Der Dschungel & ich
Band 3
Copyright Text © J.N. Taylor 2019
Kontakt: J.N.Taylor@gmx.de
Covergestaltung: J.N. Taylor
Bildmaterial: pixabay.com
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autoren. Vervielfältigungen und Veröffentlichungen sind nicht gestattet.
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden und entspringen meiner Fantasie. Ähnlichkeiten jeglicher Art wären demnach rein zufällig.
Zum Inhalt:
Es gab Menschen, die waren clever und mutig, stellten sich allen Gefahren. Und dann gab es noch Menschen wie mich, die nur mit einer Unterhose bekleidet in den Dschungel rannten, weil sie Angst vor einem Godzilla hatten. Ja, das war dämlich, aber noch viel dümmer war es, wenn man sich in die Arme eines noch viel gefährlicheren Wesens flüchtete.
Ich traf auf Jakob. Er war sexy, obwohl er nicht viel von Kleidung hielt und ... er war ein riesiger Idiot. Ich hatte so meine Last mit ihm, aber weil das an Ärger ja nicht reichte, gab es da auch noch so einen dritten im Bunde, der auch nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte war. Zum Glück hatten die beiden aber mich und so könnt ihr eine Geschichte lesen, wie ihr sie bestimmt noch nie gelesen habt ...
Hinweis:
Diese Geschichte beinhaltet sexuelle Praktiken, die nicht ganz der Norm entsprechen und daher nur für aufgeschlossene und neugierige Leser geeignet ist. Magst du Gestaltwandlerstorys, dann bist du hier richtig, aber erwarte nicht, dass sich diese Wesen nur in ihrer menschlichen Gestalt zeigen oder handeln. Das alles ist reine Fiktion, aber solltest du jetzt schon abgeschreckt sein, rate ich, das Buch sofort zu schließen. Allen anderen wünsche ich viel Spaß!
Ich war so dumm! Nein, eigentlich war ich sogar total bescheuert. Denn wie war es sonst zu erklären, dass ich nur mit einer Unterhose bekleidet in die tiefsten Tiefen des Dschungels gerannt war?
Nachts.
Ganz allein.
Und natürlich ohne jeglichen Orientierungssinn.
Spätestens, nachdem ich mehrmals in der Dunkelheit gestürzt war und ich mir die nackten Füße blutig gerissen hatte, hätte ich umkehren müssen, aber da war es bereits zu spät. Ich hatte mich hoffnungslos verlaufen und kam durch meine schmerzenden Füße weder einen Schritt vor, noch einen zurück. So sah Hilflosigkeit in Reinkultur aus.
Ich verkroch mich auf Händen und Knien zwischen zwei Bäumen und verzweifelte. Könnte sogar sein, dass ich wie ein Mädchen anfing zu heulen, aber ich war eh emanzipiert genug um zu behaupten, dass auch Männer das Recht auf Tränen hatten. Und mal ehrlich, konnte man mir das nach der heutigen Nacht wirklich verübeln?
Ich war erst vor einem Tag in dieser fremdartigen Welt angekommen und hatte gleich darauf erfahren müssen, wie fremdartig sie wirklich war. Und gefährlich! Das durfte ich nicht vergessen, denn hier kämpfte man nicht nur ums nackte Überleben, sondern auch um die Jungfräulichkeit seines Arsches!
Es war verrückt. Einfach irre! Ich war mit meinem besten Freund Derek doch nur hierhergekommen, weil wir seinen vermissten Freund Michael finden wollten. Ihn hatten wir nicht gefunden, dafür aber total abgefahrene Wesen. Menschen, die sich in Tiere verwandeln konnten!
Ja, ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn es da nicht diesen Froschmann gegeben hätte, der mir vor kurzem noch an die Wäsche wollte. Erst hatte er mich zu vergiften versucht und dann zu vernaschen. Ich bekam Panikschübe, wenn ich nur daran zurückdachte.
Ich lag da, mir war schwindelig und schlecht und da kam dieser Kerl, zog mir meine Kleidung aus und verwandelte sich dann vor meinen Augen in eine Kröte. In eine Riesenkröte mit klebriger Zunge und schleimigem Körper. Ich hatte nur noch geschrien, meine letzte Kraft zusammengerissen und war dann getürmt.
Und wer jetzt sagt, das ist ja absolut unglaublich, dem soll eines gesagt sein: Das war noch lange nicht das Ende!
Den Frosch war ich losgeworden und ich hatte sogar meinen besten Freund gefunden, als etwas noch viel Krasseres geschah. Godzilla hatte das kleine Dorf, in dem wir uns befanden, angegriffen und das war zu viel für mich geworden. Ich war gerannt und gerannt und hatte sogar den guten Derek vergessen.
Und so kam ich an den Punkt, wo ich heulend und halb nackig am Boden lag. Ich hoffte, die Kreaturen hatten Derek nicht geschnappt. Vielleicht fraßen sie die Menschen, nachdem sie sie besprungen hatten. Vielleicht war genau das Michael passiert und wir waren ihnen nun auch in die Falle gegangen. Tierwandler! Heilige Scheiße, ich kam immer noch nicht darauf klar.
Neben mir begann es im Busch zu rascheln und ich zuckte erschrocken zusammen. Wahrscheinlich wäre das nun der perfekte Zeitpunkt, um sich auch um die echten Tiere des Dschungels Gedanken zu machen? Überall um mich herum hörte ich beängstigende Laute. Es knackte über mir, es raschelte neben mir, aber sehen konnte ich nichts.
Ich begann zu bezweifeln, dass ich den nächsten Morgen noch erleben würde. Ich brauchte Schutz. Einen Unterschlupf. Irgendetwas eben worin ich mich verstecken konnte.
Und so krabbelte ich erneut los. Ich war mal wieder so panisch, dass mir die aufgeschürften Knie und Handflächen kaum etwas ausmachten. Ich spürte den Schmerz gar nicht. Dafür nahm ich den Dschungel um mich herum immer bewusster wahr. Er lebte und beobachtete mich. Bestimmt hatten es schon etliche Bewohner auf mein mageres Fleisch abgesehen.
Ich wimmerte leise, als ich an giftige Spinnen, fleischfressende Leoparden und Alligatoren mit riesigen Mäulern dachte. Jedes dieser Dinger und noch weitaus Schlimmeres konnte hinter jedem nächsten Busch auf mich lauern. Und ich hatte nicht einmal etwas, womit ich mich wehren konnte. Sollte ich etwa meine Unterhose ausziehen und damit auf sie einprügeln?
Wie durch ein Wunder schaffte ich es lebend zu einer Felsformation, an die ich meinen Rücken drückte und mich fortan entlang schlängelte. Wenigstens konnte mich so keiner mehr hinterrücks anspringen. Musste ich nur noch herausfinden, wie ich meine Vorderseite schützen sollte, denn die war mir mindestens mal genauso lieb und teuer.
In der Ferne hörte ich ein Brüllen, das mich bis ins Mark erschütterte. Lief ich nicht genau darauf zu?
Okay, umdrehen!
Ich wollte gerade in die andere Richtung wechseln, da huschte genau dort etwas über den Boden.
Okay, stehen bleiben!
Ich hielt den Atem an und erstarrte. Bei vielen Tieren half es, wenn man Toter Mann spielte, richtig? Nee, stimmte nicht. Zumindest hielt es das huschende Etwas nicht davon ab, weiter in meine Richtung zu kommen. Und dann kam es nah genug heran, dass ich erkennen konnte, um was es sich handelte. Eine Schlange! Eine riesige, ekelhafte Schlange, Marke: Ich würg‘ dich zu Tode!
Ich wollte nicht zu Tode gewürgt werden, sprang kreischend zur Seite und humpelte dann doch wieder in die andere Richtung. War mir doch egal, wer da gebrüllt hatte. Wenn es darauf ankam, würde ich eben lauter brüllen oder - was wahrscheinlicher war - es in Grund und Boden schreien, bis es einen Hörsturz erlitt und sich freiwillig verpisste.
Guter Plan!
Die Schlange verfolgte mich nicht, aber sie sah mir hinterher und ich bildete mir sogar ein, dass sie mich hämisch dabei angrinste. Das war lächerlich. Oder doch nicht? Nach heute war eigentlich alles möglich.
»Flieh nur und lauf. Lauf so schnell du kannst. Es wird dir nichts nützen und sie werden dich kriegen!«
»AHHH!«
Meinen Schrei musste man sogar Zuhause in England gehört haben, so markerschütternd und laut hatte ich ihn ausgestoßen. Die Schlange sprach! Ein Wandler? Konnten die etwa auch in Tiergestalt wie Menschen sprechen? Oder drehte ich einfach nur durch? Ich wollte es nicht herausfinden und rannte wieder los.
Ich rannte so lange und so weit, bis mein erschöpfter Körper unter mir nachgab und ich zu Boden stürzte. Stöhnend vor Schmerzen blieb ich einfach liegen und schloss die Augen. Irgendwann musste dieser Albtraum enden. Es konnte gar nicht anders sein. Es durfte nicht ...
Der Gedankengang brach abrupt ab, als ich in der Nähe den Ruf eines Affen vernahm. Es klang fröhlich, wiederholte sich und kam mir immer näher. Das beunruhigte mich ausnahmsweise einmal nicht. Affen waren zumeist putzig und süß und das allerbeste an ihnen war, sie fraßen für gewöhnlich keine Menschen. Außerdem würde bestimmt kein Äffchen so unbeschwert herumschreien, wenn ein gefährliches Wildtier in der Nähe wäre, richtig?
Wieder falsch! Ich sollte das Denken echt anderen überlassen.
Tatsächlich erblickten meine Augen kurz darauf einen Affen in der Nähe. Er hüpfte an mir vorbei, streifte mich sogar und schwang sich dann kreischend an einem Baum in der Nähe in die Höhe. Dann wurde es still. Der ganze Dschungel schien den Atem anzuhalten. Die Luft fing an, vor Spannung zu vibrieren, bevor der Regenwald mit einem Schlag wieder zum Leben erwachte. Er tat es mit einem Fauchen, das so laut durch die Finsternis getragen wurde, dass ich mir instinktiv die Ohren zuhielt. Es sollte mir nichts nutzen.
Ein großer Schatten löste sich aus der Dunkelheit und rannte wie ein Pfeil auf mich zu, bevor er zu einem Sprung ansetzte und direkt über mir landete. Oder ich sollte besser sagen, auf mir.
Das schwere Gewicht presste mir augenblicklich meine ganze Luft aus den Lungen und bohrte meinen Körper tief in den wurzeligen Waldboden.
»Hab ich dich endlich, du Drecksvieh!«, fauchte es mit unmenschlich verzerrter Stimme über mir, dann sah ich nur noch scharfe Zähne, die direkt auf meine Kehle zurasten.
Ich war zu geschockt, um mich zu wehren und konnte nicht mal einen Arm heben, um die Zähne daran zu hindern, in meine Haut einzudringen. Stechender Schmerz explodierte in meiner rechten Schulter und ich schrie vor Pein auf. Die Dunkelheit um mich herum wich einer gleißenden Helligkeit und dann ... dann spürte und sah ich nichts mehr.
Schmerzen hatten mich in die Ohnmacht getrieben. Schmerzen brachten mich auch wieder zurück. Mein gesamter Körper, von den Haarspitzen bis zu den Fußsohlen, tat weh und das war jetzt nicht übertrieben dargestellt. Alles brannte, ziepte oder zog, das war nicht mehr feierlich.
Okay, ich musste zugeben, ich war ein bisschen wehleidig und jammerte gerne, wenn es mir schlecht ging, aber bei einem aufgeschürften Körper inklusive einer fetten Fleischwunde war mein gepeinigtes Stöhnen ja wohl mehr als angebracht.
Jemand anderes sah das genauso. »Ist ja gut. Ich weiß, das tut weh. Lass es ruhig raus.«
Ich hob meine Lider und wandte mich dankend der tiefen Stimme zu. Zuerst registrierte ich, dass ich anscheinend nicht lange weggewesen war, denn ich lag noch immer an derselben Stelle wie vor meiner Ohnmacht. Nur war ich zum Glück nicht mehr allein. Ich sah einen Mann mit dunklem Haar und honigfarbenen Augen, die mich wahnsinnig intensiv anfunkelten. Er lächelte ein klein wenig schief und ich hätte es gerne erwidert, wenn mir wie schon gesagt, nicht alles so verdammt wehgetan hätte!
»Wer bist du?« Aha, wenigstens die Stimme funktionierte. Klang ein wenig kratzig, aber egal.
»Dein Rettungssanitäter.«
Ehrlich? Gab es die hier auch im Regenwald? Ich wollte seine Kleidung abchecken, bis ich bemerkte, dass er gar keine trug. Verdammter Fliegenschiss, das konnte doch nur eines bedeuten!
»Oh nein, bist du einer von denen?«
Er musterte mich mit schiefgelegtem Kopf und gefurchter Stirn. »Was meinst du mit von denen?«
Er wollte es Klartext? Konnte er haben. »Einer von denen, die nur so aussehen wie Menschen, aber gar keine sind und sich in Frösche, Schlangen und anderes Getier verwandeln können und dich dann anlecken, wenn du am hilflosesten bist und noch Schlimmeres mit dir vorhaben. Die ...«
»Hey, bekomm dich wieder ein, du solltest dich im Moment lieber nicht so sehr aufregen.«
Boah. Er hatte recht. Die Worte waren verdammt anstrengend gewesen. Ich hatte sogar eine glühende Birne davon bekommen. Wobei ... irgendwie fühlte sich der Rest meines Körpers auch ganz schön warm an. Heiß. Oh nein, bekam ich etwa Fieber? Das hätte mir jetzt noch gefehlt!
Der nackte Mann mit den hübschen Augen beugte sich über mich und hob mich ohne die geringste Mühe auf seine Arme.
»Autsch! Was soll das?« Warum musste er mir noch mehr wehtun?
»Soll ich dich etwa hier liegenlassen, kleiner Mensch? Sei brav und beiß die Zähne zusammen. Ich bringe dich an einen Ort, an dem ich deine Wunden von dem ganzen Dreck befreien kann, bevor du dir noch eine Blutvergiftung einfängst.«
Oh, das machte mir jetzt Angst. Eine Blutvergiftung klang nach Tod und ich fühlte mich noch viel zu jung zum Sterben. Also ließ ich mich wegtragen, auch wenn ich immer noch befürchten musste, dass er einer von diesen Tiergestalten war.
Mein Kopf landete an seiner Schulter und ich bekam eine großzügige Ladung seines Geruchs in die Nase. Er roch irgendwie seltsam. Ganz klar nach Mann, aber auch nach ... Blumen? Das schien überhaupt nicht zu diesem starken Kerl zu passen. Er wirkte auf mich recht geheimnisvoll, was aber wahrscheinlich vor allem daran lag, dass mir noch eine Antwort auf meine Frage fehlte.
»Bist du einer?«, hauchte ich angespannt und so leise, dass ich schon glaubte, er hätte mich nicht verstanden. Wer so stark war, hatte wahrscheinlich aber auch ein super Gehör.
»Einer von denen, die hilflose Menschen anlecken?« Er musste leise lachen, was auch meinen halben Körper zum Vibrieren brachte. »Im Normalfall mache ich das eher selten.«
»Aber du kannst dich auch in ein Tier verwandeln?«
»Ja.«
Ich seufzte. Ich entkam diesen Wesen wohl nicht. Sie schienen überall zu sein. »Aber du wirst mich nicht auffressen, oder?«
»Mal davon abgesehen, dass kaum etwas an dir dran ist, würde ich dir wohl auch kaum helfen wollen, nur um dich dann später zu fressen.«
Das klang logisch und ich schloss wieder erschöpft die Augen. Leider brachte das unliebsame Bilder mit sich und ich erschauderte. Der fauchende Schatten mit den scharfen Zähnen ... Wohin war er verschwunden und warum hatte er mich nicht getötet?
Ich tastete mit der Hand nach meiner Schulter und strich dort über einen beachtlichen Zahnabdruck, der immer noch leicht pochte. Wenigstens schien es aber nicht mehr zu bluten.
»Hast du ihn verjagt?«
»Wen?«
»Den bösen Schatten, der mich gebissen hat.«
»Es gibt hier keine bösen Schatten.«
Das sah ich aber anders! »Hä!? Ich hab doch nicht geträumt und den Biss an meiner Schulter bilde ich mir sicher auch nicht ein. Guck doch mal!«
Mein Retter sah nicht hin und schaute nur stur geradeaus. Er musste ein eingebautes Nachtsichtgerät haben, denn er ging selbstsicher und kam kein einziges Mal ins Straucheln.
»Dir kann es gar nicht so schlecht gehen, wie ich anfangs befürchtet habe, dafür quasselst du zu viel.«
Infame Unterstellung! Konnte doch jeder auf einem Blick sehen, dass ich nur knapp dem Tode entronnen war!
»Willst du etwa auch behaupten, du siehst die vielen Kratzer an meinem Körper nicht? Das tut weh wie Hölle, Mann!«
Nun sah er mich doch an und schmunzelte. »Du bist ein ganz schön wehleidiges Kätzchen, was?«
Der Vergleich gefiel mir nicht. »Ich bin kein Kätzchen.«
»Oh doch. Du fauchst und fährst schnell die Krallen aus, aber trotzdem bist du so niedlich, dass man dich streicheln will.«
Hitze kroch mir von der Brust den Hals hinauf. Hatte ich das gerade richtig verstanden? Der Mann wollte mich ... streicheln?
»Und um auf deine Frage zurückzukommen, ja, ich weiß, dass du einige Kratzer und Schürfwunden hast. Ich habe mir deinen Körper genau angesehen.«
Oha, der letzte Satz klang verdammt anzüglich und machte mich nervös. Wurde ich hier gerade angemacht? Da schwieg ich doch lieber, um den Kerl nicht auch noch zu ermutigen. Außerdem wusste ich nicht, wie ich angemessen darauf reagieren sollte.
»Und jetzt bist du schüchtern. Wieder ein sehr niedlicher Zug. Ich glaube, ich mag dich.«
Ich konnte das breite Grinsen in seiner Stimme hören und zog den Kopf ein. Ich konnte das nicht. Ich war nicht gut im Flirten und nahm am liebsten Reißaus, wenn es einer bei mir versuchte. Ich war ein Kommunikationslegastheniker, was auch dazu geführt hatte, dass ich nicht sehr viele Erfahrungen mit Männern oder Frauen gesammelt hatte. Derek hatte mich deswegen oft verspottet, aber so war ich nun mal.
»Wir sind gleich da, dort kannst du deinen roten Kopf im Wasser abkühlen.«
Scheiße, konnte er das etwa in der Dunkelheit sehen? Das war ja noch mal eine Schippe peinlicher. Ich war mir sicher, dass man einen Schwerverletzten nicht so in Verlegenheit bringen durfte. Nein, wenn ich genauer darüber nachdachte, war es sogar überhaupt nicht angemessen, mit so einer armen Seele zu flirten. Der Kerl hatte so was von keine Manieren!
Ich beschloss, ihn zunächst zu ignorieren und hob erst wieder neugierig den Kopf, als ich das Rauschen von Wasser hörte und mir ein starker Blumenduft in die Nase stieg. Die Luft hier roch genau wie mein Retter!
Meine Augen weiteten sich, als wir das Gestrüpp endlich verließen und auf so eine Art Lichtung traten. Vor uns erstrahlte ein kleiner Wasserfall im hellen Mondlicht, der sich in ein großes silbrig schimmerndes Becken ergoss.
Ich seufzte verzückt, denn ich verliebte mich sofort in diesen verwunschen wirkenden Ort. Ich erkannte unzählige dickfleischige Pflanzen, die am Ufer des Wasserbeckens wuchsen. Diese mussten es auch sein, die so herrlich rochen. Die Farben der Blumen waren nicht so gut erkennbar, aber sie waren im Sonnenlicht bestimmt hübsch anzusehen und fast wünschte ich mir, dass die Sonne endlich aufgehen möge, damit ich sie bewundern konnte.
Dieser Wunsch kam nicht von ungefähr. Schon von Kindesbeinen an liebte ich alles, was mit Pflanzen zu tun hatte. Ich liebte die Farben, den Geruch und das Friedvolle, das sie ausstrahlten. Als ich noch klein war, hatte ich mit meiner Oma zusammen immer ihren Garten gepflegt. Später durfte ich dann auch in ihrem Blumengeschäft aushelfen, welches ich vor drei Jahren, direkt nach ihrem Ableben, übernommen hatte.
Mist, ich hätte nicht daran denken sollen, denn jetzt bekam ich Heimweh. Das kleine Geschäft in einem ruhigen Vorort von London war schon immer mein Heiligtum gewesen. Mein Rückzugsort, wenn es mir schlechtging oder wenn ich alleine sein wollte. Nicht selten hatte man mich deshalb auch außerhalb der Öffnungszeiten dort angetroffen.
»Gefällt es dir hier?«
Ich nickte wehmütig. »Es ist toll. Ein unberührtes Stück Natur, umgeben von der Schönheit eines Augenblicks.«
Ähm, ja, an dieser Stelle sollte ich wohl erwähnen, dass ich auch schnell kitschig wurde, wenn die Sentimentalität mit mir durchging.
»Das hast du schön gesagt und es freut mich, dass dir mein Zuhause so gut gefällt.«
Hatte ich richtig gehört? »Dein Zuhause? Du lebst hier?«
Mein Retter setzte mich am Rande des Wassers auf einem glatten Stein ab und nickte. »Hinter dem Wasserfall liegt meine Höhle.«
»Oh.« Mehr brachte ich nicht heraus, weil ich tatsächlich kurzzeitig vergessen hatte, dass er auch einer dieser Tiermenschen war. Mir war noch nicht klar, wie ich damit umgehen sollte.
»Wollen wir anfangen, deine Wunden zu reinigen?«
Ich nickte eifrig, denn das klang nicht nur nach einer guten Idee, sondern würde mich bestimmt auch etwas von dieser verstörenden Situation ablenken.
»Gut, fangen wir mit deinen Füßen an. Streck sie vorsichtig ins Wasser, den Rest übernehme ich.«
Ich tat es ganz unbekümmert und schrie schon im nächsten Moment auf. »Oh mein Gott, das Wasser ist ja eiskalt!«
Mein Gegenüber lachte laut und volltönend. »Was hast du denn gedacht? Das hier ist doch keine Badewanne.«
Diese Aussage stimmte mich nachdenklich. »Du weißt, was eine Badewanne ist?«
Ich bekam einen strafenden Blick aus den honigfarbenen Augen zugeworfen und kam mir sofort klein und dumm vor. »Nur, weil in mir auch eine Tierseele wohnt, heißt das nicht, dass ich nicht auch ein Mensch bin. Ich bin ganz normal unter euch aufgewachsen und weiß daher ganz genau, was eine Badewanne ist.«
Ich wimmerte leise, als er meine Füße untersuchte und dann einige Splitter, Dornen und was weiß ich noch alles daraus entfernte. Er war ganz sanft, obwohl ich ihn so offensichtlich mit meiner Frage erzürnt hatte. Dafür war ich ihm dankbar und deshalb nuschelte ich auch: »Es tut mir leid. Ich wusste bis vor einigen Stunden noch nicht mal, dass es euch gibt und ... na ja, ich weiß noch nicht genau ...«
»Schon gut«, unterbrach er mich ruhig. »Ich bin sicher, du hast einiges durchgemacht. Ich bin schon gespannt darauf, deine Geschichte zu hören, warum du als Mensch halbnackt durch den Dschungel gerannt bist.«
Ich verzog unwillig das Gesicht. »Das war ganz schön blöd, oder?«
»Mehr als blöd«, stimmte er mir sofort zu.
Um nicht mehr ganz so dumm dazustehen, erzählte ich ihm meine Story und er nickte wieder ganz gelassen und ruhig. »Ein Frosch hat dich also angegriffen?«
»Nicht angegriffen. Der wollte mir an die Wäsche! Ich schwör’s.«
Wieder ein Nicken und dazu noch ein nichtssagender Gesichtsausdruck. »Ich kenne nur einen Froschwandler. War es ein dicker Kerl, der zufällig auf den Namen Kevin hört?«
»Ja!«, schrie ich auf. »Genau das ist der Kerl! Alphakevin! Der hat mich angeschleimt und abgeleckt!«
Ein raubtierhaftes Grinsen legte sich über seine Züge, dann bleckte er die Zähne und sah dabei trotzdem so aus, als wäre er die Ruhe in Person. Nur seine Augen sprachen eine andere Sprache. Sie wirkten plötzlich richtig kalt.
»Keine Sorge, Kätzchen. Ich werde mich schon um diese Kröte kümmern und du musst dir nie wieder Sorgen um ihn machen.«
Ich bekam eine Gänsehaut und mein Herz begann schneller zu schlagen. »Was hast du denn vor?«
»Freche Kröten bringt man zum Platzen, richtig?«
Boah, eklig! Und fies! Und ... nee! »Haha, guter Scherz! Wenn auch ein wenig übertrieben.«
Mein Retter ließ von meinen Füßen ab und hob mit einem Finger mein Kinn an. Ich schluckte hart, denn alles an diesem Mann schrie nun nach Gefahr.
»Ein Scherz? Ich scherze nie. Man verletzt nicht das Eigentum eines anderen. In der Tat fasst man es nicht einmal an, wenn man nicht mit den Konsequenzen leben will.«
»Ich verstehe nicht.« Scheiße, klang meine Stimme wirklich so zittrig?
»Das musst du im Moment auch nicht. Jetzt kümmern wir uns erst mal wieder um deine Heilung.«
Damit wurde ich überraschend unter den Achseln gepackt und unversehens ins eisige Wasser befördert.
Natürlich schrie ich wieder, es war das Einzige, was ich besonders gut konnte, aber meinen Retter kümmerte das wenig.
»Halt dich an meinen Schultern fest, während ich dich vom Schmutz befreie«, befahl er einfach und da ich ein Feigling war, gehorchte ich auch sofort.
Ich hegte kaum noch einen Zweifel, dass dieser Mann viel gefährlicher als das Froschwesen, die zischende Schlange oder der merkwürdige Godzilla war. Diesen Kerl wollte man nicht als Feind haben. Allein die ruhige Ausstrahlung zeugte von einem Psychopathen, der bedenkenlos und ohne Skrupel töten konnte. Ich hatte wirklich Angst! Was würde passieren, wenn ich seinen Zorn auf mich zog? Ich wollte es nicht erfahren.
Rasch wanderten seine Hände über meinen Körper und wuschen den Schmutz von mir. Leider wurde mir dabei auch noch mein letztes Kleidungsstück ausgezogen, was mich nur noch mehr in Panik versetzte.
Ich wagte es jedoch nicht, mich zu widersetzen und sah schon bald meine Unterhose am Rand des Ufers davon schwimmen. Was jetzt?
Erst einmal gar nichts. Die Hände berührten weder meinen Unterleib noch andere noch intimere Teile meines Körpers. Es schien ihm wohl wirklich nur um meine Verletzungen zu gehen. Meine innere Angespanntheit ließ mich trotzdem nicht zur Ruhe kommen. Ich fühlte mich wie ein Stück Fleisch, wie eine Beute, die man erlegt hatte und irgendwie sollte ich recht behalten.
»Sauber genug, jetzt müssen wir alles nur noch desinfizieren.«
Ich landete über seiner Schulter und wurde aus dem Wasser getragen, wie ein Sack Mehl. Zur linken Seite gab es einen unscheinbaren Weg, der direkt hinter den Wasserfall führte und auf genau diesen schritt er mit mir zu. Zwei Petroleumlampen waren dahinter aufgestellt und erhellten den weiteren Weg ins Dunkle. Meine Augen erkundeten, eine erkaltete Feuerstelle, jede Menge dunkles Gestein und dazwischen einige Felldecken, auf die ich auch sofort vorsichtig abgelegt wurde.
Jetzt mal ehrlich, wer würde sich da nicht wie ein Kaninchen im Fuchsbau vorkommen? Ich bebte inzwischen vor Angst und starrte angespannt in die Augen meines Jägers hinauf. Dessen markantes Gesicht gab sich alle Mühe, weich und sympathisch zu wirken, aber ich wollte mich nicht täuschen lassen.
»Was hast du jetzt mit mir vor?«
Das Wesen kniete sich zwischen meine Waden und hob eine davon an. »Du stirbst mir nicht an einer Blutvergiftung«, grollte er und schon hatte er einen halben Fuß von mir im Mund.
Wuahh! Jeder Zeh von mir wurde einzeln und nacheinander von seiner Zunge umschlossen, bevor er heftig daran nuckelte. »Ich werde jede noch so kleine Hautpartie von dir sorgfältig desinfizieren. Du entkommst mir nicht mehr, Kätzchen«, murmelte er kaum hörbar und doch verstand ich ihn.
Ich verstand nur nicht, warum er dafür seine Spucke auf mir verteilen musste. War das nicht hinderlich für jede Heilung?
»In einem Mund tummeln sich über 700 verschiedene Bakterienspezies«, begann ich unruhig zu dozieren. »Viele davon schädlich und entzündungsfördernd. Bitte hör auf, bevor mir ein Zeh abfault.«
Ein erheitertes Lachen dröhnte von den Höhlenwänden wider und verschaffte mir zusätzlich eine Gänsehaut. Niemand sollte so sexy Lachen dürfen, vor allem war es aber unpassend, da es hier um meine Gliedmaßen ging.
....
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2019
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