Die Krieger Vedens
Prolog
Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich mein, wer bitte rechnet schon damit, dass er ein ganzes Volk, das Königspaar ( was zufälligerweise meine Eltern waren) rettet und dazu noch ganz nebenbei eine Revolution auslöst, wodurch eine neue Ära eingeläutet wird und eine bessere Zukunft entsteht? Genau, ich nicht! Aber das ist mir eben passiert. Na gut, so ganz hab ich das natürlich nicht allein gemacht. Ich hatte Hilfe von ein paar ganz guten Freunden und der schrecklichsten Person überhaupt!!! Obwohl ich eigentlich etwas für ihn übrig hab … und so ganz scheine ich ihm auch nicht so egal zu sein. Ich kann mich aber auch täuschen.
Ich mein, er ist arrogant, total überheblich und besserwisserisch und er ignoriert mich andauernd. Außer wenn ich was verbocke, dann spart er nicht an Worten und macht mich jedes mal so rasend, dass ich ihm am liebsten eine reinhauen will!!
Aber grundsätzlich, sagt er jedenfalls, geht es um die Rettung unseres Volkes. Ja, ich hab's mittlerweile verstanden. Obwohl ich nicht weiß um welches Volk es sich handelt, schließlich gibt es nur Menschen, oder nicht?
Es war einmal, in einer Welt, die soviel anders ist als die unserige. Die sehr viel mystischer und fantastischer ist, mit allen ihren sonderbaren Wesen und Völkern und selbst die Landschaft scheint ein ihr eigenes Wesen inne zu wohnen. In eben jener Welt gab es seit tausenden von Jahren keine Neuerungen oder Veränderung mehr. Alles lief seinen gewohnten und geordneten, firedlichen Gang. Doch selbst in einer solchen Welt währt nichts ewig. Es wird gemunkelt, dass etwas geschehen soll. Etwas, dass alles Bisherige verändern soll. Ausgelöst durch einen einzigen König. Aber dies ist nur ein Gerücht, ob man dem Glauben schenken soll oder nicht, wer weiß das schon? Eins steht aber fest, die Welt befindet sich in Unruhe, böse Seele treiben ihr Unwesen und bringen die Ordnung ins Schwanken. Und überall wo man hin sieht, scheinen die Lebewesen dieser Welt hecktisch umher zu irren, beinahe orientierungslos und voller Angst.
Diese Welt trägt den Namen 'Scor'da' und sie ist in drei große Landschaften und die dort lebenden Völker geteilt. Weit im Himmel befindet sich das reich 'Sorani', das nur von dem Himmlischen, den Deva, selbst betreten werden kann. Allen anderen ist es untersagt und zudem unmöglich. Die, die jemals einen Versuch wagten, haben dafür ihr Leben gelassen. Im Erdreich, das nach der Göttin 'Gaia' benannt wird, leben die irdischen Völker, wie Zwerge, Elfen, aber auch Menschen. 'Gaia' ist ein neutrales Gebiet auf dem hauptsächlich der Handel der drei Völker betrieben wird. Daher ist es streng untersagt kriegerische Handlungen in diesem Gebiet zu vollziehen. Alles wird firedlich betrieben und sollte es zu einen größeren Zwist kommen, der sich nur durch einen Kampf beheben lässt, so wird er entweder in Sorani oder im Schwarzland abgehalten, wonach aber ein friedlicher Handel wieder aufkommen muss, so wie es die Gesetze in Scor'da verlangen. Und eben jene Gesetzte werden von allen drei Haupthäusern der drei Völker einstimmig beschlossen.
Das Schwarzland hingegen ist ein sehr dunkles Land, man könnte fast meinen, dass dort nie die Sonne scheinen würde, nicht einmal für einen einzigen Tag. Von dem dortigen Volk 'Veden' genannt, befindet sich das Schwarzland nördlich von Gaia. Beinahe nachtschwarze Ebenen, Gebirge, Wälder und Felder beherschen dieses Land und ebenso wie Veden selbst, sind die dortigen Gestalten. Dämonenartige Wesen, einige nur mit mickrigen, schwarzen Hörnern und Klauen, andere beinahe so anmutig wie die Himmlischen selbst, nur mit gewaltigen dunklen Hörnern, Klauen und einen schwarzen Teufelsschwanz mit nachtschwarzen Schwingen. Man sagt, diese Wesen,die, die Asura genannt werden, sollen beim bloßen Anblick allein den Tod bringen.
Man hält also besser Abstand sollte man einen von ihnen allein in der Nacht begenen. Sie beherschen ihre Tarnung schließlich perfekt. Wenn sie in den Hauptstädten Gaias zu Verhandlungen unterwegs sind, erkennt man einen Asura meist nur dann, wenn er will, dass man ihn erkennt.
Es war laut. Knall folgte auf Knall, Explosion auf Explosion. Feuer loderte aus den Fenstern des Schlosse. Es kam aus den Räumen der Königsfamilie. Was passiert war? Niemand wusste es, keiner hatt es bemerkt, nicht die Soldaten, nicht die Brüger der Stadt, selbst das Königspaar hatte das Eindringen der Rebellen nicht bemerkt. Sie waren zu einer Mondlosen Nacht in das Schloss eingedrungen mit dem Ziel, die Herrscher zu beseitigen und mit ihnen die Monarchei und Rangordnung der Asura zu Fall zu bringen. Sie waren wütend, wütend und unzufrieden, dass sie niemlas selbst die Möglichkeit haben werden zu herrschen. Sie, die sie als niedrigsten Asura gelten, die Kuruna. Keiner von ihnen war zu größeren bestimmt, verhindert durch ihre natürlichen Anlagen waren sie um einiges schwächer und primitiver als die mächtigen Asura.
Aber das sollte sich nun ändern! Heute Nacht wird das Königspaar sterben und mit ihnen ihr Kind, auf dass es keinen Nachfolger , kein Balg, kein Blut geben wird, das ihnen in die Quere kommt. Alles bisher bestehende wird ausgelöscht und von ihnen verändert. Auf das ein neues freies Zeitalter der Kuruna anbircht!
Einige Meilen entfernt von dem Schloss, auf einen Stück freien Feld, war eine Gestalt zu sehen. Etwas was einer Person glich. Nur viel zu klein, als das man es als Person hätte beziehen können. Völlig in Schatten geschlungen stand sie da, einsam. Fast schien es so, als würde sie mit der Dunkelheit verschmelzen, alleingelassen.
Was wollte diese Kreatur dort? Wie kam sie dort überhaupt hin? Sie war zu klein, um voll ausgewachsen zu sein. War es ein Kind, ein Zwerg oder etwas ganz anderes? Hier in Veden? Es war unwahrscheinlich, dass eine Kreatur von außerhalb hier überleben könnte, jedenfalls nicht lange. Die Luft war zu feindlich für jegliches Lebewesen, das nicht im Schwarzland beheimatete war.
Das Wesen irrte orientierungslos herum. Schien weder zu wissen wohin es wollte, noch woher es kam.
Hilflos, glich es einem Kleinkind in den Weiten der Welt allein gelassen, fernab von seinem Zuhause.
Wenn man etwas näher treten würde, könnte man erkennen, dass dessen Kleidung, dessen Hände und sogar dessen Gesicht blutverschmiert waren. Es wusste nicht, wie es dort hingekommen war, hatte es noch nicht einmal bemerkt. Es schien völlig abwesend zu sein, bekam nichts mehr von dem, was um
es herum passierte mit und blind schien es einen Weg zu folgen, den niemand außer ihm wahrnehmen konnte. Immer mehr verirrte es sich, schritt voran in die Tiefen eines Waldes. Kurz bevor es die Schatten verlassen konnte, viel es über seinen eigenen Beine. Am Boden liegend hob das Kind schwerfällig den Kopf. Alleine wieder aufstehen war unmöglich. Allein vorankommen war unmöglich. War es das jetzt? Das Kind allein, kurz bevor es eine Lichtung erreichen konnte, sollte es scheitern und für immer hier in den ewigen, schwarzen Tiefen gefangen sein? Selbst weinen konnte es nicht, denn es realisierte nicht, was mit ihm passierte. Vollkommen traumatisiert, war es unfähig auch nur irgendwas zu tun. So blieb das Kind einfach liegen und überließ sich seinen herannahenden Schicksal.
~*~
Einige Jahre später.
Kraftvoll schwang ich die Axt nach unten und zerteilte den Ast dabei in zwei Teile. Noch einmal, zweimal, dreimal schwang ich die Axt, so dass das Holz klein Genug und transportfähig war. Man war das eine Arbeit, zwar nicht so sehr schweißtreibend im Moment, da der Sommer fast vorüber war. Was für ein Glück für mich, aber trotzdem war Bäume fällen und zerteilen nicht zu unterschätzen, es war immer noch harte Arbeit.
Ich streckte meinen Rücken durch, kreiste die Schultern, um sie etwas zu lockern. Immer die gleichen Bewegungen zu machen, auf die Bäume einschlagen, war auf die Dauer sehr lästig. Man konnte selbst bei solch einer Tätigkeit einrostet, verdammte Eintönigkeit! Lästig, aber meinen Vater half ich gerne aus, auch ohne mich irgendwie zu beschweren. Ich war immerhin noch jung genug, um ordentlich mit anzupacken. Mein Vater hingegen konnte man mittlerweile seinen vielen Lebensjahre ansehen. Ich glaubte, dass er nur noch ein, zwei Jahre weiter Bäume fällen konnte, bis er die Arbeit an einen Jüngeren abtreten musste. Was mir persönlich sehr willkommen war, nicht dass ich ihm es nicht gönnte, aber er war eben schon ein alter Man und meine Mutter sollte auch nicht unbedingt Witwe werden. Ich sah kurz zu meinen alten Herrn rüber, schaute ob er meine Hilfe brauchte oder nicht. Sah aber nicht so aus. Er hantierte gerade mit der riesigen Säge herum, um einen gewaltigen Baumstamm klein zu kriegen. Ich könnte höchstens mit anpacken, dass wir hier schneller fertig werden. Und wer wäre ich denn, wenn ich nicht schnellst möglich etwas elendiges beenden wollen würde? Richtig, nicht ich. Ich marschierte also zu ihm rüber, fasste am gegenüberliegen Griff und zeigte mal wieder mein ganzes Können.
„Na alter Mann, soll ich die ein bisschen unter die Arme greifen?“ Mein Vater lachte kurz auf.
„Was, du Jungspund? Sei lieber dankbar, dass ich dir was von meinen alten Wissen beibringe und mir helfen lasse.“ Dankbar? Ja klar. Ich lachte. Mein Vater war schon ein Kerl für sich. Er wusste schließlich ganz genau, dass ich nicht in seine Fußstapfen treten würde. Nein Holzfäller, wie er, wollte ich nicht werden. Auch wenn es bei uns relativ schwer war etwas anderes zu lernen als die Eltern, war es doch nicht unmöglich. Nur nicht ganz so üblich. Die meisten jungen Leute, bei uns lernten die Berufe ihrer Eltern gleich von Kindesbeinen an, da traute sich keiner mehr so wirklich etwas völlig anders zu machen, was sie nicht kannten. Ich dagegen wollte nie das machen, was mein Vater tat. Ja klar war es gute, praktische Arbeit und sehr nützlich für das Dorf. Er war hier schließlich der einzige Holzfäller und da ich nun sein Erbe nicht antreten würde, musste er sich nach einem anderen jungen Burschen umsehen. Solang sich aber noch Niemand fand, half ich natürlich mit wo ich konnte. Das hieß allerdings, dass mein Traum von der Schmiedelehre noch etwas warten musste. Die Pflicht der Familie gegenüber hatten einen viel höheren Rang, als die der eigenen Lehre. Ich konnte immer noch Holzfäller werden, sollte ich es zum Schmied nicht schaffen. Meine Zukunft wäre also so oder so gesichert und ich wäre ein nützliches Mitglied der Dorfgemeinschaft. Dies wäre ich allerdings auch als Schmied. Meine Lehre dauerte nun schon drei Monate und ich hatte vor, diese voll abzulegen. Gaia sei Dank, war ich dafür mittlerweile alt genug. Man musste volljährig, achtzehn Sommer alt, sein um eine andere Lehre, als die der Eltern zu absolvieren.
„Träumst du schon wieder, Junge oder wohin bist du dieses Mal abgedriftet?“ fragend sah ich meinen Papa an. Was genau meinte mein alter Herr? Mein Blick schweifte umher, suchte nach dem wovon er gesprochen haben könnte und erblickte den Baumstamm, den wir gerade zerkleinern wollten. Hatten wir jedenfalls vor, wenn ich nicht so wie sonst auch immer in der Gegend herum blickte und vor mich hin träumte. Ich grinste, für mich selbst war das ziemlich praktisch, aber für alle anderen wahrscheinlich unglaublich lästig. Verstand ich überhaupt nicht. Aber naja, jeder wie er es mochte. Ich fand es eher amüsant wenn ich Jemanden begegnete, der ebenso wie ich träumend durch die Welt ging und einfach mal für ein paar Minuten in seiner eigenen, kleinen Welt abdriftete. Keine Ahnung warum so viele das nervig fanden.
„Glaub mir alter Mann, wohin ich immer verschwinde willst du gar nicht wissen,“ grinste ich ihn schelmisch an und mein Papa lachte auf. Gemeinsam zerlegten wir rasch den Baum, als ich mich auch endlich zur letzten Konzentration durch gerungen hatte, was nicht wirklich schwer war. Ich durfte mich nur nicht immer so schnell ablenken lassen.
Das gesamte Holz hatten wir auf die Wagen gelegt und machten uns auf ins Dorf. Dort stapelten wir alles fein säuberlich, so dass sich jeder Dorfbewohner leicht etwas nehmen konnte. Die Leute hier hatten ein Verschleiß an diesem dämlichen Holz, dass es schon faszinierend-abstoßend war, wie viel sie davon brauchten. Heute hatten wir schon die Fuhren für den Winter erledigt, weil die Meisten der Herrschaften hier Bedenken hatten, dass alles bis zum Winter hin und darüber länger hinaus nicht reichen könnte. Es war ja auch nicht so, dass mein Vater nur im Sommer arbeitete, er konnte auch im Winter Bäume fällen. Nur dauerte dann das Trocken um einiges länger und wie es nun mal für die Damen typisch war, lag es ihnen nicht geduldig (im Winter) auf das Trocknen zu warten. Sie mussten immer alles sofort und in doppelter Ausführung haben. Elendige Weibsbilder. Was für eine Qual, dass fast das ganze Dorf aus diesen merkwürdigen Frauen bestand. Hier gab es kaum ein normales Frauenhaus. Ich konnte von Glück behaupten, dass meine Mutter eine der wenigen relativ normalen Frauen hier war.
Ich danke Gaia dafür. Immerhin war sie und mein Vater es, die mich als undichtes Kleinkind, das kaum laufen konnte, verwirrt und vollkommen allein am Waldesrand gefunden hatten. Die Morgensonne brach gerade erst durch die ersten Äste, als sie mich fanden, orientierungslos und vollkommen verschreckt. Ich konnte ihnen nicht sagen was geschehen war. Nur meinen Namen wusste ich, Isto. Das war das Einzige, was ich ihnen nennen konnte. Ich werde ihnen lebenslang dafür dankbar sein. Wahrscheinlich hätte ich den nächsten Tag nicht erlebt, wäre von irgendeinen Tier gerissen worden, hätten meine Eltern mich nicht gefunden und wie ihr eigenes Fleisch und Blut aufgenommen und sich liebevoll um mich gekümmert. Ich liebe sie dafür, wie Nichts auf dieser Welt.
Ich schaute mich nach meinen Vater um, sah ihm still lächelnd dabei zu wie er die letzten Kleinigkeiten seiner Arbeit verrichtete und sich dann auf den Weg zu mir in machte. Damit wir gemeinsam nach Hause gehen konnten. Ich wollte etwas sagen, wusste aber nicht so recht was. Wollte einfach eine schlichte Unterhaltung mit ihm führen, doch bevor ich einen Satz parat hatte, öffnete sich schon unserer Haustür und meine Mutter schaute uns mit einen Kochlöffel in der Hand entgegen.
„Ihr wart lange weg. Die Abendsonne steht schon auf der Erdlinie. Wart ihr wenigstens erfolgreich?“ Meine Mutter wie eh und je. Ich grinste. Zwar beschwerte sie sich immer wieder wenn mein Vater und ich lange weg waren und sie dann immer mit den Abendessen auf uns warten musste, trotzdem war sie stolz auf ihren Mann und ihren Sohn, die für das gesamte Dorf wichtige Arbeit verrichteten. Vor allem konnte sie Beschwerden ebenso wenig leiden wie ich. Hatte ich wohl von ihr. Es war also wichtig, dass wir gute Arbeit leisteten, nicht für das Dorf sondern für die Frau im Hause.
Mein Vater begrüßte meine Mutter wie jedes mal mit einen Kuss, nur um danach ihre Hand zu ergreifen und gemeinsam zum Esstisch, dem Zentrum unseren Hauses zu gehen. Nachdem er sich gesetzt hatte, trug meine Mutter das Essen auf. Ich blieb derweil stehen. Ab und zu kam es vor, dass sie Hilfe brauchte. Als Frau konnte sie eben nicht so einfach einen Braten auf den Tisch stellen oder andere schwere Dinge. Die ich dann übernahm.
„Wie immer Liebes. Aber wir werden noch einige Fuhren, bis zum ersten Frost machen müssen.“
„Ich weiß gar nicht was die Leute so unruhig werden müssen! Und das schon im Sommer!“
„Aber, aber Liebes. Es ist doch verständlich, dass niemand im Winter frieren will und die Holzfäller beschaffen nun mal das benötige Feuerholz.“
„ Ja aber müsst ihr euch dafür schon im Sommer bis auf die Knochen abrackern?“ So sehr wie sich meine Mutter zu Beginn beschwert hatte und aufbrausend geworden war, so ruhig war sie nun geworden. Mein Vater hatte sie die ganze Zeit einfach liebevoll und mit unendlich viel Verständnis angesehen, so dass meine Mutter am Ende gar nicht anders konnte, als dieses Lächeln zu erwidern. Keine Ahnung wie sie das machten, aber von nun an kommunizierten sie wortlos. Das hatten die beiden irgendwie drauf. Kam womöglich daher, dass sie, seit sie selber noch Jungspunde waren schon verheiratet sind. Dennoch, es war für mich immer wieder faszinierend den beiden dabei zuzusehen. Es glich für mich einen Rätsel. Wie konnte man selbst mit einer Person auf solche eine tiefe Art und Weise verbunden sein, dass man sich ohne Worte verstand? Auf der einen Seite war das schon fast gruselig, aber auch beneidenswert. Ob ich selbst irgendwann einmal solche eine Person finden werde, der ich bedingungsloses Vertrauen schenken würde? Nach meinen Eltern auf jeden Fall. Die fragten mich ja jetzt schon regelmäßig, ob ich nicht bald mal ein nettes Mädchen mit nach Hause bringen wolle. Aber jetzt? Aus diesem Dorf? Ganz sicher nicht. Ich hatte einiges anderes zu tun, als auf Brautschau zu gehen. Die Frauenzimmer aus der Gegend waren alles andere als das Richtige für mich. Ich war mir noch nicht einmal vollkommen sicher, welche Art Frau für mich überhaupt die Richtige wäre. Darüber hatte ich mir noch keinerlei Gedanken gemacht.
„Ich geh nachher noch beim alten Landard vorbei.“, warf ich ein, worauf mich die beiden mit großen Augen anschauten, bis mein Vater seinen Blick abwandte und sich wieder seinem Essen widmete.
„Lässt du von der Idee immer noch nicht ab? Ich dachte du willst deinem alten Herren endlich folgen?“ Offenbar sprach er davon, dass ich ihm in den letzten Tagen wieder vermehrt geholfen hatte und er dadurch erneut Hoffnung geschöpft hatte. Ich würde doch noch in sein Handwerk folgen und meine 'lächerliche' Idee beim 'einzigen Eremiten' des Dorfes in die Lehre zu gehen, endlich an den Nagel hängen. Ich wusste nicht warum sie ihn nicht mochten, die Leute aus dem Dorf. Ich hatte den alten, eigensinnigen Kerl recht gern, als einziger fast. Er bildete mich zum Schmied aus. Ich wusste, dass meine Eltern im Grunde nichts dagegen hatten und sie es nie böse meinten. Sie machten sich eben Sorgen, wie alle anderen Eltern es auch um ihre Sprösslinge tun würden. Nur war ich erwachsen und sie sollten mir mit mehr Unterstützung helfen, als immer zu zweifeln und Bedenken zu äußern. Ach, ich sollte mich selber nicht so sehr beschweren, immerhin hatte ich wirklich Glück mit den zwei liebevollsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Gaia, ich war unendlich dankbar dafür.
„Aber Liebling.“, beschwichtigte meine Mutter. Ich sah sie erstaunt an, denn sonst war sie immer still geblieben, wenn mein Vater und ich über dieses Thema diskutiert hatten. Es war das erste Mal, dass sie sich in diese Unterhaltung einmischte.
„Du musst doch langsam einsehen, so hartnäckig wie unser Sohn ist, dass ihm sehr viel daran liegen muss. Außerdem ist es ja nicht so, dass er dir bei der Arbeit nicht hilft. Er ist tüchtig. Also lass ihn doch diesen Wunsch, wenn er wirklich mit allen Mittel Schmied werden will. Was bricht uns da für ein Zacken aus der Krone? Der alte Landard hat doch genauso wie du keinen Lehrling, zudem fehlt ihm der Sohn, der seinen Posten übernehmen könnte. Ich kann mir keinen besseren als unseren Isto vorstellen, der für dieses Handwerk mehr geeignet wäre, als irgend ein anderer Jüngling in unseren Dorf. Meinst du nicht auch?“ Stolz sprach aus ihr, aus jeder Pore strömte es mir und meinen Vater praktisch entgegen. Man konnte es nicht ignorieren. Meine Mutter liebte mich genauso wie ich sie. Ich lächelte sie dankbar an. Mein Vater schien überzeugt. Klar, er konnte ihr selten widerstehen. Ehrlich gesagt, hatte ich noch nie gesehen, wie er ihr nicht doch trotzen konnte, mein Vater war ihr komplett verfallen. Da konnte er nichts gegen unternehmen und wenn sie dann mit solchen Dingen kam, war sowie so von vornherein klar, dass er ihr zustimmen würde. Sie waren immer noch, nach der langen Zeit, wie zwei frisch verliebte Jungspunde.
„Danke Mama.“ Sie schenkte mir noch ein weiteres ein Lächeln. Mein Vater nickte mir zu, das mir letztendlich bestätige, dass er mir nun seine volle Zustimmung und Unterstützung versicherte. Endlich hatte ich sie überzeugt, nach drei Monaten, die ich schon beim Schmied lernte. Endlich.
Nachdem ich noch schnell beim Abwasch geholfen hatte, eilte ich durch das Dorf, vorbei am Marktplatz, dem Tischler, Schneider, Heiler und den ganzen anderen zahlreichen Geschäften und Handwerken. Das Dorf war voll davon. Hier bei uns gab es nichts, was es in einer Stadt nicht auch geben würde. So musste niemand extra wegen Nahrung oder Kleidung in die nächste Stadt reisen, die ein paar Tagesmärsche entfernt lag. Das war praktisch und wahrscheinlich das einzig Gute an diesem verstaubten Örtchen.
Als ich durch die letzte schmale Gasse trat, sah ich schon den typischen weiß-gräulichen Rauch aufsteigen und hörte das rhythmische Schlagen des Schmiedehammers. Ich grinste und beschleunigte meinen Schritt. Vorfreude erfüllte mich. Ich war gerne bei dem alten Landard. Er war zwar ein merkwürdiger alter Kauz, aber irgendwie hatte ich ihn gern. Mal ganz davon abgesehen, dass er mein Lehrmeister war, was aber natürlich absolut keinen Einfluss darauf hatte. Auch hielten mich die Anderen aus dem Dorf davon nicht ab. Als ob ich mich je irgendjemand von meiner Meinung abbringen könnte. Nein, aber aus irgendeinen Grund mochten ihn die Dorfbewohner nicht. Kein bisschen. Sie mieden ihn, als ob er ein Gesandter des Leibhaftigen war. Sie mieden sowie so alles, was anders war, was sie nicht kannten und ihnen fremd war. Landard passte hervorragend in ihr Schema der Merkwürdigkeiten. Ich verstand es nicht, Landard hingegen war es völlig gleich. Er ging ihnen ebenso aus den Weg wie sie ihm. Komischer alter Kauz, aber er war nun mal ein bisschen menschenscheu und lieber für sich. Da störte es ihn herzlich wenig wenn er gemieden wurde. Mich hatte er auch versucht zu vertreiben, allerdings ließ ich mich nicht abwimmeln. Nicht von seinen paar lächerlichen Versuchen, die mich nicht davon abhielten ihn immer wieder aufzusuchen und um eine Lehre zum Schmied bat. Irgendwann hatte er einfach aufgegeben gegen meinen Dickkopf anzukommen. Naja, und seit dem war ich sein Lehrling.
Den Eingang des Hauses ignorierend, ging ich herum zur halb offenen Schmiedewerkstatt, in der es wie sonst auch immer recht warm war. Die Wohnräume im Haus waren alle komplett geschlossene Räume, nur die Schmiede nicht. Zwei Wände waren offen und durch einen Pfosten mit einander verbunden, woran man Stellwände befestigen konnte. Und natürlich war der Raum so wie alle anderen auch überdacht, ganz normal eben nur, dass zwei Wände fehlten. Der Rauch vom Feuer zog über einen Schlot nach oben hin ab. Landard zog den Raum vor allem im Winter komplett zu oder ließ nur eine Seite des Raumes offen und nicht zwei wie es im Sommer üblich war. Es konnte sonst passieren, dass es zu kalt wurde und er nicht mehr richtig mit dem Metall arbeiten konnte, da das Feuer nicht genug Hitze erzeugte und das Metall zu schnell wieder abkühlte. Es gab aber auch Winter, in denen es selbst in dieser Jahreszeit schweißtreibend heiß hier drin wurde, so dass man gar nicht anders konnte als mindestens eine Wand offen zu lassen, weil sonst die Gefahr zu zerfließen einfach zu groß wäre. Es war also sehr praktisch. Etwas anderes hatte ich von meinen Lehrmeister auch gar nicht erwartet. Im Sommer wurde es nie zu warm, außer natürlich man arbeitete direkt an der Schmiede und im Winter wurde es nie zu kalt.
Das Feuer loderte heiß, der alte Landard hatte sich bereits seinem Leinenhemd entledigt und auch ich merkte wie mir langsam der Schweiß aus der Haut austrat. Er bearbeitete gerade mit seinen geliebten Hammer einige restliche Fensterstäbe.
„Na alter Kauz. Immer noch am arbeiten? Und das, obwohl die Sonne schon untergeht?“, begrüßte ich ihn. Er sah mich nicht einmal an, hatte mich womöglich schon kommen gehört und hielt einen Blick als Begrüßung nicht für notwendig. Er war ja auch auf seine Arbeit fixiert. War also verständlich, wenn er einen Fehler machen würde, - hoffentlich nicht meinetwegen - würde er den ganzen Stab noch einmal vollkommen neu machen dürfen und es nicht nur beim Ausbessern belassen können. Es war also doch ganz gut, dass er mich nicht ansah, ich konnte damit leben. Früher oder später würde er mir heute Abend sowie so einen Blick schenken, also hieß es einfach abwarten.
„ Halt bloß dein Maul, frecher Bengel.“, eine typische brummige Erwiderung seinerseits, was mich grinsen ließ. Mit nichts anderem hatte ich gerechnet.
„Mach dich noch was nützlich. Die Fensterstäbe will ich heute noch fertig bekommen. Sie müssen morgen abgeliefert werden.“ Ich verkniff es mir meine Augen zu verdrehen. Als ob ich das nicht wusste. Der alte Kauz erneuerte bei jedem Haus im Dorf die Fensterstäbe, da saß er schon seit mehreren Tagen dran. Kein Wunder, dass er die Dinger fertig bekommen wollte. Ich suchte mir fix Schleifgerät und Bürste und griff mir dann fertig ausgebesserte Stäbe. Die, die ich als erstes in der Hand hielt, sahen sehr eindrucksvoll aus mit ihren ganzen filigranen Verzierungen. Ich lächelte und gab mir besonders viel Mühe diese zu säubern und von kleinen Unebenheiten zu beseitigen.
„Sag bloß du hast die hier für Merilla gemacht.“ Fragend hielt ich sie etwas nach oben, so dass er sehen konnte welche ich meinte. Merilla, sie war die Kräuter- und Blumenfrau hier im Dorf. Eine nette ältere Dame, ungefähr im gleichen Alter wie Landard und wohl die einzige vom Dorfgesindel, die den alten Schmied nicht zu missachten schien. Sie war eine liebe Frau und hatte für jedes Wehwehchen ein passendes Kraut parat. Landard warf einen kurzen Blick darauf, knurrte unzufrieden und legte dann den letzten Stab zum abkühlen beiseite. Darauf verschwand er aus dem Raum, um nicht mal eine Minute später mit einen in Stoff eingewickelten Paket wieder zu kommen. Er setze sich auf einen Hocker an der Wand und sah mir beim Säubern und Schleifen zu. In dem Paket steckten einige reichlich belegte Brote. Grinsend beobachtete ich ihn meinerseits ab und zu, wie er die Brote mit sehr offensichtlicher Freude aß. Es war schon fast süß mit anzusehen, wie sehr es ihm mundete. Die Brote mussten also von einer ganz bestimmten Person sein, wenn sie ihm solch ein Vergnügen bereiteten.
„Hat dir Merilla die Brote gemacht? Normalerweise machst du dir doch immer einen Getreidebrei“, spottete ich. Er grinste.
„ Anders als freche Jünglinge, die schon gegessen haben und keinen Anstand besitzen ihrem Lehrmeister etwas von dem Abendmahl mitzubringen, weiß diese reife Frau wie man sich erkenntlich zeigt und vernünftig bedankt.“
„ Oh gibt es da etwa versteckte Details?“ Er schnaufte nur amüsiert und enthielt sich sonst jeglicher Kommentar. Als ich dann alle Stäbe einmal durch hatte und gerade zur Kontrolle ansetzten wollte, kam Landard zu mir herüber und besah sich meine Arbeit. Mittlerweile war die Sonne auch vollständig untergegangen, was ich nicht wirklich registriert hatte. Zu abgelenkt war ich von der Beschäftigung und der Unterhaltung mit meinen Lehrmeister.
„Hm“, brummte er und nickte.
„Das bisschen Schleifen und Säubern kannst du nach den drei Monaten wirklich gut. Übung wird da nicht mehr nötig sein. Hauptaugenmerk wird von nun an Schmieden sein.“ Er ließ einen kritischen Blick über mich gleiten. Ich freute mich, natürlich hatte er mir am Anfang alles mögliche erklärt und gleich am ersten Tag auch den Hammer in die Hand gedrückt. Immerhin vertrat er die Meinung, Praxis lehrt am Besten, aber vor allem durfte ich seine Werke begutachten und kleine Feinheiten überarbeiten. Was ziemlich öde war auf Dauer, aber leider genauso lehrvoll wie selbst am Amboss zu stehen. Was ich zwar schon tat, aber nicht so häufig wie ich es mir gewünscht hatte. Nun da er gesagt hatte, dass das nun Intensiver werden würde, freute ich mich wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Den kritischen Blick beachtete ich gar nicht weiter, hörte auch nur mit halben Ohr zu, wie er irgendwas von „Muskelaufbau“ murmelte und dann seine Schmiede aufräumte. Zu sehr war ich von dem, was freudiger weise auf mich zu kommen würde begeistert und konnte nicht anders als mit einen breiten Grinsen in der Gegend um her zu starren. Als sein Blick mich wieder traf, verdreht er nur die Augen und scheuchte mich mit „Verschwinde nach Hause, Junge.“ Richtung Heimat.
Die Nacht war auf leisen Pfoten herein geschlichen. Meinte Eltern schliefen mit Sicherheit schon längst in ihren selbst zusammen gezimmerten Ehebett. Das Dorf lag still da. Von mir unbemerkt hatte die nächtliche Dunkelheit Einzug gehalten. Die Schmiede und Landard konnten einen wirklich gut ablenken, so dass man nichts mehr um sich herum bemerkte, gruselig. Zu meinen Glück war es heute mal ruhig und keiner trieb sich draußen mehr herum. Ich hatte auch immer wieder das Pech in den unmöglichsten Momenten auf all mögliche Leute zutreffen. Lästig, vor allem wenn man eigentlich nur nach Hause in sein Bett wollte. Ich wollte niemanden auf meinen Nachhauseweg begegnen. Nicht, dass ich die Leute hier nicht mochte. Manchmal war es nur so schrecklich verstaubt und eingetrocknet. Irgendwie kam es mir so vor, als ob ich nicht hier her gehörte, als ob ich von irgendwo anders kommen würde. Alle anderen passten ohne jeden Zweifel zu diesem Örtchen mit seinen Menschen, nur mir viel es schwer Fuß zu fassen und meinen Platz zu finden. Konnte ja auch sein, dass ich völlig normal war und nur die Leute hier irgendwelche sonderbaren Lebewesen waren, die es nur hier gab. Das würde auf alle Fälle einiges erklären. Jedenfalls gefiel mir ihr Umgang mit Landard nicht. Er war zwar auch nicht der Geselligste, aber das war doch noch lange kein Grund für fast völlige Ignoranz, außer wenn sie etwas wollten. Ein Glück nur, dass es selbst in solch einen Dorf wie diesen Menschen wie Merilla gab. Gute Seelen wie sie waren einfach viel zu selten auf dieser Welt vertreten. Ich wurde von einigen genauso gemieden wie der alte Schmied, zwar lange nicht so extrem, aber trotzdem deutlich spürbar. Ich denke, dass lag vor allem an meinen Eltern. Sie waren bei den Dorfbewohnern zu jeder Zeit gern willkommen. Daher haben die Meisten wohl keine so schlechte Meinung von mir. Mir aber war es gleich. Sollten sie mich hassen, mich meiden, was auch immer. Es interessierte mich nicht. Für mich war es angenehmer, wenn ich ihnen und sie mir aus den Weg gingen. Da war es eben auch praktisch wenn man zu später Stunde, in der sich alle zur Nacht gebettet hatten, durch das Dorf schlich.
Als ich beim Haus meiner Eltern ankam, ging ich auf leisen Sohlen in mein kleines Schlafgemach und legte mich in mein weiches Bett. Der anstrengenden Arbeit sei Dank ließ auch der Schlaf nicht all zu lang auf sich warten.
To be continue ….
Texte: Eigener Text; Mein Eigentum
Tag der Veröffentlichung: 03.04.2015
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