Als ich 1949 als Elftägiger beim heimlichen Hören des in der sowjetischen Besatzungszone verpönten Rundfunksenders RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor West-Berlins) von Franz Josef Strauß den Satz hörte „Wer noch einmal ein Gewehr anfasst, dem soll die Hand abfallen“, wurde ich Pazifist. Franz Josef Strauß aber wurde unter Bundeskanzler Konrad Adenauer 1956 Bundesverteidigungsminister. Dieses Amt behielt er bis zur Spiegelaffäre 1962 inne. – In einem Spiegel-Interview am 29.04.1964 behauptete er, diesen Satrz niemals gesagt zu haben.
Als 1956 in der DDR die Volksarmee gegründet wurde und man mich als Achtzehnjährigen aufforderte, dieser beizutreten, habe ich mit der Begründung abgelehnt: „Ich will nicht auf meine Brüder im Westen schießen müssen.“ – Und als ich 1958 nach meiner Flucht in den Westen gemustert wurde, habe ich den Wehrdienst mit der Begründung verweigert: : „Ich will nicht auf meine Brüder im Osten schießen müssen.“
Mit Überzeugung nahm ich am 10. Juni 1982 an der Demonstration gegen den Nato-Doppelbeschluss in Bonn teil und blieb meiner pazifistischen Überzeugung bis zum Überfall Russlands am 21. Februar 2022 auf die Ukraine treu.
Doch an diesem Tag brach mein Weltbild zusammen. Seitdem bin ich davon überzeugt, dass es richtig ist, der durch Putins Truppen überfallenen Ukraine nicht nur humanitär, sondern auch militärisch zu helfen. Dabei kamen und kommen mir immer wieder Zweifel auf. Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2024 erhielt die amerikanisch-polnische Historikerin Anne Applebaum den Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen. In ihrer Dankesrede sagte sie zum Krieg in der Ukraine; „Wer Pazifismus fordert und nicht nur Gebiete an Russland abtreten will, sondern auch Menschen, Prinzipien und Ideale, der hat rein gar nichts aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt. … Die eigentliche Lehre aus der deutschen Geschichte ist nicht, dass Deutsche nie wieder Krieg führen dürfen, sondern dass sie eine besondere Verantwortung dafür haben, sich für die Freiheit einzusetzen und dabei auch Risiken einzugehen,“
Anne Applebaum ist seit 1992 mit Radoslav Sikorski verheiratet, der seit 2023 polnischer Außenminister ist. Applebaum meint mit Überzeugung, dass sie auch weiterhin Pazifistin bleiben werde, aber nicht um jeden Preis: „Wenn wir die Möglichkeit haben, mit einem militärischen Sieg diesen schrecklichen Gewaltkult in Russland zu beenden, so wie ein militärischer Sieg den Gewaltkult in Deutschland beendet hat, dann sollten wir sie nutzen.“
Damit hat sie das ausgedrückt, was auch mich bewegt.
Satz: Zuerst im Februar 2024 unter www.belletistica.com veröffentlicht. Doch die Website ist oft nicht erreichbar und wird am 31.12.2025 abgeschaltet.
Tag der Veröffentlichung: 27.05.2025
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