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Vorbemerkungen

Mein Vater war am Ende des zweiten Weltkrieges Hauptmann. Ein Leben lang hat mich die Frage bewegt, ob mein Vater in Jugoslawien persönlich bzw. seine Kompanie an Kriegsverbrechen beteiligt waren. Doch erst nachdem ich selbst mehrmals in Bosnien-Herzegowina war und neben den Spuren des Balkankrieges 1993 bis 1995 auch immer wieder auf Spuren des 2. Weltkrieges gestoßen bin,  habe ich es gewagt, dieser Frage auf den Grund zu gehen. An Hand des Soldbuches meines Vaters war es mir möglich, bei vielen Stellen Auskünfte darüber einzuholen, wo das Infanterie-Regiment 414, welchem mein Vater 1939 und 1940 angehörte, und das Infanterie-Regiment 724, welchem mein Vater von 1941 an angehörte, eingesetzt waren, bevor das Infanterie-Regiment 724 an den Kämpfen auf dem Balkan beteiligt war, und über die Rolle der deutschen Gebirgsjäger während des zweiten Weltkrieges auf dem Balkan.

 

Daneben habe ich viel über den 2. Weltkrieg gelesen und mich speziell über die Rolle der Gebirgsjäger kundig gemacht. Insbesondere die Bücher „Die deutsche Gebirgstruppe 1935 – 1945“, geschrieben von dem Historiker Roland Kaltenegger und „Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht“ des Historikers Georg Tessin rundeten das Bild ab. Aus diesen Quellen und meinen eigenen Erinnerungen aus den Kindheitstagen lässt sich das folgende Bild rekonstruieren.

 

Dennoch ist es nicht leicht, Aufschluss über alle Tatbestände zu erhalten. Über die 12. Armee befinden sich im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg 19,0 laufende Meter Unterlagen, davon betreffen allein 3,2 laufende Meter Unterlagen die Jäger-Division 104, der mein Vater angehörte (Kriegstagebücher, Tagesmeldungen, Akten mit Befehlen, Luftwaffenaufklärungsmeldungen, Minenpläne und schließlich Unterlagen über die Kapitulationsverhandlungen der 12. Armee u.s.w.) von Januar 1940 bis Mai 1945, welche teilweise noch gar nicht restlos ausgewertet worden sind. – Es ist erstaunlich, wie bürokratisch die Nazis über jede Kriegshandlung bis zur Kapitulation Buch geführt haben. – Es muss wohl nachfolgenden Generationen überlassen bleiben, dieses Material zu sichten, um noch Genaueres in Erfahrung zu bringen.

 

 

Mobilmachung und Polenfeldzug

Mein Vater hat nach seiner Lehre als Bäckergeselle die Jahre 1916 bis 1918 als freiwilliger Soldat des 1. Weltkrieges an der Front erlebt und ist bei Kriegsende im November 1918 im Alter von zwanzig Jahren als Gefreiter aus der Armee ausgeschieden.

 

Mein Bruder Ekkehard schreibt in seinem Büchlein „Als ich noch ein Müllerbursche war ...“ (Rüdersdorf, 1999):

 

„Es war im August 1939. Mama weckte uns am Morgen und sagte uns, dass unser Papa in der Nacht plötzlich und unverhofft zu den Soldaten, zur Reserve musste. Man brauchte ihn als Ausbilder mit seinen Kriegserfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg. Er war als Kriegsfreiwilliger 1916 ins Feld gezogen. Aus diesem Krieg brachte er das Eiserne Verwundetenabzeichen, das Eiserne Kreuz zweiter Klasse und das Kriegsverdienstkreuz in Bronze mit."

 

Im Zuge der Allgemeinen Mobilmachung wurde mein Vater am 26.08.1939 als Gefreiter der Reserve in die 3. Kompanie des Infanterieregiments 414 (IR 414) eingezogen und hatte sich beim Wehrbezirkskommando Zwickau/Sachsen in Crossen an der Mulde einzufinden. Dieses gehörte zum Wehrkreiskommando IV (Dresden). Das IR 414 gehörte zur 14. Armee und hatte vier Bataillone mit insgesamt 18 Kompanien (Btl. I: Komp. 1-4, Btl. II: Komp. 5-8, Btl. III Komp. 9-14 und eine Pionierkompanie, Btl. IV: Komp. 15-17) und nahm vom Tage des Kriegesausbruches 01.09.1939 bis zur Flucht der polnischen Regierung nach England am 16.09.1939 bzw. der endgültigen Kapitulation Polens am 17.10.1939 an den Kampfhandlungen in Polen teil. Der Polenfeldzug unter der Führung des Generaloberst Walter von Brauchitsch fand mit zwei Heeresgruppen (= 52 Divisionen) statt. Die Heeresgruppe A (Süd) führte Generaloberst von Rundstedt, die Heeresgruppe B (Nord) Generaloberst von Bock. Wo genau das IR 414 eingesetzt war, lässt sich aus dem vorliegenden Material nicht feststellen. Bekannt ist lediglich, dass die 14. Armee der Heeresgruppe Süd zugeteilt war, welche in Westgalizien, Oberschlesien, Dunajec, Nida, Lemberg und Tomazow kämpfte, und dass das IR 414 am 08.09.1939 an der 3. Angriffswelle teilgenommen hat. Am 01.11.1939 wurde mein Vater zum Gefreiten befördert und kam in die 2. Kompanie des gleichen Infanterieregiments. Dieses musste in Polen die Aufgaben von Besatzungssoldaten wahrnehmen. Am 01.12.1939 wurde das IR 414 komplett umorganisiert und der Regimentsstab wurde aufgelöst.

 

 

Der Frankreichfeldzug

Am 01.04.1940 wurde mein Vater zum Unteroffizier befördert und kam in die 15. Kompanie des Infanterieregiments 414. Dieses war vor Einbruch des Winters 1939/40 an die belgische Grenze in die Eifel verlegt worden, um sich dort vor den kommenden neuen Aufgaben zu erholen und neu zu formieren. Aus „Tarnungsgründen“ wurde die 14. Armee in 12. Armee umbenannt. Am 10.05.1940 begann der Krieg gegen Frankreich durch die Heeresgruppe A (Mitte) unter Generaloberst von Rundstedt, die Heeresgruppe B (Nord) unter Generaloberst von Bock und die Heeresgruppe C (Süd) unter Generaloberst von Leeb mit 2580 Panzern und 3854 Flugzeugen. Unter Missachtung der Neutralität Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande mit dem Einmarsch in den Niederlanden, das am 14.05.1940 kapitulierte, und in Belgien, das am 28.05.1940 kapitulierte. Frankreich kapitulierte am 21.06.1940. Die 12. Armee war der Heeresgruppe A zugeteilt und marschierte von der Eifel über Luxemburg, das ebenfalls am 14.05.1940 kapitulierte, auf Sedan zu und befand sich im Juli und August 1940 in Lothringen. Mein Vater erhielt in dieser Zeit, am 21.08.1940 das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse, wurde am 07.09.1940 zum Feldwebel und damit zum Zugführer befördert. Ebenso wie in Polen, hatte das Infanterieregiment 414 nunmehr in Frankreich die Aufgaben von Besatzungssoldaten wahrzunehmen.

 

Am 01.12.1940 beförderte man meinen Vater zum Stabsfeldwebel. Fortan gehörte er der Kreiskommandantur 893, d.h. der Feldgendarmerie, den sogen. Kettenhunden an. Diese hatten im besetzten Frankreich polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere „die Säuberung von Terroristen, Überwachung von Aufenthaltsbeschränkungen für die Zivilbevölkerung, Überwachung von Post-, Fernsprech- und Eisen-bahnsperren, Überwachung von Verboten des KFZ- und Fahrradverkehrs, Überwachung verhängter Sperrstunden, Fahndung nach illegalen Waffen- und Materiallagern.“. –

 

 

Auf dem Balkan

Ende Dezember 1940 wurden die 2. und die 12. Armee mit insgesamt über 600.000 Soldaten und damit auch mehrere Kompanien des Infanterieregiments 414 nach Jugoslawien verlegt und dort der Heeresgruppe E (Südost), Division 104, Infanterieregiment 724 einverleibt. (Nur einige Infanterieregimenter blieben in Frankreich). Mein Vater wurde dem II. Bataillon, 6. Kompanie zugeteilt. Die Heeresgruppe E hatte ihr Generalkommando zunächst in Komotau/Sudetenland und später in Saloniki/Griechenland. Oberbefehlshaber war Generaloberst Löhr, der nach der Kapitulation in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft gestorben ist. Am 20.05.1940 wurde das Infanterieregiment 724 zum Grenadierregiment 724, d.h. zu einem Eliteregiment (wörtl. = Handgranatenwerfer, besonders ausgewählte Infanteristen) umgebildet. Am 01.04.1943 wurden die Bataillone I. – III. zum Jägerregiment 724 umgebildet und die älteren durch jüngere Jahrgänge ausgetauscht. – Während von den 300.000 deutschen Soldaten der 6. Armee 210.000 in der Schlacht um Stalingrad in der Sowjetunion ihr Leben lassen mussten, waren es auf dem Balkan nahezu doppelt so viele.

 

Die deutschfreundliche jugoslawische Regierung hatte zunächst den Durchzug der deutschen Truppen nach Griechenland gestattet. Doch sie wurde am 27.03.1941 durch einen Putsch gestürzt. „Jugoslawien muss als Feind betrachtet und daher so rasch als möglich zerschlagen werden“, so Adolf Hitler am 27.03.1941 in einem Führerbefehl. Am 12.04.1941 fiel Belgrad, am 14.04.1941 Sarajevo. Am 17.04.1941 ka-pitulierte schließlich die jugoslawische Regierung. Hitler bildete aus dem eroberten Land zwei ihm genehme Vasallenstaaten: das Ustascha-Regime Kroatien (welches in etwa die heutigen Staaten Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina umfass-te) und Serbien (welches in etwa die heutigen Staaten Serbien mit dem Kosovo und Montenegro umfasste). Am 27.04.1941 marschierten deutsche Truppen in Athen ein.

 

Der Sieg über Griechenland und Jugoslawien beendete zwar die Militärpräsenz Großbritanniens auf dem Balkan, doch die Bündelung deutscher Kräfte und der Materialverschleiß in dieser Region führten zur Schwächung an anderen Fronten. Im Inneren von Griechenland und Jugoslawien, wo die deutschen Truppen in ihren Aktionen und die deutschen Nachschubverbindungen immer und überall durch Partisanen gestört wurden, war der Kräfte- und Materialverschleiß enorm. Um die Unterstützung der Partisanen durch die einheimische Bevölkerung zu unterbinden, erging der Führerbefehl, dass für jeden getöteten deutschen Soldaten einhundert und für jeden verwundeten deutschen Soldaten fünfzig Geiseln zu erschießen seien.

 

Die 12. Armee kämpfte von Januar bis März 1941 in Rumänien und Bulgarien, von April bis Mai 1941 in Südserbien, und schließlich in Griechenland: an der Metaxaslinie, in Saloniki, in Athen, auf dem Peleponnes, an der Ägäis und auf Kreta. Von Juni 1941 bis Dezember 1942 war sie mit der Sicherung von Kreta, der Besetzung Serbiens, Kroatiens und Griechenlands beauftragt.

 

In den Tagen 18.-21.10.1941 nahm das I. Bataillon des Grenadierregiments 724 (vermutlich die Kompanien 1, 2, 3) in dem 6.000 Einwohner zählenden Städtchens Kragujevac an der südlichen Grenze Serbiens an der Erschießung von 2.324 Geiseln, Männer im „im wehrfähigen Alter“ zwischen 14 und 60 Jahren teil. Man hatte die Männer zunächst auf einem Fabrikhof zusammengetrieben und später zu je 100 auf einem Maisfeld vor den Toren des Ortes erschossen. Vor der Erschießung muss-ten sie ihr eigenes Massengrab ausheben. Die 6. Kompanie, der mein Vater angehörte, nahm an dieser Geiselerschießung nicht teil. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Angehörigen dieser Kompanie hiervon Kenntnis hatten. – Anschlie-ßend baten die Offiziere, die an diesem Massaker teilgenommen hatten, die oberste Heeresleitung darum, künftig keine derartigen Erschießungen mehr durchführen zu müssen. Daraufhin wurde künftig die Waffen-SS mit dieser Aufgabe betraut. Doch die regulären Kampfverbände hatten weiterhin die Geiseln zusammenzutreiben. – Insgesamt wurden in Jugoslawien 1941 etwa 20.000 Geiseln erschossen.

 

Welche Einsätze das Jägerregiment 724 und damit auch mein Vater in den Jahren 1941 und 1942 gegen Partisanen noch durchführen musste, lässt sich im einzelnen nicht mehr rekonstruieren. Da das Jägerregiment 724 vorwiegend im Hinterland und weniger bei Kampfhandlungen zur Eroberung von Gelände eingesetzt war, wird es in der Literatur über Kampfhandlungen der Wehrmacht und insbesondere der Jägerregimente nur höchst selten erwähnt. Es ist lediglich bekannt, dass mein Vater am 15.04.1941 eine Auszeichnung erhalten hat, welche offenbar von ihm vor der Gefangennahme im Soldbuch unkenntlich gemacht worden war. Und irgendwann in der Zeit zwischen Mai 1941 und Juni 1943 hatte er das Verwundetenabzeichen in schwarz erhalten.

 

Am 01.02.1943 wurde mein Vater zum Reserveoffiziersanwärter befördert. Diese Beförderung scheint ungewöhnlich, denn für gewöhnlich achtete man beim Militär sehr genau darauf, dass nur Personen mit Abitur die Offizierslaufbahn einschlagen können. Doch schon zwei Monate später, am 31.03.1943, wurde mein Vater zum Leutnant ernannt und in die Kompanie 7 des Jägerregiments 724 versetzt. Am 01.04.1943 wurde das Jägerregiment 724 mit jüngeren Jahrgängen verstärkt. Am 01.07.1943 wurde er mit der Spange zum E.K. 2. Klasse mit Schwertern ausge-zeichnet.

 

Das Wort „Reserve“ hat beim Militär in Kriegszeiten eine geradezu makabere Bedeutung. Während in Friedenszeiten die Reservisten zu Hause ihrem Privatleben nachgehen können, wartet im Krieg ein Reserve-Offiziersanwärter darauf, dass ein anderer durch Verwundung, Tod oder Gefangennahme seinen Platz räumt.

 

Im Sommer 1943 wurde der italienische Duce Mussolini gestürzt und Italien wechselte auf die Seite der Alliierten. Die italienische Armee wurde damit für die Deutschen zum Feind. Da die italienische Armee große Teile des Balkan besetzt hielt, war eine neue, sehr komplizierte Lage entstanden. Hitler betrachtete die Italiener nicht als feindliche Armee, sondern als Freischärler und erließ den Befehl, bei Kämpfen mit ihnen keine Gefangenen zu machen.

 

In der Zeit von September 1943 bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 war das Jägerregiment 724 mindestens acht mal Teil eines Armeekorps und nahm an folgenden Einsätzen teil:

 

In der Zeit vom 17.-23. 09.1943 eroberte das eigens für diesen Auftrag gebildete XXII. Gebirgs-Armeekorps unter der Führung von General Hubert Lanz, unter ihnen auch verstärkte Kompanien des II. Bataillons des Jägerregiments 724 (II/724), - und damit auch mein Vater – die griechische Insel Kefallinia im Ionischen Meer, die bis dahin von italienischen Truppen besetzt war. Der kommandierende General Lanz widersetzte sich dem Befehl, die Italiener zu erschießen und fiel deshalb bei Hitler in Ungnade, doch der Kampfgruppenführer Major Harald von Hirschfeld, ein strammer NS-Offizier, ließ 4.000 italienische Offiziere und Soldaten erschießen. Auch an die-sem Massaker war das Jägerregiment 724 nicht beteiligt.

 

In einem Gefechtsbericht des Majors Harald von Hirschfeld vom 19.09.1943 über die Einnahme der Insel Kefallinia heißt es: „Um 12.00 Uhr setzt II./724 trotz Munitions-mangel den Angriff auf Pharaklata fort und erweckt dadurch beim Feind den Ein-druck, dass die über die Passstraße vorgestoßene Umfassungsgruppe aus dem Raum Dilinata hier angreift. ... Der Bergrücken, der sich von Kutavoszum Südosten-de des Hafens von Argostolion hinzieht, wird von Süden durch 9./J.R. 54, von Nord-Osten von II./724 und von Norden von Btl. 910 gegen den letzten harten, vom feindlichen Divisionskommandeur persönlich geleiteten Widerstand gestürmt.“

 

Am 24.09.1943 eroberte das XXII. Gebirgs-Armeekorp unter der Führung von General Hubert Lanz die Insel Korfu und führte von Oktober 1943 bis Januar 1944 und im Oktober 1944 Kampfhandlungen in Westgriechenland durch. Dem XXII. Gebirgs-Armeekorps war in dieser Zeit auch die 104. Jäger-Division zugeteilt. Welche Aufga-ben die 104. Jäger-Division in der Zwischenzeit hatte, ist nicht bekannt.

 

Im Oktober 1944 musste sich die deutsche Armee aus Griechenland zurückziehen. Am 31.10.1943 wurde das Generalkommando der Heeresgruppe E in Saloniki ge-räumt. Am 02.11.1944 war der Rückzug der deutschen Truppen aus Griechenland abgeschlossen. – In dieser Zeit, am 01.11.1944 wurde mein Vater zum Oberleutnant der Reserve befördert und in den Stab des neu gebildeten Feld-Ersatz-Bataillons 654 versetzt. (Belgrad war bereits am 20.10.1944 durch die Rote Armee zurückerobert worden. Das Generalkommando der Heeresgruppe F hatte sich vorher erst nach Agram [Zagreb] und später nach Graz in die Steiermark zurückgezogen.).

 

In der Zeit vom November 1944 bis zur Kapitulation im Mai 1945 erfolgten nur noch Rückzugsgefechte. Im November 1944 wurde die gesamte Jägerdivision 104 dem „Kommando F. W. Müller“ unterstellt, welches im Raum Kraljevo südlich von Belgrad kämpfte. Welche speziellen Aufgaben die Jägerdivision 104 bzw. das II. Bataillon des Jäger-Regiments 724 dabei zu erfüllen hatte, ist nicht bekannt. Im Dezember 1944 wurde die Jägerdivision 104 dem XXXIV. Gebirgs-Armeekorps und im Januar 1945 dem XXI. Gebirgs-Armeekorps zugeordnet, die in Kroatien kämpften. Welche Aufga-ben die Jägerdivision 104 hier zu erfüllen hatte, ist ebenfalls nicht bekannt.

 

Am 01.02.1945 wurde mein Vater zum Kompaniechef (Hauptmann) ernannt und befehligte fortan bis Kriegsende die 4. Kompanie des Feld-Ersatz-Bataillons 654. (Offenbar war der bisherige Kompaniechef gefallen). Im Februar und März 1945 war er mit dieser Kompanie dem LXXXXI. Gebirgs-Armeekorps und im April 1945 dem XV. Gebirgs-Armeekorps unterstellt, welche in Kroatien, im Raum Brod kämpften. In den letzten Kriegstagen im Mai 1945 wurde das Feld-Ersatz-Bataillon 654 erneut dem LXXXXI. Gebirgs-Armeekorps unterstellt.

 

Während des gesamten Krieges erkrankte mein Vater nur ein einziges Mal. Vom 21.04.-12.05.1944 musste er das Ortslazarett Joannina in Griechenland wegen Krankheit „7“ (Grippe) aufsuchen.

 

Es war das Bestreben der deutschen Truppen, möglichst noch deutschen Boden (das annektierte Österreich) bis zu einem Ende des Krieges zu erreichen. Doch das LXXXXI. Gebirgs-Armeekorps – und mit ihm die Einheiten der 104. Jägerdivision ge-rieten am 06.05.1945 bei Cilli (Celje im heutigen Slowenien) in Gefangenschaft und legten mit allen ihren Regimentern die Waffen nieder. Man wähnte sich bereits innerhalb der Grenzen des „großdeutschen“ Reiches, denn Celje gehörte ab der Eroberung Jugoslawiens bis kurz vor Kriegsende zu Kärnten, war aber im April 1945 von jugoslawischen Partisanen wieder zurückerobert worden.

 

 

Die Kapitulation

Am 9. Mai 1945 morgens um 10.00 Uhr ruhten auf Geheiß des Generaloberst Löhr überall auf dem Balkan die Waffen.

 

Über 50.000 deutsche Soldaten verloren nach 1945 in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft ihr Leben. Die Offiziere wurden in ein Gefangenenlager in Mitrovica bei Belgrad gebracht. Dort wurde ihnen der Prozess gemacht. In Mitrovica hatte man es nach Erzählungen meines Vaters offenbar auf Offiziere aus den Gebirgsjäger-Einheiten abgesehen. Man legte ihnen eine Anklageschrift vor und forderte sie durch Folter auf, diese zu unterschreiben. Aus den Erzählungen meines Vaters weiß ich, dass er sich lange geweigert hatte, die Anklageschrift zu unterschreiben.

 

Mein Vater kehrte im Februar 1952 heim und arbeitete bis zu seinem Tod am 19.08.1967 als Hilfsarbeiter in einer Papierfabrik. Zu seinen Lebzeiten hat er immer wieder beteuert, sich immer an die Bestimmungen der Genfer Konvention gehalten und zu keiner Zeit an Geiselerschießungen oder anderen Kriegsverbrechen teilgenommen zu haben. (Die 1864 geschlossene Vereinbarung gebietet es, Kriegsgefangene und Verwundete menschenwürdig zu behandeln, Zivilisten zu schonen und keine Geiseln gefangen zu nehmen oder zu erschießen).

 

Seine Anklageschrift hatte er bei der Entlassung aus der Gefangenschaft bei sich, wollte diese aber nicht mit nach Hause in die damalige DDR nehmen. Deshalb übergab er diese im Flüchtlingslager in Friedland bei Göttingen meinem Bruder Dieter. Dieser bewahrte sie über viele Jahre auf. Doch bei seiner Scheidung und Auflösung des Haushaltes ging sie verloren.

 

Wenn man von den Grausamkeiten absieht, die jeder Krieg verursacht, konnte ich an keiner Stelle des mir zugängig gemachten Materials Hinweise finden, dass eine der insgesamt 9 Kompanien, denen mein Vater im Verlaufe des 2. Weltkrieges angehörte, oder er persönlich, an Kriegsverbrechen beteiligt waren.

 

Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg teilte am 05.02.2003 auf meine Anfrage mit: „Über Ihren Vater Herrn M... Martin, geboren am 17.10.1898, liegen hier keine Erkenntnisse vor.“

 

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Tag der Veröffentlichung: 11.11.2015

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