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Die Träne der Göttin

I
Oh wie einsam seid ihr Sterblichen doch,
wenn ihr allein in euren Höhlen
euch nach der Wärme und der Nähe
des nächsten Sterblichen sehnt.
All euer Streben richtet ihr auf diese
Erfüllung,
diesen Moment einer Ewigkeit,
der euch glücklich macht,
so glaubt ihr.


II
So geht der Jüngling hin und opfert
sein Leben und Streben der einen
Göttin nur, die ihn erkoren.
Der Grund ist ihm egal,
sieht er nur sich entfliehend all
der Kälte seiner Höhle,
fühlt er stets nur sich eingehüllt
in ihre Wärme und göttlichen Glanz.
Dann will er ihr Diener sein,
verleugnet sich und sein Schicksal,
weiß nicht um die Macht, der er in
spielerischer Jugend sich hingibt
zum Verzehr.

III
Zwar noch von Zweifeln und ständiger
Unruh geplagt,
zwar noch hadernd mit vormaligem Schicksal
in karger Höhle,
und es ist wahr, er sieht weder Dunkelheit
noch Mühe des Tages,
er sieht aber auch die Lichter des andern Weges nicht,
sieht nur sich und sein Sehnen der Göttin geweiht.

IV
Sie lohnt es ihm.


V
Und siehe, der Jüngling entfaltet zum Manne sich,
der Göttin schmerzhafte Lust und sich selbst bereitend,
aus Liebe Unsterblichkeit ahnend, die sie mit ihm nur teilt,
geht er ein in ihr Reich und ist doch nicht ihresgleichen.
Ständig lässt sie Abstand des Äthers ihn spüren,
macht ihm den Augenblick so zum unendlichen Genuss
seiner Phantasie, wenn er nicht länger verweilt bei ihr.
Mehr noch lässt sie ihn fühlen seine Größe und Gabe
durch göttlichen Segen bei all seinen Taten, den er
dankend entgegennimmt, ohnmächtig ihr Gleiches zu vergelten.

VI
Kommend zu ihr, fragt sie ihn niemals nach seinen Wegen,
denn ihre eigenen nur zählen für sie, seine aber bleiben
dunkel ihr und ihm daselbst um so mehr als er getrieben
ständig von der Lust ihr nur zu gefallen, für sie sich nur
zu opfern in seinem Tun und Streben nach Erfüllung des Einen.

VII
Hat er sich jemals gefragt, welches Opfer er erbringt für seine Göttin?
Hat er jemals zweifelnd an sich genagt zu Beginn und während
unendlichen Strebens?


VIII
Wollte er nicht ständig die Botschaft in seinem Herzen verstärkt nur
hören durch den Klang seiner Seele?
Da war nichts Dumpfes mehr, kein dunkler Mond, der Trauer bescheint.
Da war aber auch nicht Gedanke an Kommendes,
er wollte nur unverdient ernten, was er scheinbar nicht gesäet,
da seine Göttin ihn so bloß wie er war erhörete.

IX
Oh wie grausam dürftig seid ihr Sterblichen doch ausgestattet mit nur dem einen Geist, der euer Streben lenket.
Denkt nicht an die Verwicklung des Schicksals, die Mächte einer Zeit und Unbilden der Natur.
Alles herrschet über euch, und manchmal herrschet es auch über eure Göttin.
Sie aber verstrickt sich nicht gern in anderer Wesen Herrschaft,
bleibt allein sich selbst nur gnädig gestimmt,
verwirft das Streben eines Jünglings um so schneller,
je näher sie ihn an andern Himmeln glaubt.


X
So hat der Jüngling alsbald die geliebte Rose von seiner
Göttin empfangen als Zeichen ihres Lebens und ihrer Treue.
So wähnt sich der Unscheinbare im Schein eines Lichts,
das ihn für immer erleuchten sollte, das kein anderes kennt.
Und er genießt das Wachsen der Rose tief in seinem Busen,
sieht die purpurnen Blätter, Seelenblut gleich, das beide tauschten
in inniger Ruhe vereint dem Einen geweiht.


XI
Bestärkt durch die Rose, die Kraft ihrer Farbe, lässt er seine Seele
fahren in die Welt, die ihm nichts mehr und alles doch nun bedeutet.
Kein Gedanke verschwendet er an die Kälte und Dunkelheit
seiner Höhle mehr, wenn doch Paläste es sind, die bald göttlich
sein Leben bestimmen, so sie ihn erhört weiterhin,
so er ihr nur weihen darf seine erbärmliche Sterblichkeit.

XII
Und wieder und immer wieder erbarmt sie sich seiner,
lässt ihn weiteste Wege, höchste Gipfel und tiefste Täler durchstreifen
auf Reisen zu seiner lustvollen Bestimmung, zu der sie nicht einlädt,
die sie nicht verlangt, die sie doch empfängt mit dem Dank der
wachsenden Rose.


XIII
Und denkt er an purpurn bebenden Glanz seiner Rose im Busen,
sieht und fühlt er nur das weiche Fleisch einer geliebten Frucht,
atmet er feuchten Blütenstaub als himmlische Labsal auf langen Reisen
himmelwärts in das Gebirge einer Lust, die ihm geschenkt.
Und mag er auch oft sich dunkel erinnern, dass mit seiner Rose im rankenden
Wesen der Pflanze auch Dornen verankert in seinem Fleisch,
auch Schmerzen fühlend er sich wiederfinden könnte am Wege,
wenn heftig er atmete, um höchste Berge und tiefste Täler zu durchwandern
für den Dienst an seiner Göttin, so ist es nichts, was er fühlen mag in seinem
Tag der Welt, den seine geliebte Rosenpflanzerin ihm gemacht.
Er spürt nur die Kraft seiner Rose, die niemals sein, die sie ihm gegeben.


XIV
Oh ihr Sterblichen erkennt das Unheil nicht, das ihr euch bereitet,
wenn ihr unachtsam umgeht mit eurer Zeit und euren Gedanken
und eurer armseligen Sprache, die Liebe nur kennt als ein Wort.
Ihr kennt nicht die Liebe der Göttin, auch wenn ihr meintet,
sie ausgetrunken zu haben wie einen Kelch bis zum Boden,
auch wenn ihr meintet, euer Dienst sei kostbar gewesen,
bis an das Ende einer Zeit.


XV
So meint denn auch der Jüngling, nach reifender Zeit des Dienstes
rosengestärkt der Göttin als Gleicher entgegenzutreten,
denn immer noch fühlt er erstarkend in sich
das Beben und Wachsen der einen festen Rosenblüte.


XVI
Oh ihr Sterblichen, habt ihr so wenig verstanden von göttlicher Hingabe,
dass ihr euch dünkt zu Aufstieg erkoren in den Himmel der Göttin.
Seht ihr denn nicht, wie nur sie das Haupt gesenket um euch zu erhören
im Schwall eurer wirren Reden. Huldvolle Gesten der Götter,
die ihr allzu gerne nur als Hingabe an euch verstehen wolltet,
weil ihr stets das menschlich schwache Herze bleibet, das nur in einer Welt
der dunklen Höhlen klopft, deren schwarze Melodien es kennt.


XVII
So ahnt ihr nicht, was folgt auf dem Fuße, seid getroffen dann,
wenn ihr vernehmt das Schicksal des Helden an dem eine strafende
Göttin ihre Unsterblichkeit zeigt.


XVIII
Die Strafe der Göttin

Und sie bereitete ihm Schmerz,
als sie den Dorn der Rose
sanft aus seinem Herzen zog.
Sieh das Blut, es rinnt klein
und tröpfelnd über seine Brust,
hinterlässt klebrig trockene Spuren.
Sanft, mit einem Finger über die Wunde
streichend,
nahm sie etwas davon auf,
führte es zu ihrem Mund und kostete.
Ja, so sollte es sein!
Es war vollbracht:
Denn süß ist immer der Geschmack
der eigenen Zunge,
auch wenn es das Blut des andern ist.


XIX
Der Jüngling aber nun liegt da, erwacht und fühlt sich zum Manne
erst richtig gereift durch den Schmerz, den die Dornen ihm sangen.
Er sieht das Göttliche im hellen Lichte seines erstandenen Geistes,
beherrscht das Wort nun nicht mehr nur als Schwall wirrer Laute.
Er will fortan die Schmerzen der Rose besingen als Liebe seiner Göttin,
die ihn nahm und wieder losließ, die ihm die Rose schenkte für immer
um den Preis ihrer Dornen, die für sich behielt, was sie immer behalten wollte,
was er ihr weder schenken noch rauben konnte -
Unsterblichkeit.


XX
Eine Strafe nur scheinbar erhielt unser Jüngling,
denn auch Seligkeit wurde ihm zuteil.
Gewiss auch Schmerz erfuhr die Göttliche,
doch trat er eher ein, viel eher als je ein Jüngling gedacht,
denn immer wenn Göttinnen Rosen schenken zum Wachsen in
eines Jünglings Brust, müssen sie öffnen ihr eigenes Fleisch
und herausziehen schmerzvoll und dornenreich
den purpurnen Keimling wachsenden Glücks -
und vergießen dabei ihre Träne.


Gesänge Ophelias

I
Kühler Tod
kamst und nahmst
mich von seiner Seite
versprachst mir Lilien
wachsend aus meinem Haupt
nach feuchtem Trunk
nun lehn ich meinen Körper
sanft an deine nassen Schultern
und lass mich treiben
mit dunklen Augenhöhlen schon


II
Sonne leuchtet spiegelnd mir
erhellt mir dunkles Treiben
ist nicht Leben mehr
der Wassergeborenen
ist nur Abbild sich brechend
in meinen Blumenwellen

III
Vorbei die Zeiten am Ufer des Lebens
tauche ein und gleite in einem andern Strom
dort drüben steht Leben fest auf schwarzer Erde
und doch ein täuschend Spiel mit sichrem End
in meinem Reich nun greift Bewegung
da alles fließt und wird und fließt
was mir dort Schmuck Ehre Liebe war
gefällt sich hier in Eitelkeit nicht mehr
der ewigen Lilien Pracht nun schmückt mein Haar
als Krone und mir Zeichen dass ich herrschen darf
bewahren in der feuchten Kühle auch
das Andenken an aller Menschen Liebe
nur werden hier mir andre Blumen und Früchte wachsen
von glasklar ewigem Bestande
denn dieses Blumenwasser ist eines neuen Lebens Hauch
hier hat der erdige Tod seine Macht verloren


IV
Leben will ich hier auf ewig
und herrschend schützen alle Liebenden
mit der Macht des einen Wassers
das nicht Mond nicht Sonne kennt
das sie nur einsaugt spielerisch
und mir zur Freude

V
Mein Reich ist groß jetzt und weit und offen
hat all die Welt in sich
die nur den Furchtsamen verschlossen bleibt
seht nur an meinen Brüsten
schon die weißen Knospen sprießen
und umschmeichelt ist mein Leib
von glättenden Wogen
die viel Samen in sich tragen
für wundersame Wasserpflanzen
denen ich ein Heim ein Gehäuse
und Seele nun bin
so wie ich immer schon war
als ich erdiger Körperlichkeit noch
musste gehorchen und unverstanden
unbefruchtet gar blieb
komm du süße Fruchtbarkeit
und bring mir das Fischlein auch
das sich an des Körpers Resten laben mag
denn wo leibige Hülle vergeht mir
wachse ich auf ewig neu
und lasse mir wellendes Pflanzenleben sprießen

VI
So will ich erstanden und neu dahingleiten
durch alle Zeiten dem wahren Element
verbunden und nah dem kühlen Leben
das immerwährend ist wie des Efeus Grün

VII
Sah schon Menschen an den Ufern stehend
mich betrachten in vermeintlichem Unglück
fühlt ihr denn nicht wie wohl wie wahr mir ist
sah auch der Liebenden viele die sich versprachen
einander zu halten nicht endend wie ich
ist’s eine Botschaft die ich verkünde
die wahre die reine von meinem Element
dann ist’s die andre gewiss über Jahre auf ewig
die allen die sich lieben dienen mag

VIII
Mein Leid hat in eurer Welt geendet
in meiner kenn ich solches nicht
verkünde jedem der mich sieht
ein Blumenwasserleben einen wahren
Rausch ohne Zeit nur durch den Fluss
des ewigen Wissens um meine Liebe
getragen gewonnen gefühlt gelebt

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.04.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
gewidmet allen Liebenden

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