Die Gruppe „Biografisches“ bei BookRix hat zum Schreibwettbewerb unter dem Buchstaben „I“ aufgerufen. Da ich wegen Corona in Quarantäne sein musste, lag für mich nahe, darüber nachzudenken, welche Worte mit „I“ am Anfang mir im Zusammenhang mit Corona spontan einfallen. Es waren die Worte infiziert, Injektion, immun, Immunologe, Impfung, Impfzentrum, Impfstoff, Impfquote, Impfwillige, Impfzwang, Impfgegner, Impfskeptiker, Impftod und isoliert. Ganz schön viele. – Und da es mich betrifft, auch „Ich“. Auch noch ein Wort, das alle Lebensbereiche betrifft, kommt mir in den Sinn: Inflation.
Die Jahre 2020 und 2021 waren durch die Corona-Pandemie völlig anders als alle Jahre meines Lebens davor. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich sowohl von meinem Alter her als auch von den Vorerkrankungen her (2011 fünf Stents nach einem Herzinfarkt, 2016 Durchblutungsstörung im Gehirn, genannt TIA, seit 2016 Progressive Supranukleäre Blickparese [PSP], 2021 Spinalkanalstenose) zum Personenkreis der gefährdeten Menschen gehöre. „Vulnerable Personengruppe“ nennt man das. Obwohl mir nicht alle angeordneten Verhaltensregeln logisch erschienen, habe ich mich stets daran gehalten, um mich nicht zu infizieren. Deshalb war ich sehr darauf bedacht, mich so früh als möglich impfen zu lassen und wartete voll Ungeduld auf die Zulassung eines Impfstoffs. Als ab dem 27. Dezember 2020 endlich die Möglichkeit bestand, einen Termin fürs Impfen zu vereinbaren, habe ich mich gleich am frühen Morgen an den PC gesetzt und hatte großes Glück. Ohne lange warten zu müssen, konnte ich für den 4. Januar 2021 einen Termin für die erste Impfung und den 27. Januar 2021 für die zweite Impfung im Impfzentrum Bad Oldesloe mit dem Impfstoff BioNTech vereinbaren. Am 4. September 2021 erfolgte die dritte Impfung wiederum mit BioNTech und am 22. Februar 2022 die vierte Impfung mit Moderna. Alle vier Impfungen verliefen völlig problemlos und ohne Nebenwirkungen.
Da ich wissen wollte, welche Wirkung diese vier Impfungen auf mich haben, ließ ich eine Woche nach der vierten Impfung einen Antikörpertest machen und war über das Ergebnis erstaunt: Zwei Wochen nach der vierten Impfung lag das Testergebnis des Labors vor. Ich habe 17.180 U/ml (Einheiten pro Milliliter). Da jedoch jedes Testlabor andere Auswertungsmethoden hat und es noch keine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Werte gibt, kann man derzeit nur nach etwa einem halben Jahr vom gleichen Labor erneut den Wert der Antikörper überprüfen lassen und dabei feststellen, um wieviel sich dieser gegenüber dem ersten Antikörpertest verringert hat.
Natürlich war es für mich von großem Interesse, Genaueres darüber zu erfahren, wie der Impfstoff BioNTech in so kurzer Zeit entwickelt wurde. Deshalb las ich im Oktober 2021 das Buch „Projekt Lightspeed- Der Weg zum BioNTech-Impfstoff - und zu einer Medizin von morgen“ von dem Wissenschafts-Journalisten Joe Miller unter Mitarbeit der beiden Entwickler des Impfstoffs BioNTech Özlem Türeci und Ugur Sahin aus Mainz.
Das türkische Arztehepaar und Mitgründer von BioNTech Özlem Türeci und Ugur Sahin haben den weltweit ersten zugelassenen Covid-19-Impfstoff entwickelt und damit Medizingeschichte geschrieben. Der Wissenschafts-Journalist Joe Miller hat die beiden seit März 2020 begleitet und erzählt ihre Geschichte von den ersten Stunden des Kampfes gegen Covid-19 bis zur Zulassung des Impfstoffs. Miller beschreibt, wie Sahin und Türeci mit einem kleinen internationalen Team von Spezialisten in kürzester Zeit 20 Impfstoff-Kandidaten entwickelten und den wirksamsten davon ausgewählt haben, wie sie große Pharmaunternehmen überzeugten, ihre Arbeit zu unterstützen, wie sie Verhandlungen mit der EU und der US-Regierung führten und wie sie es mit BioNTech als kleinem Mainzer Unternehmen schafften, in kürzester Zeit mehr als zwei Milliarden Impfdosen zu produzieren. Miller hat auch mit über 50 Wissenschaftlern, Politikern und Mitarbeitern von BioNTech über ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und ihre Herausforderungen gesprochen.
Miller beschreibt, wie die beiden Wissenschaftler auf 30 Jahre Forschung an der neuartigen mRNA-Technologie aufbauen konnten, um einen Ausweg aus der Corona-Pandemie zu finden. Und er teilt die Vision der Mediziner, mit der mRNA-Technologie Therapien gegen viele andere Krankheiten wie Krebs, HIV oder Tuberkulose zu finden. Auch wenn der medizinische Laie nicht jede Einzelheit versteht, ist die Beschreibung durchaus fesselnd.
Dabei stellte sich mir die Frage: Kann dieses Buch die Impfquote im Land steigern? Kann es diejenigen überzeugen, die aus Trägheit, Gleichgültigkeit, Skepsis oder aus purer Opposition gegen Politik und Wissenschaft die Impfung ablehnen und damit die Gesellschaft gefährden? Wohl kaum. Um gegen Schlagworte wie „Impftod" und „Impfzwang" anzukämpfen, die derzeit in den Medien kursieren und aggressiv von den Querdenkern und Impfgegnern verbreitet werden, bewirkt solide Information nichts, - auch wenn sie noch so überzeugend ist.
Miller beschreibt auch, wie die beiden türkischstämmigen BioNTech-Mitgründer in guter akademisch-wissenschaftlicher Tradition schon während der Entwicklung immer wieder erkennen ließen, welche Zweifel sie selbst am Gelingen ihrer Mission hegten.
Nicht nur der Impfstoff wurde, ohne einen Prüfungsschritt auszulassen, in „Lichtgeschwindigkeit“ (Lightspeed) erzeugt, getestet, zugelassen und vermarktet, sondern auch das Buch ist unter Einhaltung aller Kontaktbeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen während der Corona-Pandemie vorwiegend durch Videogespräche und am PC in Lichtgeschwindigkeit entstanden. Es beschreibt nicht nur die Entwicklung eines Impfstoffs, sondern ist zugleich auch eine beeindruckende Geschichte zweier außergewöhnlicher Menschen.
Schließlich wird deutlich gemacht, dass wir uns noch inmitten einer globalen Pandemie befinden und dass die Zukunft trotz der historischen mRNA-Erfolge immer noch offen ist.
Trotz meiner vier und Ursulas drei Impfungen haben Ursula und ich uns mit Covid 19 infiziert, wohl im Chor, wo plötzlich neun Sängerinnen und Sänger trotz drei Impfungen infiziert waren. Die vier bzw. drei Impfungen haben auch uns nicht vor einer Infizierung bewahrt. Doch sie haben uns vor einer ernsthaften Erkrankung bewahrt. Ursula hatte wie alle dreimal geimpften und infizierten Sängerinnen und Sänger an zwei Tagen abwechselnd mal etwas erhöhte Temperatur und mal Kältegefühle. Ich hatte nach vier Impfungen keinerlei Symptome. Niemand von uns musste ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ohne Impfungen wären wir wohl alle schwer erkrankt, hätten ins Krankenhaus gemusst oder wären sogar nicht mehr am Leben. Wir beide haben die Infizierung nur bemerkt, weil wir wie alle im Chor einige Tage nach der Chorprobe am 1. April 2022 sicherheitshalber einen Selbsttest durchgeführt haben. Ich darf also feststellen: Die Impfungen haben uns nicht vor einer Infizierung bewahrt, wohl aber vor einer Erkrankung. Unser Hausarzt, den wir natürlich sofort konsultierten, hat uns nur zur Einhaltung der Quarantäne geraten und nach Ablauf derselben zu einem Schnelltest im Testzentrum. Der Test ergab bei uns beiden, wie bei allen Sängerinnen und Sängern, einen negativen Befund. Das war alles.
Nach dieser Erfahrung sind wir davon überzeugt, dass es richtig ist, nicht auf die Bedenkenträger zu hören, sondern sich auch ohne gesetzlichen Impfzwang impfen zu lassen, denn ohne Impfung wäre das wohl nicht so völlig problemlos abgelaufen und wir können Impfskeptikern nur raten, kein Risiko einzugehen, sich nicht von Impfgegnern verunsichern zu lassen, sondern zur Impfung zu gehen. Auch wenn es wie beim Schutz gegen Grippe nötig werden wird, sich regelmäßig durch eine Auffrischungsimpfung erneut impfen zu lassen, werden wir das tun.
Tag der Veröffentlichung: 02.05.2022
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