass wir die Motoryacht meines Dads für diesen Trip nehmen, aber nein, segeln klang für euch alle ja viel cooler.«

Das wurmt mich immer noch. Auf der Santana hätte es klimatisierte Kabinen, einen Whirlpool und eine Crew gegeben. Hier gibt es nichts davon und ich bin ständig am schwitzen.

»Auf deiner Yacht waren wir letztes Jahr schon.«

»Und? Es hat doch riesigen Spaß gemacht, oder etwa nicht?«

»Schon, aber Daphne wollte halt ...«

»Daphne!«, unterbreche ich ihn schnaubend. »Seit wann richten wir uns nach den Weibern?«

»Hey, das habe ich gehört!«, schrillt es von besagter Nervensäge irgendwo her, doch ich mache mir nicht mal die Mühe, nach ihrem Aufenthaltsort zu fahnden.

»Ist mir scheißegal«, trällere ich stattdessen zuckersüß zurück, denn ich kann diese Frau nicht leiden. Sie ist zu schrill, zu laut, einfach zu nervig. Ich habe keine Ahnung, wie Ramon es mit ihr aushält, aber so wie ich meinen Freund kenne, wird er sich nach dem Trip eh eine Neue suchen. Er braucht ständig Abwechslung, darin ist er genauso wie ich.

»Die Frau ist echt nur zu ertragen, wenn sie einen Schwanz in der Kehle hat«, murmle ich leise vor mich hin und Ramon beginnt zu grinsen.

Er stößt mir seinen Ellenbogen in die Seite. »Samson, du bist echt der größte Arsch, den ich kenne.«

»Leider nur der Zweitgrößte«, korrigiere ich schmunzelnd. »Immerhin bist du es, der darauf steht, seine Weiber mit mir zu teilen.«

»Hey, nicht so laut!«, zischt er mir leise zu und sieht sich hektisch um.

»Genau das hättest du gestern Nacht lieber mal deiner Kleinen sagen sollen, während sie meinen Schwanz geritten hat. Mal ehrlich, Ramon, denkst du, das bekommt keiner mit?«

Ramons Blick verfinstert sich. »Ist mir egal, ob es die anderen wissen, ich will nur nicht, dass es Corey mitkriegt, also sprich gefälligst leiser!«

Ich spare mir eine Diskussion, denn wenn es um seinen Bruder geht, ist mit Ramon nicht zu spaßen. Er vergöttert und verachtet ihn zu gleichen Teilen, was ich absolut faszinierend finde. Einerseits will er ihm die Welt zu Füßen legen und sorgt dafür, dass es ihm an nichts fehlt und andererseits macht er ihn ständig runter.

Ob das wirklich nur daran liegt, dass der kleine Langweiler schwul ist? Schwer zu glauben, immerhin weiß Ramon, dass ich selbst gerne mal einen Typen ficke und wenn wir mal zusammen einen Dreier haben, was nicht unbedingt selten vorkommt, dann macht es ihm auch nichts aus, wenn ich ihn aus Versehen dabei berühre. Klar, wir selbst machen nicht miteinander rum, aber er schien mir trotzdem nie ein Problem mit Homosexualität zu haben. Woher kommt also all die Wut? Ich bin noch nicht dahintergekommen, gedenke aber, das Geheimnis dieser verdrehten Beziehung irgendwann zu lüften. Nur nicht heute!

»Okay, Themenwechsel. Was gibt es heute zu essen? Ich habe Hunger.«

»Sobald du mal deinen Arsch in Bewegung setzt und dir selbst etwas machst«, werde ich angeknurrt. »Die Vorräte werden knapp, daher bleibt die Küche vorerst kalt und ich werde dir ganz bestimmt keine Stulle schmieren.«

Ich schiebe die Sonnenbrille nach oben und klimpere verspielt mit meinen Wimpern. »Was? Aber ich dachte, du liebst mich und würdest alles für mich tun!«, säusle ich und tue dann schockiert, während ich mich aufsetze. »Oder hast du mir etwa nur etwas vorgespielt, um mich ins Bett zu kriegen? Ist es das? Du wolltest mir nur an meinen kleinen Lulumann?« Jetzt kommt der Höhepunkt meiner kleinen Komödie. »Du Schuft!«, schreie ich und tue so, als ob ich ihm eine Ohrfeige verpassen will. Ramon fängt mein Handgelenk noch in der Luft ein und lacht.

»Scheiße, Mann, du bist so gestört!«

»Natürlich, das wird man zwangsläufig, wenn man zu viel Zeit mit dir verbringt. Du bist eben ansteckend.«

Ramon schüttelt immer noch lachend den Kopf. »Wichser!«

»Ja, in einsamen Nächten kommt das durchaus vor.«

Ich werde in den Schwitzkasten genommen und schreie um Hilfe, wovon ich mir allerdings nur mäßigen Erfolg verspreche. Kaum einer reagiert überhaupt auf unser Geplänkel und nur Carl kommt schmatzend und mit einem Brot in der Hand vorbei, um mal nach dem Rechten zu sehen.

»Die Kletten hängen mal wieder aneinander, huh?«

Was für eine Frechheit! »Siehst du schlecht? Man versucht mich gerade zu ersticken! Hilf mir oder gib mir wenigstens ein Stück von deinem Brot ab.«

Immer noch röchelnd im Schwitzkasten hängend, strecke ich meine Arme nach ihm aus, aber ich komm einfach nicht an ihn ran.

»Der kriegt nix, Carl! Der faule Sack muss endlich lernen, dass wir nicht seine Diener sind.«

»Ich bin mit großem Abstand der heißeste Typ, klar seid ihr meine Diener! Und übrigens, mein Sack ist nicht faul! Er steht in voller Blüte und ... Aua!«

Ramon wird grober und so muss ich nun doch anfangen, mich gegen ihn zu wehren. Scheiße, und das bei gefühlt sechzig Grad unter der tropischen Sonne. »Okay, du willst es also auf die harte Tour? Gut, dann bekommst du es auch. Mach dich auf was gefasst!«

Sich aus Ramons lächerlichen Griff zu befreien ist nicht schwer und ihm dann auch noch ganz nebenbei die Beine wegzutreten ist noch leichter. Ächzend landet mein Freund vor mir auf dem Boden und ich jubele. »Wuhu! Sieh nur, wer endlich dort ist, wo er hingehört. Ramon, küss mir die Füße!«

Ich strecke ihm meine Zehen vors Gesicht, was eine ziemlich dumme Idee ist, wie ich gleich darauf erkennen muss, denn Ramon packt sich meinen Fuß und Schwupps, lande ich auch schon fluchend neben ihn.

»Für diesen Spruch küsst du jetzt meine Faust!«, droht mein Freund und wir beginnen sofort eine ziemlich anstrengende Rangelei auf dem Boden, in der keiner von uns unterliegen will.

»Leute, Leute, Schluss damit, bitte!«, höre ich Carl hinter uns mit vollem Mund schreien. »Ihr treibt das Spielchen wieder so weit, bis einer weint.«

»Wir weinen nie!«, ächze ich unter schwersten Bedingungen, denn momentan liegt Ramon leider oben und der Mistkerl könnte ruhig mal eine Diät machen. »Das ist bloß Kampfschweiß, der aus den Augen rinnt.«

»Ja, ja, aber ich habe euch gewarnt und ... Verfluchte Scheiße, was ist das!?«

Carls Schrei bringt Ramon und mich zum Innehalten und wir wenden unsere Köpfe in seine Richtung. Carl ist kalkweiß im Gesicht und deutet auf etwas außerhalb unseres Sichtfeldes. »Ich glaube, da kommt eine riesige Gewitterfront auf uns zu!«

»Quatsch, um diese Jahreszeit?« Ramon springt auf seine Füße und ich tue es ihm nach. Der Anblick, der uns gleich darauf trifft, ist ... beunruhigend, milde ausgedrückt.

Als hätte man sie dorthin gemalt, türmt sich vor uns eine riesige schwarze Wolke auf und wir steuern direkt darauf zu. Der Himmel selbst ist allerdings klar und auch sonst um uns herum herrscht wie die ganzen letzten Tage himmlisches Wetter. Es sieht einfach falsch aus. Der Wind frischt auf, je näher wir diesem Ding kommen und ich bekomme eine Gänsehaut.

»Heilige Scheiße, was soll das sein? Hat das schon mal jemand gesehen?«, will ich wissen.

»Das ist doch scheißegal!«, brüllt Ramon. »Wir müssen das Boot wenden, und zwar sofort!«

Recht hat er wohl, denn nun haben auch alle anderen die schwarze Wolke entdeckt und beginnen panisch zu werden. Daphne und Carls Freundin Zelda schreien los. Frances beginnt bereits eifrig zu kurbeln und schreit Kommandos in unsere Richtung, da er der erfahrenste von uns Seglern ist und Ramons kleiner Bruder steht wie erstarrt inmitten all diesem Chaos und ruft verängstigt nach seinem Bruder. Passiert das hier gerade wirklich?

Carl und Ramon beginnen Frances‘ Anweisungen zu befolgen und helfen beim Wendemanöver des Schiffes, aber es sieht ein Blinder, das sie das nicht mehr rechtzeitig schaffen werden. Der Wind wird stärker und weht uns genau auf die Bedrohung zu.

»Rettungswesten an!«, schreie ich meinen Freunden zu, denn natürlich halten wir so etwas normalerweise für zu uncool, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass wir sie gleich brauchen werden.

Als keiner auf mich reagiert, will ich unter Deck stürmen und sie holen, da hält mich ein eigenartiges Geräusch zurück. Hat da jemand gerade meinen Namen geflüstert?

Samson ...

Da! Da ist es wieder. Unruhig sehe ich mich um. Wo kommt das her?

Samson ... hier bin ich Samson ...

Irgendetwas treibt mich zur Reling. Inzwischen ist die Yacht stark am Schaukeln und ich habe so meine Probleme, einen festen Stand zu behalten, aber schließlich schaffe ich es und klammere mich mit zittrigen Fingern an der Reling fest, um nicht kopfüber ins Meer zu stürzen. Suchend blicke ich über die unruhigen Wellen. Das Meer ist ganz dunkel geworden, wütend scheint es nach mir greifen zu wollen, aber ansonsten kann ich nichts erkennen.

Was soll da auch sein, du Idiot? Wir sind mitten auf dem offenen Meer. Da ist niemand!

Ich wende mich wieder ab, will etwas Sinnvolles tun, wie zum Beispiel den anderen helfen, doch meine Füße streiken und wollen sich einfach nicht bewegen lassen.

Samson, hier ... komm her!

Etwas legt sich wie eine Schlinge um meine Kehle und zieht mich nach hinten. Alles passiert ganz schnell und ich kann weder reagieren noch schreien, bevor ich auch schon mit einem Ruck über die Reling gezogen werde. Es fühlt sich an, als würde ich wie in Zeitlupe fallen, aber in Wirklichkeit sind es wohl nur wenige Sekunden, bevor mich die zornigen Wellen verschlingen.

Die plötzliche Kälte trifft mich wie ein Schock und ich strample mich mit aller Kraft zurück nach oben. Als ich mit meinen Kopf prustend die Oberfläche durchbreche, kann ich gerade noch sehen, wie die Yacht mit meinen Freunden direkt von der schwarzen Wolke verschluckt wird. Vielleicht haben sie nicht einmal bemerkt, wie ich von Bord gefallen bin. Wie ist das überhaupt passiert und was ...?

Es wird Zeit, Samson ...

Ich habe keine Zeit mehr einen vernünftigen Gedanken zu fassen, denn etwas packt mich am Fußknöchel und zieht mich hinab. Hinab in die Tiefen des Meeres, die nur eines für mich bedeuten können: meinen sicheren Tod ...

1. Das Horrorkind und der Reptilienmann


Ich lande röchelnd und nach Luft schnappend auf einem steinigen Untergrund. Ich schürfe mir dabei die Knie und meine Handflächen auf, aber das ist das Geringste meiner Sorgen. Ich bin verwirrt und orientierungslos und mein Magen rebelliert, weil ich viel zu viel Salzwasser geschluckt habe. Immer wieder muss ich würgen, während ich dabei nach dem dringend benötigten Sauerstoff hechle.

Was ist passiert?

Es kommt mir so vor, als hätte man mich minutenlang immer tiefer ins Meer hinab gezogen, aber dann müsste ich jetzt tot sein, richtig?

Ich blicke mich ängstlich um. Ich scheine in einer kleinen Grotte gelandet zu sein. Um mich herum erblicke ich nichts als dunkelschimmerndes Gestein, das nur durchbrochen wird von einem hell erleuchteten Fleckchen Wasser, das mich eben noch so lieblos ausgespuckt hat. Befinde ich mich doch nicht am Meeresgrund? Ich kann atmen und ... Verdammt, ich bin konfus. Das alles ergibt einfach keinen Sinn.

Hallo, Samson.

Ich schrecke aus meinen Überlegungen auf und wende mich in Richtung der Stimme. Der Stimme, die mir schon die ganze Zeit eigenartig zugeflüstert hat. Zu meiner Überraschung erblicke ich links von mir einen kleinen Jungen, der auf einem Felsbrocken sitzt und mich lächelnd mustert. Er kann nicht älter als zehn Jahre sein, besitzt sonnengebräunte Haut, dunkles Haar und trägt nichts als einen Lendenschurz. Meine Verwirrung ist nun perfekt. Das Kind soll mich über die Reling gezogen haben? Wie, wobei die noch bessere Frage lautet: Warum?

»Wer bist du?«, krächze ich und muss sofort wieder husten. Meine Lunge brennt.

Ist das wichtig? Ja, verdammt, aber der Knirps scheint das leider anders zu sehen. Willst du nicht viel lieber wissen, was du hier machst?

Mir wird mit Entsetzen klar, dass der Junge beim Sprechen seine Lippen nicht bewegt und auch nicht zu atmen scheint. Ist das hier nur ein Alptraum, denn das kann unter keinen Umständen echt sein?

Kein Traum, flüstert es wieder und ich begreife nun, dass ich diese Worte nur in meinem Kopf höre. Also bin ich wohl verrückt geworden. Scheiße, ja! Ich bin übergeschnappt und sitze nun irgendwo in einer Gummizelle und fantasiere mir das hier zusammen. Der Gedanke ist beunruhigend, aber wenigstens habe ich nun meine Erklärung für all das hier.

Eine dämliche Erklärung und zudem völlig falsch.

Ha! Das klingt doch nach mir! Ich habe mir schon immer gerne selbst widersprochen.

Sei nicht so anstrengend und hör zu!

Da mir gar nichts anderes übrig bleibt, tue ich das. Mal sehen, was mein Gehirn so zu sagen hat.

Du befindest dich viele Meilen unter dem Meer ...

Oh, ich scheine nicht besonders schlau zu sein, denn das klingt zu unlogisch. Könnte ich ohne professionelle Ausrüstung so tief unten überleben? Und wenn ja, wie soll ich mir die Sache mit dem Atmen erklären? Gibt es mit Sauerstoff gefüllte Höhlen in der Tiefe? Wenn ich jetzt mein Smartphone zur Hand hätte, würde ich das tatsächlich recherchieren, wobei ich dafür wiederum einen Handyempfang benötigen würde und bei dieser Sache bin ich mir fast zu hundert Prozent sicher, dass das unmöglich wäre.

Du hast eine interessante Denkweise. Nicht sehr produktiv und sehr wirr, aber interessant.

Keine Ahnung, ob das nun ein Kompliment oder eine Beleidigung ist, aber ich schätze mal beides. Soll ich mal weiter meinem Hirngespinst lauschen? Ach komm, ich tu's einfach.

Du solltest langsam anfangen, die Sache ernst zu nehmen, ansonsten erwartet dich leider ein grausamer Tod und du willst doch noch nicht sterben, oder?

Ähm, nein. Warum bedrohe ich mich denn jetzt? Scheiße, ich mache mir selbst verdammt Angst.

Der Junge steht auf und haut mir auf den Hinterkopf, was verflucht wehtut. »Au! Sag mal, spinnst du?«

Glaubst du mir jetzt, dass ich kein Hirngespinst bin? Du träumst nicht und das alles hier ist verdammt real. Fange an, an dein Überleben zu denken, denn du bekommst nur diese eine Chance. Also, bist du jetzt bereit, mir zuzuhören und damit meine ich richtig?

Ich beginne zu zittern. Das hier ist tatsächlich real?

Ja, ist es. Ich habe dich hierhergebracht, weil du mir etwas zurückbringen sollst, das ich vor einiger Zeit verloren habe. Erfüllst du deine Aufgabe, wirst du noch ein langes und erfülltes Leben führen können, versagst du allerdings ...

Er muss gar nicht weitersprechen, denn ich sehe glasklar vor meinem inneren Auge, wie ich in dieser Höhle elendig verrotten werde.

Das kann passieren, gesteht das ... seltsame Ding und das auch noch völlig ungerührt. Hier gibt es kein Trinkwasser und auch nichts zu essen. Auch der Sauerstoff wird dir nicht ewig gewährt werden, also hast du nicht wirklich viel Zeit.

»Nicht wirklich viel Zeit, um was zu tun?«, hake ich aufgeregt nach, denn ich glaube immer mehr, dass das hier real sein könnte. Na ja, und natürlich ist mir mein Leben zu wichtig, um in dieser Sache ein Risiko einzugehen.

Ich will, dass du zurück zur Oberfläche schwimmst, aber das kannst du als Mensch nicht allein, ohne bei dem Versuch zu sterben. Du wirst also Hilfe brauchen.

»Ach? Und woher bekomme ich die? Warum bringst du mich nicht zurück, immerhin hast du mich auch hierhergebracht!?«

Weil ich will, dass du ihn dazu bringst, dich zurückzubringen. Das Horrorkind deutet auf eine dunkle Ecke und ich kneife die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Die Höhle wird nur von dem unheimlich leuchtenden Wasser erhellt und alles, was ich in angewiesener Richtung erkennen kann, ist so etwas wie ein großer dunkler Fleck.

Das ist kein Fleck, sondern jemand sehr wichtiges. Jeldrik. Sein Name bedeutet edler Herrscher, doch im Moment ist er alles andere als das und nur eine verkümmerte Version seines früheren Selbst. Er ist nicht länger bei klarem Verstand, also wirst du dich sehr anstrengen und ihn aus seiner Lethargie reißen müssen, bevor er dir wirklich eine Hilfe sein kann.

»Was?« Das ist doch wohl ein schlechter Scherz!

Es ist mir egal, wie du es tust, nur beeil dich besser, denn die Uhr tickt, spricht der Junge weiter und wendet sich dann von mir ab. Seine Gestalt beginnt zu verschwimmen und ich greife panisch nach ihm, doch meine Hand gleitet nur durch leere Luft.

»Halt! Warte! Du kannst mich doch jetzt nicht so einfach hier lassen! Ich brauche mehr Informationen!«

Du hast alle Informationen, die du brauchst. Erfülle nun deine Aufgabe.

Es sind die letzten Worte, die ich höre, bevor er sich endgültig aufgelöst hat und mich völlig verstört zurücklässt. Ich blicke hilflos zum dunklen Fleck in der Ecke, von dem das Kind behauptet hat, es sei meine einzige Überlebenschance. Was soll ich jetzt bloß tun?

Geh hin und sieh nach, was sich hinter dem Fleck verbirgt, du Trottel!

Okay, das ist jetzt endlich wieder mein ganz eigenes Stimmchen und es hat recht. Hier herumzusitzen und langsam zu verdursten kann nicht die Lösung sein, doch ... ich habe Schiss. Was ist dieser Jeldrik für ein Wesen, denn ein anderer Mensch könnte mich wohl kaum zurück an die Oberfläche bringen? Ich will es nicht wirklich herausfinden, aber eine wirkliche Wahl habe ich auch nicht, also erhebe ich mich langsam und gehe vorsichtig auf den Fleck zu.

»Jeldrik?«, wage ich einen ersten Kommunikationsversuch und scheitere kläglich dabei, denn in der finsteren Ecke tut sich gar nichts. »Edler Herrscher? Huhu!«, versuche ich es weiter, doch auch das bringt mir keine Reaktion ein. Tja, dann muss ich wohl tatsächlich näher ran. Schöne Scheiße.

Ich zittere am ganzen Körper, denn so langsam dringt die Kälte meines immer noch durchnässten Körpers zu mir durch. Zudem trage ich nur eine kurze Shorts und hier unten scheint es keine Heizung zu geben. Nun ja, woher soll die auch kommen? Ich beginne zu begreifen, warum das seltsame Kind meine Gedanken als wirr bezeichnet hat.

Ich schlinge die Arme um meinen nackten Oberkörper und gehe mutig weiter. Ich komme der dunklen Ecke so immer näher und der Fleck nimmt deutlichere Formen an. Es scheint sich um eine zusammengekauerte Gestalt zu handeln. Na toll, hoffentlich lebt der überhaupt noch!

Als ich nah genug herangekommen bin, um Genaueres zu erkennen, breche ich schockiert in die Knie. »Fuck, was bist du denn für ein Ding?«

Es ist immer noch zu dunkel, um alle Details genau zu erkennen, aber von meiner neuen Position aus, reicht der schwache Lichtschein aus, um mir ein Bild zu bieten, das ich so ganz sicher nicht erwartet hätte. Vor mir liegt ein Wesen, von dem ich keine Ahnung habe, was das sein soll. Es ist groß und breitschultrig, wirkt aber auch sehr ausgemergelt. Ich kann spitze Knochen durch ein mattes Gewand aus Schuppen erkennen und lange, dürre Beine und ... und scheiße, da ist auch ein großer Schwanz, der ihm aus dem unteren Rücken ragt. Sieht aus, als sei er so etwas wie ein übergroßes Reptil. Verdammt, das ist ein Tier und da es zudem absolut reglos daliegt, scheint es auch noch tot zu sein!

Ich blicke mich verzweifelt um. »Junge! Hey Junge, wo bist du!? Hier ist niemand, der mir helfen kann! Komm zurück!«

Ich schreie bestimmt noch fünf Minuten durch die kleine Höhle, doch ich werde nicht erhört und bleibe weiterhin allein mit diesem bewegungslosen ... Irgendwas. Ob ich mal schauen sollte, ob es doch noch atmet? Ich habe nicht wirklich etwas zu verlieren, richtig?

Auf Knien robbe ich weiter zu dem Tier, was meine Schürfwunden nur weiter aufscheuert, aber darauf will ich jetzt keine Rücksicht nehmen, schließlich brauche ich mir um makellose Haut keine Sorgen mehr zu machen, wenn ich hier nicht lebend rauskomme.

»Hey du!« Ich stupse es mit einem Finger an und ziehe meine Hand eilig wieder zurück. Verflucht, es ist kalt. Meine Hoffnungen schwinden, aber noch bin ich nicht bereit dazu, aufzugeben.

»Hey, du musst unbedingt am Leben sein, denn sonst krepier‘ ich hier direkt neben dir und das will doch keiner!« Ich zwicke dem großen Reptil in den Schwanz und ernte dafür nicht mal das winzigste Zucken. »Du, ich meine das ernst! Ich werde anfangen zu verwesen und dir deswegen deine nette Grottenbude so richtig fies einstänkern. Das kannst du einfach nicht wollen!«

Kann das Ding mich überhaupt hören? Und wenn ja, würde es mich verstehen? Alles gute Fragen, allerdings bringen sie mir herzlich wenig, wenn ich immer noch annehmen muss, dass es überhaupt nicht mehr lebt. Okay, ein letzter und alles entscheidender Versuch sollte noch drin sein, bevor ich richtig in Panik ausbreche und mir in meine einzige Shorts strullere.

»Gut, pass auf, wir machen das so: Ich komme jetzt langsam noch näher und lausche mal, ob du noch einen Herzschlag hast und solltest du dabei doch noch aufwachen, dann versuche doch bitte, mir nicht gleich den Kopf abzubeißen, okay?«

Ich bekomme leider keine Antwort darauf und muss daher einfach hoffen, dass es sich bei ihm um ein veganes Tierchen handelt. No risk, no life!

Ich muss würgen, als ich dem Ding so nahe gekommen bin, dass ich dessen Körperausdünstungen leider nicht länger ignorieren kann. Es stinkt entsetzlich nach faulem Fisch. »Lange keine Dusche mehr gesehen, was?«, scherze ich und berühre vorsichtig mit den Fingerspitzen seine Brust. Die Schuppen sind dunkelgrau, trocken und eiskalt. Vielleicht sollte ich doch lieber weinen, anstatt flache Witze zu reißen.

Ich werde mutiger und lege meine Hand flach auf die Stelle, hinter der ich sein Herz vermute, kann aber leider nicht viel spüren, also muss ich wohl doch mit meinem Ohr dran, aber das bringe ich trotz meiner zuvor gemachten Ankündigung noch nicht über mich. Also erst mal den Puls am Handgelenk fühlen, wobei ich mir zum ersten Mal die Frage stelle, warum dieses Wesen überhaupt Arme und Beine wie ein Mensch hat. Ist das so eine Art Mutation?

Die Fragen bringen mir nichts bei der Suche nach einem Lebenszeichen, daher schiebe ich sie erst mal nach hinten und taste weiter an seinem Handgelenk herum. Es bringt mir keine weiteren Erkenntnisse, zumindest keine zufriedenstellenden, daher wende ich mich nun dem Hals zu. Ich strecke meine Finger aus und ... IIIHH, das Ding hat ja Kiemen!

Es schüttelt mich. »Was soll das!? Bist du nun ein Reptil oder ein Fisch? Scheiße Mann, du hättest dich bei deiner Geburt echt mal entscheiden sollen, denn das ... Alter, das geht echt nicht!«

Mein Gejammer stößt wie inzwischen nicht anders erwartet auf taube Ohren und ich beginne diese Stille zu hassen, was mich nur dazu bringt, sie mit weiteren unsinnigen Worten zu füllen. »Weißt du, wenn du nicht so langsam aufwachst, könnte ich dir ganz viele schlimme Dinge antun. Ich spaße nicht! Ich könnte dir zum Beispiel gegen deinen Lendenschurz treten und wenn deine Anatomie auch nur ansatzweise meiner ähnlich ist, dann würde das verflucht wehtun.«

Ja, ganz toll, Samson, drohe einem toten Tier, ihm in die Eier zu treten. Das wird dir bestimmt beim Überleben helfen.

»Oh, komm schon, bitte sei nicht tot!«

Meine Verzweiflung bricht nun endgültig durch und ich wage den letzten Schritt und lege mein Ohr auf seine Brust. Ich lausche und finde tatsächlich einen leisen und sehr langsamen Herzschlag, von dem ich beruhigt annehmen kann, dass es sich hierbei nicht um meinen handelt, denn mein Herz rast und schlägt nun Loopings, so erleichtert bin ich.

»Du lebst! Heilige Scheiße, du lebst tatsächlich noch!«

In meiner Freude packe ich mit beiden Händen seinen Kopf und hebe ihn an. Sein Gesicht ist gewöhnungsbedürftig und gleicht dem einer Echse oder so was, aber das spielt im Moment absolut keine Rolle, denn nun muss ich das Tier dazu bringen, die Augen zu öffnen und mich dann von hier fortzubringen.

»Jeldrik! Jeldrik, wach auf!«, versuche ich ihn mit dem Namen aufzuwecken, den mir das schaurige Kind vorhin genannt hat. »Jeldrik, ich ... Ah!«

Ich erschrecke mich zu Tode, als das Ding tatsächlich die Augen öffnet und falle sehr schmerzhaft auf meinen Hintern, als ich deswegen nach hinten ausweichen will. Es hat gelbe Raubtieraugen, die mir so fremdartig erscheinen, dass ich sie einfach nur fassungslos anstarren kann.

Ein leises Knurren entspringt seiner Kehle und er lässt seinen Blick unstet umher wandern, bis er auf meiner Gestalt liegenbleibt. Die Augen verengen sich und er knurrt erneut, diesmal allerdings um einiges lauter. Ich beginne zu zittern, kann ansonsten aber nur weiter starren. Seine winzigen Nasenlöcher zucken. Schnuppert er?

Das ist doch vollkommen egal, mach, dass du aus seiner Reichweite kommst!, schreit es in mir, doch ich bin weiterhin wie gelähmt.

Sein Blick wird plötzlich lauernd und berechnend und ich ahne, was jetzt kommt, denn ich habe in der Vergangenheit so einige Horrorfilme gesehen. Das Tier wird mich gleich anspringen und fressen. Vielleicht hat es nur Hunger, es sieht schließlich so aus, als hätte es ewig nichts mehr gefressen, aber vielleicht ist es auch nur abgrundtief böse. So oder so will es Blut sehen und wenn ich mich nicht endlich vom Acker mache, dann wird es das auch bekommen.

Der Gedanke bringt endlich Bewegung in mich, doch leider zu spät. Das Monster greift nach mir und erwischt dabei mein Fußgelenk. Es zieht mich mit erstaunlicher Kraft zu sich und beugt dann seinen Kopf herunter, um ... mir übers Knie zu lecken?

Okay, das überrascht mich jetzt, denn ich habe mit Schlimmerem gerechnet, aber das kann ja noch kommen, deswegen verfalle ich auch wieder ganz schlau in Schockstarre und schaue, wie mir das Blut von der Haut geleckt wird.

Das Tier beginnt zu schnurren, also ist er anscheinend nicht nur zum Teil Fisch und Echse, sondern auch noch eine Katze. Sehr seltsame Mischung, wobei ich mir im Moment eher um andere Dinge einen Kopf machen sollte. Zum Beispiel darüber, was passiert, wenn er kein Blut mehr zum Abschlecken hat. Oh, okay, er versucht es erst mal noch mit dem anderen Knie und beginnt auch dort über die Schürfwunden zu lecken. Das Schnurren verstärkt sich und hallt nun ziemlich Laut von den Wänden wider. Es scheint zu schmecken.

Igitt, es schüttelt mich und ich wage mal einen vorsichtigen Versuch, ihm mein Bein zu entwenden, was ihn allerdings nur dazu bringt, seine Schuppenhändchen fest um meine Wade zu wickeln. Was soll ich jetzt tun? Schreien wird wohl nichts bringen und ihn nur aggressiv machen, also bleibt wohl nur ein ruhiger Kommunikationsversuch. Außerdem muss ich ihm

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 26.04.2021
ISBN: 978-3-7554-3015-5

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