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Walken in der Corona-Krise

Nach meinem Herzinfarkt am 1. Februar 2011 musste ich das Laufen, Marathon und mehr, aufgeben. Auch kürzere Strecken bereiten mir Mühe. Seitdem walke ich. Darüber habe ich schon mehrfach geschrieben, so 2015 das eBook „Nur noch walken statt zu laufen“. In jedem Jahr nehme ich in den Monaten März bis Oktober je Monat an einer Walking-Veranstaltung oder Nordic-Walking-Veranstaltung über fünf bis zehn Kilometer teil. Meine letzte Teilnahme im Jahr 2019 war im Oktober ein Walking-Marsch über zehn Kilometer im Rahmen des Lübeck-Marathons auf der Marathon-Strecke. – Bis 2010 bin ich in Lübeck Marathon gelaufen.

 

Inzwischen bieten fast alle Lauf-Veranstaltungen auch fünf bis zehn Kilometer lange Walking- und oder Nordic-Walking-Märsche an. So hatte ich mir auch in diesem Jahr für jeden Monat die Teilnahme an einem landschaftlich schönen und von der gesamten Atmosphäre her ansprechenden Walking- oder Nordic-Walking-Marsch ganz in meiner Nähe ausgesucht und mich für die ersten Veranstaltungen bereits angemeldet und die Startgebühr entrichtet. Doch von diesen ersten Veranstaltungen in Hamburg und in Timmendorfer Strand an der Ostsee erhielt ich die Mitteilung, dass diese wegen der Corona-Krise nicht stattfinden werden. Gleichzeitig bat man darum, auf eine Rückzahlung der Startgebühr zu verzichten und diese dem Veranstalter zu spenden, damit er die bereits für die Vorbereitung entstandenen Kosten ohne Verlust begleichen kann. – Natürlich entspreche ich dieser Bitte, denn schließlich sind die in der Regel zu entrichtenden zehn Euro Startgebühr für mich kein existenzbedrohender finanzieller Verlust.

 

Doch meine Motivation, als Training für diese Veranstaltungen pro Woche mindestens dreimal zehn Kilometer zu walken, ist verflogen, denn ohne Aussicht auf die Teilnahme an einer Veranstaltung, entwickelt sich bei mir kaum so etwas wie Motivation. Regelmäßige tägliche Gymnastik nach einem von Krankengymnasten erstellten Programm scheint mir in der Corona-Krise für einen Menschen, der erblich bedingt einen Herzinfarkt erlitten hat, für durchaus ausreichend. Was soll also das regelmäßige Walken, zumal man derzeit überall hört, dass ältere Menschen zur Risikogruppe gehören und nach Möglichkeit zu Hause bleiben sollten. Mit meinen derzeit 81 Jahren gehöre ich schließlich zu dieser Personengruppe.

 

Doch es kam anders. Anfang März kam Ursula mit einem an der hinteren Stoßstange eingedrückten Auto nach Hause. Ihr war auf einem Parkplatz eines Einkaufsmarktes jemand hinten aufgefahren. Die Rechtslage war eindeutig. So konnten wir schon nach wenigen Tagen nach Klärung mit der Versicherung in einer Reparaturwerkstatt mit Lackiererei im zwölf Kilometer entfernten Lübeck einen Termin über drei Tage vereinbaren. Ich hatte geplant, das Auto in die Werkstatt zu bringen und mit dem Bus wieder nach Hause zu fahren. Drei Tage später wollte ich mit dem Bus zur Werkstatt fahren, um das Auto abzuholen.

 

Doch es kam anders. Wegen der Corona-Krise wollte ich mich nicht in einem öffentlichen Verkehrsmittel oder einem Taxi der Gefahr einer Infektion aussetzen, zumal man mit dem Bus nur hätte fahren können, wenn man vorher in einer Vorverkaufsstelle Fahrscheine erworben hätte, denn die Busfahrer sind gegenüber den Fahrgästen abgeschirmt, und man darf nicht mehr vorn einsteigen und bei ihm Fahrscheine kaufen. – Zur nächsten Vorverkaufsstelle für Busfahrscheine hätten wir erst weit mit dem eigenen PKW fahren müssen.

 

Auch das Angebot eines befreundeten Nachbarn, mich mit seinem PKW von der Werkstatt wieder abzuholen, wenn ich zur Reparatur dort unser Auto abgegeben habe, und mich nach drei Tagen dorthin zu bringen, damit ich das Auto wieder abholen könne, lehnte ich dankend ab, denn ich wollte ihn nicht gefährden.

 

Ich fragte in der Werkstatt nach. ob die Möglichkeit bestehe, für die drei Tage einen Leihwagen zu bekommen, oder ob mich ein Monteur nach Hause bringen und am übernächsten Tag wieder abholen könne. Doch beides war nicht möglich.

 

Auch Radfahren schied aus, da ich seit einiger Zeit wegen Gleichgewichtsproblemen nicht mehr Rad fahre, sondern das Fahrrad an einen meiner Enkel verschenkt habe, und weil sich an unserem Kleinwagen gar kein Fahrradträger befestigen lässt.

 

So blieb mir nur die Möglichkeit, über einen Routenplaner im Internet zu erkunden, ob die zwölf Straßenkilometer zu Fuß abzukürzen seien. Und tatsächlich fand ich eine Strecke zu Fuß durch einen Wald über 9,5 Kilometer. Das entsprach doch fast ziemlich genau meiner Trainingsstrecke.

 

So brachte ich ausgerüstet mit Walkingschuhen und Walkingstöcken sowie Müsliriegeln und einer Trinkflasche im Wanderrucksack unser Auto am Montag, dem 23. März morgens zur Werkstatt und begab mich zu Fuß auf den Rückweg. – Im Wald traf ich auf einen Förster, der gerade dabei war, seinen jungen Dackel zu trainieren, um ihn für seine Zukunft als Begleiter des Jägers zuzurüsten. Er begleitete mich mit vielen Trainingseinheiten für seinen Hund durch den Wald. Dabei hielten wir ständig den infolge der Corona-Krise empfohlenen Abstand von mindestens zwei Metern. Per Handy verständigte ich Ursula über den Grund meiner Verspätung, damit sie sich über meine Verzögerung keine Sorgen macht. So erreichte ich erst nach mehreren Stunden wieder mein Zuhause, aber um eine Begegnung und viele Erfahrungen reicher.

 

Am 25. März begab ich mich mittags wiederum zu Fuß auf den Weg durch den Wald, um unser Auto nach erfolgter Reparatur und neuer Lackierung der Stoßstange wieder abzuholen. Doch leider musste ich diesmal den Weg allein und ohne eine Begegnung mit dem Förster und seinem Hund zurücklegen. Aber eine Erkenntnis ist in mir gereift: Auch in der Corona-Krise kann Walken trotz des Ausfalls von Walking-Veranstaltungen einen Zweck haben.

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Tag der Veröffentlichung: 27.03.2020

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