Cover




Ein ganz besonderer Tag



(

Mein schönster oder schlimmster Geburtstag






Ich erinnere mich noch genau daran. Für mich war Montag der 6.6.66 ein ganz besonderer Tag. Ich wurde endlich 18 Jahre alt und volljährig. Jetzt konnte ich über mein weiteres Leben selbst entscheiden.
Ich wohnte damals bei meiner Tante und meinem Onkel in Leipzig. Um mir den weiten Weg vom Elternhaus zu meiner Ausbildungsstätte zu sparen. Täglich musste ich nämlich von meinem Wohnort fast eine Stunde Fahrt mit dem Zug in Kauf nehmen. Das war aber noch nicht alles. Vom Hauptbahnhof Leipzig schloss sich dann noch eine halbstündliche Fahrt mit der Straßenbahn an. Nach weiteren 15 Minuten Fussmarsch traf ich dann endlich im Betrieb ein. Das waren jedes Mal fast zwei Stunden hin und wieder zwei Stunden zurück. Der Betrieb in dem ich lernte, war die Zweigstelle einer Schokoladenfabrik in der ich als Elektromechaniker ausgebildet werden sollte. Ich war dort also ein Lehrling. Heute sagt man dazu Azubi.

Nun möchte ich aber diesen besonderen Tag schildern.

Früh am Morgen war für mich die Nacht wie immer vorbei. Nach der Morgentoilette und dem gemeinsamen Frühstück mit meiner Tante, die mir natürlich herzlich zum Geburtstag gratulierte, mein Onkel war leider nicht da, er hatte auswärts einen längeren Lehrgang, ging ich zur Straßenbahn. Am Hauptbahnhof musste ich umsteigen und dann ging es weiter.
Im Betrieb angekommen wurde ich schon sehnsüchtig von meinen Kollegen erwartet. Sie hatten meinen Arbeitsplatz sehr schön geschmückt. Auf meine Werkbank hatten sie einen großen Bogen weißes Papier gelegt und darauf ein Geschenk sowie einen schönen Blumenstrauß plaziert. Alle wünschten mir das Beste und viel Glück in meiner Lehre. Nach Arbeitsschluss sollte dann noch eine kleine Feier mit ihnen stattfinden. Die Genehmigung hatten sie sich eingeholt.
Zu erst wurde gemeinsam Kaffee getrunken. Eine Kollegin hatte von zu Hause einen wunderbaren Kuchen mitgebracht, der allen sehr geschmeckt hat.
Nach dem Kaffetrinken spielte ein Kollege mit seinem Akkordeon und sorgte damit für Stimmung. Irgendwoher hatten sie eine große Flasche mit Schnaps aufgetrieben, die wie ich später erfahren hatte, aus dem Hauptwerk wo die Pralinen hergestellt wurden, stammte.
Alle prosteten mir zu. Mit jedem musste ich anstoßen. Ihr könnt euch sicher vorstellen was bald mit mir geschah. Meine Zunge wurde immer schwerer. Ich war geschafft. Wie ich damals nach Hause kam, ist mir heute noch ein Rätsel.
Meine Tante war nicht begeistert, als sie mich so sah. Sie war mir aber nicht böse, denn sie war auch der Meinung, dass man ja nur einmal im Leben 18 Jahre alt wird.

Für mich war dieser 6.6.66 auf der einen Seite ein wunderschöner Tag, andererseits war er aber auch ein schlimmer Tag. Ein Tag an dem ich einen so großen Filmriß hatte.
Am nächsten Morgen war ich zum Glück wieder fit. Die paar Kopfschmerzen, die ich noch hatte, vergingen schnell wieder.
Noch heute muss ich oft daran denken, obwohl schon so viele Jahre vergangen sind. Ja, es ist schon so lange her.




Impressum

Texte: Ulf Heimann
Bildmaterialien: Bild aus Google
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2012

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /