Entsatz im Dschungel
ein Science Fiction Abenteuer
von
Axel Jansen
Science Fiction
Roman
aus der Reihe
Dingstown Stories
zweite Geschichte
Das Buch zum Spiel
Impressum
© Copyright by Axel Jansen, 2021
Texte Axel Jansen
Umschlag Siobhan68 & Axel Jansen,
(Miniatur auf dem Titelbild mit freundlicher Genehmigung von Franz Steffl, hf wargaming)
Bild Epilog Siobhan68
Korrektorat Alex Polochowitz & Bernd Schäfer
Verlag Selbstverlag des Autors, Gnadentaler Weg 18, 41464 Neuss
Internet www.dingstown.de
www.facebook.de – Dingstown-Gruppe
Auflage 1. Auflage 2021
eBook www.bookrix.com
ISBN 978-3-947728-13-8 (Printausgabe Taschenbuch, erhältlich auf www.dingstown.de/store)
ISBN 978-3-947728-16-9 (eBook)
Geordnet nach Dienstgraden:
Besatzung des Vorpostens
Barworski, Feldwebel, Kommandant des Vorpostens
Honnen, Obergefreiter, trägt den Raketenwerfer
Stramm, Gefreiter, Promethor mit Flammenwerfer
Beyer, Stahlsöldner, Sturmgewehr
Sülzrath, Stahlsöldner, Sturmgewehr
Koppa, Stahlsöldner, Sturmgewehr, Funkgerätbediener
Aebe, schwarzer Stahlsöldner, Sturmgewehr
Entsatztrupp
Jensen, Leutnant, Raum-Marine, Anführer des Entsatztrupps, trägt Sägeschwert und Sturmkarabiner
Protsch, Unteroffizier, Raum-Marine, Promethor mit Flammenwerfer
Wilker, Gefreiter, Soldat der lokalen Streitkräfte, trägt das Funkgerät und ein Scharfschützen-Sturmgewehr
Ponchowicz „Ponch“, Raum-Marine-Soldatin, Sturmkarabiner
Klucker, Raum-Marine, Soldat, Sturmkarabiner
Weitere Protagonisten
Heidtfeld, Major, kommandierender Offizier auf Plutor 2
Raumflotte
Mothar, Flottillen-Raumadmiral, Befehlshaber der Raumflottille
Zonsen, Kommandant des Raumkreuzers Sedan
Matz, Stabsmajor im Stab von Admiral Mothar
Gronk, Stabs-Oberleutnant im Stab von Admiral Mothar
Kaliz, Offiziersanwärterin auf der Brücke des Sedan
„Hauptquartier, hier Vorposten Gamma Zwo, kommen!“
„Hier HQ, sprechen Sie, Gamma Zwo“, antwortete der Funker routiniert, wenn auch etwas schläfrig.
"HQ, hier Gamma Zwo. Wichtige Meldung, Dringlichkeitsstufe Alpha: Wir haben ... – krrrcchhh“
Das Signal brach ab.
Der Funker blickte hilfesuchend von seinem Funkgerät auf. Oberfeldwebel Montz, der wachhabende Offizier im Hauptquartier der kaiserlichen Weltraumtruppen auf Plutor 2, kam zwei Schritte näher und forderte den Funker auf, die Nachricht erneut abzuspielen. Das weittragende Standardfunkgerät der kaiserlichen Armee vom Typ SFG 5 zeichnete automatisch sämtliche Nachrichten auf und speicherte diese für 24 Stunden. Erneut erfüllte die unvollständige Nachricht den kleinen Funkraum, in dem sich neben dem Funker und dem Wachhabenden nur ein weiterer Soldat befand.
„Machen Sie mir einen Ausdruck“, befahl der Wachhabende dem Soldaten. Nachdem der Hochgeschwindigkeitsdrucker mit Spracherkennungssoftware die Nachricht ausgeworfen hatte, griff Montz sich den Zettel und ging zügig in die Kommandozentrale. Von dort aus verständigte er den Befehlshaber des Stützpunktes, Major Heidtfeld. Da es morgens kurz vor 05:00 Uhr war, rappelte sich der Major verschlafen auf und kam langsam in die Kommandozentrale getrottet, während er sich seine Uniformjacke zuknöpfte und mit einem Nicken einen Becher schwarzen Feldkaffees von einem Soldaten entgegennahm. Als er die verstümmelte Nachricht las, war er augenblicklich hellwach. Er kannte den Kommandanten des Vorpostens, Feldwebel Barworski, schon seit langem und wusste, dass dieser sich nur melden würde, wenn etwas wirklich Wichtiges vorgefallen war.
Der Major trat an den großen Lagebildschirm, der sich in der Mitte des Kommandoraums befand und ließ sich von einem der anwesenden Soldaten den Standort von Vorposten Gamma 2 einblenden.
Der Vorposten befand sich tief in einem von dichtem Dschungel überwachsenen Gebiet etwa zwanzig Meilen vom Hauptquartier entfernt und war nur zu Fuß zu erreichen.
Über eine ausreichend große Landefläche für die Senkrecht-Landefahrzeuge der kaiserlichen planetaren Raum-Luftstreitkräfte verfügte der Vorposten nicht. Kleinere Luftfahrzeuge, die zur Landung auf schmalen Lichtungen oder in kleinen Vorposten geeignet wären, standen dem Hauptquartier momentan nicht zur Verfügung. Diese waren auf anderen Monden des Moltke-Planetensystems im Einsatz, da in dieser abgelegenen Region des Weltraums die Ausstattung mit Truppen und Material als überschaubar bezeichnet werden musste. Wieder einmal verfluchte Major Heidtfeld, dass er auf diesen abgelegenen Teil des kaiserlichen Raumreiches abkommandiert worden war, weil er es sich herausgenommen hatte, gegenüber seinem General eine von dessen Wunschvorstellung abweichende Meinung zu äußern. Dies war jetzt acht Monate her und seitdem musste er sich auf diesem mickrigen Mond Plutor 2 mit dem täglichen Kleinkram der Überwachung eines unbedeutenden Trabanten beschäftigen, der den Hauptplaneten Moltke 3 neben sechs weiteren Monden in unterschiedlichen Umlaufbahnen umkreiste.
Das Moltke-System bestand aus den vier Planeten Moltke 1 bis 4 und war dem größeren Bismarck-System benachbart. Da der kaiserlichen Galaxienverwaltung offenbar die Namen für neu besiedelte Planeten ausgingen, wurden nur die Großsysteme nach Helden der lange vergangenen Vorzeit benannt und die Planeten innerhalb eines Systems nach abnehmender Größe durchnummeriert. Moltke 3 war daher der zweitkleinste der Planeten des Moltke-Systems. Er wurde von sieben Monden umkreist, die als Plutor 1 bis 7 nach der gleichen Logik durchnummeriert waren. Die ersten drei Monde waren annährend gleich groß, dennoch wurmte es Major Heidtfeld insgeheim, dass er nicht wenigstens das Kommando über Plutor 1 bekommen hatte, der als größter Mond ein etwas besseres Renommée genoss als die übrigen Himmelskörper.
Vor fünf Wochen hatte es eine Meldung des obersten Hauptquartiers der Galaxie gegeben, dass abtrünnige Truppen des Verräterkaisers, dessen Name niemand nennen durfte, in einem benachbarten Planetensystem gesichtet worden waren. Seitdem herrschte erhöhte Wachsamkeit auf den Planeten und Monden des Sonnensystems. Verstärkung hatten sie natürlich trotzdem nicht erhalten und seine Anforderung von geeigneterem Material, um die unterschiedlichen Regionen des Mondes sinnvoll überwachen und in angemessener Zeit erreichen zu können, war bereits zum dritten Mal von höherer Stelle abgelehnt worden.
Major Heidtfeld wandte sich an den wachhabenden Oberfeldwebel: “Montz, schicken Sie Leutnant Jensen von den Raum-Marines her. Er soll einen Trupp zusammenstellen und die Lage vor Ort erkunden. Und er soll einen Funker mit unserem besten tragbaren Funkgerät mitnehmen.“
Oberfeldwebel Montz schlug die Hacken zusammen, machte Rechtsum und eilte hinaus, um den Befehl unverzüglich selbst auszuführen.
Exakt eine Stunde und 11 Minuten später stand Leutnant Jensen von den kaiserlichen Raum-Marines mit seinem Trupp aus vier Soldaten bereit zum Abmarsch. Die Kämpfer hatten kurz ein einfaches, aber nährstoffreiches Frühstück zu sich genommen, Waffen und Gerät empfangen und Marschverpflegung für drei Tage eingepackt. Über die standardmäßig vorgesehene Munitionierung hinaus hatten sie weitere Magazine, Granaten und verschiedene Ersatzteile in ihren Rucksäcken verstaut.
Gefreiter Wilker von den lokalen Streitkräften mit dem Funkgerät vom Typ SFG 3 Mobil war dem Trupp ebenfalls zugeteilt worden. Das schwere Tornisterfunkgerät wog gute elf Kilo, und er hatte noch eine Reihe von Ersatzenergiemodulen eingepackt, da man ja nie wissen konnte, wie die vorhandenen Energiemodule Hitze und Feuchtigkeit des Dschungelgebiets vertragen würden.
Mehr Sorgen bereitete ihm allerdings der Dschungel selbst mit seiner dichten Vegetation, da die Funkgeräte naturgemäß ihre beste Leistung in möglichst flachem und freiem Gelände zeigten. Ob die Reichweite auch in dicht bewaldetem Gebiet ausreichen würde, um das Hauptquartier zu erreichen, blieb abzuwarten.
Die Stützpunkte und Vorposten selbst waren mit wesentlich leistungsfähigeren Geräten mit stärkeren Sendemodulen ausgestattet, die auch bei starken Unwettern und über Gebirge und andere Hindernisse hinweg kommunizieren konnten. Da es sich bei Plutor 2 nur um einen unbedeutenden Mond handelte, stand ihnen kein Satellitennetz zur Fernkommunikation zur Verfügung, wie dies bei den größeren Planeten der Fall war.
Die Sorgen des Funkers beschäftigten Leutnant Jensen derzeit noch nicht. Er war kurz von Major Heidtfeld in die Lage eingewiesen worden und hatte den Auftrag erhalten, mit einem kleinen, aber schlagkräftigen Entsatztrupp zum Vorposten durchzudringen und mit Hilfe des mitgeführten Funkgerätes die abgebrochene Nachricht an das Hauptquartier zu übermitteln. Sollte sich im Vorposten etwas ereignet haben, das eine Übermittlung der Nachricht unmöglich machen sollte, so war es der Auftrag des Entsatztrupps, nach Überlebenden zu suchen, eine Lagebeurteilung an das Hauptquartier zu funken und nach eigenem Ermessen auf die vorgefundene Lage zu reagieren. Also genau das, was ein junger und ehrgeiziger Offizier der kaiserlichen Weltraumtruppen sich wünschen konnte.
Es war ungewöhnlich genug, dass sich auf einem so abgelegenen und unbedeutenden Mond wie Plutor 2 überhaupt Einheiten der kaiserlichen Weltraum-Marineinfanterie befanden. Normalerweise waren Posten auf derart kleinen Himmelskörpern nur mit lokalen Streitkräften oder mobilen Infanterieeinheiten der kaiserlichen Standardtruppen besetzt. Es war eigentlich auch nur ein Zufall, dass sie hier gelandet waren.
Die Entsendung einer Teileinheit von 15 Mann der kaiserlichen Weltraum-Marineinfanterie war als Erholungsmaßnahme nach den lang andauernden und heftigen Gefechten auf dem benachbarten Bismarck-Planetensystem gedacht gewesen. Die Kompanie, zu der Jensens Teileinheit gehörte, hatte bei den Kämpfen auf Bismarck 5 43% ihrer Einsatzstärke im Kampf gegen die Truppen des abtrünnigen Kaisers verloren. Allerdings hatten sie im Rahmen einer berüchtigten TSA-Aktion auch entscheidend zur Schwächung des Gegners und zur Einnahme eines wichtigen Stützpunktes beigetragen. Mit TSA wurden inoffiziell die Operationen bezeichnet, bei denen keine Gefangenen gemacht wurden – die Abkürzung stand für „Tötet sie alle“. Noch immer beschlich ihn und alle Soldaten seiner Einheit ein mulmiges Gefühl, wenn sie sich an die Schrecken und das Chaos der vergangenen Schlacht erinnerten. An manche Einzelheiten versuchten sie, die Erinnerung zu verdrängen. Obwohl gerade Raum-Marines für den Kampf trainiert und ausgerüstet und immer begierig auf den nächsten Einsatz waren, waren sie diesmal ganz froh gewesen, sich auf einem friedlichen und vermeintlich harmlosen Mond erholen zu können.
Jetzt sah es so aus, als könnte sich dieser Wunsch als Illusion erweisen.
Jensen musterte seine Truppe.
Neben dem Funker Wilker, der zu den örtlichen planetaren Streitkräften gehörte und kein Raum-Marine war, hatte er drei Soldaten aus seiner Teileinheit ausgewählt, die ihn auf diesem Entsatzkommando begleiten sollten. Eine größere Mannschaft hatte ihm Major Heidtfeld nicht genehmigt und er wusste, dass er in den unheimlichen Dschungeln weniger Aufmerksamkeit erregen würde, wenn er mit einer möglichst kleinen Truppe den Auftrag ausführte.
Da war zum einen Unteroffizier Protsch, seine rechte Hand. Sie hatten beide auf Bismarck 5 gedient und waren seit vielen Jahren Mitglieder der zweiten Kompanie des dritten Bataillons im 66. Regiment der kaiserlichen Weltraum-Marineinfanterie, im Militärjargon kurz „Raum-Marines“ genannt.
Unteroffizier Protsch war der Promethor des Trupps, was bedeutete, dass er mit einem tragbaren Flammenwerfer ausgerüstet war. Diese Waffe war auf Bismarck 5 vor allem im Angriff gegen Bunker, Schützengräben und andere befestigte Stellungen des abtrünnigen Gegners verwendet worden. Ihren Einsatz in Dschungelgebieten hatte Leutnant Jensen selbst noch nicht erlebt. Er ging jedoch davon aus, dass die Waffe sich in dem dichten Unterholz bewähren würde, da das Feuern mit Vollgeschoss-Waffen in einem Gebiet, in dem dicke Pflanzenstängel oder Baumstämme Geschosse abfangen oder ablenken würden, zumindest auf längere Entfernungen nicht immer zielführend war. Andererseits war auch die Reichweite des Flammenwerfers begrenzt, so dass abzuwarten blieb, wie und gegen wen sie dieses tödliche Gerät würden einsetzen müssen.
Da der Flammenwerfer nach fünf oder sechs längeren Flammstößen seinen Vorrat an Flammöl verbraucht haben würde, trug Protsch außerdem noch eine Standard-Dienstpistole von Typ LAU 3 (Luger Advanced Upgrade 3) bei sich.
Wie alle Raum Marines trug auch Unteroffizier Protsch die dunkelrote, verstärkte Rüstung der Elitetruppen, die vor Verletzungen durch Splitter und Beschuss aus leichten Waffen schützen sollte. Im Dschungel würde die Panzerung außerdem dazu beitragen, ihre Träger vor Verletzungen durch Dornen, herumschleudernde Äste oder Kratzer beziehungsweise Bissen durch jegliche Art von Insekten oder anderem Ungeziefer zu schützen.
Die Rüstung war natürlich mit dem Nachteil verbunden, dass ihr Gewicht die Bewegungsgeschwindigkeit der Marines verlangsamte und die große Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit im Dschungel das Vorwärtskommen nicht gerade erleichtern würde. Zum Glück war im letzten Upgrade der Rüstung, die für den Einsatz in warmen Gebieten vorgesehen war, eine einfache Lüftungsanlage eingebaut worden. Diese Klimatisierung erleichterte den Aufenthalt in den feuchtheißen Gegenden erheblich. Außerdem unterstützten batteriebetriebene Gelenke und Stabilisatoren die Bewegung in der Rüstung, welche im Dunkelrot der kaiserlichen Elitetruppen gefärbt war, was im Halbdunkel des Dschungels für ausreichende Tarnung sorgen sollte.
Neben Leutnant Jensen, Funker Wilker und Unteroffizier Protsch gehörten noch die Soldatin Ponchowicz und der Marine Klucker zum Entsatztrupp.
Ponchowicz war nach den mörderischen Kämpfen auf Bismarck 5 von einer anderen Einheit zu ihnen versetzt worden. Dort war sie Angehörige der ersten Sturminfanterie-Kompanie (im Militärjargon kurz „StiKo“) des 93. Kaiserlichen Regiments gewesen, eine Eliteeinheit, die beim Sturmangriff auf eine tief gestaffelte Stellung der Abtrünnigen schwere Verluste erlitten hatte. Nach der Schlacht wurden die Angehörigen der 1. StiKo auf andere Einheiten in vermeintlich weniger gefährlichen Abschnitten verteilt, um sich erholen und auf andere Gedanken kommen zu können. Nach Erholung war Ponchowicz allerdings nicht zumute, sie wollte ihre Erinnerungen an die Erlebnisse auf Bismarck 5 an möglichst vielen Gegnern und in neuen waghalsigen Einsätzen abreagieren. Dazu würde sie bald die Gelegenheit bekommen.
Da manchen Kameraden im Einsatz ihr Name zu lang war, hatte sie in der 1. StiKo den Spitznamen Ponch erhalten, den auch ihre neuen Kameraden gelegentlich benutzten. Der letzte, der den Fehler begangen hatte, sie mit Poncho anzusprechen, hatte danach einen Besuch beim Einheitssanitäter machen dürfen.
Raum-Marine Klucker vervollständigte den Trupp. Er war ein stämmiger Bursche, der seine Waffen mit Vorliebe nicht nur zum Schießen einsetzte, sondern mit ausdauernd trainierter Muskelkraft damit auf seine Feinde eindrosch. Sonst war er eher ein schweigsamer Typ, aber zuverlässig und unerschütterlich in brenzligen Situationen. Er hatte in der regulären Raum-Marineinfanterie gedient und brachte Kampferfahrung aus Ein-
sätzen auf verschiedenen Planetensystemen mit.
Ponch und Klucker waren beide neben den unvermeidlichen Raum-Marine-Rüstungen mit dem Standard-Sturmkarabiner der kaiserlichen Elitestreitkräfte ausgerüstet. Diese kurzläufige Waffe verschoss in schneller Folge Vollmantelgeschosse von mittelgroßem Kaliber, die in der Lage waren, auch leicht gepanzerte Ziele außer Gefecht zu setzen. Alle „weichen“ Ziele, also gegnerische Soldaten, Tiere und sonstige organische Lebensformen, die ihnen vor die Mündung kommen würden, konnten auf kurze bis mittlere Kampfentfernung mit diesen Waffen wirksam bekämpft werden.
Leutnant Jensen stellte sich vor seine Soldaten, die in gerader Reihe vor ihrem sechsrädrigen, leicht gepanzerten Transportfahrzeug angetreten waren und jetzt Haltung annahmen.
„Männer!“, begann er seine kurze Einweisung in die Lage und ihren Auftrag. Dass Ponchowicz eine Frau war, wurde von dem im Militärjargon als geschlechtsneutral empfundenen Begriff „Männer“ mit umfasst. Allerdings hatte es dazu auch schon reichlich Diskussionen gegeben und ihm war immer ein wenig unwohl, wenn er Ponchowicz männlich anredete. Natürlich hätte er auch einfach „Soldaten“ sagen können, aber auch dann … Er schob den Gedanken beiseite, sie hatten sich auf Wichtigeres zu konzentrieren.
„Der Kontakt zu Vorposten Gamma Zwo ist abgebrochen. Unser Auftrag ist es, herauszufinden, was dort geschehen ist, und einen Funkspruch über die aktuelle Lage an das Hauptquartier abzusetzen. Deshalb ist Gefreiter Wilker unser wichtigster Mann. Falls es zu Gefechtsberührung mit wem oder was auch immer kommt, ist sein Schutz oberstes Ziel. Und natürlich der des Funkgerätes.
Ich weiß, Euch steckt noch Bismarck 5 in den Knochen, aber verglichen mit dem, was wir dort erlebt und geleistet haben, werden wir es ja noch mit ein paar Dschungelpflanzen und wilden Tieren aufnehmen können. Wir sollten den Posten innerhalb eines Tagesmarsches zu Fuß erreichen. Unser Transportpanzerwagen wird uns jetzt bis an den Rand des unwegsamen Geländes bringen und von dort aus gehen wir dann zu Fuß weiter. Es gibt dort den Versorgungspfad. Ich brauche Euch ja nicht extra zu sagen, dass wir immer die Augen offen und auch das rückwärtige Gelände im Blick halten müssen. Wir wissen nicht, was uns dort erwartet. Weicht nicht vom Weg ab. Niemand verlässt die Truppe. Meldet alles, was ungewöhnlich ist. Bei Feindkontakt besteht Feuererlaubnis.
Und jetzt – aufsitzen!“
Über den Vorposten hatte Major Heidtfeld sie kurz informiert.
Es handelte sich um eine achteckige Bastion aus vorgefertigten Betonit-Segmenten, die vor mehreren Jahren von Pioniertruppen der Raum-Streitkräfte errichtet worden war. Die engen und einfachen (also unbequemen) Mannschaftsunterkünfte bestanden aus einer Dünnblechbaracke in der Mitte des Vorpostens. Außerdem gab es einen kleinen Raum für den Kommandanten, der ebenso wie der Funkraum und die Waffenkammer unterirdisch angelegt worden war. Der unterirdische Teil konnte über eine schmale steile Treppe erreicht werden, die überirdisch von einem einfach Holz- und Dünnblechverschlag gegen Regen und Staubwinde geschützt wurde. Die überirdischen Betonitplatten des Postens verfügten über Schießscharten bzw. Schussschlitze und über einen nicht überdachten Wehrgang in drei Metern Höhe. Die Wände des Vorpostens waren einschließlich der Brustwehr für den Wehrgang knapp fünf Meter hoch. Das kaiserliche Standardmaß für Feldbefestigungen.
Das Vorfeld des Postens war im Umkreis von hundert Metern gerodet worden, um nicht von sich nähernden Feinden überrascht zu werden und ein freies Schussfeld zu haben. Die Rodung war im Rahmen der Freilegung des gesamten Bauplatzes für die Bastion durch einen Sensen-Kopter der Pioniertruppe erfolgt, der sämtliches Grünzeug niedergesäbelt hatte, das anschließend von den Truppen am Boden verbrannt worden war. Damit sich die Vegetation nicht gleich wieder des Platzes bemächtigte, was angesichts der Pflanzenvielfalt, dem fruchtbaren Boden und der hohen Luftfeuchtigkeit innerhalb kürzester Zeit geschehen wäre, wurde die gesamte Fläche mit hochgiftigen, tödlichen Chemikalien verseucht. Hier wuchs im reinen Wortsinn kein Gras mehr.
Der Nachteil dieser brachialen Methode war, dass der Vorposten sich nicht mit Trinkwasser aus dem Boden versorgen konnte, da dieses auf Jahre hinaus vergiftet war. Diese Erkenntnis hatte die wissenschaftliche Abteilung des Streitkräfteministeriums bei recht unappetitlichen Versuchen mit Kriegsgefangenen gewonnen.
Die Trinkwasserversorgung erfolgte daher zum Teil auf dem Luftweg im Rahmen der üblichen Versorgungseinsätze und zusätzlich durch Filtrierung des Morgentaus und des Wassers in der Luft. Bei einer Luftfeuchtigkeit von um die 85 % war dies eine effiziente Methode, die den Posten auch unabhängig von externer Versorgung machte, solange sich das Klima nicht änderte und die Männer nicht mehr als einmal alle zwei Tage die improvisierte Dusche benutzten. Was dem gesamten Posten einen sehr Armee-typischen Geruch verlieh …
Trotz der Rodung und der chemischen Behandlung hatte sich die Natur doch stellenweise in das Vorfeld vorgewagt. An einzelnen Stellen waren Felsbrocken nach der Rodung zum Vorschein gekommen, die nicht beseitigt worden waren und auf denen sich spärlicher Moosbewuchs ausbreitete. Diese Findlinge waren unterschiedlich hoch und ungleichmäßig auf der Freifläche verteilt, konnten Angreifern aber zumindest eine bescheidene Deckung bieten. Diesen Nachteil musste die Truppe wohl oder übel in Kauf nehmen, da für die Beseitigung der schweren Brocken kein geeignetes Gerät zur Verfügung stand.
Der Vorposten war mit sieben Mann besetzt. Das war recht viel für einen solch kleinen Stützpunkt. Andererseits war das Sichtfeld jenseits der gerodeten Fläche in dem dichten Dschungelgebiet begrenzt, so dass häufige Patrouillen in das nähere Umfeld notwendig waren. Dafür brauchte man natürlich Truppen. Die Männer wurden alle acht Wochen abgelöst, was jeweils durch einen langen Fußmarsch auf einem als sicher eingestuften Dschungelpfad oder mit einem Luftlande-Absetzen durch einen Transport-Schwebegleiter erfolgte. Über den gleichen Weg gelangten auch Nachschub und weitere Ausrüstung regelmäßig in den Vorposten. Der Schwebegleiter war derzeit auf der anderen Seite des Mondes im Einsatz und stand daher nicht für einen Erkundungsflug zur Verfügung. Deshalb mussten wieder mal die Marines ran. Menschen statt Maschinen.
Die Stellung war mit einem leistungsfähigen Funkgerät ausgerüstet, das anscheinend aber während der Abgabe der letzten wichtigen Nachricht den Dienst versagt hatte. Aus den Geräuschen am Ende der Nachricht war nicht zu erkennen gewesen, ob es sich um ein Versagen des Gerätes aus technischen Gründen, einen Stromausfall oder womöglich eine Kampfeinwirkung gehandelt hatte. Dies herauszufinden war jetzt die Aufgabe von Leutnant Jensen und seinen Kriegern.
Das Kommando über den Vorposten hatte Feldwebel Barworski.
Er war vor sieben Jahren von der fernen Erde ausgewandert und hatte mit seiner Frau und ihrem Sohn eine kleine Farm auf Moltke 3 betrieben, die jedoch nicht genug Ertrag abgeworfen hatte, um ihrem Sohn eine vernünftige Ausbildung in den planetaren Ausbildungseinrichtungen zu ermöglichen. Also war Barworski dem Aufruf der örtlichen Streitkräfte gefolgt und hatte sich für acht Jahre dienstverpflichtet. Der Sold war anständig, nach acht Wochen im Dschungelposten gab es eine Woche Sonderurlaub mit Heimreisemöglichkeit und die kleine Farm konnte seine Frau zusammen mit einheimischen Hilfskräften auch ohne ihn bewirtschaften.
Barworski hatte ebenfalls an dem Feldzug auf Bismarck 5 teilgenommen, allerdings nicht zusammen mit den Raum-Marines, sondern bei einem der Regimenter der planetaren Streitkräfte von Moltke 3, das eilig ausgehoben und in den Einsatz geworfen worden war. Zum Glück hatte der Feldwebel schon zwei Jahre Ausbildung hinter sich und war dadurch besser vorbereitet und in gefechtsmäßigem Verhalten geschult gewesen, als die blutjungen Rekruten, die nach sechs Wochen Standardausbildung ins Gefecht geworfen worden waren. Von denen waren nicht viele heimgekehrt. Feldwebel Barworski hatte sich hingegen bewährt und war selbst überrascht, wie er seine Teileinheit mutig und geschickt gegen in ihre Linien eingebrochene Verrätertruppen des abtrünnigen Kaisers geführt hatte. Ihr Gegenstoß hatte eine ganze Kompanie der gefürchteten Finstertruppen in die Flucht geschlagen, die zur Elite des Abtrünnigen gehörten. Ihr Ansehen war nicht so hoch, wie das der kaiserlichen Raum-Marines, aber dass einfache lokale Soldaten eine Einheit der gefürchteten Finsterlinge besiegt hatten und das bei geringen eigenen Verlusten, hatte sich schnell in der kaiserlichen Armee herumgesprochen.
Barworski war der Orden, den er für seinen Einsatz erhielt, ziemlich egal. Der Sonderurlaub, der ihrer gesamten Einheit von ihrem Hauptmann gewährt wurde, war jedoch eine sehr willkommene Überraschung gewesen.
Obwohl nicht alle Soldaten des Vorpostens auf Bismarck 5 dabei gewesen waren, wussten doch alle von Barworskis Heldentat, so dass er keine große Mühe hatte, die Disziplin in seinem zusammengewürfelten Haufen aufrecht zu erhalten.
Tatsächlich war seine Truppe bunt gemischt. Er war froh, dass vier Stahlsöldner durch die lokalen Streitkräfte angeworben worden waren, die seine Einheit verstärkten. Die Stahlsöldner waren meist kampferfahrene frühere kaiserliche Soldaten oder ehemalige Angehörige der Raum-Legion, in der sich allerlei zwielichtige Gestalten verdingen konnten, die sich in anderen Teilen des kaiserlichen Weltraumreiches für eine Zeitlang lieber nicht blicken lassen wollten. Diese Kerle waren nicht immer so diszipliniert, wie sich ein strammer kaiserlicher Offizier das wünschen würde. Doch als Feldwebel fühlte sich Barworski den Mannschaften ohnehin näher als der hochnäsigen Kaste von Vorgesetzten, die auf dem Schlachtfeld oft genug gezeigt hatten, dass sie ihren Sold nicht wert waren.
Hier draußen im Dschungel, fernab von der menschlichen Zivilisation – besser gesagt fernab von überhaupt irgendeiner Art von Zivilisation – war er froh, die wilden Kerle an seiner Seite zu haben. Wenn sie genug zu Essen und zu Trinken bekamen und ihr Sold regelmäßig gezahlt wurde, waren sie eine beinharte und verlässliche Truppe, auf die er zählen konnte.
Diese Männer hießen Beyer, Sülzrath, Koppa und der Schwarze Aebe - Vornamen interessierten beim Militär nicht. Alle waren mit den Standard-Sturmgewehren der kaiserlichen Raumstreitkräfte ausgerüstet und wussten mit ihnen auch umzugehen. Barworski war immer wieder beeindruckt, mit welcher Treffsicherheit sie sogar bis zu zweihundert Meter weit in den dichten Dschungel hinein schießen und den Speiseplan des Vorpostens mit exotischen Fleischeinlagen bereichern konnten.
Neben den Stahlsöldnern vervollständigten der Obergefreite Honnen und der Gefreite Stramm seine Truppe. Die beiden Männer kamen von Moltke 3 und waren, wie er selbst, vor einigen Jahren von ihren Heimatplaneten ausgewandert und hier gelandet.
Was sie zu den lokalen Streitkräften verschlagen hatte, wusste er nicht, aber vielleicht würden sie es im Laufe der nächsten Wochen in einer der langweiligen und schwülen Dschungelnächte erzählen. Wenn nicht, war ihm das auch recht.
Der Obergefreite Honnen bediente den schweren tragbaren Raketenwerfer und war damit die Artillerie des Vorpostens. Leider verfügten sie über keinen Granatwerfer, mit dem sie sowohl in der Ausbildung als auch während des Feldzuges auf Bismarck 5 gute Erfahrungen gemacht hatten. Barworski hatte einen Werfer für den Stützpunkt angefordert, was jedoch von Major Heidtfeld mit der Begründung abgelehnt worden war, dass im Dschungel zu wenig Sicht und kaum Einsatzmöglichkeiten für eine solche Waffe bestehen würden. Das war natürlich richtig, aber dennoch hätte er sich wohler gefühlt, wenn der Vorposten über mehr großkalibrige Feuerkraft verfügen würde, als nur über einen tragbaren Raketenwerfer mit einer Handvoll Geschosse.
Auch eine leichte Maschinenkanone oder irgendeine Art von Automatikwaffe auf einer Drehlafette hätte er gerne zur Verteidigung gehabt, doch alles, was über die standardmäßige Ausrüstung hinausging, musste separat beantragt, phantasiereich begründet und von mehreren vorgesetzten Dienststellen genehmigt werden. Nachdem schon der Granatwerfer abgelehnt worden war, hatte er es mit der Automatikwaffe gar nicht erst versucht.
Der Gefreite Stramm war der Promethor des Trupps. Er bediente den schweren Flammenwerfer, der bis zu vierzig Meter weit seine Flammenlohen in den Dschungel speien konnte. Das reichte in etwa, um die gerodete Freifläche vor dem Vorposten bis zur Mitte zu bestreichen. Sobald sein Flammölvorrat verschossen war, was meistens nach fünf bis sechs Feuerstößen der Fall war, griff Stramm auf seine schwere Dienstpistole vom Typ LAU 3 zurück und konnte außerdem noch mit Granaten um sich werfen, von denen er immer mehrere bei sich trug – wie die meisten seiner Kameraden.
Die Aufgaben des Vorpostens beschränkten sich darauf, das umliegende Gebiet zu erkunden, mögliche (aber unwahrscheinliche) feindliche Truppenlandungen zu melden und ansonsten die Zeit bis zur nächsten Ablösung herumzukriegen.
In dieser Nacht hatte Barworski nicht gut geschlafen. Obwohl er erst in zwei Stunden Dienstbeginn hatte, stand er schon vor dem Morgengrauen auf, trank einen halben Becher lauwarmen Militärkaffee (im Jargon „MilKa“, was die Bezeichnung für ein dunkelbraunes, leicht nach Chemie schmeckendes und stark koffeinhaltiges Gebräu war) und trat in die Mitte des Vorpostens, wo er seine Gedanken sammelte und sich seine Augen rasch an das Dämmerlicht gewöhnten.
Er blickte zum schwarzen Himmel auf, der sich mit zahllosen Sternen gesprenkelt wie eine unendliche Kuppel über ihm wölbte. Erst vor zwei Wochen war das nächtliche Firmament durch ein kosmisches Ereignis in bläuliches Licht getaucht worden, für das es bisher keine befriedigende wissenschaftliche Begründung gegeben hatte. Die offizielle Erklärung, es handele sich um
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Axel Jansen
Bildmaterialien: Axel Jansen
Cover: Siobhan68
Lektorat: Bernd Schäfer
Korrektorat: Alex Peh
Satz: Axel Jansen
Tag der Veröffentlichung: 27.04.2022
ISBN: 978-3-7554-1266-3
Alle Rechte vorbehalten
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