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Kriegstüchtig!?

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hält Russland nicht nur als eine Bedrohung für Georgien und Moldawien, sondern „letztlich auch für die Nato“ Er sagte am 5. Juni 2024 im Bundestag: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“…. „Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt.“ Es werde daher auch in Zukunft eine Hauptaufgabe der NATO bleiben, Europa zu verteidigen. Nichts drückt die gegenwärtige Situation besser aus als dieser Appell. Damit scheint mir klar, dass er mit seiner Aufforderung nicht kriegsfähig, angriffsfähig, sondern verteidigungsfähig meint.– Da muss sich Putin ganz schön beeilen, falls er auch uns angreifen will.

 

Der Überfall Putins auf die Ukraine hat dafür gesorgt, dass wir brutal unserer Naivität beraubt worden sind. Wer hatte sich vorstellen mögen, dass 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges auf europäischem Boden – und in unserer unmittelbaren Nachbarschaft – wieder Bomben fallen und Panzer rollen würden? Die Wenigsten von uns haben damit gerechnet, dass es 2022 mitten in Europa dazu kommen könnte, dass Menschen ihre Heimat würden verlassen müssen.

 

Der Ukraine-Krieg, diese viel zitierte "Zeitenwende", und der Nahost-Konflikt mit all seinen Schrecknissen zwingen uns dazu, unsere Haltung zu "Krieg und Frieden" und auch zur Bundeswehr neu zu überdenken. Die Augen davor zu verschließen, hieße, die Realität zu verdrängen. Insofern ist Pistorius zuzustimmen. Dies bedeutet nicht, alles zu tun, um in Verhandlungen nach Lösungen zu suchen. Gleichwohl müssen wir uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Gefahr eines Krieges mitten in Europa drohen könnte. Das heißt: Wir müssen "kriegstüchtig" werden und wehrhaft sein. Und wir müssen die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür wappnen. 

 

 Ich frage mich daraufhin, muss bis 2029 jeder Bundesbürger selbst dafür sorgen, verteidigungsfähig zu sein und etwa zwei Prozent seines Jahreseinkommens für seine persönliche Verteidigung ausgeben? Um einen Bunker zu bauen, reichen unsere finanziellen Möglichkeiten bei Weitem nicht. Für meine Frau und mich würde es gerade mal reichen, zwei gute Schlachtermesser zu kaufen und ein paar Notfall-Raketen, um einen Hilferuf absetzen zu können. Und als alter Mensch mit Parkinson wäre ich körperlich nicht mal in der Lage, demjenigen, der mir auf die linke Wange schlägt, auch noch die rechte hinzuhalten.

 

Hätte Boris Pistorius 1962 unter Verteidigungsminister Franz Josef Strauß sowas in der Öffentlichkeit gesagt, wäre er wahrscheinlich wie die Mitarbeiter des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ Conrad Ahlers u.a. wegen Hochverrat eingesperrt worden. Die Mitarbeiter des „Spiegel“ hatten nach einem NATO-Manöver im Oktober 1962 und nach Einschätzung des NATO-Oberkommandos die Abwehrfähigkeit der Bundeswehr aufgrund ihrer mangelhaften Ausstattung in einem Beitrag unter der Überschrift „Bedingt abwehrbereit“ als untauglich infrage gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen den „Spiegel“ wurde eingestellt, Conrad Ahlers und alle anderen Mitarbeiter des „Spiegel“ wurden aus der Haft entlassen und der Verteidigungsminister Franz Josef Strauß musste seinen Hut nehmen.

 

Doch nun wird unsere Verteidigungsfähigkeit öffentlich diskutiert.

 

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Satz: Zuerst im Januar 2025 unter www.belletristica.com veröffentlicht. Doch die Website ist oft nicht erreichbar und wird am 31.12.2025 abgeschaltet.
Tag der Veröffentlichung: 21.06.2025

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