meine Rezensionen über bemerkenswerte Bücher
vom Juni 2016 bis September 2018
Seit Mai 2007 bin ich für den Konvent „Diakonischer Arbeitskreis für Gerechtigkeit und Solidarität“ der Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses in Hamburg Herausgeber eines viel und weit über den Mitgliederbereich des Konvents gelesenen Informationsblattes. Seit Juni 2016 wird in diesem Info-Blatt regelmäßig auf lesenswerte Bücher mit einer kurzen Rezension hingewiesen. Es handelt sich dabei um Bücher, welche zumeist nicht in Bestsellerlisten genannt werden, aber für den Leserkreis dieses Infoblattes interessant sein dürften, da sie sich mit gesellschaftlich aktuell geführten Diskussionen und in unserer Gesellschaft strittigen Themen auseinandersetzen.
Die bisherigen 37 von mir verfassten Rezensionen werden hier veröffentlicht und damit einem Leserkreis außerhalb des Infoblattes bekannt gemacht.
Klein Wesenberg, im Oktober 2018
Ahmad Mansour
Generation Allah
Warum wir im Kampf
gegen religiösen Extremismus umdenken müssen
Fischer Verlag, Frankfurt/Main
ISBN 978-3-10-002446-6, 272 Seiten
erschienen im Oktober 2015
Preis: als Buch: 19,99 €, als eBook: 17,99 €
Rezension veröffentlicht: Juni 2016
Der Psychologe Ahmad Mansour fordert in seinem Buch eine tiefgreifende Reform des Islam: „Kontraproduktiv ist es, undifferenziert davon zu sprechen, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Das tut er nicht. Ein Islamverständnis, das mit den Werten der Demokratie vereinbar ist, gehört zu Deutschland. Muslime gehören zu Deutschland. Nicht aber das ideologisch aufgeladene Islamverständnis.“
Für den Autor sind die Gemeinsamkeiten eines moderaten und eines fundamentalistischen Islams noch immer groß. Diese Gemeinsamkeiten machten es zum Beispiel Salafisten leicht, Jugendliche zu erreichen, die sich bereits als Teil der muslimischen Glaubensgemeinschaft verstehen.
Die nötige gesellschaftliche Diskussion über die Hilfe für salafistisch verirrte junge Männer und Frauen aus Deutschland wird an diesem Buch nicht vorbei kommen. Lesenswert ist das Buch vor allem wegen seiner Alltagsnähe sowie der deutlichen und sachlichen Worte. Der Autor liefert überzeugende Argumente und einen wichtigen Beitrag in einer Debatte, die immer drängender wird.
Warum zieht es Jugendliche in den Dschihad? Ist der Islam verantwortlich für den Terror? Und wie können wir uns dem religiösen Extremismus stellen? Bislang stehen Politik, Gesellschaft und besonders die Schulen diesen Fragen hilflos gegenüber.
Der Autor beantwortet diese Fragen mit beeindruckender Klarheit. Denn nur wenige kennen wie er beide Seiten. Bevor er den mühsamen Ausstieg schaffte, war er selbst radikaler Islamist. Jetzt arbeitet er in Berlin als Psychologe und betreut Familien von radikalisierten Jugendlichen. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und seiner konkreten Arbeit zeigt er beeindruckend, dass eine Deradikalisierung und Entkriminalisierung möglich ist und plädiert für eine Reform des praktizierten Islam.
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Cigdem Akyl
Erdogan
die Biographie
Herder Freiburg
als Buch ISBN 978-3-451-32886-2,
als eBook: ISBN 978-3-451-80932-3, 384 Seiten
erschienen im April 2016
Preis als Buch: 24,99 €, als eBook: 19,99 €
Rezension veröffentlicht: Juli 2016
Recep Tayyip Erdogan, geboren am 21. Februar 1954 in einem Arbeiterviertel Istanbuls, ist derzeit eine der schillerndsten Figuren auf der internationalen politischen Bühne. Er führte als Ministerpräsident des Landes ab März 2003 die Türkei in eine nie dagewesene Phase der Stabilität, des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Lockerung vieler festgefahrener Reglementierungen. Unter seiner Regierung bewegte sich die Türkei immer weiter in Richtung Europa und die Partei AKP, deren Vorsitzender er bis 2014 war, verzeichnete satte Mehrheiten. Seit August 2014 ist er Präsident der Türkei und hat seitdem die Kompetenzen des Präsidenten stark ausgeweitet. Er führt nun einen rücksichtslosen Kampf gegen politische Gegner und kritische Medien und betreibt eine Re-Islamisierung der Türkei und eine Abkehr von Atatürk. dem Begründer der modernen Republik Türkei.
Die Autorin Cigdem Akyol wurde 1978 geboren, wuchs in einer alevitischen Familie in Herne auf und studierte in Köln Europakunde und Völkerrecht. Heute arbeitet sie für mehrere deutsche Zeitungen als Journalistin in Istanbul. Sie zeichnet in ihrer Biografie nicht nur den Weg Erdogans von einer Kindheit in ärmlichen Verhältnissen bis ins höchste politische Amt der Türkei nach, sondern vermittelt dem Leser auch Einblicke in die Beweggründe für Erdogans politisches Handeln und seine Entscheidungen und erläutert die jüngere, sehr bewegte Geschichte der Türkei, welche sich immer weiter von rechtsstaatlichen Grundwerten entfernt. Dabei wird dem Leser klar, auf welch tönernen Füßen Vereinbarungen mit der Türkei unter der Präsidentschaft Erdogans stehen, und dass die ohnehin fragwürdige Flüchtlingspolitik der EU mehr als gefährdet ist.
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Bernd Weiß
Placebo-Politik
Warum Politiker alles tun,
nur nicht das Nötige
Wilhelm Heyne Verlag, München
ISBN 978-3-641-16195-8, 368 Seiten
erschienen im Juni 2015
Preis als Buch: 16,99 €, als eBook: 13,99 €
Rezension veröffentlicht: September 2016
Der Autor Bernd Weiß, geboren 1968, promovierter Jurist, ist seit über 30 Jahren Mitglied der CSU. Er ist in seiner Partei die Karriereleiter vom Funktionär in der CSU-Jugendorganisation über den Vorsitzenden eines Landkreises bis zum bayerischen Landtagsabgeordneten (2003-2013) emporgestiegen und wurde 2008 Staatsekretär beim bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Bereits nach zwei Jahren trat er nach einem Streit mit Horst Seehofer von diesem Amt wieder zurück.
In seinem Buch beschreibt er sehr selbstkritisch, wie er in all den Jahren des Aufstiegs die Linien seiner Partei vertreten hat, unabhängig davon, ob sie seiner eigenen Überzeugung entsprach, einer konservativen Linie, die man nicht teilen muss, dass er stets „Parteisoldat“ war und auch als Staatssekretär der Parteilinie zu folgen hatte. Sein Tun und Handeln war vorgezeichnet und der Gestaltungsspielraum für eigene Entscheidungen sehr eingeschränkt. Dabei waren die meisten Entscheidungen nur „Placebo-Politik“, die sich nicht an den Anliegen der Bürger orientierten, sondern an der Parteilinie.
Bernd Weiß geht in seinem Buch mit sich und mit seiner Partei sehr kritisch um. Das meiste lässt sich auch auf die anderen Parteien und ihre Vertreter in den Landesregierungen und in der Bundesregierung übertragen:
„Wenn man aber nur noch auf die nächste Wahl und die Umfragen schielt, wenn man es nicht mehr schafft, die Bevölkerung von Dingen zu überzeugen, die vielleicht unangenehm, aber vernünftig sind, dann scheitert die Demokratie an sich selber. Und wenn man es gar nicht erst versucht, weil Wählerstimmen anders leichter zu bekommen sind, dann scheitert die Demokratie um so schneller – an ihren gewählten Politikern und an der Realität, die diese Politiker irgendwann einholt.“
Bernd Weiß legt mit seinem Buch ein „Bekenntnis zu einer Politik der Überzeugungen, der Leidenschaft und des Streites um die Sache“ ab. Auch wenn man seine politischen Auffassungen nicht teilen mag, ist
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 22.10.2018
ISBN: 978-3-7438-8427-4
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