-eine Parkison-ähnliche Krankheit
Da schon Jahre bevor bei mir im September 2016 PSP diagnostiziert wurde, verschiedene Krankheiten aufgetreten sind, sozusagen „Vorerkrankungen“, sollen diese kurz erwähnt werden, bevor ich mich dem eigentlichen Thema dieses Berichtes widme.
Am 11. Juni 2010 nahm ich als fast 72jähriger zum 38. Mal an einem Einhundert-Kilometer-Lauf teil und erreichte das Ziel in Biel in der Schweiz in genau 18 Stunden. Ungefähr einen Monat später hatte ich folgendes Erlebnis: Ich war allein zu Hause und betätigte mich mit dem Staubsauger in unserem Wohnzimmer. Auf einmal hatte ich das Gefühl, Nelly, der kleinen Jack-Russell-Hündin unserer Tochter, die gerade bei uns in Pflege war, ausweichen zu müssen und fiel dabei hin. Nur mit Mühe konnte ich wieder aufstehen, nachdem ich eine Weile gelegen hatte. Dann setzte ich meine Arbeit mit dem Staubsauger fort – und in den folgenden Tagen auch mein tägliches Lauftraining. Doch als ich im September 2010 am Berlin-Marathon teilnahm, hatte ich Probleme. Nach etwa 15 Kilometern musste ich „Gehpausen“ einlegen. Ich entschloss mich zu gleichmäßigen Intervallen, je einen Kilometer Gehen, dann einen Kilometer Laufen. So erreichte ich erst nach über sechs Stunden das Ziel. – Doch ich brachte meine schlechte Zeit in Berlin nicht mit dem Vorfall einige Wochen vorher im Wohnzimmer in Verbindung, sondern absolvierte weiterhin meine 10 Kilometer langen Trainingsläufe sechsmal die Woche und nahm auch noch an einigen anderen Läufen teil, ohne dass ich auffallend schlechtere Zeiten erreicht hätte. Doch als ich am 31. Dezember 2010 in Hamburg an einem 10 Kilometer langen Silvesterlauf teilnahm, musste ich nach etwa fünf Kilometern gehen, weil es mir in der Brust so weh tat. Ich meinte, dies habe mit der kalten Luft zu tun. Doch nach diesem Lauf war ich nicht mehr in der Lage, täglich zehn Kilometer im Laufschritt durchzuhalten. Zunehmend mehr musste ich Gehpausen einlegen. Nach zwei Wochen konnte ich gar nicht mehr laufen. Ich schrieb das immer noch dem nass-kalten Wetter zu, ohne darüber nachzudenken, dass mir das über Jahrzehnte nichts ausgemacht hatte. Um trotzdem fit zu bleiben, verlegte ich mein tägliches einstündiges Training auf das Fahrradergometer. Doch auch hier ließen meine täglichen Leistungen immer mehr nach. Und bei den täglichen Abend-Spaziergängen gemeinsam mit Ursula und unserem Hund, begann ich bei jeder kleinen Steigung zu keuschen. Nachdem wir am späten Abend des 29. Januar 2011 noch eine „Samstag-Abend-Hunde-Runde“ gegangen sind, meinte Ursula: „Das schaue ich mir nicht mehr länger mit an. Wir fahren sofort ins Krankenhaus!“ – In der Notaufnahme diagnostizierte man einen verschleppten Herzinfarkt, den ich vor einiger Zeit erlitten hätte, und behielt mich übers Wochenende dort, um mir gleich am Montagmorgen einen Stent ins Herzkranzgefäß einzusetzen. Dabei meinte der Notarzt: „Ihre Frau hat Ihnen das Leben gerettet.“
Bei der Visite am folgenden Tag fragte ich den Arzt, ob ich mit dem Stent im Herzkranzgefäß denn auch wieder laufen könne, Marathon und so. Er entgegnete: „Lassen Sie das künftig ganz sein. Schonen Sie Ihr Herz!“ – Das konnte und wollte ich nicht glauben. Als am nächsten Tag ein anderer Arzt die Visite machte, stellte ich auch ihm diese Frage. Er: „Mit dem Stent im Herzkranzgefäß können Sie besser laufen als vorher.“ – Zwei Ärzte, zwei gegensätzliche Aussagen. Was sollte ich tun? Ich stellte also einem dritten Arzt, bei dem meine Leistungsfähigkeit auf einem Ergometer getestet wurde, wieder die Frage, ob ich denn wieder laufen könne bzw. dürfe. Er sagte mir, dass er selbst Marathon laufe und meine Besorgnis verstehen könne. Doch im Moment könne niemand meine künftige Leistungsfähigkeit zweifelsfrei beurteilen. Deshalb empfehle er mir eine Reha-Maßnahme. Dann könne man meine Leistungsfähigkeit über einen mehrwöchigen Zeitraum hin wiederherstellen und beobachten. Da mir auch schon meine älteste Tochter zu einer Reha-Maßnahme geraten hatte, stimmte ich diesem Vorschlag zu. Alle nötigen Formalitäten wurden umgehend erledigt, und schon wenige Tage später konnte ich mich in die Reha-Klinik nach Bad Segeberg begeben. – Auch meine Frage, welche Ursachen dafür verantwortlich seien, dass ich trotz Jahrzehnte langem intensivem Ausdauersport einen Herzinfarkt erlitten habe, konnte mir der Arzt beantworten, nachdem er mich ausführlich nach meinem familiären Umfeld befragt hatte. Da mein Vater und mein Großvater im Alter von 68 bzw. 55 Jahren an einem Herztod gestorben seien und zwei meiner Brüder vor ihrem sechzigsten Geburtstag einen Herzinfarkt erlitten und jeweils zwei Bypässe erhalten hätten, müsse man von einer genetischen Bedingtheit ausgehen. Mein Ausdauersport habe aber entscheidend dazu beigetragen, dass ich erst im Alter von über 72 Jahren einen Herzinfarkt erlitten und keine Bypässe, sondern nur einen Stent erhalten hätte.
In Bad Segeberg. nahm ich an einem umfangreichen Reha-Programm mit Waldläufen, Gymnastik, Ergometer und Schwimmen teil. Außerdem umrundete ich als Wanderer allein fast an jedem Nachmittag auf einer Strecke von acht Kilometern den Segeberger See. Am Ende dieser dreiwöchigen Reha-Maßnahme konnte man mir genau sagen, was ich künftig noch leisten kann, und auf was ich besser verzichten solle: Das Laufen sollte ich künftig auf gelegentliche 10-km-Läufe (drei bis vier im Jahr) beschränken. Marathonläufe und mehr würde ich ohnehin nicht mehr schaffen, da das die Beta-Blocker, welche ich täglich schlucken muss, verhindern. Doch flott gehen, also walken darf ich meinem Körper zumuten, „soweit die Füße tragen.“ Außerdem sei es wichtig, regelmäßig die verordneten Medikamente einzunehmen sowie morgens und abends den Blutdruck zu kontrollieren. Und man empfahl mir, am regelmäßigen wöchentlichen Training einer Herzsportgruppe teilzunehmen, was ich seitdem auch regelmäßig tue. Zudem nehme ich allwöchentlich einmal am Aqua-Training einer Seniorengruppe teil. Vor allem aber suche ich viermal jährlich, jetzt nur noch zweimal im Jahr, den Kardiologen Dr. Weckmüller in Lübeck zu einer Kontrolluntersuchung auf.
Ob ich wirklich walken kann, „soweit die Füße tragen“, wollte ich gleich ausprobieren. So nahm ich zwei Monate, nachdem ich den Stent erhalten hatte, am 10. April 2011 in Hamburg-Wilhelmsburg als Nordic-Walker an einem Halbmarathon teil und erreichte das Ziel in 3:11 Stunden. Ich war glücklich. So von meiner Leistungsfähigkeit überzeugt, nahm ich am 2. Juli 2011 als Wanderer am 30 Kilometer langen Schweriner Fünf-Seen-Lauf teil und erreichte das Ziel nach 4:36 Stunden. Schließlich nahm ich am 25. September 2011 als „Power-Walker“ am Berlin-Marathon teil. Das Ziel erreichte ich in 6:31 Stunden. Das war der 78. Marathon in meinem Leben.
Ich hatte Mut gefasst und meldete mich für die längste Distanz von 101 Kilometern beim Bödefelder Hollenmarsch im Hochsauerland am 18./19. Mai 2012 an. Dieser lange Marsch durch das Sauerland wird am Abend gestartet. Die kürzeren Distanzen von 13, 21, 42 und 67 Kilometern sowie alle Distanzen zum Hollenlauf werden am Morgen gestartet. Ich war mir sehr sicher, dass ich die Distanz von 101 Kilometern gut bewältigen werde. Und die ersten 25 Kilometer ließen sich auch gut an. Ich konnte im Mittelfeld gut mithalten. Doch bei Einbruch der Dunkelheit brach meine Leistungsfähigkeit abrupt ab. Alle Nordic-Walker zogen davon und ich schleppte mich durch den nächtlichen Wald etwa zwei Kilometer allein durch. Ich beschloss, noch bis zur nächsten Kontrollstelle zu gehen und dort aufzugeben. (Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich einen Lauf nicht beendet). Glücklicherweise befand sich dort auch ein Sanitätsposten. Die Sanitäterin, die mir Puls und Blutdruck maß, fragte mich, ob ich Medikamente zu mir genommen habe, was ich bejahen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Cover: Ursula Martin
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2022
ISBN: 978-3-7554-1054-6
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