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Die vermeintliche „Grüne Minna“

- unkontrolliert im Polizeihochhaus

 

 

Im Volksmund wird ein Fahrzeug der Polizei zum Gefangenentransport als „Grüne Minna“ bezeichnet. Woher kommt dieser Ausdruck?

 

In Wikipedia erfährt man:

In der Mitte des 1900 Jahrhundert wurden festgenommene Personen noch zu Fuß der Wache zugeführt. Selbstverständlich erfolgte die Überstellung zu Gerichten oder zu den Haftanstalten ebenfalls noch zu Fuß. Die Gendarmen begleiteten die gefesselten Häftlinge mit dem Fahrrad. Längere Überstellungen in weiter entfernt liegende Haftanstalten oder vor Gerichte in anderen Städten, erfolgten mit der Eisenbahn. Besondere Transportbeamte übernahmen die Begleitung. Dies war auf Dauer sehr umständlich und mit erheblichen Risiken belastet. 1866 wird dann erstmals die Einführung von Gefangenentransportwagen in Berlin erwähnt. Es handelte sich um ein geschlossenes Pferdefuhrwerk mit Luftschlitzen. Dieses erste Transportfahrzeug für Gefangene war grün gestrichen.

 

Als Minna wurden im vorigen Jahrhundert abwertend die Dienstmädchen bezeichnet, die in der Regel bei reichen Leuten aufzuräumen, den Dreck wegzuputzen hatten und oft drangsaliert wurden. Und es entstand der Ausdruck „Zur Minna gemacht werden“. Das bedeutet so viel wie „fertig gemacht werden“, drangsaliert werden. Wer also festgenommen und in einem grünen Gefangenenwagen ins nächstgelegene Polizeipräsidium gebracht wurde, kam damit in eine „Grüne Minna“. Er musste damit rechnen, im Polizeipräsidium für sein Vergehen „fertig gemacht“ zu werden.

 

Im Laufe der Zeit wurde jedes grüne Dienstfahrzeug der Polizei als „Grüne Minna“ bezeichnet. – Heute sind die Dienstfahrzeuge der Polizei zumeist mit blauem Streifen versehen. Dafür gibt es noch keine volkstümliche Bezeichnung. In Russland dagegen nennt man die Polizeifahrzeuge, in welchen man z.B. Demonstranten zu Polizeiwachen bringt, „Schwarzer Rabe“ (Chernyi voron).

 

In der kleinen schleswig-holsteinischen heilpädagogischen Einrichtung, in welcher ich tätig war, gab es einen grünen VW-Bus, welcher von den Kindern und Jugendlichen als „Grüne Minna“ bezeichnet wurde. Dieses Auto benutzte ich oft, wenn es etwas zu erledigen gab. Dabei stellte ich häufig fest, dass das Fahrzeug von anderen Verkehrsteilnehmern als Polizeifahrzeug angesehen wurde. Diese verhielten sich dann beispielsweise bei Geschwindigkeitsbeschränkungen genauer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit.

 

Im Jahr 1980 hatte ich folgendes Erlebnis:

 

Eines Tages kam der vierzehnjährige Thomas nicht aus der Schule zurück in unsere Einrichtung. Das hatte zur Folge, dass ich bei der hiesigen Polizei eine Vermisstenmeldung machen musste. Gegen Abend, es dunkelte bereits, rief der diensthabende Wachtmeister bei mir an und teilte mir mit, dass Thomas von der Bahnpolizei aufgegriffen worden sei. Ich könne ihn bei der Bahnpolizei im Hamburger Hauptbahnhof wieder abholen. Sofort begab ich mich in dem bereits erwähnten grünen VW-Bus auf die nicht ganz einstündige Fahrt zum Hamburger Hauptbahnhof. Als ich mich dort bei der Bahnpolizei meldete, berichtete man mir, dass man Thomas zwar als Schwarzfahrer in einem Zug von Hamburg nach Hannover aufgegriffen hätte, im Laufe der bahnpolizeilichen Ermittlungen aber feststellen musste, dass der Junge auch noch einige Diebstähle begangen habe. Und dafür sei nicht die Bahnpolizei, sondern die Schutzpolizei zuständig. Deshalb habe man Thomas ins Polizeihochhaus am Berliner Tor bringen müssen. Dort könne ich den Jungen nach meiner Identifizierung an der Pforte des Hochhauses im 6. Stock in Zimmer 632 bei Wachtmeister Olschewsky abholen. Um sicher zu gehen, bat ich den Bahnpolizisten. mir das alles aufzuschreiben. Er nahm seinen Schreibblock mit Briefkopf und aufgedrucktem Polizeiwappen, schrieb alles auf, riss das Blatt aus seinem Block und gab mir dieses. Damit fuhr ich zum Polizeihochhaus am Berliner Tor.

 

Als ich dort ankam, war die Zufahrt mit einer Schranke verschlossen und der Pförtner schaute neugierig aus dem Fenster des Pförtnerhäuschens. Ich nahm den Zettel mit dem Briefkopf der Bahnpolizei, der neben mir auf dem Beifahrersitz lag, und hielt ihn gegen die Windschutzscheibe. Daraufhin öffnete sich die Schranke. Ich konnte mit dem grünen VW-Bus zum Parkplatz fahren und diesen dort neben den abgestellten Polizeifahrzeugen abstellen. Danach begab ich mich zum Hochhaus. Nachdem ich mich am Eingang ausgewiesen hatte, wurde mir die Tür geöffnet und ich konnte mit dem Fahrstuhl zum 6. Stock fahren. An der Tür zum Büro 632 stand tatsächlich der Name Olchewsky. Ich war also richtig. Im Büro saß Thomas an der Seite des Schreibtisches von Wachtmeister Olschewsy. Dieser hatte an mich noch einige Fragen, welche Thomas nicht beantworten konnte, wie z.B. Geburtsdatum des Vaters. (Da ich öfter bei derartigen Vorkommnissen auf solche Fragen vorbereitet sein musste, hatte ich ein Notizbuch mit den persönlichen Daten bei mir. – Datenschutz war zu jener Zeit noch ein Fremdwort.)

 

Nachdem alle Formalitäten erledigt waren und ich Thomas mitnehmen durfte, fragte mich Herr Olschewsky, wo ich denn mein Auto stehen hätte, und ob er Thomas und mich dorthin begleiten solle. Meine Auskunft, wo der VW-Bus stünde, versetzte ihm einen heftigen Schrecken, denn in den Innenbereich vor dem Hochhaus dürften nur Dienstfahrzeuge. Damit ich mit dem Wagen wieder das Polizeiareal verlassen könne, müsse er auf jeden Fall mitkommen und bei dem Pförtner, der mich hereingelassen habe, dieses Missverständnis klären.

 

Wir fuhren also zu dritt mit dem Fahrstuhl hinab und begaben uns in das Pförtnerhäuschen. Dort redeten Herr Olschewsky und der Pförtner lange. Dieser betonte mehrmals, er habe den grünen VW-Bus für eine „Grüne Minna“ mit unauffälligem schleswig-holsteinischem Kennzeichen gehalten, zumal der Fahrer wie selbstverständlich an die Schranke fuhr und den Zettel an die Windschutzscheibe gehalten hätte, den er für einen Auftrag hielt. Aus diesem Grund sei er der Meinung gewesen, die „Grüne Minna“ sei schon öfter hier gewesen und von seinen Kollegen kontrolliert worden. Deswegen hätte er eine nochmalige Kontrolle für nicht notwendig erachtet. Schließlich einigten wir uns darauf, dass ich das Polizeiareal mit dem VW-Bus wieder verlassen dürfe, und dass weder meine Einfahrt noch meine Ausfahrt im Protokoll erwähnt werde. Und Herr Olschewsky versicherte, dass er diesen Vorfall niemals erwähnen werde.

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Tag der Veröffentlichung: 02.04.2022

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